Protocol of the Session on October 25, 2006

Wenn dieser Ansatz Realität werden würde, wie Sie sich das vorstellen, dann gilt der Satz: Armes Deutschland! – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Börschel. – Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Klein das Wort.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Was soll jetzt noch kommen?)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin schon einmal froh, dass von allen Seiten des Hauses der Inhalt dieses Verfassungsgerichtsurteils zumindest unterstützt wird. Das ist schon ein kleiner Fortschritt.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn wir aber alle der Meinung sind, dass die – sogar einstimmige – Entscheidung der Verfassungsrichter wirklich unter vielen Gesichtspunkten – ich gehe gleich noch auf den einen oder anderen Gesichtspunkt ein – richtig ist, dann muss es auch richtig und angemessen sein, das Ansinnen des Bundeslandes Berlin, der Stadt Berlin, zu kommentieren. Ich denke, dass es richtig ist festzustellen: Das war ein unanständiges Ansinnen, und das war ein Anschlag auf den Föderalismus.

(Zurufe von der SPD: Oii! – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie sind doch nicht in der Opposi- tion, Herr Klein!)

Unanständig ist nicht, wie Kollege Börschel versucht zu suggerieren, dass Kindergartenbeiträge zur Disposition gestellt sind oder eventuell abgeschafft werden sollen: Es ist das gute Recht Berlins, darüber nachzudenken.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Es ist auch das gute Recht Berlins, wesentlich mehr Geld pro Einwohner für Kultur auszugeben als Hamburg. Daran stört sich keiner. Was aber zu Recht stört, ist, dass man das alles tut und von anderen die Bezahlung erwartet. Das ist das Unanständige bei der ganzen Sache.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn man einfach nur die Finanzprobleme weiterreicht, ohne selber angemessen anzupacken,

und immer noch viel mehr Geld für Kultur als zum Beispiel eine andere Großstadt, etwa Hamburg, ausgibt, dann ist das unanständig. Aber, meine Damen und Herren, was sollen wir denn von einem Regierenden Bürgermeister erwarten, der mit den SED-Erben paktiert und an sich schon eine Schande für dieses Land ist?

(Beifall von CDU und FDP – Martin Börschel [SPD]: Sie sollten sich schämen! Das ist eine Unverschämtheit sondergleichen!)

Ich will darüber hinaus noch grundsätzlich sagen: Wir halten das deswegen für ein so wichtiges Problem, weil es schon ein ernstzunehmender Angriff auf den Föderalismus in Deutschland gewesen wäre, wenn dieses Anliegen vor dem Bundesverfassungsgericht durchgekommen wäre. Freiheit und Verantwortung gehören nun einmal zusammen. Wer diese Finanzverantwortung nicht will, meine Damen und Herren, der wird auch die Freiheit gefährden.

Das sehen nicht nur wir so. Das können Sie doch in der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes nachlesen. Dort steht bezogen auf die Sanierungspflichten des Bundes – ich zitiere –:

„Sie geraten mit dem Grundsatz eigenständig und eigenverantwortlich zu bewältigender haushaltspolitischer Folgen autonomer Landespolitik in Konflikt.“

Genau das ist das Problem. Keiner von uns will Berlin irgendwelche Vorschriften machen, wir wollen aber, dass Berlin seine Probleme selber löst, und wir wollen, dass Berlin im Rahmen unseres Föderalismus wie jedes andere Bundesland weiterhin selber die Kompetenz und die Autorität hat, Probleme selber zu lösen.

Das heißt nicht, dass auf die Solidarität des Bundes und der anderen Länder verzichtet werden sollte. Aber genau dafür gibt es einen – manchmal sind wir uns fraktionsübergreifend einig – im Moment ziemlich nivellierend ausgestatteten horizontalen Länderfinanzausgleich.

Ein weiteres Element dieser Solidarität sind Bundesergänzungszuweisungen, von denen Berlin ohnehin in erheblichem Maße profitiert.

(Zuruf von Jochen Dieckmann [SPD])

Das alles setzt den Rahmen für Solidarität innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Aber das und nur das ist auch der Rahmen, und innerhalb dieses Rahmens muss man sich bewegen. Wer in eine Extremsituation kommt und dann Hilfe in Anspruch nehmen möchte, der muss in der Tat

nachweisen, dass er keine, wirklich keine andere Möglichkeit hat, das Problem selber zu lösen.

Einfach den Hinweis auf diesen Sachverhalt umgekehrt als Einmischung in die Angelegenheiten Berlins darzustellen, ist schon sehr abstrus. Richtig ist, dass wir uns für die Zukunft betrachtet viel mehr als in der Vergangenheit Gedanken darüber machen müssen, wie die Verschuldung des Bundes, aber auch der Länder reduziert und eher begrenzt werden kann. Genau eine solche Initiative haben wir gestartet. Sie wissen doch ganz genau, dass uns das Grundgesetz daran hindert, entsprechende Regelungen in Bezug auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht alleine auf Länderverfassungsebene zu treffen. Genau deswegen werden wir dies seitens der Landesregierung kombiniert auf Landesebene und über eine Bundesratsinitiative angehen.

Es wäre schön, wenn wir zumindest an dieser Stelle mit großer Gemeinsamkeit ähnliche Notlagen für die Zukunft eher eingrenzen und ausschließen könnten.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Klein. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Dr. Orth das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Verfassungsgericht hat Wowereit gestoppt, und – ich möchte ihn selber zitieren –: Das ist auch gut so.

Je Bürger hat Berlin 1.548 € von der Solidargemeinschaft bekommen. Ein Land wie das Saarland, das wie wir mit den Folgen des Bergbaus kämpft und auch ansonsten relativ schlecht dasteht, hat gerade mal 216 € bekommen. Rheinland-Pfalz bekam 121 €, Niedersachen 69 €.

Man muss auch Folgendes bedenken: Berlin hat insgesamt 5,3 Milliarden € erhalten, und davon waren 2 Milliarden € für den Aufbau Ost bestimmt. Dieses Geld wurde allerdings nicht für den Aufbau Ost verwandt, sondern für Beamtenpensionen, für Gehälter und für unglaublich viel Angebot verfrühstückt. Insofern muss man sich doch die Frage stellen, ob es legitim ist, dass jemand wie Wowereit mit seiner Regierung eine Klage einreicht.

Ich finde, das Verfassungsgericht hat sehr gut geurteilt. Wir als Liberale waren ohnehin immer skeptisch, was den Solidarzuschlag anbelangt,

und man sieht hier ganz deutlich, wie dieses Geld zweckentfremdet wurde.

(Beifall von der FDP)

Es ist auch klar, dass ein Land wie Berlin – sozialdemokratisch regiert – eine Forderung auf Ausgleich erhebt. Das ist so wie beim Risikostrukturausgleich für die Krankenkassen.

Herr Schartau, ich darf in diesem Zusammenhang Ihre Argumentation von eben aufgreifen: Sie haben hier als klassischer Gewerkschaftsfunktionär par excellence gesprochen. So verhält sich auch Berlin. Sie fordern mehr Geld von anderen, weil sie es selber nicht erwirtschaften können, und wenn sie Pleite gehen, dann muss die Solidargemeinschaft auch noch dafür aufkommen.

Das ist ein Verhalten, wie wir es auch häufig Unternehmen gegenüber erleben: Unternehmen werden ruiniert, weil überzogene Forderungen erhoben werden, und irgendwer muss es bezahlen. Am Ende ist es dann der Staat. Das geht aus meiner Sicht so nicht auf.

(Beifall von der FDP – Prof. Dr. Gerd Boller- mann [SPD]: Übertragen Sie das auch auf Unternehmen, Herr Kollege?)

Wir müssen uns natürlich auch fragen, welche Folgen das für Nordrhein-Westfalen hat. Da ist es erstaunlich, dass Frau Walsken gerade gesagt hat – und es wurde eben noch einmal betont –, wir müssten die nach Steuerschätzung errechneten Mehreinnahmen teilweise ausgeben, wir müssten Privatisierungserlöse ausgeben. Wo leben wir eigentlich? – Bei der Nettoneuverschuldung, die wir übernommen haben und abbauen müssen, können wir doch nicht das, was zusätzlich reinkommt, wieder ausgeben. Also, daraus einen Vorwurf an den Finanzminister abzuleiten, meine Damen und Herren, geht nun wirklich nicht. Vielmehr ist der Opposition vorzuwerfen, dass sie es immer noch nicht gelernt hat.

(Beifall von der FDP)

Wir müssen auch sehen, dass wir uns aus diesem sozialdemokratisch-grün verantworteten Sumpf selbst herausziehen. Das hat sicher auch zur Folge, dass es an der einen oder anderen Stelle wehtut. Aber so, wie Sie für Berlin zu Recht einfordern, dass dort eigene Schwerpunkte gesetzt werden dürfen und müssen, so müssen wir hier unsere eigenen Schwerpunkte setzen. Das haben wir nunmehr mit dem zweiten Haushaltsentwurf belegt.

(Martin Börschel [SPD]: Das ist das Fatale bei Ihnen!)

Ich bin froh, dass die SPD Nordrhein-Westfalen nicht mehr regiert. Denn sonst würde NordrheinWestfalen noch ärmer werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Orth. – Für die Landesregierung hat jetzt noch einmal Herr Finanzminister Dr. Linssen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vor allem zu den Ausführungen von Herrn Börschel ein paar Bemerkungen machen.

Zu den 113 Milliarden € Schulden, die wir zurzeit haben, müssen Sie im Geiste immer 110 oder sogar 120 Milliarden € Pensionsverpflichtungen dazurechnen. Das heißt: Die Lage ist dramatisch.

Gerade im Hinblick auf das Demografieproblem bitte ich, die Haushaltsberatungen so zu führen, dass wir erstens dafür Vorsorge treffen und uns zweitens wieder Spielräume erarbeiten, damit wir gerade in solchen Fällen, die auch Herr Schartau zu Beginn der Debatte aufgeführt hat, vielleicht wieder einmal Möglichkeiten des Landeshaushaltes sehen. Denn diese haben Sie in den letzten Jahren Ihrer Regierung – das sind 39 Jahre gewesen – restlos verspielt. Wir haben keine Möglichkeiten mehr.

Herr Börschel, Sie haben meine in der „NRZ“ wiedergegebene Meinung, ein beitragsfreies drittes Kindergarten in Berlin gehe nicht, für falsch erklärt; diese Meinung entspräche nicht Ihrer Einstellung. – Meine Damen und Herren, ich habe in Richtung Berlin folgende Bemerkung gemacht: Wenn Berlin pleite ist – dies wurde schließlich seitens Berlin in Karlsruhe behauptet –, dann kann sich Berlin nicht Dinge leisten, die sich nicht einmal Bayern, nicht einmal Baden-Württemberg, nicht einmal Nordrhein-Westfalen oder die meisten Bundesländer leisten können.

(Norbert Römer [SPD]: Nicht leisten wollen!)

Das heißt, Berlin lebt nach dem Motto: Je pleiter ich bin, desto mehr Geld kann ich ausgeben. – Das hat nichts mit Prioritätensetzung zu tun, Herr Börschel.