Protocol of the Session on July 13, 2005

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/31

Ich eröffne die Beratung und erteile als erster Rednerin Frau Abgeordneter Düker für die an

tragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat heute in seiner Regierungserklärung gesagt, dass er mehr Polizei in Wachen und Kommissariaten einsetzen will. So weit, so gut. Ab dann wird es nebulös, auch das, was im Koalitionsvertrag steht.

Eigentlich ist Ihnen, Herr Wolf, die Antwort bekannt, wie man das hinbekommt, denn das haben wir in der letzten Legislaturperiode hier im Haus rauf und runter diskutiert. Herr Engel vertrat immer mit uns die Auffassung, dass es hier nur eine Antwort gibt. Die heißt: Wir bekommen wichtige Ressourcen für die Sicherheit in NordrheinWestfalen nur freigeschaufelt, wenn wir das Ziel erreichen, in Nordrhein-Westfalen gleich große Polizeibehörden zu haben, die alle grundsätzlichen Polizeiaufgaben selbstständig wahrnehmen können. Dazu brauchen wir eine deutliche Reduzierung von jetzt 50 Kreispolizeibehörden auf 16, 14 oder 12 - eine Reform, die alle anderen Bundesländer bislang gemacht haben und die in NRW dringend notwendig ist. Nur damit ist es möglich, deutlich Ressourcen in Führung und Verwaltung zugunsten des operativen Dienstes abzubauen.

Herr Wolf, wir können - das wissen Sie auch - in der Binnenstruktur, das heißt in der Ablauforganisation der Behörden, das, was wir jetzt in den Modellversuchen z. B. in Köln und Aachen probieren, nämlich eine funktionalere Ablauforganisation in den Behörden selbst, nur dann erreichen, wenn wir diese Reduzierung vornehmen und gleich große Behörden haben, wenn wir Schnittstellen bereinigen, wenn wir Doppelzuständigkeiten abschaffen. All das steht in Ihren Koalitionsvereinbarungen als allgemeines Ziel bei der Verwaltungsreform. Nur in einem Punkt setzen Sie dies nicht um, und das ist im Bereich der Polizei. Wir alle wissen auch, warum.

Ihr Koalitionsvertrag ist an dieser Stelle nicht einmal halb gar. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden, wenn Sie so umgesetzt werden, die Situation in der Polizei verschlimmern, ein Chaos hervorrufen, nichts verbessern und auch nicht die erreichten Ressourcen freischaufeln können. Das wissen wir alle. Wenn Sie die Bezirksregierungen abschaffen, Herr Wolf, und diese 50 Kreispolizeibehörden behalten, dann wissen Sie doch als Verwaltungsmann, dass eine große Führungsspanne entsteht, um 50 Behörden zu organisieren.

Dann sagen Sie aber auch, was der Landkreistag an dieser Stelle sagt, dass wir ein Landespolizei

präsidium brauchen und damit eine zusätzliche Sonderbehörde. Seien Sie ehrlich und sagen Sie: Dann müssen wir eher mehr Verwaltung schaffen als weniger. Die Bezirksregierung an dieser Stelle abzuschaffen, macht nur dann Sinn, wenn Sie auch große Behörden haben, die diese Aufgaben tatsächlich wahrnehmen können.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wenn Sie sibyllinisch davon reden, Arbeitsgruppen und Führungsstäbe würden reduziert, wollen Sie damit wirklich den Leuten glaubhaft erklären, damit seien die 1.800 Stellen, die der Landkreistag hier zusammenrechnet, tatsächlich zu erreichen? Sie wissen doch, dass Polizeifachleute sagen: Das bekommen Sie gar nicht hin, wenn Sie in diesem System herummurksen. Dafür müssen Sie die Behörden reduzieren.

Als Kronzeugen kann ich hier nur den Bund Deutscher Kriminalbeamter benennen. Herr Engel, das waren doch immer Ihre Berater; auf die haben Sie doch immer gehört. Herr Albishausen sagt ganz klar, da bekommen Sie vielleicht 200, 300, vielleicht 400 Stellen frei, aber längst nicht diese Größenordnung, die wir dringend brauchen, um Polizei auf die Straße zu bringen. Das wissen Sie doch genauso gut wie ich auch.

Herr Minister, ich fordere Sie auf: Machen Sie die Innenpolitik Nordrhein-Westfalens nicht zur bundesweiten Lachnummer!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Alle anderen Bundesländer, zum Beispiel Niedersachsen, auch mit Beteiligung der FDP, haben diese Strukturreform erfolgreich umgesetzt. Sie drücken sich hier vor einer wichtigen Aufgabe. Sie drücken sich davor, Entscheidungen zu treffen, die wirklich mehr Sicherheit in NordrheinWestfalen bringen. Ich kann Ihnen nur Mut für die nächste Zeit wünschen, hier wichtige strukturpolitische Entscheidungen für mehr Sicherheit gegen einseitige - das muss hier so deutlich gesagt werden - Lobbyinteressen der Landräte zu treffen

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

und Ihre FDP-Position aus der letzten Legislaturperiode, die ich ja richtig fand, Herr Engel, in diesem Haus nicht zu verleugnen. Ich kann Ihnen für eine Koalition der Vernunft Unterstützung anbieten, denn bei dieser Reform, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es nicht um rechts, nicht um links, sondern schlicht darum, ob sich Vernunft in diesem Land durchsetzen kann gegen Lobbyinteressen der Landräte,

(Zuruf von Theo Kruse [CDU])

die dann - das ist das Einzige, was dann passiert - ihr Schild vor dem Kreishaus abbauen müssen. Wenn Ihnen das wichtiger ist, dann entscheiden Sie sich gegen bessere Sicherheitsstrukturen in Nordrhein-Westfalen.

Ich biete Ihnen also unsere Unterstützung an für eine Koalition der Vernunft, für bessere Strukturen in Nordrhein-Westfalen und nicht für Stillstand, Mutlosigkeit und Ratlosigkeit.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das Wort hat nun für die ebenfalls antragstellende SPDFraktion Herr Abgeordneter Dr. Rudolph.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, die SPD-Fraktion ist nicht nachtragend. Ich will doch, weil wir uns jetzt parlamentarisch zum ersten Mal in dieser neuen Konstellation begegnen, Ihnen noch einmal ganz herzlich zu Ihrer Ernennung gratulieren und Ihnen ankündigen, dass die SPDFraktion Ihre Amtsführung ebenso kritisch wie konstruktiv in den nächsten Jahren begleiten wird.

(Zuruf von Theo Kruse [CDU])

Sie stehen in einer Reihe bedeutender Innenminister der letzten 40 Jahre. Fritz Behrens, FranzJosef Kniola und Herbert Schnoor, aber auch Burkhard Hirsch und Willi Weyer konnten sich in sozialdemokratisch geführten Landesregierungen sehr gut entfalten. Mein erster Eindruck ist allerdings, dass Sie, lieber Herr Wolf, es schwer haben werden - mit Herrn Rüttgers, mit der CDU, aber anscheinend auch mit der eigenen Partei.

(Beifall von Reiner Priggen [GRÜNE])

Jedenfalls glaube ich, dass sich in diesem Hause niemand daran erinnern kann, dass es jemals einen designierten Landesinnenminister gegeben hat, über dessen Nachfolge in den eigenen Reihen bereits diskutiert wurde, bevor er im Amt war.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das ist nicht gut für Nordrhein-Westfalen, nicht gut für die nordrhein-westfälische Innenpolitik und auch nicht gut für das wichtige Amt des Innenministers in unserem Lande.

Nun wurden unsere massiven Zweifel an Ihrer politischen Durchsetzungsfähigkeit zusätzlich durch den Umgang der neuen Regierung mit dem wichtigen Thema Polizeireform geweckt. Sie wissen, dass eine sehr hochkarätige und unabhängige Expertenkommission unter Leitung des ehemaligen Landespolizeipräsidenten Dr. Udo Scheu im

Auftrag dieses Landtags die Leistungsfähigkeit der Polizeiorganisation auf den Prüfstand gestellt und entsprechende Vorschläge zur Reform der Behördenstruktur gemacht hat.

Kollegin Düker hat gerade schon daran erinnert, dass Ihre Fraktion diesen Prozess sehr aktiv unterstützt hat. In Ihrem Wahlprogramm ist nachzulesen, dass Ihre Partei noch vor wenigen Wochen eine Polizeineuorganisation gefordert hat. Sie, Ihre Partei, Ihre Fraktion teilten das Fazit der Fachleute der Kommission: Die Polizei arbeitet zwar sehr gut, aber sie braucht eine leistungsfähigere Organisation.

Wir wissen: Unsere Behördenstrukturen in diesem Bereich sind inzwischen über ein halbes Jahrhundert alt und müssen den Anforderungen der Zukunft angepasst werden. Das heißt, vor allen Dingen die Zahl der Kreispolizeibehörden muss drastisch reduziert werden, und es ist zwingend, in Größe und Leistungsfähigkeit vergleichbare Behörden zu schaffen.

Dann hat auch noch einer Ihrer neuen Staatssekretäre, der frühere Kollege Brendel, kurz vor der Wahl am 22. Mai auf der Landrätekonferenz die Ergebnisse der Scheu-Kommission sehr ordentlich verteidigt, wie wir fanden. Und der innenpolitische Sprecher, Kollege Engel, war im Innenausschuss und im Plenum dieses Landtags eine der treibenden Kräfte der Polizeistrukturreform.

Ich will das nicht weiter ausführen, aber Sie können sich wegen Ihrer Beschlüsse, Ihrer Aktivitäten über viele Jahre vielleicht erklären, dass wir sehr verwundert waren, als wir auf Seite 45 Ihres Koalitionsvertrags lesen mussten - ich zitierte mit Erlaubnis des Präsidenten -:

Das können Sie auch ohne meine Erlaubnis tun.

Danke. Das ist eine wirklich liberale Amtsführung.

„Hinsichtlich der Notwendigkeit einer weitergehenden Strukturreform bleiben die Koalitionspartner bei ihren unterschiedlichen Auffassungen.“

Das ist erstaunlich. Denn an anderer Stelle desselben Vertrags - darauf wurde schon hingewiesen - kündigen Sie große Taten an: Abschaffung der Bezirksregierungen, Abschaffung der Landschaftsverbände, Schaffung von drei Regionalpräsidien mit gemischten staatlichen und kommunalen Zuständigkeiten.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Aber dort, wo Sie als Minister die Chance haben, sofort und ohne großen Aufwand mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land umzusetzen, herrscht vom ersten Tag des Regierens an Reformstillstand. Hier sind Sie anscheinend - das entspricht ja auch Ihrer Tradition - umgefallen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Um noch einmal eine klare Antwort von Ihnen zu erhalten, haben wir in unserem Antrag in den Punkten 1 bis 5 wortwörtliche Aussagen eines gemeinsam von uns und Ihrer Fraktion in der letzten Legislaturperiode gefassten Beschlusses dieses Hohen Hauses aufgenommen. Deswegen stelle ich Ihnen heute wieder folgende Fragen:

Soll es dabei bleiben, dass wir in NordrheinWestfalen 20 Polizeipräsidien behalten?

Soll es dabei bleiben, dass wir ein Polizeipräsidium der Wasserschutzpolizei behalten?

Soll es dabei bleiben, dass wir 29 Landräte als Kreispolizeibehörden haben, unter dem Strich also 50 Behörden, die für die innere Sicherheit dieses Landes zuständig sein sollen?

Soll es dabei bleiben, dass die Beschäftigtenzahl etwa bei der Kreispolizeibehörde Köln für 1 Million Einwohner bei 4.000 liegt und in Olpe für 240.000 Einwohner bei 200?

(Theo Kruse [CDU]: Das sind keine 200 mehr!)

- Umso schlimmer, Herr Kollege. Wenn es noch 200 wären, wäre der Abstand zu Köln und zu anderen Präsidien nicht ganz so groß.

Soll es weiter bei einer ungerechten Verteilung von Aufstiegschancen und Verwendungsmöglichkeiten der Polizisten bleiben, die in extremem Maße davon abhängig ist, in welcher Behörde sie arbeiten?

Wollen Sie den ländlichen Raum weiter durch Polizeibehörden benachteiligen, die nur einen Teil der Aufgaben erfüllen können, die große Polizeipräsidien wahrnehmen?