Es wäre gut gewesen, Herr Schartau, wenn Sie sich für die SPD auch gegen solche Usancen gewehrt hätten. Sie haben Herrn Wowereit ja praktisch verteidigt.
Wenn Sie sehen, in welchem Konflikt gerade Finanzsenator Sarrazin mit der PDS und mit seiner eigenen Partei steht, glaube ich, dass er den richtigen Kurs steuert, weil er sagt: Wir können uns nicht einfach immer auf die anderen verlassen und zulasten der Solidargemeinschaft und damit auch zulasten von NRW das Geld weiter zum Fenster hinauswerfen.
Wenn Sie den Disput zwischen Herrn Lederer von der PDS und Herrn Sarrazin verfolgen, verkündet der künftige Koalitionspartner ganz einfach: Ich denke überhaupt nicht daran zu sparen. Der Bund soll weiter für mehr Einnahmen sorgen, dann kriegen wir auch mehr Einnahmen. Dann ist das ganze Thema geritzt. – So einfach kann man sich Politik wirklich nicht machen.
Herr Sagel hat für die Grünen das Urteil begrüßt. – Das müssen Sie ja auch, weil Sie eigentlich immer – zumindest theoretisch – für eine nachhaltige Finanzpolitik eintreten sind, auch wenn Sie sie in der Praxis nicht durchgeführt haben. Theoretisch ist also der Ansatz bei Ihnen eigentlich vorhanden.
Nur – Herr Sagel, ich versuche jetzt vielleicht zum zehnten Male, es Ihnen zu erklären –: Sie betonen einerseits immer, wir machten auch im Haushalt 07 so viele Schulden. – Ja, die in dem dem Landtag vorgelegten Haushaltsentwurf ausgewiesene Nettoneuverschuldung beläuft sich auf über 4 Milliarden €. Aber Sie vergessen andererseits immer, ebenso zu betonen, dass Sie allein in den drei vorangegangenen Jahren jeweils 6,7 bis 6,8 Milliarden € netto Neuverschuldung gemacht haben. Sie sollten sich also diese riesige Verbesserung ansehen.
Sie können uns nicht einerseits zeihen, zu viele Schulden zu machen, und andererseits zwei Sekunden später beklagen, wir sparten einfach zu viel,
Ich kann auch Sie, Frau Löhrmann, nur auffordern zu versuchen, in Ihrer Fraktion die Enden zusammenzubinden. Dann wäre dem Land wesentlich gedient. Sie haben schließlich eine Kommission eingerichtet, um die Verhältnisse im Landeshaushalt zu durchleuchten, und den Eindruck erweckt, als setzten Sie auf nachhaltige Finanzpolitik.
(Beifall von CDU und FDP – Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Der Haushalt berücksichtigt aber nicht die Mehrwertsteuererhöhung!)
Herr Schartau, keiner erhebt den Zeigefinger in Richtung Berlin. Ich selber habe immer gesagt: Ich habe denen keine Vorschriften zu machen. Nur: Es kann nicht so sein, dass die Folgen einer unsoliden Finanzpolitik auf den Schultern der Geberländer abgeladen werden. Das können die Geberländer auf die Dauer nicht hinnehmen.
Zurück zum Urteil, meine Damen und Herren! Das Gericht hat festgestellt: Es fehlen Regelungen zum Umgang mit potenziellen und aktuellen Sanierungsfällen. Unter Hinweis auf die Föderalismusreform II hat das Gericht hervorgehoben, dass sich die Anzeichen eines politischen Konsenses mehren. Bei der Reform muss es Konzepte geben, um Haushaltskrisen vorzubeugen und sie zu bewältigen. – Meine Damen und Herren, ich bin dem Gericht für diese Hinweise außerordentlich dankbar.
Für die nordrhein-westfälische Landesregierung ist dies nämlich ein Schwerpunktthema der anstehenden Reform. Die Ministerpräsidenten haben es – wie Sie sicherlich der Presse entnommen haben – bereits auf die Agenda gesetzt, und wir haben in einer gemeinsamen Kabinettsitzung mit Bayern bereits die Notwendigkeit zur Neuausrichtung der Haushaltswirtschaft erörtert.
Herr Finanzminister, das ist in einer Aktuellen Stunde nicht möglich. Sie können aber gerne die Gelegenheit einer zweiten Intervention nutzen.
Die Brisanz der Verschuldung lässt uns keine andere Wahl, als dem Gericht zu folgen. Wir müssen versuchen, Schuldenbremse und Frühwarnsystem einzurichten und genauso, wie der Bund dies in Bezug auf die Maastricht-Kriterien, sprich: die Einhaltung der 3-%-Grenze, getan hat, sicherlich auch unter den Länder und mit dem Bund zu Vereinbarungen kommen und den Verstoß dagegen auch sanktionieren. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie, dass ich den Versuch unternehme, die Diskussion, wie ich finde, wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, weil insbesondere das, was Kollegin Freimuth, Kollege Lienenkämper und auch Sie, Herr Finanzminister, hier vortragen haben, sehr wohl einen Schluss darauf zulässt, dass Sie nur mit dem Finger auf andere zeigen wollen und gar nicht den Versuch unternehmen, einmal die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu ziehen, die wir hier im Land Nordrhein-Westfalen für bedeutsam halten.
Eines noch zur Klarstellung vorweg; ansonsten sollten wir uns dann gar mehr allzu viel mit Berlin beschäftigen, weil wir mit unserem Land weiß Gott genug zu tun haben: Ich finde, vieles dessen, was Sie gesagt haben, müssten Sie unmittelbar an den ehemaligen Regierungschef in Berlin, Herrn Diepgen, richten;
denn der war es doch, der das Land Berlin über Skandale mit der Bankgesellschaft Berlin und über eine völlig exorbitante Verschuldungspolitik in die Notlage getrieben hat. Erst der Regierende Bürgermeister Wowereit mit seinem Finanzsenator Sarrazin hat mit diversen Sparaktionen begonnen, und zwar so sehr und so intensiv, dass es durchaus, wie Sie, Herr Finanzminister, es zu Recht gesagt haben, in Berlin auch viel Kritik dafür gibt.
lich wollen. Wenn richtig ist, was Herr Ministerpräsident Rüttgers vor einiger Zeit in der Presse zum Besten gegeben hat, dass nämlich den Bund die Länderhaushalte gar nichts angingen – so weit in Ordnung –, dann passt dazu doch überhaupt nicht, dass Sie selbst eine Bundesratsinitiative angekündigt haben, Verschuldungsobergrenzen über eine Änderung von Art. 115 des Grundgesetzes zu verändern. Das müssen Sie uns erklären. Entweder ist das eine oder das andere richtig. Konsequent ist jedenfalls das, was Sie ankündigen, nicht.
Im Übrigen warten wir nach wie vor sehr gespannt auf Ihre Bundesratsinitiative. Das ist bisher nichts als eine bloße Ankündigung gewesen. Wir sind sehr gespannt darauf, ob es Ihnen nach Schaffung von Klarheit in den eigenen Reihen gelingt, dann im Bundesrat mit einer solchen Initiative aufzuwarten.
Einen zweiten Punkt, der sich unmittelbar auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezieht, finde ich sehr interessant. Herr Minister Linssen, Sie haben es als bahnbrechendes Urteil bezeichnet; dem stimmen wir gerne zu. Es enthält außerordentlich erfreuliche Klarstellungen zu den BundLänder-Finanzbeziehungen, und auch die sozialdemokratische Fraktion hier im Haus begrüßt ausdrücklich diese klarstellenden Worte des Bundesverfassungsgerichts.
Eines allerdings hat das Bundesverfassungsgericht auch zum Ausdruck gebracht, dass sich nämlich ein Land nicht ärmer rechnen darf, als es ist. Das ist in erster Linie – das muss man sagen – eine schallende Ohrfeige für all diejenigen, die in Berlin Verantwortung getragen oder mit dem Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht eine Veränderung begehrt haben. Letztlich ist es auch eine Watschen für den angeblich so vorsichtigen Kaufmann, der sich als solcher immer gerne geriert, der aber in Wirklichkeit Bilanzverschleierung betreibt. Das sind nämlich Sie, Herr Finanzminister Linssen.
Wir haben in diesem Haus schon häufiger darüber diskutiert, dass Sie, Herr Finanzminister, planmäßig und mit System Einnahmen, die dieses Land geriert und die nach Steuerschätzungen anstehen, schlicht und einfach nicht veranschlagen. Noch im Mai 2006 hat unsere finanzpolitische Sprecherin, Kollegin Walsken, Sie darauf hingewiesen, dass Sie 200 Millionen € mehr veranschlagen könnten, als Sie veranschlagt haben. Mittlerweile wissen wir, dass wir knapp 1 Milliarde € mehr im Jahre 2006 einnehmen werden, als
in Ihrem Haushalt steht. Deswegen fordern wir Sie noch einmal nachdrücklich auf: Legen Sie für 2006 einen Nachtragshaushalt vor, damit dieses Haus, damit das Parlament entscheiden kann, wie diese Gelder verwendet werden können, und nicht Sie, Herr Minister, in kaltem Vollzug.
Der dritte Punkt, der zur Sprache gebracht werden muss, ist eine doch sehr merkwürdige Auffassung von Föderalismus, die insbesondere Sie, Frau Kollegin Freimuth, aber auch Sie, Herr Finanzminister Linssen, hier dargestellt haben. Zum Föderalismus gehört untrennbar und zwingend, dass jedes Bundesland auch eigene Schwerpunkte in seinen Haushalten setzen darf; zugegebenermaßen nicht über ergänzende Zuweisungen des Bundes – das hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt –, aber ansonsten schon.
Deswegen, Herr Minister Linssen, finde ich Ihre Aussage – ich zitiere aus der „Neuen Rhein Zeitung“ vom 19. Oktober 2006 –, dass Sie es völlig daneben finden, dass sich Berlin ein beitragsfreies drittes Kindergartenjahr leisten wolle, völlig daneben. Denn es ist ein absolutes Recht im Föderalismus, dass Bundesländer Schwerpunkte setzen dürfen. Nur weil beispielsweise die Einrichtung eines beitragsfreien dritten Kindergartenjahres nicht zu Ihren Schwerpunkten gehört, dürfen Sie es anderen nicht verbieten.
Denn Sie, liebe regierungstragende Koalition, könnten das auch, Sie wollen es nur nicht. Genau diesen Beweis werden wir antreten: Sie könnten es, wenn Sie wollten, aber Sie machen es nicht.
Deswegen muss man diesen Punkt bis zu Ende denken. Wenn man nämlich Ihren Ansatz, Ihr Verständnis von Föderalismus für bare Münze nähme – ja, auch Ihr Verständnis, Herr Kollege Stahl –, dann bedeutete dieses Aufoktroyieren einer Haushaltspolitik, Ihrer Haushaltspolitik, auf alle Bundesländer doch, dass in Zukunft alle 15 anderen Bundesländer knallharte Klientelpolitik machen müssten, dass alle 15 anderen Bundesländer massiven Sozialabbau betreiben müssten,
dass alle 15 anderen Bundesländer eine Auszehrung ihrer Kommunen betreiben müssten, und dass alle 15 anderen Bundesländer auf dem Rücken der Kleinsten sparen müssten.
Wenn dieser Ansatz Realität werden würde, wie Sie sich das vorstellen, dann gilt der Satz: Armes Deutschland! – Vielen Dank.