Protocol of the Session on July 13, 2005

Wollen Sie den ländlichen Raum weiter durch Polizeibehörden benachteiligen, die nur einen Teil der Aufgaben erfüllen können, die große Polizeipräsidien wahrnehmen?

Schließlich - das haben wir oft ausgeführt, und Sie waren an unserer Seite -: Wollen Sie darauf verzichten, dass durch eine gute Polizeistrukturreform über 2.000 Polizisten zusätzlich den Streifendienst auf der Straße sowie die Kriminal- und Verkehrskommissariate verstärken?

Wenn Sie, sehr geehrter Herr Minister, alle diese Fragen mit Ja beantworten - nach dem Koalitionsvertrag sieht es leider so aus - wollen oder müs

sen - das weiß ich nicht genau -, werden Sie sich in der Tat vorhalten lassen müssen, ein schwacher Innenminister zu sein. Ein schwacher Innenminister ist schlecht für die Polizei und schlecht für die öffentliche Sicherheit in Nordrhein-Westfalen.

Und daraus ergibt sich eine weitere Frage: Gibt es überhaupt ein Reformprojekt des FDP-Innenministers, oder gilt nur das Amt? Gibt es ein Konzept der Polizeireform, oder gilt nur das Amt? Gehören Sie einer Koalition der Erneuerung oder des Stillstands an?

Ich kann Ihnen versichern: Wenn Sie nur Verwaltungsminister bleiben wollen, werden Sie auf unsere scharfe Kritik stoßen. Wenn Sie Gestaltungsminister werden möchten, werden wir Sie hierin ganz herzlich unterstützen. - Schönen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank. - Als nächster Redner hat Kollege Kruse für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gedenken an die Opfer der menschenverachtenden Anschläge von London hat unsere Landtagspräsidentin vor Eintritt in die heutige Tagesordnung verdeutlicht, dass der konsequente Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität in jedweder Form eine der größten Herausforderungen der westlichen Wertegemeinschaft ist. Die mörderische Entschlossenheit von Terroristen galt nicht nur dem britischen Volk, sondern dies waren auch Anschläge auf unsere Demokratie und auf unseren freiheitlich-liberalen Rechtsstaat.

Deswegen ist und bleibt der Schutz von Leib, Leben und Eigentum der Bürgerinnen und Bürger die ureigenste Aufgabe des Staates.

(Beifall von der CDU)

Es ist schon erstaunlich, verehrte Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, geschätzte Frau Düker, Herr Rudolph, dass Sie die neue Periode unter anderem mit Anträgen zu einem Thema beginnen, mit dem Sie - neben anderen - die Landtagswahlen deutlich verloren haben.

(Beifall von der CDU - Monika Düker [GRÜ- NE]: Das ist doch Quatsch! )

Herr Rudolph, ich gestehe Ihnen zu, dass Sie in Ihrer neuen Aufgabe noch vieles lernen müssen. Ihre Ausführungen haben verdeutlicht, dass Sie in

den letzten fünf bis zehn Jahren in diesem Themenfeld nun wirklich nicht zu Hause gewesen sind; denn die Abschlussbilanz nach 39 Jahren SPD-dominierter, aber vor allen Dingen nach zehn Jahren rot-grüner Innen- und Sicherheitspolitik in Nordrhein-Westfalen ist verheerend, ja sie ist außerordentlich schlecht.

(Ralf Jäger [SPD]: Sagen Sie mal was zum Thema!)

Herr Priggen, Sie melden sich jetzt schon zu einer Zwischenfrage. Das von Ihnen angestrebte Verfahren zeigt, dass Sie noch nicht einmal inhaltlich über Ihre Anträge diskutieren wollen: Herr Rudolph hat acht oder neun Fragen gestellt, die alle solider Antworten bedürften. Gleichwohl verlangen Sie Beratung und direkte Abstimmung. Warum beantragen Sie nicht „Beratung in den entsprechenden Fachausschüssen“?

Gestatten Sie denn die Zwischenfrage des Kollegen Priggen?

Ihre einzige Intention ist, die Unterschiede zwischen FDP und CDU verdeutlichen zu wollen.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

- Frau Düker, Ihre Reaktion macht klar, dass Sie in Ihrer neuen Rolle noch nicht angekommen sind.

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege Kruse, ich frage noch einmal, ob Sie die Zwischenfrage des Kollegen Priggen beantworten möchten.

Nein, ich möchte zunächst einige Fakten in aller Ruhe in Erinnerung rufen. - Neben der Tatsache, dass wir im Ländervergleich einen Abstiegsplatz einnehmen, dass wir seit Jahren einen Anstieg der Straftaten auf inzwischen 1,5 Millionen verzeichnen, dass weit weniger aufgeklärt wird als jede zweite Straftat, hat Rot-Grün auch zu verantworten, dass von 1995 bis 2003 jede zehnte Polizeiwache geschlossen wurde und seit 1998 bei stetig steigendem Aufgabenzuwachs 3.490 Stellen abgebaut wurden.

Außerdem leidet die Polizei in NRW unter Bürokratie und einer zunehmenden Verwaltungsaufblähung. Sie haben - Herr Rudolph, hören Sie genau zu - in den letzten fünf bis zehn Jahren keine wirklich ernsthafte Initiative zur Verbesserung der Situation der polizeilichen Arbeit auf den Weg gebracht,

(Beifall von FDP und CDU)

um damit dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen - und das muss im Mittelpunkt stehen - in unserem Lande zu entsprechen. Auch deswegen sind Sie - wie gesagt - am 22. Mai abgewählt worden.

Im Übrigen hat das Wahlergebnis nach meiner Wahrnehmung und Einschätzung für die außerordentlich große Mehrheit der ca. 43.000 Beschäftigten innerhalb der Polizei wie ein Befreiungsschlag gewirkt.

(Beifall von der CDU)

Herr Jäger, Sie lachen. Das ist meine Wahrnehmung, meine Einschätzung. Sie können widersprechen.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Es ist richtig, verehrte Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, dass die neuen Koalitionspartner hinsichtlich einer weitergehenden Strukturreform unterschiedliche Auffassungen vertreten. Das ist die eigentliche Intention, weshalb Sie von Rot und Grün Ihre Anträge vorlegen. Gleichwohl gibt es ein außerordentlich hohes Maß an Gemeinsamkeiten. Einige wenige davon möchte ich Ihnen kurz vortragen:

CDU und FDP stellen in ihrem Koalitionsvertrag einvernehmlich fest, dass die Gewährleistung der inneren Sicherheit eine zentrale Aufgabe für uns sein wird. Wir wollen, dass sich die Polizei zukünftig auf ihre Kernaufgaben, die Gefahrenabwehr sowie die Bekämpfung von und das Vorbeugen vor Straftaten, konzentriert. Wir werden die Präsenz der Polizei in der Öffentlichkeit erhöhen.

(Ralf Jäger [SPD]: Wie denn?)

Die Polizei ist insbesondere von einer Vielzahl von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Polizeivollzugsbeamte sollen grundsätzlich in operativen Bereichen eingesetzt werden, zum Beispiel im Wach- und Wechseldienst in Verkehrs- und Kriminalkommissariaten.

Die Polizei soll ergänzend dazu bei ihrer Aufgabenerledigung künftig durch Angestellte und Privatunternehmen unterstützt werden, so weit keine hoheitlichen Aufgaben berührt sind.

Wir werden - das ist ein weiterer außerordentlich wichtiger Punkt - eine gute, eine bessere Fort-, Aus- und Weiterbildung der Polizei auf den Weg bringen. Die sich verändernde Kriminalität hat uns in den letzten Jahren verdeutlicht, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Das haben Sie in den letzten fünf Jahren alles abgelehnt.

Wir werden dafür sorgen, dass die Polizeibehörden merklich höhere Effizienzgewinne und eine verbesserte Ermittlungstätigkeit erreichen, unter anderem - unser Herr Ministerpräsident hat heute Morgen schon einige Punkte angesprochen, die ich ergänze - durch Zusammenlegung von Polizeiinspektionen, durch die Organisation von Einsatzleitzentralen über die Kreisgrenzen hinweg, aber eben auch dadurch, dass wir die bei den Bezirksregierungen bestehenden Polizeiabteilungen auflösen werden. Das haben wir schon in der vorletzten Periode beantragt. Auch das haben Sie abgelehnt.

Wir werden das Projekt Steuerung und Führung endgültig auflösen -

(Monika Düker [GRÜNE]: Das ist doch längst aufgelöst!)

eine alte Forderung aller Polizeigewerkschaften. Das haben wir in der vergangenen Periode gefordert. Sie haben es abgelehnt.

Wir werden insgesamt die intensive Besprechungskultur innerhalb der Polizei beenden.

Wir brauchen ein verlässliches Personalentwicklungskonzept, ein Personalverwendungskonzept für die nächsten Jahre. Auch dazu haben wir Anträge gestellt. Sie haben es abgelehnt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Ergebnis der Landtagswahlen vom 22. Mai beginnt auch ein neues Kapitel der inneren Sicherheit in Nordrhein-Westfalen. Der Koalitionsvertrag wird konsequent umgesetzt. Die neue Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen werden jetzt das tun, was wir vor der Wahl gesagt haben. Ich gestehe zu: Die Neuausrichtung dieser Politik erfordert Zeit, Kraft und Mut. Wir sind dazu bereit. Wir laden Sie ausdrücklich dazu ein - wenn Sie sich ein wenig besser in Ihre neue Rolle gefunden haben -, sich konstruktiv an dieser Arbeit im Sinne der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu beteiligen. Der Neuanfang wird auf den Weg gebracht werden. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Als nächster Redner hat für die FDP-Fraktion der Kollege Horst Engel das Wort.

(Reiner Priggen [GRÜNE]: Jetzt kommt die Kurve! - Zuruf von der SPD: Die Innenkurve!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Zuruf)

- Ja, ich freue mich, dass ich wieder hier bin. - Frau Kollegin Düker, Herr Kollege Rudolph, der Teufel steckt im Detail.

(Jochen Dieckmann [SPD]: Der Engel auch!)