Protocol of the Session on October 25, 2006

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie Drucksache 14/2737

Und:

Hochschulen nicht im Stich lassen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/2485

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie Drucksache 14/2738

Ich weise darauf hin, dass zum Gesetzentwurf der Landesregierung der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/2794, der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/2785 und der Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/2793 vorgelegt worden sind.

Jetzt eröffne ich die Beratung und erteile als erstem Redner für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Kuhmichel das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst muss ich die versammelte Opposition enttäuschen, indem ich sage: Die Koalition der Erneuerung

(Markus Töns [SPD]: Ernüchterung!)

wird hier und heute das Hochschulfreiheitsgesetz inklusive der zahlreichen Änderungen unserer beiden Fraktionen beschließen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielleicht bestand ja in der Opposition bei dem einen oder anderen Hoffnung, dass wir das Ganze zurückziehen würden. Das tun wir aber nicht; denn das wäre ein Verrat an unseren eigenen Zielen. Schließlich ist dieses Gesetz nicht vom Himmel gefallen. Diejenigen, die schon längere Zeit im Parlament sitzen, wissen, dass sich die CDUFraktion schon über Jahre hinweg ein solches Gesetz gewünscht hat und diesen Wunsch auch immer wieder hier im Plenum vorgetragen hat.

Als Beleg dafür darf ich ein kurzes Zitat anführen. Im Februar 2000 habe ich von dieser Stelle aus für die CDU-Fraktion sinngemäß Folgendes vorgetragen: In NRW muss das Verhältnis von Staat und Hochschule auf eine völlig neue Grundlage gestellt werden. Deregulierung und Dezentralisierung werden dadurch erreicht, dass das Land sich sowohl bei der inhaltlichen Ausgestaltung als auch der Organisation und der Finanzierung auf eine globale Zielsetzung und Steuerung beschränkt und im Übrigen den Hochschulen als Wissenschaftsunternehmen weitestgehende Freiheiten einräumt.

Diese Forderung nimmt der heute vorliegende Gesetzentwurf dankenswerterweise auf.

Möglich wurde das Ganze durch die Wende im Mai des vorigen Jahres. Möglich wurde es durch das Votum der Wählerinnen und Wähler in Nordrhein-Westfalen. Möglich wurde es last but not least auch durch Wissenschaftsminister Pinkwart, der sich diese Dinge in hervorragender Weise zu Eigen gemacht hat und in einer äußerst engagierten, kompetenten und kooperativen Art gemeinsam mit uns, den Parlamentsfraktionen – zumindest den Koalitionsfraktionen der Erneuerung –, dieses Gesetz entwickelt hat. Herzlichen Dank dafür, Herr Minister!

(Beifall von der CDU)

Es ging auch relativ schnell. Anderthalb Jahre nach der Wende liegt dieses Gesetz nun vor. Wir werden es jetzt auch durchsetzen.

Da ein Protokoll geführt wird, will ich der Vollständigkeit halber noch einmal in Kürze die diesem Gesetz zugrunde liegende Philosophie skizzieren. Dabei geht es um drei Bereiche.

Erstens. Die Hochschulen werden als Körperschaften des öffentlichen Rechts verselbstständigt und sind künftig keine staatlichen Einrichtungen mehr. Dem wollen Sie nicht folgen. Das verstehen wir; denn so etwas passt weder zu Ihrer Programmatik noch zu Ihrer Ideologie. Wir wollen das aber jetzt tun. Damit lösen wir die Hochschulen aus dem staatlichen Weisungsrecht und übertra

gen ihnen weitreichende Kompetenzen und die Verantwortung für Finanz-, Personal- und Organisationsentscheidungen.

Zweitens. Darüber hinaus schaffen wir neue und starke Leitungsstrukturen in den Hochschulen mit klarer Aufgabenverteilung zwischen Hochschulleitung und hochschulinterner Selbstverantwortung sowie mit einer engeren Anbindung an das gesellschaftliche Umfeld. Auf diese Weise wird die Handlungsfähigkeit und Beweglichkeit der Hochschulen nachhaltig erhöht.

Drittens. Nicht zuletzt stellen wir das Verhältnis von Staat und Hochschule auf eine völlig neue Basis. Auf der Grundlage konkreter Zielvereinbarungen mit dem Land, wie wir sie immer wieder gefordert haben, werden die Hochschulen ihre eigene Strategie- und Entwicklungsplanung vornehmen können. Der Staat zieht sich definitiv aus der Detailsteuerung zurück und stärkt die Eigenverantwortung der Hochschulen.

Meine Damen und Herren, wir sind selbstbewusst genug, um vorauszusehen, dass dieses Gesetz, das wir jetzt beschließen werden, beispielhaft für Gesetzgebungsvorhaben in anderen Ländern unserer Republik und sicherlich auch darüber hinaus sein wird. Insofern fühlen wir uns ein wenig an der Spitze dieser Reformbewegung.

Wie es sich gehört, hat eine Anhörung stattgefunden. Nach unserer festen Überzeugung gab es bei dieser Anhörung den allgemeinen Tenor, dieses Gesetz sei alternativlos – bis hin zu dem Lob, es sei mustergültig.

Natürlich sind aber auch – das kann gar nicht anders sein – Kritik, Anregungen und Sorgen vorgebracht worden. Diese Äußerungen haben wir sehr ernst genommen. Daher haben wir, die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP, heute ein dickes Änderungspaket vorgelegt. Ein so dickes Änderungspaket der Regierungsfraktionen habe ich in meinen 15 Jahren Landtagszugehörigkeit noch nie erlebt. Als Sie noch regierten, hatten Sie so etwas nie nötig. Eigentlich lief alles einfach durch; der Entwurf der Regierung wurde mit marginalen Änderungen durchgewunken.

(Carina Gödecke [SPD]: Das stimmt über- haupt nicht!)

Wir haben uns im Detail mit den einzelnen Punkten befasst und mit sehr vielen betroffenen Menschen gesprochen. Auf dieser Basis sind wir zu den von uns vorgelegten Änderungen gekommen.

Die SPD hat sich dem verschlossen; von ihr gibt es keine Änderungen. Die Grünen haben es zumindest ansatzweise versucht. Die Änderungsan

träge der beiden Oppositionsfraktionen sind eigentlich nur die Flucht aus der Verantwortung. Die Anträge, die Sie hier stellen, könnten Sie in Regierungsverantwortung gar nicht stellen, weil Sie dann von der betroffenen Öffentlichkeit zerrissen würden.

Ich will aber noch Folgendes zu der Sorge der Beschäftigten ausführen, weil uns das bewegt und weil wir das sehr ernst nehmen: Es ist klar, dass bei so einschneidenden Veränderungen Ängste nicht ausbleiben. Der CDU-Fraktion – das kann ich wohl auch für die FDP-Fraktion sagen – sind die Bedenken des Personals der Hochschulen, die sich auf die Verselbstständigung der Hochschulen und die damit verbundene Verleihung der Dienstherreneigenschaften richten, bewusst. Doch wir sind der Überzeugung, dass mit der Übernahme des derzeit an den Hochschulen tätigen verbeamteten Personals in den Hochschuldienst eine Stärkung von Wissenschaft und Forschung an den einzelnen Hochschulen erfolgen wird. Das Hochschulpersonal wird sich mehr als bisher mit den jeweiligen Hochschulen identifizieren; denn es ist nicht mehr dem Land verpflichtet, sondern seiner jeweiligen Hochschule – zunächst einmal. Insgesamt bleiben wir natürlich alle dem Land verpflichtet. Das trägt zur Profilbildung des einzelnen Standortes bei.

Dieser Aspekt der stärkeren Identifizierung beschränkt sich aber nicht nur auf das verbeamtete Personal, sondern trifft auch auf die angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu. Wir sind sicher – wir werden es erleben und möglicherweise auch hier darüber debattieren –, dass innerhalb kürzester Zeit die noch bestehenden Bedenken, die sich auch in den beabsichtigten Widersprüchen gegen das Gesetz ausdrücken, als gegenstandslos erweisen werden. Wir bitten die Beschäftigten inständig, Vertrauen zu ihren neuen Arbeitgebern zu entwickeln.

Wir vonseiten der Koalitionsfraktionen werden den nun beginnenden Prozess der Erneuerung an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen aufmerksam beobachten – auch mit Blick auf die Beschäftigten – und werden das Hochschulpersonal und das, was sich daraus im weiteren Verlauf entwickeln wird, konstruktiv im Sinne des Gesetzes begleiten.

Lassen Sie mich mit fester Zuversicht schließen, indem ich Folgendes vortrage: Wir sind sicher, dass die Hochschulen unseres Landes die Chance ergreifen werden, die ihnen durch das Gesetz geboten wird. Wir haben Vertrauen in die Hochschullandschaft – mehr als Sie. Mit Freude werden die Hochschulen ihre Profile schärfen. Sie

werden den Mut zu Verbesserungen und Neuerungen aufbringen.

Ich bin sicher: Die Landesregierung, der Minister und sein Ministerium werden die Hochschulen im kommenden Jahr vor allem in der Implementierungsphase tatkräftig unterstützen. Unsere Fraktion, die CDU-Fraktion – dafür gebe ich mein Wort –, wird für die Anliegen der Hochschulen, für die Anliegen der Beschäftigten, für die Anliegen der jeweiligen Standortprofile stets ein offenes Ohr haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kuhmichel. – Für die Fraktion der SPD erhält der Abgeordnete Schultheis das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kuhmichel, wir kennen uns seit vielen Jahren, aber die Rolle des Propheten steht Ihnen einfach nicht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Man kann den Zuhörern zu der Genese Ihres Gesetzentwurfs und ihrer gedanklichen Vorbereitung auf ein solches Gesetz nur sagen, dass man sich vor falschen Propheten hüten muss – auch hier im Landtag.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das Gesetzgebungsverfahren, das heute höchstwahrscheinlich mit der zweiten Lesung seinen Abschluss finden wird, hat keine neuen Erkenntnisse erbracht, die die SPD-Fraktion dazu bringen könnten, diesem Gesetz zuzustimmen. Ich sage das, weil in den Debatten im Ausschuss, in den Ausführungen immer wieder darauf hingewiesen wird, dass die SPD-Fraktion, als wir gemeinsam den Einstieg in dieses Gesetz vorgenommen haben, angedeutet hat, es könnte durchaus eine Gemeinsamkeit geben. Das stimmt, und dazu stehen wir auch: Wir wollen gemeinsam mehr Selbstbestimmung, mehr Autonomie für unsere Hochschulen.

Diesen Weg wären wir mit Ihnen zusammen gegangen, wenn dieser Gesetzentwurf diesen Ansprüchen Rechnung tragen würde. Insofern sind der heutige Tag und die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs hier im Landtag keine Sternstunde der Hochschulgesetzgebung, sondern, wenn man dies perspektivisch sieht, ein eher schwarzer Tag für die Entwicklung unserer Hochschulen und insbesondere für die Bildungs- und Zukunftschancen der jungen Menschen in unserem Land. Denn

sie müssen das, was Sie heute auf den Weg bringen, in seinen Folgen ertragen und auf sich nehmen.

Sie haben zum Abschluss, Herr Kuhmichel, auf einen ganz gewichtigen Punkt hingewiesen, der in die absolut falsche Richtung geht. Sie wollen die Hochschulen nicht mehr als Landeseinrichtungen führen, sondern nur noch als Anstalten des öffentlichen Rechts. Sie haben in diesem Zusammenhang insbesondere das Vertrauen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Beschäftigten in den Hochschulen eingefordert.

Ich weiß nicht, warum diejenigen in den Hochschulen Ihnen in diesen Punkten vertrauen sollten. Sie haben als Regierung, aber auch als Regierungsfraktionen alles getan, dieses Vertrauen zu verspielen. Denn die in den Hochschulen Beschäftigten sind sicher nicht nur Parteigänger der SPD, sondern auch sehr stark der CDU, der FDP, sehr gemischt. Allein die große Zahl der Widersprüche, die dem Vizepräsidenten überreicht worden ist, zeigt doch, dass Ängste bestehen, die aus unserer Sicht berechtigt sind. Sie haben das Zutreffen dieser Ängste bestätigt, indem Sie in dem Konvolut an Änderungsanträgen, das Sie angekündigt haben, ausgeschlossen haben, dass diejenigen von Ihrem Widerspruchsrecht nach § 613 a BGB Gebrauch machen können.

Ein solches Verhalten halten wir für zynisch, wenn man gleichzeitig hier um Vertrauen wirbt. Das war auf keinen Fall eine vertrauensbildende Maßnahme.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich ziehe einmal einen Vergleich zum Verhalten in der freien Wirtschaft: Wir sind in der Situation, Herr Kuhmichel, dass das Land NordrheinWestfalen zum 1. Januar 2007 55.000 Beschäftigte aus dem Landesdienst entlässt. In der freien Wirtschaft nennt man das Massenentlassung.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Na, na!)

Ja, Sie entlassen 55.000 Beschäftigte aus dem Landesdienst …