Angela Tillmann
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Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher auf den Tribünen! Anscheinend gibt es eine nicht erklärbare diametrale Entwicklung. Je mehr die Politik sich den Themen Integration, Migration, Zuwanderung, Einwanderung und Einbürgerung widmet, desto stärker gehen die Einbürgerungszahlen zurück. Anscheinend wird es für Migrantinnen und Migranten immer unattraktiver, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Während es im Jahr 2000 in NordrheinWestfalen noch ca. 65.700 Einbürgerungen gab, lag ihre Zahl im Jahr 2008 bei 26.100. Dies ist ein Rückgang von fast 40 %.
Warum sollten Migrantinnen und Migranten die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen? Für die Einbürgerung sprechen sowohl rechtliche als auch emotionale Gründe.
Rechtliche Gründe sind: Die deutsche Staatsbürgerschaft verschafft eine absolute Aufenthaltssicherheit. Mit Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft tritt gleichzeitig das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern in Kraft. Die gesetzlichen Bestimmungen des Ausländergesetzes fallen weg. Kinder eingebürgerter Eltern stehen nicht vor der Entscheidung, sich für die deutsche Staatsbürgerschaft oder die Herkunftsnationalität entscheiden zu müssen. Eventuelle familiäre Konflikte entfallen. Nicht zu vergessen ist auch die politische Teilhabe durch das aktive und passive Wahlrecht.
Emotionale Gründe, sich für die deutsche Staatsbürgerschaft zu entscheiden, können sein: die bewusste Entscheidung von Migrantinnen und Migranten, in Deutschland leben, arbeiten und älter werden zu wollen, einhergehend mit dem Gefühl, in Deutschland zu Hause zu sein bzw. sich mit ihrer neuen Heimat zu identifizieren, und die Entscheidung, das aktive und passive Wahlrecht auch ausüben zu wollen und sich somit an der politischen Willensbildung zu beteiligen.
Wenn wir uns die andere Seite anschauen, stellen wir fest, was den gerade genannten Gründen gegenübersteht. Erstens – Frau Asch hat es schon angesprochen –: die grundsätzliche Forderung der Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft. Insbesondere für viele ältere Migrantinnen und Migranten, die seinerzeit sicherlich auch mit dem Blick darauf nach Deutschland gekommen sind, im Alter vielleicht wieder in ihr Herkunftsland zurückzukehren, ist es unvorstellbar, ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben, da sie dies als Aufgabe ihrer eigenen Identität empfinden.
Zweitens: ein aufwendiges Einbürgerungsverfahren. Wir sind wohl alle einer Meinung – Sie haben das ja gerade auch noch einmal angesprochen –, dass mit den Sprachtests und Einbürgerungstests sicherlich ganz bestimmte Anforderungen gestellt werden. Ich habe Ihnen hier einmal die 50-seitige Broschüre der Bundesregierung „Wege zur Einbürgerung“ mitgebracht, durch die man sich kämpfen muss, wenn man die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen will. Das sind ja nicht nur Worte; dahinter stehen natürlich auch jede Menge Anforderungen.
Drittens: nicht unerhebliche Kosten. Frau Asch hat diesen Punkt auch schon angesprochen. Für eine Familie mit zwei Kindern liegen die hier anfallenden Kosten bei ungefähr 612 €. Das sind aber nicht die alleinigen Kosten. Dazu kommen noch die Kosten für Übersetzungen und beglaubigte Kopien sowie die Kosten für die Entlassung aus der alten Staatsbürgerschaft. Für eine Familie mit zwei Kindern kann eine Einbürgerung also gut und gerne 2.000 bis 3.000 € kosten. Das hängt ein bisschen von dem Land ab, aus dessen Staatsangehörigkeit man entlassen werden will.
Viertens: häufig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ausländerämtern, die ihrer Informations- und Beratungspflicht nur häppchenweise nachkommen und eher reglementierend als unterstützend wirken, und oft räumliche Gegebenheiten in Ausländerämtern, die durch Ausstattung und Atmosphäre schon das Gefühl vermitteln, eher Bittsteller als willkommener neuer Staatsbürger zu sein.
Das Thema Einbürgerung kann nicht vom Thema Integration losgelöst werden. Neben der strukturellen Integration müssen auch die kulturelle Integration, die soziale Integration und die identifikative Integration betrachtet werden.
Wenn wir wollen, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund integrieren und die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen – ich glaube, dass das der Wille aller hier im Parlament ist –, müssen wir Bedingungen schaffen, damit die eben genannten vier Dimensionen der Integration für Migrantinnen und Migranten erlebbar und erfahrbar werden.
Soziale und identifikative Integration werden aber erst dann erlebbar, wenn wir als Aufnahmegesellschaft uns den Menschen mit Migrationshintergrund zuwenden. Damit ist nicht nur die Politik im Allgemeinen gemeint, sondern es geht besonders um die real lebenden Menschen: in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, im Verein, in den Behörden.
Insbesondere die Muslime stellen eine besondere Gruppe unter den Menschen mit Migrationshintergrund dar. Ich verweise an dieser Stelle auf eine Studie der Muslime in Deutschland und hebe nur kurz hervor: Muslime erleben in Deutschland, dass ihr Glaube und ihre Religiösität nicht respektiert werden. Sie haben Angst, ihre kulturelle und religiö
se Identität zu verlieren, und den Wunsch, mehr an Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden.
An dieser Stelle möchte ich gerne einmal an die massiven Proteste beim Bau von Moscheen erinnern. Ich möchte ferner an die Diskussion in der Bevölkerung erinnern, wenn an bereits bestehenden Moscheegebäuden zum Beispiel Minarette angebaut werden.
Partizipationsmöglichkeiten von Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürgern sind ebenfalls sehr begrenzt. Vergessen wir nicht den Eiertanz hier im Parlament um die Änderung des § 27 der Gemeindeordnung und die seit Jahren auf der Stelle tretende Diskussion um das kommunale Wahlrecht für Nicht-EUBürgerinnen und -Bürger.
Hinzu kommt, dass sich in Deutschland lebende Muslime diskriminiert fühlen, und zwar hauptsächlich in den Schulen, an den Universitäten, am Arbeitsplatz und bei der Wohnungssuche. Der Eindruck verfestigt sich, dass wir als Aufnahmegesellschaft Abweisungstendenzen zeigen. Also noch einmal: Warum sollten sich Migrantinnen und Migranten in eine Gesellschaft einbürgern lassen, die sie anscheinend nicht will?
Die von der Landesregierung ins Leben gerufene Einbürgerungsoffensive ist von allen Fraktionen begrüßt worden. Ich bezweifle aber, dass sie greift. Warum? Weil sie eben nur die Migrantinnen und Migranten in den Blick nimmt, nicht aber gleichzeitig die sogenannte Aufnahmegesellschaft!
An dieser Stelle sei noch einmal ganz klar gesagt: Integration ist keine Einbahnstraße. Ziel muss es sein, unsere Gesellschaft zu einer Einwanderungsgesellschaft zu gestalten, die sich auf Menschen mit Migrationsgeschichte aus unterschiedlichen Herkunftsländern und unterschiedlichen Glaubens einlässt, die bereit ist, Vielfalt zuzulassen, und die die Möglichkeit bietet, Vielfalt zu leben.
Eine besondere Hinwendung benötigt die Gruppe der jungen Erwachsenen, die die deutsche Staatsbürgerschaft über das Optionsmodell haben. Die ersten von ihnen werden demnächst vor die Frage gestellt, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft behalten oder ihre Abstammungsstaatsbürgerschaft aufgeben wollen. Ich zitiere aus dem Integrationsbericht Seite 111:
Aus Gründen ihrer Integration in die Gesellschaft, in der sie aufgewachsen sind und leben, ist zu hoffen, dass die Entscheidung zugunsten der deutschen Staatsangehörigkeit ausfallen wird.
Dieser wohlklingende Satz ist natürlich eindeutig zu wenig. Der Hoffnung müssen Programme zur Seite gestellt werden. Da in jedem Fall eine Optionspflicht besteht, ist der Hinweis der Behörden, dass sich der junge Erwachsene erklären muss, sowie die Erklärung der Verfahrensvorschriften zweifelsfrei zu wenig. Sowohl Eltern als auch die betroffenen jungen
Menschen müssen motiviert werden, die deutsche Staatsbürgerschaft beizubehalten, auch wenn die Eltern eine andere Staatsbürgerschaft besitzen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Lippenbekenntnisse, mehr Einbürgerungen zu wollen, genügen nicht. Wenn wir dies wirklich wollen, dann müssen wir erstens die Anforderungen zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft dringend überprüfen. Zweitens bedarf es neben der Information auch der Motivation, Unterstützung und Begleitung der Menschen, die sich auf den langen Weg machen, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Und wir benötigen drittens die Entwicklung einer Willkommenskultur, die nicht nur politisch gewollt ist, sondern die auch ihre Verankerung in der Zivilbevölkerung findet.
Ich hoffe auf eine ausführliche, differenzierte und intensive Beratung in den Ausschüssen zu diesem Thema. – Vielen Dank.
Wir reden die ganze Zeit über 150 Millionen €, und nur etwa 28 Millionen € sollen jetzt an die Berufskollegs ausgeschüttet werden. Was passiert mit den restlichen 120 Millionen €? Können Sie schon eine Auskunft geben, wofür die verwendet werden sollen?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher des Landtags! Seit ungefähr 2005 klopft sich die selbst ernannte Koalition der Erneuerung aus CDU und FDP beständig auf die eigenen Schultern, einen Integrationsminister installiert zu haben, den ersten in der Bundesrepublik – wohlgemerkt. Vor lauter Schulterklopfen scheint der CDU und der FDP entgangen zu sein, dass ihrem Integrationsminister allein im Vergleich zu 2005 ca. 17.088.000 € im Kapitel Integration Zugewanderter verlorengegangen sind. Herr Lindner hat darauf eben aufmerksam gemacht, dass man sich in der Haushaltsrede sicherlich Zahlen und die dann auch über einen etwas längeren Zeitraum anschauen sollte.
Richtig ist, dass die Zahl der Flüchtlinge und der Asylbewerber rückläufig war und ist. Daher sind auch die Ausgaben für die Kostenpauschalen nach § 9 Abs. 2 und § 10a Landesaufnahmegesetz gesunken.
Richtig wäre aber auch, die hier eingesparten Mittel in sogenannte nachholende Integrationsmaßnahmen fließen zu lassen. Wie wichtig diese nachholende Integration ist, belegt auch der vor wenigen Tagen erschienene Bericht „Ungenutzte Potenziale – Zur Lage der Integration in Deutschland. Ich werde darauf später noch eingehen.
Der vorliegende Etatentwurf im Bereich Integration ist absolut enttäuschend. Wurden 2008 noch die Haushaltsansätze von 2007 übernommen, werden in 2009 1,242 Millionen € weniger eingestellt. Circa 230.000 € im NRW-Programm werden gekürzt und darüber hinaus noch einmal aus dieser Position rund 70.000 € umverteilt.
Richtig ist, nicht abgerufene Gelder nicht immer wieder in den Haushalt einzustellen.
Richtig wäre aber auch, diese Gelder für andere sinnvolle Maßnahmen einzusetzen, zum Beispiel für den von Herrn Kufen geforderten Dialog mit Ausländern, den Herr Engel von der FDP ja bereits vollinhaltlich unterstützt hat: Es gehe um den Dialog und den Dialog vor Ort. – Ich denke, das ist richtig. Aber es wäre ja auch eine Möglichkeit, das Geld umzuverteilen.
Unna-Massen ist ebenfalls dem Rotstift zum Opfer gefallen. Im Dezember 2007 stellt Minister Laschet fest – ich zitiere aus der Presseinformation der Landesregierung 1469/12/2007 –: „Mit der Neustrukturierung wird die Integrationspolitik der Landesregierung konsequent fortgeführt und gestärkt.“ – „Gestärkt“ hört sich gut an. Am 04.11.2008 fällt die Entscheidung, Unna-Massen und dieses Kompetenzzentrum komplett zu schließen. Der Etat des Integrationsministers wurde und wird zur klammheimlichen Zapfsäule des Finanzministers.
Der „Aktionsplan Integration“ ist von allen Fraktionen mitgetragen worden und in vielen Punkten eine Fortführung der unter Rot-Grün begonnenen Maßnahmen. Mit Spannung erwarten wir den Zwischenbericht des Ministers. Sollten Sie, Herr Minister Laschet, diesen nicht vorgesehen haben, stellen Sie sich schon einmal darauf ein, dass wir ihn fordern werden.
Herr Minister Laschet, Sie haben der LAGA, den in Ausländerbeiräten, in Integrationsräten und in Integrationsausschüssen ehrenamtlich tätigen Migrantinnen und Migranten immer und immer wieder versprochen, ihre Beteiligungsrechte in der Kommune zu stärken. Geschehen ist bisher nichts. Ihre persönliche Glaubwürdigkeit steht hier auf dem Spiel, Ihre Glaubwürdigkeit gegenüber Migrantinnen und Migranten. Mir persönlich ist Ihre Glaubwürdigkeit nicht so wichtig. Das mögen Sie sicherlich nachvollziehen können.
Mir ist aber die Glaubwürdigkeit der Integrationspolitik wichtig. Wir alle wollen – und haben uns auch auf den Weg gemacht – fraktionsübergreifend die Integrationspolitik nach vorne bringen. Wir wissen alle, wie sensibel Migrantinnen und Migranten auf gebrochene politische Versprechen reagieren. Es kann nicht sein, dass Sie sich und Ihre Kollegen von der Landesregierung einen schlanken Fuß machen und die Verantwortung für die Beteiligungsmöglichkeiten von Migrantinnen und Migranten an die Kommunen delegieren und diesen dann gegebenenfalls den Schwarzen Peter zuschieben. Ihren Ankündigungen, Herr Minister, müssen nun auch bald Taten folgen.
Mit Blick auf den vorhin angesprochenen Bericht „Ungenutzte Potenziale“ will ich nur einige Punkte nennen, die eklatant aufgefallen sind: Gefordert werden gruppenspezifische Konzepte; es geht um die Berücksichtigung der Stärken und Schwächen der einzelnen Herkunftsgruppen; und sicherlich müssen auch nachholende Integrationsmaßnahmen ausgebaut werden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar und absolut unverständlich, dass im Bereich Integration Einsparungen vorgenommen und freiwerdende Mittel nicht wieder in anderen Projekten eingesetzt werden.
Jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit der Litanei, wir hätten keine Anträge gestellt, wären in einer Multikulti-Romantik verfangen gewesen und hätten es seit 39 Jahren ja ändern können.
Ja, darauf möchte ich Ihnen kurz antworten. Ich kann nachher nicht mehr ans Rednerpult.
Wir haben keine Anträge mehr zu diesen Kapiteln gestellt, weil wir dies schon in den Jahren vorher getan haben und sie immer abgelehnt worden sind. Die Devise von CDU und FDP lautet: Wir stimmen grundsätzlich keinen Anträgen zu.
Wir haben sicherlich den Wert der Integration ein bisschen hintangestellt. Wir haben gedacht, durch den alltäglichen Umgang in der Arbeitswelt mit den Menschen wäre Integration einfacher möglich. Das ist nicht gelungen, wir haben diese Einschätzung revidiert.
Aber: Wir stehen auch für Deutschland als Einwanderungsland. Im Bau von Moscheen sehen wir nicht den Untergang des Abendlandes. Wir sind auch für eine Diskussion über die doppelte Staatsbürgerschaft und wir wollen im ersten Schritt das kommunale Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer. Von daher sage ich: Integration ist ganz wichtig; bei der Integration bitte nicht sparen! – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher auf den Tribünen! Aufgrund der begrenzten Redezeit ist es heute nicht möglich, auf alle wichtigen Teilaspekte des Integrationsberichts einzugehen. Eine genauere und differenziertere Betrachtung werden wir dann sicher in den Ausschüssen vornehmen können.
Der vorgelegte Integrationsbericht belegt, dass die sozioökonomische Situation von Menschen mit Migrationshintergrund in Nordrhein-Westfalen alles andere als zufriedenstellend ist.
Beispielhaft möchte ich auf die aktuelle Situation von Schülern und Schülerinnen eingehen. Mehr als jeder vierte Hauptschüler und jeder vierte Förderschüler kommt aus der Gruppe der Ausländer und Ausländerinnen sowie Aussiedler und Aussiedlerinnen, aber nur jeder 17. Gymnasiast. Neun von zehn Gymnasiasten sind weder Ausländer oder Ausländerinnen noch Aussiedler oder Aussiedlerinnen.
Die Unterschiede werden noch krasser, wenn nicht nach Schulen, sondern nach Klassen unterschieden wird. In jeder dritten Gymnasialklasse in Nordrhein-Westfalen liegt der Anteil der ausländischen und ausgesiedelten Schüler und Schülerinnen bei 0 %. Dem steht die Tatsache gegenüber, dass in jeder sechsten Hauptschulklasse über die Hälfte der Schüler und Schülerinnen Ausländer und Ausländerinnen bzw. Aussiedler und Aussiedlerinnen sind.
Im letzten Schuljahr ist die Quote der ausländischen Schüler und Schülerinnen ohne Schulabschluss wieder angestiegen, und zwar von 14,3 auf 14,8 %. Damit liegt sie im Vergleich zu den deutschen Schülern und Schülerinnen um fast das Dreifache höher. Und diese Ergebnisse zeigen ganz glasklar, dass an den weiterführenden Schulen die Teilhabe an Bildungschancen extrem ungerecht verteilt ist. Da finde ich es fast zynisch, wenn die Antwort von CDU und FDP auf diese Ergebnisse heißt: Wir machen eine Hauptschuloffensive.
Es bleibt festzuhalten, dass Menschen mit Migrationshintergrund am Ende einer sozioökonomischen Rangliste stehen. Erstaunlich und erfreulich sind dagegen die Ergebnisse bei den eingebürgerten ehemaligen Ausländerinnen und Ausländern. Ich verzichte jetzt auf eine nochmalige Auflistung dieser Ergebnisse – meine Vorrednerinnen und Vorredner sind darauf schon eingegangen und haben sie auch genannt –, obwohl es mir schwerfällt, weil diese Ergebnisse ausgesprochen erfreulich und sehr positiv zu bewerten sind.
Die Vermutung liegt nahe, dass durch steigenden wirtschaftlichen Erfolg und die damit verbundene gesellschaftliche Anerkennung auch die Bereitschaft zur Einbürgerung steigt. Leider gibt der Bericht hierzu keinerlei Auskunft.
Es wäre sicherlich auch einmal lohnenswert gewesen zu erfahren, welche Gründe Menschen bewegen, aktiv zu werden und sich einbürgern zu lassen. Ich denke, die Einbürgerungshemmnisse sind uns allen bekannt. Da ist erst einmal die grundsätzliche Forderung nach Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit. Und das Einbürgerungsverfahren ist aufwendig, zeitintensiv und vor allen Dingen auch teuer.
Herr Minister Laschet, Sie haben eben die Einbürgerungsoffensive angekündigt. Auf die sind wir sehr gespannt. Denn neben der Sachinformation bedarf es der Motivation, der Unterstützung und der Begleitung der Menschen, die sich auf den Weg machen, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen.
Eine besondere Hinwendung benötigt die Gruppe der jungen Erwachsenen, die die deutsche Staatsbürgerschaft über das Optionsmodell erlangt haben. Die ersten von ihnen werden demnächst mit der Frage konfrontiert werden, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft behalten und ihre Abstammungsstaatsbürgerschaft aufgeben wollen. Ich zitiere aus dem Bericht:
Aus Gründen ihrer Integration in die Gesellschaft, in der sie aufgewachsen sind und leben, ist zu hoffen, dass die Entscheidung zugunsten der deutschen Staatsangehörigkeit ausfallen wird.
Dieser wohlklingende Satz ist natürlich eindeutig zu wenig. Der Hoffnung müssen Programme zur Seite gestellt werden. Da in jedem Fall eine Optionspflicht besteht, ist der Hinweis eventuell der Behörden, dass sich der junge Erwachsene erklären muss, oder ein Aufmerksammachen auf die
Verwaltungsvorschriften, zweifelsfrei zu wenig. Die vor der Entscheidung stehenden jungen Menschen müssen motiviert werden, die deutsche Staatsbürgerschaft behalten zu wollen.
Schulen, Ausbildungsstellen, Betriebe, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände müssen sich diesem Thema widmen. Eltern müssen in diesen Prozess mit eingebunden werden, da es möglich ist, dass Eltern und Kinder dann in Zukunft unterschiedliche Staatsbürgerschaften besitzen werden.
Das Thema Einbürgerung ist insgesamt nicht losgelöst vom Thema Integration zu betrachten. Wir haben von den Vorrederinnen und Vorrednern sicherlich schon einiges dazu gehört.
Neben der strukturellen Integration müssen auch die kulturelle Integration, die soziale Integration und die identifikative Integration Beachtung finden. Wenn wir wollen, dass Menschen mit Migrationshintergrund sich integrieren und die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen – ich glaube fest daran, dass wir alle das hier fraktionsübergreifend auch wirklich wollen –, dann müssen wir auch Bedingungen schaffen, damit diese vier Dimensionen für die Ausländerinnen und Ausländer auch erlebbar werden.
Soziale und identifikative Integration werden aber erst dann erlebbar, wenn wir uns als Aufnahmegesellschaft auch den Menschen mit Migrationshintergrund zuwenden.
Eine besondere Gruppe unter den Menschen mit Migrationshintergrund stellen die Muslime dar. Ich greife auf die Studie „Muslime in Deutschland“ zurück, um einige Daten daraus zu nennen.
Eine starke Ablehnung von Muslimen seitens der deutschen Bevölkerung ist danach nicht selten. Die Aussage, dass die muslimische Kultur in die westliche Welt passt, wird von knapp 75 % der Deutschen abgelehnt. Muslime erleben hier in Deutschland auch, dass ihr Glaube und ihre Religiosität nicht respektiert werden. Sie haben Angst, ihre kulturelle und religiöse Identität zu verlieren, und haben den Wunsch, mehr an Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden. Hinzu kommt, dass sich in Deutschland lebende Muslime diskriminiert fühlen – hauptsächlich in Schulen, Universitäten, am Arbeitsplatz und bei der Wohnungssuche.
Wenn man dies alles zugrunde legt, verfestigt sich fast der Eindruck, dass wir als Aufnahmegesellschaft Abweisungstendenzen zeigen. Warum sollten sich Menschen mit Migrationshintergrund in eine Gesellschaft einbürgern, wenn diese Gesellschaft sie anscheinend nicht haben will?
Eine Einbürgerungsoffensive sollte darum neben den Ausländerinnen und Ausländern die deutsche Aufnahmegesellschaft in den Blick nehmen. Ziel muss es sein, unsere Gesellschaft als eine – ich wiederhole es immer und immer wieder – Einwanderungsgesellschaft zu gestalten, die sich auf Menschen mit Migrationsgeschichte aus unterschiedlichen Herkunftsländern und unterschiedlichen Glaubens einlässt und ein Klima schafft, in dem Integration ohne Assimilation möglich ist – eine Einwanderungsgesellschaft, in der man gerne lebt, zu der man gerne gehört und dies auch durch Einbürgerung gerne dokumentiert. Ich freue mich auf die Beratung in den Ausschüssen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit Blick auf die fortgeschrittene Zeit und angesichts der Tatsache, dass dieser Antrag von Bündnis 90/Die Grünen bereits im Schulausschuss niedergestimmt worden ist, bemühe ich mich darum, mich etwas kürzer zu fassen.
Sternstunden parlamentarischer Arbeit sehen anders aus. Das bezieht sich nicht auf den Inhalt des Antrags von Bündnis 90/Die Grünen, sondern auf die Arbeitsweise unseres Parlaments.
Alle Fraktionen dieses Landtags waren tief erschüttert über die Ereignisse in Emsdetten und die Vorkommnisse am Kölner Georg-BüchnerGymnasium. Alle Fraktionen waren und sind sich einig, dass die Themen „Gewalt und Sicherheit an Schulen“, „Gewaltprävention“, „Krisenintervention“ und in diesem Zusammenhang auch „Elternarbeit und Elterninformationen“ – ein nur kleines Themenfeld in diesem Bereich – von zentraler Bedeutung für die Schullandschaft sind.
Frau Doppmeier hat eben schon einige Maßnahmen genannt, die mittlerweile von der Landesregierung ins Leben gerufen worden sind. Umso bedauerlicher finde ich es aber, dass es trotz ge
meinsamer Bemühungen nicht gelungen ist, zu einem gemeinsamen, fraktionsübergreifenden Antrag zu kommen. Ich gehe davon aus, dass die Bemühungen ernsthaft waren. Das Thema „Gewalt an Schulen“ ist absolut ungeeignet für parteipolitisches Geklappere.
Von daher erspare ich es mir, eine Schuldzuschreibung vorzunehmen, an welcher Fraktion es gelegen hat, dass dieser Antrag nicht zustande gekommen ist. Ich finde Ihre Einlassung, Frau Doppmeier, vollkommen daneben, weil Sie wieder parteipolitisches Geklappere hineingebracht haben.
Festzuhalten bleibt aber: Es ist uns allen nicht gelungen – ich schließe da keine Fraktion und keine Partei aus –, einen gemeinsamen Antrag hinzukriegen. Ein gemeinsamer Antrag aller vier Landtagsfraktionen zu dem Themenkomplex „Gewalt an Schulen“ hätte ein Zeichen von parteiübergreifender Vernunft setzen können. Es wäre ein gutes Zeichen für Schülerinnen und Schüler, für Lehrerinnen und Lehrer, für Eltern, für alle an Schulen tätigen Menschen gewesen, wenn wir es bei einem so wichtigen Thema zusammen hinbekommen hätten, einen rein sach- und inhaltsbezogenen Antrag auf die Beine zu stellen. Diese Chance ist vertan worden. Ich stimme dem verstorbenen belgischen Politiker Spaak zu, der sagte: Für verlorene Gelegenheiten in der Politik gibt es kein Fundbüro. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen auf den Tribünen! Sehr geehrte Besucher! Die CDU-Fraktion hat für heute Morgen eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Interkulturellen Dialog weiterentwickeln – Ergebnisse der Gallup-Studie sorgfältig analysieren“ beantragt.
Das Thema ist wichtig. Ich denke aber, mit einer Aktuellen Stunde greifen wir aufgrund ihres Rahmens zu kurz. Ich gehe deshalb davon aus, dass wir hier und heute erst einen Aufschlag machen und uns demnächst intensiver mit dieser Studie und ihren Ergebnissen befassen werden.
Herr Solf hat schon darauf hingewiesen, trotzdem: Ich denke, die Ergebnisse sind überraschend, und man kann sie eigentlich nicht oft genug wiederholen. Eines der Ergebnisse war: 93 % der befragten Moslems sind einem moderaten politischen
Spektrum zuzuordnen. Nur 7 % werden als radikal bezeichnet, wobei radikal nicht mit gewaltbereit gleichzusetzen ist. Die allermeisten Moslems wünschen sich einen besseren Arbeitsplatz und Sicherheit und wollen keine Konflikte oder Gewalt.
Am Westen werden die vorhandene Technologie, Freiheit und Demokratie geschätzt. Erstaunlich sind sicherlich auch die Daten zu den Frauenrechten. 85 % aller Befragten im Iran, 90 % der Befragten in Indonesien und 61 % der Befragten in Saudi Arabien treten für die gleichen Rechte für Männer und Frauen ein. Ich grenze das sofort ein: zumindest theoretisch.
Für Muslime ist ihre Religion ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. In Berlin hat es bei der Umfrage folgende Ergebnisse gegeben: Die Religion ist ein wichtiger Bestandteil für 41 % der Gesamtbevölkerung Berlins, aber für 85 % der befragten Muslime. Dies steht keineswegs im Gegensatz zu ihrer Loyalität gegenüber Deutschland. Drei Viertel der in Berlin lebenden Moslems bezeichnen sich als loyal. Trotz dieser gegenteiligen Befragungsergebnisse gibt es bei vielen Deutschen immer noch eine kaum zu durchbrechende Gedankenkette. Und diese Gedankenkette bedeutet: Moslem, Islam, Ehrenmord, Zwangsehen, Gewalttaten, Terror.
Ich greife auf die Studie der Muslime in Deutschland zurück, um einige Daten daraus zu nennen. Eine starke Ablehnung von Muslimen seitens der deutschen Bevölkerung – 14 % bis 20 % – ist danach nicht selten. Knapp ein Viertel der Befragten, ist der Ansicht, dass Muslimen der Zuzug nach Deutschland grundsätzlich untersagt werden soll. Ein Drittel formuliert, dass sie sich wegen der Muslime wie Fremde im eigenen Land fühlen.
Die Aussage, dass die moslemische Kultur in die westliche Welt passt, wird von knapp 75 % der Deutschen abgelehnt. Eine Binnendifferenzierung der Muslime ist für 80 % der Befragten offenbar eine Überforderung. Sie nehmen Muslime eher als eine gleichartige amorphe Masse wahr. Zudem existiert eine Tendenz der Deutschen – das ist ganz wichtig im Gegensatz zu den Ergebnissen der Gallup-Studie –, den Muslimen eine verstärkte Segregationsneigung – ca. 80 % – und eine Sympathie für Terroristen – ca. 60 % – zu unterstellen. So stimmten 64,4 % der Aussage zu, dass islamistische Terroristen von vielen Muslimen als Helden verehrt werden. Die Ergebnisse der Gallup-Studie sprechen eindeutig dagegen.
Muslime erleben hier in Deutschland auch, dass ihr Glaube und ihre Religiosität nicht respektiert werden. Sie haben Angst, ihre kulturelle und reli
giöse Identität zu verlieren und haben den Wunsch, mehr an Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden. Hinzu kommt, dass sich in Deutschland lebende Muslime diskriminiert fühlen, hauptsächlich in den Bereichen Schule, Universität, Arbeitsplatz und Wohnungssuche. Ich behaupte auch, sie fühlen sich nicht nur diskriminiert, sie werden auch zum Teil diskriminiert.
Das muss nicht immer bewusst sein, es muss auch nicht immer böse gemeint sein. Ich denke aber, es passiert. Ich möchte jetzt ein kleines Beispiel geben. Beim letzten internationalen Frauenfrühstück habe ich mich mit einer deutschen Muslimin türkischer Herkunft unterhalten. Sie ist selbstständig und Arbeitgeberin, komplett integriert in Deutschland, hat ihr Kind auf einem Gymnasium angemeldet und wurde dort von dem Lehrer angesprochen, er fände es aber toll, wie gut ihre Tochter deutsch spreche.
Diese Dame erzählte, sie wäre fassungslos gewesen. Sie sei in Deutschland geboren, ihre Tochter sei in Deutschland geboren, ihre Tochter sei in den Kindergarten gegangen, habe die Grundschule besucht. Das heiße, sie seien Deutsche durch und durch. Dann stellt sich für mich die Frage: Was müssen Migrantinnen und Migranten, egal welcher Glaubensrichtung, noch tun, um als Deutsche akzeptiert zu werden? Was müssen sie noch mehr tun?
Stellt man die Ergebnisse der unterschiedlichen Umfragen gegenüber, so muss die Schlussfolgerung sein, dass es nicht die Muslime sind, die sich nicht integrieren wollen, sondern dass es die Aufnahmegesellschaft ist, die Abweisungstendenzen zeigt. Dafür haben wir fraktionsübergreifend die Integrationsoffensive 1 gestartet, gemeinsam dem Aktionsplan „Integration“ zugestimmt und versuchen jetzt auch fraktionsübergreifend die Integrationsoffensive 2 auf den Weg zu bringen.
Der Schwerpunkt der Maßnahmen ging bisher in Richtung Migrantinnen und Migranten. Ich nenne Ihnen einige Beispiele aus dem Aktionsplan: Sprachförderung, Förderprogramm KOMM-IN Nordrhein-Westfalen, Migrationsfachdienste und das Thema Einbürgerung. Es ist Zeit, dass wir uns Maßnahmen, Programme und Aktionen überlegen, um den interkulturellen Dialog stärker in der Bevölkerung zu verankern. Er muss mit möglichst allen Bevölkerungsgruppen geführt werden. Ziel muss es sein, unsere Gesellschaft zu einer Einwanderungsgesellschaft zu gestalten, die sich auf Migrantinnen und Migranten unterschiedlicher Herkunftsländer und unterschiedlichen Glaubens
einlässt und bereit ist, diese integrieren zu lassen. Ich hoffe, dass wir bei diesem Thema gemeinsam vorangehen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Genug ist nie genug – dieser Satz scheint für den Fachbereich Integration nicht zu gelten. Für CDU und FDP scheint das Ende der Fahnenstange im Haushaltskapitel „Integration Zugewanderter“ erreicht. Die Haushaltsansätze von 2007 wurden für 2008 übernommen, und gut ist es. Selbst Änderungsanträge von uns, die keinen Cent mehr gekostet hätten als bereits im Haushalt veranschlagt, wurden abgelehnt.
Damit jeder weiß, wovon ich rede: Unser Vorschlag war, dass die nicht verausgabten Mittel bei den Kostenpauschalen gemäß § 9 Abs. 2 und § 10a Landesaufnahmegesetz in die Titelgruppe „Integrationsförderung Zugewanderter“ fließen können sollten. Das hätte zur Folge gehabt, dass die Integrationsmaßnahmen für schon länger hier lebende Menschen mit Migrationshintergrund gegebenenfalls hätten ausgebaut werden können.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie waren noch nicht einmal bereit, ernsthaft über diese Möglichkeit nachzudenken. Anscheinend lautete der Marschbefehl: Egal, welche Vorschläge von der Opposition kommen, mögen sie noch so sinnvoll, kostenneutral und mit Deckungsvorschlägen hinterlegt sein, sie werden grundsätzlich abgelehnt. Dieser Eindruck ist zumindest bei mir entstanden. Solche Verhaltensweisen bescheinigen mangelnde Souveränität.
Viel schlimmer aber ist: Sie werden dem Anliegen nicht gerecht. Wir haben diesen Antrag nicht ge
stellt, um mal mit einem Antrag mehrheitsfähig zu werden, sondern weil wir das Anliegen nach vorn bringen wollten. Bisher haben wir fraktionsübergreifend versucht, den größtmöglichen gemeinsamen Nenner im Bereich der Integrationspolitik in Nordrhein-Westfalen zu finden. Der „Aktionsplan Integration“ ist von allen Fraktionen hier im Hause mitgetragen worden.
Doch die besten Aktionspläne und ein noch so fortschrittlicher Integrationsminister – ich sage das an dieser Stelle ohne Häme und auch ohne, dass es ein vergiftetes Lob sein soll – nutzen nichts, wenn sich nicht in den Köpfen von Politikerinnen und Politikern auf Bundesebene, Landesebene, Kommunalebene und auch bei den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland etwas ändert.
Es nutzt nichts, wenn Sie von der positiven Vielfalt sprechen, die Migrantinnen und Migranten mitbringen, diese Vielfalt aber nicht fördern oder nur zum Teil, zum Beispiel durch die gezielte Förderung der Mehrsprachigkeit in den Sprachen der Herkunftsländer.
Es nutzt auch nichts, wenn auf der einen Seite Herr Minister Laschet von Deutschland als Einwanderungsland spricht, gleichzeitig aber auf dem CDU-Parteitag Deutschland als Integrationsland bezeichnet wird. Es nutzt nichts, wenn wir Deutschland als Einwanderungsland bezeichnen, gleichzeitig aber nicht daran arbeiten, auch tatsächlich eine Einwanderungsgesellschaft zu werden.
Es nutzt auch nichts, wenn Herr Ministerpräsident Rüttgers feststellt – was ich übrigens sehr positiv fand –, die Festlegung der Höhe von Moscheen ergebe keinen Sinn; die Muslime, die zu uns kämen, hätten ein Anrecht auf würdige Gotteshäuser. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite aber erhielt die Kanzlerin Applaus, als sie sagte: Wir müssen darauf achten, dass Moscheekuppeln nicht demonstrativ höher gebaut werden als Kirchtürme. Gleichzeitig stoppen CDU-Politikerinnen und -Politiker in Köln einen Moscheebau, dem sie erst einmal offen gegenübergestanden haben.
Es nutzt nichts, wenn Sie von der Bereicherung unserer Gesellschaft durch Migrantinnen und Migranten sprechen, gleichzeitig aber das Wahlrecht an die deutsche Staatsbürgerschaft koppeln und bereits beim kommunalen Wahlrecht für nicht EU-Bürgerinnen und -Bürger Bedenken haben, weil Gefahren drohen könnten.
Parteien und Fraktionen können durchaus unterschiedlicher Auffassung sein. Sie dürfen aber nicht in sich widersprüchlich sein, denn dies verunsichert Menschen. Da haben Sie, meine Da
men und Herren von der CDU, noch enormen Klärungsbedarf. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie wir eben schon gehört haben, leben in NRW ungefähr 800.000 Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler. Ich möchte von dieser Stelle aus Herrn Lindner ausgesprochen für die Einlassungen, die er eben noch einmal gemacht hat, danken. Er hat auch auf die Probleme hingewiesen, die wir durch eine sich ändernde Struktur bei den Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern, die nach Deutschland kommen, in der Bundesrepublik und damit auch in NRW haben. Von daher kann ich mir einen Teil meiner Ausführungen hier sparen, würde aber gerne auf das eine oder andere hinweisen.
Die im Herkunftsland begonnene Entwicklung und Lebensplanung – sowohl der erwachsenen als auch der jugendlichen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler – wird durch den Fortzug nach Deutschland unterbrochen. Vertraute Umgebung,
Freunde, gewachsene Nachbarschaften werden zurückgelassen. Eine Arbeitsstelle und somit auch Einkommen wird aufgegeben.
Die neue Lebenssituation hier wirkt sich oft auch auf Partnerschaften aus. Ehekonflikte nehmen zu. Die Orientierung für Kinder und Jugendliche am Elternhaus wird schwieriger, da sich auch die Eltern fremd und unsicher fühlen.
Junge Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler erfahren, dass sie aufgrund geringer Sprachkenntnisse und kultureller Unterschiede zum Teil nur schwer Zugang zu den in Deutschland geborenen Gleichaltrigen finden. Dies führt dazu, dass sich viele junge Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in ihren eigenen Kreisen organisieren, in denen oft nur Russisch gesprochen wird. Das wiederum führt dazu, dass die Gruppenbildung von anderen Jugendlichen anderer Gruppen als negativ wahrgenommen wird und es zu Auseinandersetzungen und Konflikten kommt.
Das, was der Kollege Lindner eben ausgeführt hat und ich jetzt ausführe, ist nur ein Abriss der Probleme, denen sich junge Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie Erwachsene gegenübersehen. Ähnlich gelagert sind oft die Probleme bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund: fehlende oder mangelnde deutsche Sprachkenntnisse, fehlende Schulabschlüsse, fehlende Ausbildungsstellen, mangelnde Zukunftsperspektiven und oft auch das Gefühl, sich zwischen den Kulturen zu befinden.
Wenn Sie – Herr Lindner hat das eben ausführlich dargestellt – das alles wissen und die Problematik auch in der CDU bekannt ist, frage ich mich allen Ernstes, wie Sie so einen Larifari-Antrag in die Plenardebatte einbringen können.
Sie greifen sich vier Punkte aus der fraktionsübergreifenden Integrationsoffensive 2001 und vier Punkte aus dem von Minister Laschet vorgelegten Aktionsplan Integration heraus und schreiben diese auf Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler um.
Wenn Sie wenigstens noch einige eigene Impulse und Denkanstöße gegeben hätten. Sie benennen aber nur Aufgabengebiete, in denen nicht nur Sie alleine, sondern in denen unter anderem auch wir schon längst tätig geworden sind. Das wissen Sie doch alle.
Ich möchte ein paar Beispiele nennen: Ich nenne die Programme „Griffbereit“ und „Rucksack“, den Ausbau der offenen Ganztagsschule und „Jugend in Arbeit plus“. – Wir haben die Aufnahme des
Förderkriteriums „interkulturelle Arbeit“ in den Landesjugendplanes veranlasst. Wir haben Modellprojekte zur Erprobung neuer Formen von Integration eingestellt. Wir haben ein Modellprojekt zur interkulturellen Stadtentwicklung gemacht. Rot-Grün hat damals auch die Förderung der Gerhart-Hauptmann-Stiftung vorgenommen.
Tun Sie bitte nicht so, als wenn wir im Bereich Integration nichts getan hätten und Sie jetzt damit anfangen würden.
Dagegen wehre ich mich entschieden.
Das ist das eine. Das andere ist: Ihr Antrag wird der Wirklichkeit von jungen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern überhaupt nicht gerecht. Das ist eben ausgeführt worden. Herr Lindner gibt mir da im Grunde genommen doch Recht beziehungsweise ich kann aus vollem Herzen Herrn Lindner Recht geben.
Was mit diesem Antrag passiert, ist wirklich ärgerlich. Wir haben im Jahr 2000 fraktionsübergreifend begonnen, den Weg der Integrationsoffensive zu gehen. Sie fangen nun an, diesen gemeinsamen Weg zu verlassen.
Ich darf aus der Integrationsoffensive zitieren:
„Ein umfassendes Konzept, das ausgewogen den Weg für eine dauerhafte und erfolgreiche Integration ebnet, muss Migrantinnen und Migranten sowie Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler berücksichtigen. Bestehende Ungleichbehandlungen zwischen den verschiedenen Zuwanderergruppen müssen abgebaut werden. Viele Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler verfügen über die gleichen Integrationsprobleme wie Migrantinnen und Migranten.“
Sowohl in der damals von uns mitbeschlossenen Integrationsoffensive als auch im Aktionsplan ist immer von Zuwanderinnen und Zuwanderern die Rede. Gerade uns als SPD war und ist es wichtig, im Bereich der Integrationspolitik so wenig Unterschiede wie möglich zwischen den einzelnen Zuwanderergruppen zu machen. Wir wollen nicht, dass Ausländer gegen Aussiedler, Migranten der dritten Generation gegen neu Zugewanderte oder Deutsche gegen Migranten ausgespielt werden. Wir wollen keine Bürgerinnen und Bürger erster, zweiter und dritter Klasse.
Gerade durch den Antrag von CDU und FDP kann dieser Prozess in Gang gesetzt werden. Ich erkläre Ihnen gerne, warum das so ist. Wird die Gruppe der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler aus dem gemeinsamen Kontext der Integrationsoffensive herausgenommen, erfährt diese Gruppe eine Fokussierung und setzt sich von anderen Zuwanderungsgruppen ab. Durch die in Ihrem Antrag gewählte Formulierung „beinhaltet der Zuzug der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler für unser Land hervorragende Entwicklungspotenziale, die es besser zu nutzen gilt.“, schaffen Sie Zuwanderungsklassen. Ich hoffe, das ist nicht beabsichtigt. Die einen, die unser Land voranbringen, werden benannt. Die anderen, die unerwähnt bleiben, tun dies anscheinend nicht.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich bin durchaus und sehr für die Förderung von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern. Ich bin aber auch sehr für die zielstrebige Integration von Migrantinnen und Migranten. Die Formulierung Ihres Antrags schadet dem gemeinsamen Ziel einer Integrationspolitik, die Migrantinnen, Migranten, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in ihrer Gesamtheit als Bereicherung für alle empfindet. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als ich diesen Antrag gelesen habe, habe ich öfter zurückgeblättert, weil ich mich unbedingt vergewissern musste, wer denn der Antragsteller ist. Ich kann es eigentlich bis heute immer noch nicht glauben. Anscheinend hat sich die CDU-Fraktion auf den Weg gemacht, das Küchen-K durch das Karriere-K zu ersetzen.
Im Antrag steht ja auch: Die Frauenerwerbsquote muss erhöht werden. Da sage ich: Aber hallo! Willkommen! – Um in dem Vergleich Ihres geschätzten Kollegen Solf zu bleiben, rufe ich aus: Willkommen in der Scheune von Rot-Grün! Unsere Tore stehen Ihnen offen.
Absolut erfreulich ist, dass CDU und FDP zu der Erkenntnis gekommen sind, dass auch Unternehmen einen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu leisten haben.
Die im Antrag aufgeführten Handlungsoptionen sind ja nun nicht wirklich neu und werden durch
die Ergebnisse der Kurzuntersuchung des Allensbach-Instituts vom Dezember 2005 zum Thema „Familienfreundlichkeit in Betrieben“ gestützt. Sie scheinen fast 1:1 in diesen Antrag übernommen worden zu sein.
Ein kurzer Auszug nur: Auf die Frage „Was muss ein Betrieb Ihrer Ansicht nach tun, der besonders familienfreundlich sein will?“, nannten 83 % der Befragten flexible Arbeitszeiten, zum Beispiel Gleitzeit, Arbeitszeitkonten usw. 67 % fanden, der Wiedereinstieg in den Beruf nach Elternzeit sollte erleichtert werden, zum Beispiel durch Weiterbildungsangebote während der Elternzeit. – Ich könnte das jetzt fortführen. Es sind eine ganze Menge Handlungsoptionen, die in Ihren Antrag aufgenommen worden sind. Da beschleicht mich der Verdacht, dass Sie eventuell dort abgeschrieben haben.
Die von Ihnen genannte Handlungsoption Vermittlung von kurzzeitigen Arbeitseinsätzen während der Elternzeit im Rahmen von Urlaubs- und Krankheitsvertretungen ist anscheinend von Ihnen eigenständig hinzugefügt worden. Darüber müssen wir im Ausschuss noch einmal reden. Denn die Formulierung lässt den Schluss zu, dass Beschäftigte, die sich in Elternzeit befinden, als Springer eingesetzt werden sollen.
Auf einen weiteren wesentlichen Aspekt im Bereich Teilzeitarbeit und Jobsharing sind Sie leider nicht eingegangen. Das ist die Teilzeitarbeit oder das Jobsharing von Führungskräften. Karrierewege sind oft immer noch an Vollzeitarbeit gebunden. Auch hier sind Unternehmen gefordert, umzudenken und umzustrukturieren.
Die Erkenntnisse sind also nun vorhanden, mit welchen Maßnahmen Unternehmen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern könnten. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind auch vorhanden. Ich möchte nur daran erinnern: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für flexible Arbeitsorganisationen, wie Teilzeitarbeit und Jobsharing, ein Diskriminierungsverbot von Teilzeitbeschäftigten sowie die Verankerung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Teilzeitbeschäftigte, hat Rot-Grün im Jahr 2001, und zwar gegen den erbitterten Widerstand von CDU und FDP, in dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge geschaffen.
Die Frage ist jedoch – das hat Herr Lindner eben auch schon angesprochen –: Wie verbindet man die Theorie mit der Praxis? Wie kriegt man es hin, dass sich die vorhandenen Möglichkeiten auch in der Praxis verankern?
88 % der Befragten sehen noch Handlungsbedarf in den meisten Unternehmen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.
CDU und FDP setzen auf Werben und Freiwilligkeit. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden, doch – nehmen Sie mir das bitte nicht übel -ich denke: Ob Werbemaßnahmen und Appelle immer zum Ziel führen, sei einmal dahingestellt. Aber: Es schadet nicht; man sollte es auf jeden Fall probieren.
In der Großen Anfrage unserer Fraktion zum Thema „Situation der Familien in NordrheinWestfalen“ haben wir uns in Kapitel VII mit dem Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ befasst. Wir wollten von der Landesregierung wissen, welche Schritte notwendig sind, um Familien- und Berufsphase besser miteinander zu verzahnen. Wir wollten wissen, welche Arbeitszeitmodelle aus Sicht der Landesregierung besonders geeignet sind, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Wir wollten wissen, ob es derzeit in NRW Arbeitszeitmodelle gibt, die erprobt werden. Wir wollten überdies wissen, ob und welche Erkenntnisse über familienfreundliche Maßnahmen in nordrhein-westfälischen Betrieben vorliegen und wie diese unterstützt werden. Über die Aussagekraft der Antworten werden wir demnächst reden.
An dieser Stelle möchte ich nur auf eine Antwort eingehen, die gegeben worden ist. Die Antwort auf die Frage
„Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über familienfreundliche Maßnahmen in nordrhein-westfälischen Betrieben vor, und wie werden diese unterstützt?“
lautet auszugsweise:
„Bisher haben mehr als 10.000 Betriebe in Nordrhein-Westfalen diese Förderangebote im Rahmen von Potenzial- und Arbeitszeitberatungen oder Verbundprojekten mehrerer Unternehmen in Anspruch genommen.“
Außerdem wird auf die Projekte „Zeitbüro“ und „Wettbewerbsstärke durch Familien“ sowie darauf hingewiesen, dass weitere Maßnahmen geplant sind.
Demzufolge gibt es bereits etliche Maßnahmen, Projekte und Beratungsangebote und noch vieles mehr in Nordrhein-Westfalen. Dann frage ich mich aber: Was soll dann Ihre Forderung, noch einmal für die Möglichkeit der Berufsrückkehr zu werben, noch einmal für die Begleitung von Modellprojekten zu werben, usw.?
Ihr Antrag ist ein reiner Showantrag. Sie wollen sich mit diesem Antrag selber das Gütesiegel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf an das Jackett heften. Das wird Ihnen nicht gelingen. Das werden wir Ihnen vor allen Dingen bei diesem Thema nicht durchgehen lassen.
Sollte Ihr Antrag aber, wie ich hoffe, kein Showantrag sein, dann greift er zu kurz. Wenn Sie wirklich an der Schaffung familienfreundlicher Arbeitsplätze mit Hilfe und Unterstützung des Landes NRW interessiert sind, dann muss eine Darstellung bereits bestehender Maßnahmen erfolgen und eine Auswertung dieser Maßnahmen stattfinden. Die Maßnahmen müssen auf ihre Effizienz hin überprüft und gegebenenfalls modifiziert werden. Erst dann kann man über die Planung und Durchführung neuer Maßnahmen reden, die wiederum begleitet und ausgewertet werden müssen.
Bevor ich es vergesse! Sie schreiben in Ihrem Antrag:
„Wir benötigen ausreichend Arbeitsplätze, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erlauben.“
Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass Sie über sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze reden. Aber das muss noch nachgebessert werden. Dazu haben wir dann die Möglichkeit im Ausschuss.
Ich freue mich auf die Beratung, und wie bereits gesagt: Das rote Tor ist offen. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Anträ
ge, die die Welt nicht braucht, und um einen solchen handelt es sich hier.
Ich möchte das auch gerne erklären. CDU und FDP mussten sich anscheinend nach ca. 500.000 Protestunterschriften einmal gegenseitig auf die Schultern klopfen und sich selber loben. Sie wollen mit diesem Antrag wahrscheinlich gleichzeitig dem Vorwurf begegnen, nicht genügend inhaltlich zu arbeiten.
Ich belege das jetzt, und zwar so: Eine Diskussion zum Thema Sprachstandsfeststellungen und Sprachförderung ist bereits in der 6. Sitzung des Ausschusses für Schule und Weiterbildung am 2. November 2005 ausführlich geführt worden, allerdings unter dem Tagesordnungspunkt „Ausreichende Deutschkenntnisse als Voraussetzung für die Einschulung“.
Dargestellt wurde in dieser Sitzung von Frau Ministerin Sommer und Staatssekretärin Dr. GierdenJülich, dass es in diesem Bereich zu einem Kooperationsvertrag zwischen dem Ministerium für Schule und Weiterbildung und dem Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration kommen wird. Kindertageseinrichtungen und Familienzentren sollen zu Zentren der Sprachförderung werden. Das ist damals dort schon gesagt worden. Außerdem ist eine Intensivierung der allgemeinen Sprachförderung in Kitas beabsichtigt.
Ebenfalls wurde in dieser Sitzung ausführlich über das Problem der Verbindlichkeit von vorschulischer Sprachförderung gesprochen, und vonseiten der Landesregierung wurde darauf hingewiesen, dass zu diesem Thema ein Rechtsgutachten eingeholt werden sollte.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, entweder sind Sie über die Aussagen Ihrer eigenen Landesregierung nicht informiert oder Ihre Landesregierung arbeitet Ihnen zu langsam, sodass Sie ihr mit Ihrem Antrag einen kleinen Schubs geben wollten.
Beide Varianten sind nicht schmeichelhaft.
Aber wir als SPD-Fraktion beraten natürlich gern diesen Antrag noch einmal im AGFI und beschäftigen uns ebenso gerne nochmals damit im Ausschuss für Schule und Weiterbildung.
Nun zum inhaltlichen Teil: Richtig und unstreitig ist, dass die Beherrschung der deutschen Sprache notwendige Voraussetzung ist erstens für ei
ne erfolgreiche Schullaufbahn und zweitens für eine gelingende Integration. Richtig ist weiterhin, dass Sprachförderung so früh wie möglich beginnen sollte, also bereits im vorschulischen Bereich.
Bedauerlicherweise wird in Ihrem Antrag das Thema Zweisprachigkeit nicht aufgegriffen. Ich denke, da ist Herr Kollege Solf sehr an unserer Seite. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben: Bei Entzug der Muttersprache kann die allgemeine kognitive Entwicklung des Kindes behindert werden, was zu Schulversagen führen kann. Bei Entzug der Muttersprache und höherem Angebot der Zweitsprache erreicht auch die Zweitsprache nicht immer das gewünschte Niveau, was wiederum zu Schulversagen führen kann.
Die Muttersprache sollte früh und systematisch gefördert werden – bereits in den Kitas. Die Förderung der Muttersprache und der Zweitsprache stehen dabei nicht in Widerspruch zueinander. Daher muss ernsthaft überlegt werden – ich denke, das können wir im Ausschuss gemeinsam machen –, ob und inwieweit muttersprachliche Förderung nicht bereits im Kindergarten beginnen kann.
Ich verweise gerne noch einmal auf das Problem der sogenannten doppelten Halbsprachigkeit, das bei vielen Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund auftritt. Erzieherinnen und Erzieher müssen in die Lage versetzt werden, systematische Sprachförderung im Kindergarten zu leisten. Das bedeutet eine zwingende Veränderung in der Ausbildung: Jede Erzieherin und jeder Erzieher sollte in Zukunft mit Blick sowohl auf Sprachförderung, als auch auf Förderung von Mehrsprachigkeit ausgebildet werden.
Sprachförderung ist aber nur ein Teil. Die Grünen haben in ihrem Entschließungsantrag noch einmal auf das Thema der Elternqualifizierung hingewiesen; das hatte Herr Lindner eben auch noch einmal angesprochen. Ich denke, dazu gibt es genügend Ausführungen im Entschließungsantrag, sodass ich darauf verzichten kann, darauf näher einzugehen.
Ich möchte gerne noch einmal auf Herrn Solf eingehen: Wenn Sie uns so darstellen, als wenn wir in den letzten Jahren überhaupt nichts bei der Sprachförderung im vorschulischen Bereich und bei der Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund gemacht hätten, sage ich Ihnen: Das ist einfach falsch. Wir haben die Ansätze kontinuierlich erhöht. Wenn wir noch dran wären, hätten wir sie auch noch weiter ausgebaut. Aber das ist diese Wenn- und Kann-Diskussion.
Ich will Ihnen noch eins dazu sagen: Wenn Sie für sich in Anspruch nehmen, dass diese Titel ganz zu Anfang auf Drängen Ihrer Fraktionen eingestellt worden sind, finde ich daran überhaupt nichts Verwerfliches, weil es nur zeigt, dass wir der Vernunft folgen können. Dann müssten Sie aber auch der Vernunft und dem Drängen von 500.000 Unterschriften nachgeben, weil dahinter auch jede Menge Vernunft und Zukunft stehen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die von CDU und FDP eingebrachten Änderungsanträge im Bereich „Eine-Welt-Politik und Migration“ verschlagen einem fast den Atem. Die Kürzungen um 83 % bei den „Zuweisungen für kommunale Entwicklungsarbeit“ bedeuten das Aus der Landesförderung in diesem Bereich. Eine-Welt-Politik und Entwicklungszusammenarbeit sind keine Landesthemen mehr.
CDU und FDP bekunden durch diese Streichungen, dass ihnen die Unterstützung der ehrenamtlichen Leistungen von Bürgerinnen und Bürgern in diesem Bereich keinen Cent mehr wert ist.
Vermutlich hätten sie den Ansatz auf null gefahren, wenn das noch gegangen wäre. Ich unterstelle jetzt einfach einmal, dass in diesem Haushaltstitel die eingestellten 300.000 € längst ausgegeben sind,
sodass dann, wenn der Haushalt verabschiedet wird, 0 € in diesem Topf sind.
Die FDP hatte bereits im Ausschuss für Generationen, Familie und Integration durchblicken lassen, dass sie den Bereich „Eine-Welt-Politik“ als – ich sage mal – lässlich empfindet. Und wieder einmal erleben wir, wie die kleine FDP-Fraktion die mitgliederstarke CDU-Fraktion am Nasenring durch die Arena schleift.
CDU und FDP beabsichtigen, den Ansatz „Förderungen von Maßnahmen und Initiativen zur Integration Zugewanderter“ nochmals um 2 Millionen € zu kürzen – insgesamt also eine Kürzung um 31 %: von 17,8 Millionen € in 2005 auf aktuell 12,17 Millionen € in 2006.
Ich frage Sie nun, Herr Minister Laschet … Wo ist er? – Er ist leider nicht da.
Waren Sie an der Erarbeitung dieser Änderungsvorschläge beteiligt? Egal, wie Sie diese Frage beantworten: Es wird für Sie immer ein Dilemma sein. Denn entweder waren Sie nicht beteiligt – dann werden Sie von Ihrer Regierungskoalition wieder einmal vorgeführt, da Sie sich mit Ihrem ursprünglichen Ansatz nicht haben durchsetzen –, oder Sie waren beteiligt – und dann ist eigentlich noch schlimmer, dass Sie noch einmal 2 Millionen € im Bereich der nachholenden Integration kürzen wollen.
Sie müssen darauf achten, Herr Minister Laschet, dass Ihre CDU- und FDP-Fraktionen Sie nicht zum Integrationsminister mit kw-Vermerk machen.
Wir sind uns alle einig – ich denke, das ist fraktionsübergreifend der Fall –, dass die Beherr
schung der deutschen Sprache eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Integration ist. Ebenso einig sind wir uns wohl auch alle, dass Sprachförderung schon im frühen Kindesalter beginnen muss.
Vergessen dürfen wir aber auf keinen Fall die bereits seit vielen Jahren hier lebenden Migrantinnen und Migranten, die noch nicht ausreichend am gesellschaftlichen Leben teilhaben können – sei es aufgrund sprachlicher und/oder kultureller Barrieren. Genau hier setzen die Maßnahmen der nachholenden Integrationsarbeit an. Und genau diese Maßnahmen sollen jetzt zusammengestrichen werden.
Es war falsch zu glauben, Integration passiere von alleine. Es war auch falsch zu glauben, Deutschland sei kein Zuwanderungsland. Es ist falsch, den Schwerpunkt der Integrationspolitik nur auf die Sprachförderung bei Kindern zu legen.
Sie können doch nicht zwei Generationen an Migrantinnen und Migranten bewusst außen vor lassen und den Förderbereich der nachholenden Integration ausbluten.
In Zeiten, in denen das Thema „Integration, Migration und Zuwanderung“ von hohem gesellschaftlichem Interesse und von hoher Brisanz ist, setzen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, den Rotstift in diesem Bereich an.
Noch nie wurden so wenig Mittel für die Migrations- und Integrationspolitik in den Landeshaushalt eingestellt wie jetzt im Jahr 2006. Es sind keine Kürzungen, die wir in diesem Bereich brauchen, sondern wir brauchen Erhöhungen.
Wir als SPD-Fraktion haben in diesem Bereich sinnvolle und vor allen Dingen haushaltsverträgliche Anträge gestellt. Sollte es bei den Landesmaßnahmen für Zugewanderte zu Minderausgaben kommen, so wollten wir, dass die dort eingesparten Mittel dann für die nachholende Integration eingesetzt werden sollten.
CDU und FDP teilen ja mittlerweile unsere Einschätzung, dass bei der Kostenpauschale gemäß § 9 Abs. 2 Landesaufnahmegesetz Einsparungen erzielt werden können. Der Ansatz wurde um 1,38 Millionen € verringert. Nur wurden die Mittel dann nicht für die nachholende Integration eingesetzt.
Mir als neuem Mitglied in diesem Landtag wurde berichtet, dass gerade im Bereich „Integration und Migration“ immer ein Einverständnis da war und im Grunde genommen versucht worden ist, ein
Benehmen herzustellen. Von daher fordere ich Sie auf: Nehmen Sie die Kürzungen in diesem Bereich zurück, und stimmen Sie unseren Anträgen zu! In der Integrationspolitik sind bereits genügend Fehler gemacht worden. Aber das Gute an Fehlern ist: Man muss sie nicht zweimal machen. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Grenzen zwischen Unwissenheit, Unwahrheit und Lüge sind oft fließend. Da ich das Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration auf keinen Fall der Lüge oder der Verbreitung von Unwahrheiten bezichtigen möchte, kann es sich bei der Pressemitteilung vom 9. Dezember 2005 mit dem Titel „Infrastrukturen bleiben erhalten“ im Grunde genommen nur um Unwissenheit handeln.
Es handelt sich um Unwissenheit, da die Auswirkungen der Kürzungen im Kindertagesstättenbereich von insgesamt 104,5 Millionen € anscheinend nicht bedacht worden sind.
Die Kindergartenlandschaft wird sich entscheidend verändern. Auf der einen Seite stehen die Kommunen vor der Aufgabe, den fehlenden – das ist wirklich ein schwer auszusprechender Name – Elternbeitragsdefizitausgleich in Höhe von 84,5 Millionen € auffangen zu müssen. Gerade wurde schon angesprochen, dass das bei ärmeren Kommunen und auch bei HSK-Kommunen zu ausgesprochenen Schwierigkeiten führen wird. Es wird zu Beitragserhöhungen in den Kindergärten kommen.
Unverschämt finde ich allerdings die Aussage von Herrn Minister Dr. Pinkwart, der sagt, er sehe keinen Anlass für höhere Elternbeiträge – und jetzt kommt es –, weil Kommunen künftig ein hohes
Eigeninteresse hätten, fällige Gebühren auch einzutreiben.
Diese Aussage impliziert, dass es den Kommunen bisher egal gewesen ist, ob sie Beiträge erheben oder nicht, weil im Grunde genommen die Landesmittel fließen würden.
Moment! Ich sage Ihnen eines: Ich finde das unverschämt – unverschämt gegenüber den Kommunen, den Jugendämtern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Das mag in dem einen oder anderen Fall sicherlich so sein; das will man gar nicht abstreiten. Eine so pauschale Aussage halte ich aber für unverschämt.
Zu befürchten ist, dass Eltern ihre Kinder aus Kindergärten abmelden, da ihnen die Beiträge zu hoch werden. Höchstwahrscheinlich werden das zum Teil gerade die Eltern sein, von denen wir glauben, dass ihre Kinder eine Förderung in den Kindergärten notwendig hätten.
Ich rede nicht von Sozialhilfeempfängern. Ich rede von den grenzwertigen Einkommen.
Auf der anderen Seite fehlen den Trägern von Kindertagesstätten Sachkostenmittel in Höhe von 20 Millionen €. Zwar ist der Ansatz nicht gekürzt worden; er ist beibehalten worden. Ich denke aber, dass die Träger davon ausgegangen sind, dass die Mittel wieder erhöht werden würden.
Doch. – Zu dieser Tatsache wird in der Pressemitteilung des Ministeriums wie folgt Stellung genommen:
„Zum Ausgleich ist es den Trägern wie bisher möglich, Rücklagen aufzulösen und/oder organisatorische Maßnahmen zu ergreifen.“
Sehr geehrter Herr Minister Laschet, ich gehöre zu den sogenannten Sozialen, die gerne durch die rosarote Brille schauen und verkünden, alles wer
de gut. Aber ernsthaft: Ihre Brille kann doch nicht so rosarot sein, dass Sie glauben, dass es noch freie Träger gibt, die Rücklagen haben, die sie auflösen können. Diese Möglichkeit besteht doch nicht.
Organisatorische Maßnahmen zu ergreifen heißt nichts anderes, als mit weniger Geld wirtschaften zu müssen. Und weniger Geld bedeutet auch – das wissen wir alle – weniger Aktivitäten in den Kindergärten und auch weniger Förderung der Kinder. Wo bleibt da die von Ihnen propagierte Förderung von Kindern im vorschulischen Bereich?
Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP steht – ich darf zitieren –:
„Wir entwickeln ein vereinfachtes und gerechteres Finanzierungssystem für Kindertageseinrichtungen im Dialog mit Verbänden, Trägern und Beschäftigten. Damit Träger in aktueller Finanznot keine Gruppen schließen müssen, streben wir kurzfristig Übergangslösungen an.“
Eben ist von Herrn Lindner gesagt worden, dass es dieses Gespräch gegeben hat. Ich stelle mir Dialog allerdings anders vor. Für mich ist Dialog nicht das Verkünden von Fakten.
Hier werden Fakten geschaffen, die zumindest dazu führen können, dass Kindergärten schließen und dass Trägervielfalt verloren geht.
Die katholische Kirche hat bereits letztes Jahr in erheblichem Umfang damit begonnen, Kindergärten und zum Teil auch Horte zu schließen. Die Erfüllung des Rechtsanspruches war in einigen Kommunen – unter anderem gehörte auch Mönchengladbach dazu – in Gefahr. Das hat Kommunen zu einem Einsatz zusätzlicher finanzieller Mittel veranlasst. Es hat auch hohe Kraftanstrengungen gegeben, diesen Anspruch auf einen Kindergartenplatz weiterhin erhalten zu können. Herr Kollege Post und Herr Kollege Schroeren können mir da sicherlich zustimmen.
Die durch den demographischen Wandel gewonnenen Kindergartenplätze für Drei- bis Sechsjährige sind längst durch bereits getätigte Schließungen – unter anderem der katholischen Kirchen – wieder verloren gegangen.