Protocol of the Session on October 26, 2006

Das Interessante, was ich aus den Gesprächen gelernt habe, ist, dass es dort, wo eine qualifizierte Auswahl der zu uns kommenden jungen Menschen stattfindet und wo es eine entsprechend

qualifizierte Betreuung gibt, auch der Studienerfolg extrem höher liegt als in den Fällen, in denen wir uns an den Hochschulen nicht in der notwendigen Weise um die jungen Menschen kümmern. Deswegen scheint es mir sehr wichtig zu sein, dass wir unsere Aktivitäten in Zukunft auch sehr genau daraufhin überprüfen, was für die Menschen tatsächlich erreicht werden kann.

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Pinkwart. – Damit ist die Mündliche Anfrage 82 erledigt.

Ich kann Ihre Frage nicht mehr zulassen, Frau Hendricks, denn Sie haben bereits zwei Fragen gestellt.

Wir sind am Ende der Fragestunde angelangt und kommen zu Tagesordnungspunkt

7 Situation der Familien in Nordrhein-Westfalen

Große Anfrage 2 der Fraktion der SPD Drucksache 14/1581

Antwort der Landesregierung Drucksache 14/2230

Ich erteile Frau Kollegin Altenkamp das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident, und noch einmal herzlichen Glückwunsch zur Wahl! – Meine Damen und Herren! „Situation der Familien in Nordrhein-Westfalen“: Wir haben heute und auch gestern schon einige Aspekte dieser Fragestellung im Plenum angesprochen.

Ich möchte mich auf diesem Wege noch einmal herzlich für die Antwort auf die Große Anfrage, die wir gestellt haben, bedanken. Ich glaube, trotz aller Diskussionen, die wir in der letzten Zeit haben, können alle Fraktionen von den Daten und den Antworten, die dort gegeben worden sind, ein Stück profitieren. In der Tat haben wir mit der Antwort auf diese Große Anfrage einen, wie ich finde, ganz aufschlussreichen Überblick über die Situation der Familien hier in Nordrhein-Westfalen.

Es wird deutlich, dass sich nicht nur die gesellschaftliche Realität der Familien geändert hat, sondern dass sich auch das Grundverständnis, was Familie eigentlich ist, bei den Parteien hier im Landtag angenähert hat. Familie ist der Ort, an dem mehrere Generationen füreinander eintreten und füreinander sorgen. Das ist der allgemeine

Konsens, den hier wohl alle vier Fraktionen unterschreiben würden. Von diesem Konsens ausgehend ist es, glaube ich, durchaus möglich, im Sinne der Familien, der Menschen hier in NordrheinWestfalen einige Initiativen möglichst gemeinsam zu machen.

Wir stellen auch fest – das ist schon mehrfach diskutiert worden –, dass die Betreuung zum Beispiel der unter Dreijährigen mehr als unbefriedigend ist. Ich will jetzt nicht auf das allgemeine politische Geplänkel übergehen, wer daran möglicherweise schuld ist. Aber ich will auf eine Sache hinweisen: Wir müssen angesichts der Rahmenbedingungen, die wir auf der Bundesebene durch das Elterngeld bekommen, einfach feststellen, dass das, was wir uns alle gemeinsam vorgenommen haben – ich erinnere an den Antrag der SPD-Fraktion, wozu es auch eine Anhörung gab, durch die Umwandlung von Plätzen zu einem größeren und breiteren Angebot an U3-Plätzen zu kommen –, bei allem Bemühen möglicherweise nicht ausreichen wird; denn das Elterngeld erhöht den Druck auf die Eltern beziehungsweise den Druck der Eltern auf die Betreuungseinrichtungen.

Unsere Fraktion unterstützt das, findet den Paradigmenwechsel richtig, sich zukünftig am Einkommen zu orientieren. Ich glaube aber, dass es notwendig ist, mit der Betreuungssituation darauf entsprechend zu reagieren. Immer mehr Eltern werden mit Beginn des zweiten Lebensjahres ihrer Kinder, wenn sie also kein Elterngeld mehr erhalten, einen Betreuungsplatz brauchen. Das wird die 20 %, von denen wir in der Diskussion um die Umsetzung des TAG ausgegangen sind, deutlich überschreiten. Davon gehen wir aus. Also sind wir jetzt wieder in einer ganz schwierigen Situation.

Letztlich glaube ich, dass wir alle gemeinsam bekennen müssen, dass die Demografiegewinne, von denen wir ausgegangen sind und wozu möglicherweise die flexible Schuleingangsphase und andere Dinge beitragen könnten, wesentlich später eintreten werden, als wir uns das alle gemeinsam erhofft haben.

Es gibt Thesen, die von 2013 sprechen, andere von 2015. Eines ist aber klar: Wir sind eigentlich von 2008 ausgegangen, und das TAG auch. Gesetzt den Fall, das ist nicht so, dann haben wir alle gemeinsam ein Problem, aber diese Landesregierung in ihrer Verantwortung ganz besonders. So viel steht fest.

Einige Themenkomplexe konnten nicht beantwortet werden; ich will sie nennen.

Bei der Gesundheit von Kindern gibt es einen breiten Strauß von Fragen, der nicht beantwortet

werden kann, weil wir entweder nur auf kommunales Datenmaterial, auf Berichte der Bundesebene oder auf einzelne Fragestellungen aus anderen Berichten, zum Beispiel Armuts- und Reichtumsbericht, zurückgreifen können.

Ich glaube, dass es auch im Anschluss an den gemeinsamen Antrag angezeigt ist zu überlegen, dass man in diesem Bereich die Datenlage deutlich – wie soll ich sagen – im Land vereinheitlicht, damit wir auf einer vernünftig basierten Datenlage Entscheidungen treffen können.

Ein anderer Punkt – das ist ein Spezialhobby von mir – ist das Heiratsverhalten von Migranten, was aber von einiger Bedeutung ist. Wenn wir über Dinge reden, die die Integration betreffen und bei denen wir es nach wie vor – das ist die These – mit Migrantinnen und Migranten zu tun haben, die vor allen Dingen ins Heimatland schauen, um dort ihre zukünftigen Ehepartner zu suchen, dann haben wir es unter den Fragestellungen der Integration auch mit einigen anderen Fragestellungen zu tun. Das sind Annahmen, Thesen. Auch dazu haben wir nach wie vor keine wirklich gesicherte Datenlage. Das werfe ich Ihnen nicht vor, sondern das Thema ist ein Hobby von mir, das ich seit vier Jahren predige. Vor dem Hintergrund hoffe ich, dass wir in dieser Frage einmal weiterkommen, denn wie die Menschen heiraten, ist unter Integrationsgesichtspunkten eine grundlegende Frage. Es ist eine Frage, ob und wie sie hier angekommen sind. Insofern stellt sich für mich die Frage, ob es nicht Sinn macht, dass wir zu einer systematischen Sammlung der familienrelevanten Daten im Land kommen.

Als weiteren Punkt möchte ich auch die Familie mit niedrigem Einkommen erwähnen. Ich meine nicht die Familien mit keinem Einkommen oder die, die von Transferleistungen leben, sondern die Familien mit niedrigem Einkommen und mehreren Kindern. Diese Familien tragen das höchste Armutsrisiko.

Das wird in der Beantwortung mehrfach deutlich, zum Beispiel auf Seite 17:

„Nur 8 % aller Eltern – in der Regel Frauen – gehen einer Teilzeitbeschäftigung nach, drei Viertel dieser Eltern waren alleinerziehend.“

Oder auf Seite 21:

„Entsprechend der vergleichsweise schlechten Einkommensposition tragen Haushalte mit minderjährigen Kindern ein erhöhtes Armutsrisiko.“

Und weiter auf Seite 21:

„So haben vor allem Familien mit drei oder mehr Kindern im Alter von unter 18 Jahren ein besonders hohes Armutsrisiko.“

Wir diskutieren im Augenblick auf der Bundesebene und auch hier – das haben wir gestern getan – immer über die Familien in besonders prekären Lebenslagen. Dazu komme ich gleich noch einmal. Aber die Fragestellung, die viele Familien mit geringem Einkommen an uns haben – die EinVerdiener-Familien, die Familien mit mehreren Kinder haben, die ein relativ geringes Einkommen haben, obwohl beide Ehepartner arbeiten –, ist: Welche Maßnahmen, welche Hilfen, welche Unterstützung haben wir diesen Familien anzubieten?

Ich glaube, viele Antworten, die wir landespolitisch bislang gegeben haben und die man auch der Beantwortung der Großen Anfrage entnehmen kann, sind nicht dazu geeignet, die Befürchtung dieser Familien, dass sie relativ schnell in Armut absinken können, wenn zum Beispiel ein Ehepartner die Arbeit verliert, zu zerstreuen.

Ein letzter Punkt: Familien in prekären Lebenslagen. Wie ist die Lebenslage in diesen Familien? Darüber ist in den gemeinsamen Antragstellungen schon viel gesagt worden. Aber ich glaube, dass man sich noch einmal über ein, zwei Punkte unterhalten sollte.

Wir beobachten bei diesen Familien Bildungsferne, Überschuldung, gesundheitliche Probleme bis hin zu Suchtproblemen, Arbeitslosigkeit und langen erlebten Transferleistungsempfang. Von dieser Situation ausgehend ist die Antwort, die Sie auch in der Beantwortung der Großen Anfrage geben, nämlich der Hinweis auf Familienzentren – die machen wir doch, und wir führen die sozialen Frühwarnsysteme in den Kommunen weiter fort – wahrscheinlich zu kurz gesprungen. Der Punkt ist vielmehr: Diese Familien erreichen Sie nicht mit sogenannten Komm-Strukturen. Sie erreichen sie nur, indem Sie offensiv in diese Familien hineingehen.

Das liegt in der kommunalen Verantwortung – wohl wahr –, aber ich glaube, dass wir alle gemeinsam überlegen sollten, wie das Land diese kommunale Verantwortung ein Stück stützen und den Kommunen in den Bereichen, wo es notwendig ist, helfen kann, Ungleiches ungleich zu behandeln. Denn auch bei den Kommunen fressen zum Beispiel die Hilfen zur Erziehung deren Jugendetat mittlerweile fast auf. Auf diese Weise entsteht die verrückte Situation, dass bei den Hilfen zur Erziehung tatsächlich eingespart wird, obwohl wir es da mit einem harten Rechtsanspruch

zu tun haben. So entstehen auch solche Situationen wie in Bremen, worüber wir gestern gesprochen haben.

Deshalb glaube ich, dass es notwendig ist, solche Dinge familienpolitisch zu flankieren. Wir stehen – ich kann nur für meine Fraktion sprechen – bereit zu überlegen, welches geeignete gemeinsame Initiativen sein können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Altenkamp. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Kern.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal auch von unserer Seite Dank an die Landesregierung für die umfassenden Antwort auf die Große Anfrage zur Situation der Familien in Nordrhein-Westfalen. Unser Ziel ist es, das neue Nordrhein-Westfalen zu dem familien- und kinderfreundlichsten Bundesland zu machen. Wir gehen diesen Weg mit den Familien in diesem Land gemeinsam. Wir wissen, dass diese notwendigen Veränderungen zunächst auch Unsicherheit bringen.

Unseres Erachtens ist die Familie nicht nur die Plattform, sondern auch der Motor unserer Gesellschaft. Familien zu stärken heißt, das Fundament unserer Gesellschaft zu stabilisieren, zu festigen. Nicht umsonst steht die Familie unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Die Familien brauchen die richtigen Rahmenbedingungen und erwarten von uns konkrete Antworten, Antworten auf Fragen nach besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nach einer flexiblen Kinderbetreuung, aber auch nach der Vereinbarkeit häuslicher Pflege oder nach Elternstärkung, nach Einfluss auf Stadtentwicklung oder Wohnumfeldverbesserungen.

Familienpolitik ist eben nicht nur eine Aufgabe des Bundes, des Landes und der Kommune, sondern die gesellschaftliche Querschnittsaufgabe unserer Zeit. Unsere Kinder können sich nur positiv entwickeln, wenn sie eine gute Erziehung – wir sagen: beste Erziehung –, Betreuung und Bildung erhalten. Kinder brauchen Vorbilder und Ideale, an denen sie sich orientieren können. Diese finden sie in erster Linie in der Familie. Heute haben Sie alle in der UNICEF-Veröffentlichung lesen können, was Kinder von der Familie erwarten.

Kinder brauchen Zeit, Aufmerksamkeit und Zuwendung. Sie brauchen Liebe und Schutz. Sie brauchen vor allem Eltern, die ihre Verantwortung

ernst nehmen. Deshalb müssen wir gemeinsam dafür sorgen, dass die Erziehungskompetenz unterstützt und gestärkt wird. Das ist auch der Aufgabenbereich, der sich in der Philosophie des Familienzentrums zentral wiederfindet.

Jeder von uns wurde in eine Familie geboren und weiß, die Beziehungen zu unseren Familienangehörigen begleiten uns ein Leben lang. Familie bedeutet ein ganz besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl, Unterstützung und Solidarität. Der Starke hilft dem Schwachen. Das ist übrigens in der sozialen Marktwirtschaft genauso. Wir brauchen keine staatlich abhängige Familie. Familie muss so stark sein, dass sie den Staat stützt.

(Beifall von der FDP)

Es gilt: Ist die Familie schwach, ist auch der Staat geschwächt. Natürlich gibt es auch Familien, die allein nicht zurechtkommen. Sie müssen unsere Unterstützung bekommen.

Wir alle wissen, das Bild von Familie hat sich gewandelt. Die Vater-Mutter-Kind-Konstellation ist nicht mehr das einzig denkbare Modell. Familie ist heute wieder vermehrt ein Miteinander unter Generationen. Wir haben aber auch viele Mütter und Väter, die alleinerziehend die Verantwortung für die Kinder übernehmen und übernehmen müssen.

Dass jedes elfte Kind auf Sozialhilfe angewiesen ist und immer mehr Kinder in Armut leben, sollte uns zu denken geben. Als Banker weiß ich, die Verschuldungssituation von Familien mit Kindern in Nordrhein-Westfalen ist besonders problematisch. Das hat auch mit der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre zu tun.

Verlässliche Betreuung stützt nicht nur die Familie, sondern heute und in Zukunft besonders auch die Wirtschaft. In wenigen Jahren braucht die Wirtschaft jeden Kopf und jede Hand. Deshalb muss auch die Wirtschaft ein erhebliches Interesse an verlässlicher Betreuung haben.

In dem Punkt „Vereinbarung von Familie und Beruf“ – wir haben heute schon darüber gesprochen – liegt auch nach CDU-Ansicht ein wesentlicher Schlüssel. Wir brauchen mehr familienfreundliche Unternehmenspolitik. Deswegen sind die Initiativen, die dazu von Berlin kommen, ausdrücklich zu begrüßen.

Beide wesentlichen Lebensmodelle, sowohl das Nur-Mutter-Sein als auch die berufstätige Mutter, sind Lebensformen, die unseres Erachtens gleichwertig zu unterstützen sind. Die Entscheidung für oder gegen Kinder darf nicht allein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen werden. Deswegen sollten wir es nicht zulassen, dass