Wie gesagt, die Diagnose ist gestellt, eine Therapieempfehlung von Minister Pinkwart steht noch aus, und über Risiken und Nebenwirkungen müssen wir zu gegebener Zeit diskutieren. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Apel-Haefs. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Kollege Lindner das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Dieser Antrag hat zweifelsohne Aspekte, die man auch positiv würdigen kann. Ich will nur einige auswählen.
Erstens. Nun gehen die Grünen offenbar ebenfalls von steigenden Studierendenzahlen aus. Bislang hatte man in diesem Landtag den Eindruck, sie würden ihrer eigenen Angstkampagne glauben, dass Studienbeiträge Studienbewerber von einem Hochschulstudium abhalten würden. Offenbar hat sich ihre Einschätzung zu Recht verändert.
ist neu und zu begrüßen. Denn unter Rot-Grün galt: Jeder Dritte, der ein Studium aufnahm, beendete es nicht. Das aber, liebe Frau Apel-Haefs, hat die Vorgängerkoalition nicht veranlasst, ihre Hochschulpolitik zu verändern, solange es nur genügend junge Leute gab, die auch unter unzureichenden Bedingungen bereit waren, ein Studium aufzunehmen.
Zum Dritten: An diesem Antrag freut mich ebenfalls, dass von der unbestrittenen Notwendigkeit gesprochen wird, mehr Ausbildungsplätze im dualen System bereitzustellen. Wenn wir uns nämlich mit Europa und der Welt ehrlich vergleichen wollen, müssen wir feststellen, dass vieles, was bei uns im dualen Ausbildungssystem an Fachschulen in der Meisterausbildung abgewickelt wird, bei anderen tertiärer Sektor ist. Nicht jeder ist für ein akademisches Hochschulstudium geeignet. Es gibt viele, die etwa mit der Qualifikation zum Meister besser fahren und so ihren eigenen Lebensentwurf sehr viel positiver für sich gestalten können. Wir jedenfalls sind nicht bereit, das duale System und die Meisterqualifikation marginalisieren zu lassen.
Meine Damen und Herren, die Zielsetzung dieses Antrags, mehr Studienplätze für eine zunehmende Zahl von Studierenden bereitzustellen, ist zu begrüßen und korrekt. Allerdings wird von der antragstellenden Fraktion nur unzureichend gewürdigt, dass diese Landesregierung und diese Koalition bereits aktiv geworden sind.
Insbesondere die letzte Forderung im grünen Antrag ist deshalb überholt. Minister Pinkwart hat sich mit seiner Forderung nach einem Hochschulpakt bereits im Rahmen der Föderalismusdebatte für eine finanzielle und strukturelle Unterstützung durch den Bund und andere Bundesländer eingesetzt – im Übrigen als einziger Minister, erst recht als einziger Hochschulminister, der im Zuge der Debatte im Deutschen Bundestag das Wort ergriffen hat.
Nicht nur das. Darüber hinaus haben Koalition und Landesregierung deutlich gemacht, worauf es ihnen bei der Ausgestaltung eines solchen Hochschulpaktes ankommt: darauf, dass NordrheinWestfalen zusätzliche Kapazitäten aufbauen kann.
Aus Anlass des Antrags der SPD-Fraktion „Für einen ehrlichen Hochschulpakt“ haben wir bereits hervorgehoben, dass der Umstand, dass unser Bundesland 25 % der Studierenden insgesamt ausbildet, auch bei der Mittelvergabe angemessen Berücksichtigung finden muss. Es kann nicht
Dieser Hochschulpakt darf aber nicht die Handlungsfähigkeiten, die wir den Hochschulen einräumen wollen, begrenzen. Wir wollen uns nicht selbst dadurch dementieren, dass wir auf der einen Seite das freiheitlichste Hochschulrecht aller Bundesländer auf den Weg bringen und dann auf der anderen Seite im Hinblick auf die Kapazitätssicherung wieder auf Instrumente der Detailsteuerung setzen. Das kann kein Mittel der Wahl sein. Deshalb unterstützen wir die Landesregierung, wenn sie sich darum bemüht, gemeinsam mit dem Bund und anderen Ländern ein Modell zu finden, das auf zentrale Steuerung verzichtet.
Abschließend möchte ich noch zwei weitere Aspekte benennen, auf die die antragstellende Fraktion nicht eingeht.
Sie müssen doch zur Kenntnis nehmen, wie lange die in Nordrhein-Westfalen vorhandenen Kapazitäten von einzelnen Studierenden besetzt werden. Ich will daran erinnern, dass das Studium in Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt 11,9 Semester dauert, dass nur 20 % der Studierenden ihr Studium in der Regelstudienzeit abschließen können. Hier haben wir doch gerade Veränderungen vorgenommen, damit die durchschnittliche Studiendauer sinkt, damit mehr Studierende in der Lage sind, ihr Studium in der Regelstudienzeit abzuschließen. Auch das wird sich positiv auf die Kapazitäten auswirken.
Es kann nicht weiter so sein, dass NordrheinWestfalen ganz unten in der Rangliste der kürzesten Studiendauer steht. Wenn ich mich richtig erinnere, gibt es nur zwei Bundesländer, in denen die durchschnittliche Studiendauer länger ist als in Nordrhein-Westfalen. Das zu verändern, wird sich positiv auf die Kapazitäten auswirken.
Der Kollege Brinkmeier hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir eine starke Ungleichentwicklung in der Hochschullandschaft erleben. Auf der einen Seite sind in Nordrhein-Westfalen möglicherweise mehr Bewerber als Plätze zu erwarten, auf der anderen Seite wird es etwa in ostdeutschen Bundesländern Kapazitäten geben.
Lieber Herr Schultheis, Sie und genauso Herr Eumann haben eben dazwischengerufen. Es geht nicht darum, dass wir jetzt wieder zentral verteilen wollen, aber wir wollen uns beteiligen, wollen auch andere Bundesländer ermutigen, Hochschulen – wie wir das tun – als Standortfaktor zu begreifen und im Wettbewerb um Studierende attraktiv zu sein. Wir brauchen vielleicht eine Kampagne „Go East“, damit sich der Studienbewer
berstrom in Deutschland richtig auf die 16 Bundesländer verteilt, und zwar aus Überzeugung. Ich spreche hier im Übrigen aus persönlicher Erfahrung. Ich bin sehr häufig aus persönlichen Gründen in Leipzig und kenne die Hochschule dort. Auch da kann man sehr gut studieren. Auch darauf müssen wir hinweisen.
Insofern: Dieser Antrag ist eine Gesprächsgrundlage. Es hätte seiner nicht bedurft, um uns für das Thema zu sensibilisieren. Wir werden das Anliegen gleichwohl gerne mit Ihnen zusammen weiterverfolgen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Prof. Dr. Pinkwart das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, eine Offensive für mehr Studienplätze ist richtig und wichtig, und sie läuft bereits. Wir haben das Thema im Land längst angepackt. Aber wir fordern auch – das habe ich von Anbeginn an gesagt – den Bund. Er darf die Länder mit dieser Aufgabe nicht allein lassen.
Wir fordern auch, dass alle Länder ihren Beitrag dazu leisten. In der gegenwärtigen und absehbaren Situation in Deutschland dürfen jedenfalls keine Studienplätze abgebaut werden.
NRW bietet im nationalen Vergleich der Länder bereits seit Langem weit mehr Studienplätze an, als für unsere eigenen Landeskinder nötig wären. Wir bilden schon heute rund jeden vierten Studenten, jede vierte Studentin in Deutschland aus. Trotzdem wird der Anstieg der Nachfrage dazu führen, dass wir im Vergleich zu heute für eine begrenzte Zeit deutlich mehr Studienplätze brauchen.
Wir gehen davon aus, dass wir in NordrheinWestfalen in den nächsten Jahren anwachsend deutlich mehr Studienanfänger haben werden. Nach der Prognose der Kultusministerkonferenz steigt die Studienanfängerzahl in NordrheinWestfalen von heute etwa 82.000 auf über 90.000 im nächsten Jahrzehnt und erreicht ihre Spitze im Jahr 2013 mit 104.000 Studienanfängern. Das wären 22.000 Studienanfänger mehr als heute.
der Hochschulzugangsberechtigten in Zukunft ein Studium aufnehmen werden. Der Prozentanteil ist heute noch niedriger.
Geht man von einer höheren Übergangsquote von 85 % aus, liegt das Plus für Nordrhein-Westfalen im Spitzenjahr bei rund 34.000 zusätzlichen Studienanfängern.
Meine Damen und Herren, wir werden deshalb das Angebot an Studienplätzen hier in NordrheinWestfalen bedarfsbezogen ausweiten.
Aber – ich füge hinzu –: Das alleine genügt nicht. Die nationale Herausforderung steigender Studierendenzahlen erfordert eine länderübergreifende und nationale Bereitschaft, diese Herausforderung gemeinsam entschlossen anzugehen. Alle gemeinsam müssen erkennen: Steigende Studierendenzahlen sind kein Problem, das wir erneut zulasten der Qualität wie in der Vergangenheit untertunneln dürfen. Steigende Studierendenzahlen sind eine große Chance für Deutschland.
Wir müssen durch kluge Instrumente daher die Qualität des Studiums für mehr junge Leute sichern und verbessern. Darum muss es uns gehen.
Die Entwicklung wird sehr ungleich verlaufen. Im Bundesdurchschnitt reden wir von durchschnittlich 5 % mehr Studienanfängern bis zum Jahr 2020. In Nordrhein-Westfalen werden es durchschnittlich 12 % sein. Die Spitze liegt durch den doppelten Abiturjahrgang im Jahre 2013. Ähnlich sieht es in anderen, vor allem süddeutschen Bundesländern aus. Die Spitzen liegen allerdings nicht zeitgleich.
Im Osten haben wir den umgekehrten Trend: Dort werden im gleichen Zeitraum die Studienanfängerzahlen deutlich auf 80 % oder sogar 70 % der heutigen Zahlen zurückgehen. Diese Länder beginnen bereits mit Blick auf diese Bedarfszahlen, ihre Studienkapazitäten abzubauen.
Ich sage das nicht nur, meine Damen und Herren, weil wir auf einen Ausgleich zwischen den Ländern ein besonderes Augenmerk richten sollten.
Vielmehr halte ich es auch für die Entwicklung in den neuen Ländern für einen Unfug, wenn man glaubte, auf diesen Rückgang durch Kapazitätsabbau reagieren zu wollen. Wir wissen, dass ein Teil der Studierenden immer auch am Ort verbleibt, dort einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leistet, unter anderem auch durch innovative Ausgründungen an Hochschulen. Das heißt, es muss im eigenen Interesse der neuen Länder liegen, ihre Ausbildungskapazitäten
Ich füge hinzu – gestern hat es hier eine Solidarpaktdebatte gegeben –: Die Hochschulen sind aus Solidarpaktmitteln erst einmal erbaut worden. Die Kapazitäten wurden errichtet. Deswegen habe ich gefordert, dass die Solidarpaktmittel in Zukunft zweckgerichtet für die laufende Hochschulfinanzierung ihre Verwendung in den neuen Ländern finden sollten, und zwar auch nach dem Grundsatz, meine Damen und Herren: Solidarität ist keine Einbahnstraße!
Zum anderen brauchen wir dringend den Hochschulpakt mit dem Bund. Als erstes Bundesland hat Nordrhein-Westfalen hierzu die Initiative ergriffen und einen solchen Hochschulpakt gefordert. Unter anderem – das hat Herr Lindner bereits dargestellt – habe ich das für die Landesregierung auch bei der Beratung zur Föderalismusreform bereits im Deutschen Bundestag zum Ausdruck gebracht.
Über den Verfahrensstand ist der Ausschuss des Landtages regelmäßig von mir unterrichtet worden. Ich freue mich, dass nach Abschluss der Diskussion zur Föderalismusreform geklärt ist, dass der Bund auch künftig beides unterstützen kann: Forschung und Lehre. Nordrhein-Westfalen hat dabei eine nicht unmaßgebliche Rolle gespielt.
Bei den gegenwärtig laufenden Verhandlungen mit dem Bund stehen aus meiner Sicht zwei Ziele im Vordergrund: Zum einen geht es im Bereich der Forschungsförderung um den Einstieg in die Vollkostenfinanzierung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, eine im Sinne unseres Forschungsstandortes absolut wichtige Forderung.
Erstens. Ich erwarte vom Bund einen signifikanten Beitrag, um die zeitlich begrenzte Sondersituation im Interesse der jungen Menschen und unseres Bildungsstandortes wirksam zu lösen. Die bisher dafür genannten Summen haben aber eher symbolischen Charakter und müssen deutlich erhöht werden. Ich denke, da wird gerade die SPDFraktion in ihrer besonderen Verantwortung in Berlin unterstützend zur Seite stehen können.
Zweitens. Wir brauchen einen einfachen und nachvollziehbaren Verteilungsmodus. Wir drängen auf ein Modell, bei dem sich der Bund aus der
Detailsteuerung heraushält, damit die Hochschulen bei der Ausgestaltung möglichst viel Freiraum erhalten.
Der Hochschulpakt muss diejenigen Länder zudem angemessen ausstatten, die bereits heute deutlich über den Bedarf ihrer eigenen Landeskinder hinaus Studienanfängerplätze anbieten und zudem neue schaffen wollen. NordrheinWestfalen gehört dazu. Deswegen dränge ich auch darauf, dass wir einen Modus finden, mit dem Nordrhein-Westfalen nicht erneut – wie es beim Hochschulbau noch unter der Verhandlungsführung der Vorgängerregierung der Fall war – benachteiligt wird.