Ergebnisse von Befragungen zeigen regelmäßig, dass sich die Frauen auch in Deutschland ein bis zwei Kinder wünschen; genau ist das ein Wert von 1,7. Wenn man dann die tatsächliche Geburtenrate nimmt, landen wir bei 1,3 Kindern und liegen damit im Vergleich deutlich unterhalb der wichtigsten Industrieländer.
„Wie kommt es dazu?“, muss man sich fragen. Haben wir vielleicht politisch falsche Weichen gestellt? Welche Verantwortung müssen Unternehmen oder Kommunen übernehmen, um diese Situation zu verbessern?
Die Gründe für den Rückgang der Geburtenrate in der Bundesrepublik sind vielfältig. Man kann sie nicht auf einen Aspekt verkürzen. Dazu sind heute die Anforderungen im Beruf auch viel zu komplex. Der Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials wird allein durch Migration nicht aufzufangen sein, sondern wir brauchen auch eine Erhöhung der Frauenerwerbsquote in unserem Land. Dazu müssen sowohl die Verantwortlichen in der Wirtschaft als auch in der Politik Weichen stellen.
Finanzielle Anreize des Staates alleine sind es heute nicht mehr; denn die Menschen verlangen ein sinnerfülltes Leben und haben auch das Selbstverständnis, als respektierte Arbeitnehmer dastehen zu können. Wir brauchen also ausreichend Arbeitsplätze, bei denen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch Priorität hat.
Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden die Anforderungen schließlich nicht nur im Berufsleben, sondern auch im Privatleben immer komplexer. Als Stichworte nenne ich nur die zunehmende Zahl Alleinerziehender, die steigende Notwendigkeit von zwei Arbeitseinkommen zur Versorgung der Familie und auch die Ausweitung der familiären Pflichten nicht nur Kindern gegenüber, sondern auch in Pflegesituationen.
Das heißt: Die Förderung der Balance von Familie und Beruf sowie auch die Förderung von Frauen in der Wirtschaft lohnen sich für Unternehmen.
Das haben viele Unternehmen inzwischen erkannt und sich auf den Weg gemacht; viele eben leider aber noch nicht.
Passende Beschäftigungsmodelle zu schaffen muss ein Teil einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur sein oder noch werden. Die direkt Begünstigen einer solchen partnerschaftlichen Kultur sind als Erstes natürlich die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer, die nicht nur bei der alltäglichen Koordination von Berufs- und Privatleben entlastet werden, sondern auch hierdurch eine kontinuierliche Erwerbsbiografie und verbesserte Perspektiven bekommen.
Zum Zweiten profitiert auch der Staat. Denn er wird nicht nur bei der Umsetzung seiner sozialpolitischen Aufgaben unterstützt, sondern er hat durch die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung auch höhere Sozialeinnahmen.
Die dritte Gewinnergruppe sind die Unternehmen selbst. Neuere Forschungen weisen darauf hin, dass durch eine mitarbeiter- und familienorientierte Personalpolitik nicht nur Wettbewerbsvorteile, sondern auch Kosteneinsparungen erzielt werden können.
So erwarten wir, dass die nordrhein-westfälischen Unternehmen im Hinblick auf den demografischen Wandel und den drohenden Fachkräftemangel eine geeignete Personalpolitik betreiben, die dem Thema gerecht wird. Das kann man zum Beispiel durch flexible Arbeitsorganisation gestalten.
In vielen Unternehmen ist die Anzahl der flexiblen Arbeitszeitmodelle inzwischen sogar schon identisch mit der Anzahl der Mitarbeiter. Das hilft den Beschäftigten und erleichtert den Unternehmen, ihre individuellen Service- oder Betriebszeiten auszudehnen.
Ich habe am letzten Freitag in Marl im Kreis Recklinghausen die dortige Volksbank besucht. Dort ist es gelungen, für manch einen Arbeitsplatz die Splittung auf vier Arbeitnehmerinnen zu ermöglichen, was mir gezeigt hat, dass man mit Flexibilität, wenn man denn will, auch einiges erreichen kann. Das wird den Mitarbeiterinnen in hohem Maße gerecht.
Man kann aber so etwas auch durch Arbeitszeitkonten erreichen, die sich aufbrauchen lassen für Kinderbetreuung, für Weiterbildung, für die sogenannten Sabbaticals oder für den gleitenden Übergang in den Ruhestand. Es gibt weitere Maßnahmen, die man unter dem Stichwort „familienfreundliche Personalpolitik“ ergreifen kann, wie Telearbeit oder Gleitzeit, um die starren Öffnungszeiten von Schulen und Kindergärten bes
Entscheidend ist jedoch, dass die Etablierung einer familienbewussten Arbeitsorganisation und die Umsetzung einer die Chancengleichheit fördernden Personalpolitik auch betriebswirtschaftlich für die Unternehmen Sinn macht. Das war Gegenstand einer Untersuchung des Vereins Total E-Quality e. V. bei Unternehmen, die eine familienfreundliche Personalpolitik verfolgen. Deren Fazit ist eindeutig: Die Kosten für die entsprechenden Maßnahmen sind gering und kommen meist sogar allen Mitarbeitern zugute.
Neben den Instrumenten der Arbeitsorganisation und Personalentwicklung ist von entscheidender Bedeutung, wie Betriebe Frauen, aber auch Männer während der Elternzeit und Familienphase unterstützen. Hier gibt es ebenfalls Möglichkeiten für die Betriebe, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Kinderbetreuung Hilfe anzubieten.
Stichworte wie die Einrichtung oder Unterstützung von Kindertagesstätten oder Betreuungsinitiativen kennen Sie alle. Zu diesem Thema wurde mir am Montag beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln-Porz ein sehr gutes Beispiel präsentiert. Das DLR hat sich zum Beispiel in dem Audit Beruf und Familie zertifizieren lassen und einen Vertrag mit dem örtlichen Familienservice abgeschlossen, bei dem sich alle Mitarbeiter mit Service und Beratung versorgen können, wenn sie das denn brauchen, und zwar nicht nur für Kinderbetreuung, sondern sogar auch für Nachbarschaftsdienste, für Ferienprogramme und all das. Das war für mich wieder ein Hinweis: Aha, das gibt es doch. Gerade in der Wissenschaft, wo man manchmal ein Fragezeichen macht, wird sehr weit und fortschrittlich gedacht.
Wenn wir jetzt die Landesregierung bitten, die Wirtschaft aktiv bei der Lösung dieser vielfältigen Aufgaben zu unterstützen, stoßen wir sicher nicht auf taube Ohren. Werben wir doch bitte alle gemeinsam für die Berufsrückkehrer, für die Wiedereinsteigerinnen, für Flexibilität, für Weiterbildung während der Unterbrechungsphasen und für Hilfen bei der Betreuung. Ich denke, wir werden alle etwas davon haben. – Danke.
Vielen Dank, Frau Kollegin Milz. – Als nächster Redner hat für die weitere antragstellende Fraktion der FDP der Kollege Lindner das Wort.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsleben ist eine der gesellschaftspolitischen Schlüsselaufgaben – aus unterschiedlichen Gründen: zum einen, weil wir in veränderten Lebenszusammenhängen von jungen Männern und jungen Frauen in Deutschland und Europa feststellen, dass es einen klaren Zusammenhang von Erwerbsbeteiligung und realisiertem Kinderwunsch gibt.
Was auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, hängt damit zusammen, dass sich die sehr gut ausgebildeten jungen Menschen heute eben nicht mehr alternativ zwischen Kind und Karriere entscheiden wollen, sondern dass sie sich für den Beruf entscheiden. Fraglich ist dann, ob sie sich auch noch für Kinder – vielleicht auch für mehr als ein Kind – entscheiden. Also: Das ist eine Schlüsselaufgabe der Gesellschaft am Vorabend des demografischen Wandels, bevor er sich dann spürbar abzeichnet.
Es gibt einen zweiten Grund, warum das eine gesellschaftspolitische Schlüsselaufgabe ist: Es geht um unternehmerische und wirtschaftliche Interessen in einer Zeit, in der wir erkennen, dass junge Frauen in der Regel besser qualifiziert sind als junge Männer, wenn man etwa die Abiturnoten oder den Studienerfolg betrachtet. In einer Situation, in der wir in absehbarer Zeit einen erheblichen Fachkräftemangel beklagen müssen, sind wir gehalten, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass diese Potenziale von jungen Frauen und jungen Männern unserer Volkswirtschaft zur Verfügung stehen.
Im Vergleich mit unseren europäischen Nachbarn haben wir bei der Frauenerwerbsbeteiligungsquote noch einiges aufzuholen. Ich füge hinzu: Das Land Nordrhein-Westfalen – ich habe die ganz aktuellen Zahlen nicht im Kopf – hat in den vergangenen Jahren auch im Vergleich der Bundesländer hierbei noch einen erheblichen Nachholbedarf zu verzeichnen gehabt.
Das hängt auch und gerade damit zusammen, meine Damen und Herren, dass wir nicht hinreichende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder haben, die jünger als drei Jahre alt sind. Die Quote in Nordrhein-Westfalen beträgt 2,8 %. Wir wollen und müssen für mindestens ein Fünftel der Kinder im Alter von unter drei Jahren verlässliche, qualitativ hochwertige Betreuungsplätze anbieten.
Diese Koalition hat sich darauf verpflichtet, bis zum Jahr 2010 diese Quote zu erreichen, ohne aber Qualitätsmaßstäbe zu vernachlässigen. Wir
Wir dürfen es dabei nicht bewenden lassen, sondern müssen auch auf andere Maßnahmen unser Augenmerk richten.
Ich will zum Beispiel auf den Aspekt der betrieblichen Kinderbetreuung zu sprechen kommen. Für Unternehmen gibt es auch betriebswirtschaftlich gute Gründe, Frauen, die in den Mutterschutz gehen, an das Unternehmen zu binden und ihnen über die Mutterschaft hinaus eine Berufstätigkeit zu ermöglichen. Das erklärt sich ganz einfach daraus, dass die Kosten für die Wiederbesetzung einer Stelle in der Regel um ein Vielfaches die Kosten übersteigen, die für familienfreundliche Maßnahmen aufzuwenden wären. Außerdem steigt die Mitarbeiterzufriedenheit, wenn sich Unternehmen daran beteiligen, ein familienfreundliches Umfeld zu schaffen. Auch das ist am Ende des Tages, weit jenseits sogar von gesellschaftspolitischer Verantwortung von Unternehmen in betriebswirtschaftlichem Interesse.
Es gibt also gute Gründe dafür, bei Unternehmen und den Wirtschaftsverbänden dafür zu werben, sich unterschiedlichen Maßnahmen der Steigerung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben zu stellen. Insbesondere die betrieblich unterstützte Kinderbetreuung scheint mir hier in Nordrhein-Westfalen noch ausbaufähig zu sein.
Ich kenne die aktuelle Zahl der Plätze in Betriebskindergärten beziehungsweise der in Kindertageseinrichtungen von Betrieben für ihre Mitarbeiter reservierten Plätze nicht. Aktuelle Zahlen hat vielleicht der Minister gleich parat. Ich weiß nur eins: In den vergangenen Jahren war es so, dass von 550.000 Kindergartenplätzen lediglich gut 600 in betrieblichen Kindertageseinrichtungen vorgehalten worden sind. Die Vorgängerregierung hat in Pressebulletins immer darauf hingewiesen, wie wichtig das sei. Aber selbst grundlegendes Handwerkszeug wie das damals sehr gut formulierte Handbuch „Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung“ war über Jahre vergriffen. Es gab keine Veranlassung, dieses Thema dann auch ernsthaft noch einmal anzugehen. Ich bin froh, dass wir auch mit dieser Initiative der Koalitionsfraktionen jetzt wieder eine zusätzliche Belebung in dieser Debatte bekommen.
Ich rege an, dass wir über die Maßnahmen, die hier vorgeschlagen sind, insbesondere auch als Parlament den Dialog suchen mit Gewerkschaften, mit den Wirtschaftsverbänden und den Arbeitgeberverbänden, um sie für die Möglichkeiten zu sensibilisieren, die hier auch für sie selbst liegen. Es kann natürlich nicht nur eine Aufgabe des Landes sein. Man darf und kann sich nicht auf einen gesetzlichen Rechtsanspruch, etwa auf Teilzeit, beschränken, wie das die frühere Bundesregierung vorgesehen hatte. Wir müssen vor allen Dingen auf einen Bewusstseinswandel und darauf setzen, dass die Akteure aus eigenem Antrieb erkennen, dass sie auch zum eigenen Vorteil solche Maßnahmen einleiten.
Der Antrag, der hier vorliegt, ist ein guter Anstoß für diese Debatte. Deshalb freue ich mich mit Ihnen gemeinsam auf die weiteren Detailberatungen im Ausschuss. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD die Kollegin Tillmann das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als ich diesen Antrag gelesen habe, habe ich öfter zurückgeblättert, weil ich mich unbedingt vergewissern musste, wer denn der Antragsteller ist. Ich kann es eigentlich bis heute immer noch nicht glauben. Anscheinend hat sich die CDU-Fraktion auf den Weg gemacht, das Küchen-K durch das Karriere-K zu ersetzen.
Im Antrag steht ja auch: Die Frauenerwerbsquote muss erhöht werden. Da sage ich: Aber hallo! Willkommen! – Um in dem Vergleich Ihres geschätzten Kollegen Solf zu bleiben, rufe ich aus: Willkommen in der Scheune von Rot-Grün! Unsere Tore stehen Ihnen offen.
Absolut erfreulich ist, dass CDU und FDP zu der Erkenntnis gekommen sind, dass auch Unternehmen einen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu leisten haben.
die Ergebnisse der Kurzuntersuchung des Allensbach-Instituts vom Dezember 2005 zum Thema „Familienfreundlichkeit in Betrieben“ gestützt. Sie scheinen fast 1:1 in diesen Antrag übernommen worden zu sein.
Ein kurzer Auszug nur: Auf die Frage „Was muss ein Betrieb Ihrer Ansicht nach tun, der besonders familienfreundlich sein will?“, nannten 83 % der Befragten flexible Arbeitszeiten, zum Beispiel Gleitzeit, Arbeitszeitkonten usw. 67 % fanden, der Wiedereinstieg in den Beruf nach Elternzeit sollte erleichtert werden, zum Beispiel durch Weiterbildungsangebote während der Elternzeit. – Ich könnte das jetzt fortführen. Es sind eine ganze Menge Handlungsoptionen, die in Ihren Antrag aufgenommen worden sind. Da beschleicht mich der Verdacht, dass Sie eventuell dort abgeschrieben haben.
Die von Ihnen genannte Handlungsoption Vermittlung von kurzzeitigen Arbeitseinsätzen während der Elternzeit im Rahmen von Urlaubs- und Krankheitsvertretungen ist anscheinend von Ihnen eigenständig hinzugefügt worden. Darüber müssen wir im Ausschuss noch einmal reden. Denn die Formulierung lässt den Schluss zu, dass Beschäftigte, die sich in Elternzeit befinden, als Springer eingesetzt werden sollen.
Auf einen weiteren wesentlichen Aspekt im Bereich Teilzeitarbeit und Jobsharing sind Sie leider nicht eingegangen. Das ist die Teilzeitarbeit oder das Jobsharing von Führungskräften. Karrierewege sind oft immer noch an Vollzeitarbeit gebunden. Auch hier sind Unternehmen gefordert, umzudenken und umzustrukturieren.