Protocol of the Session on September 13, 2006

Jetzt von einem Skandal zu reden und dass man dieses oder jenes hätte tun sollen, können oder müssen, veranlasst mich zu folgender Frage: Warum haben Sie – der Sie seit Jahren wussten, wie gefährlich PFT ist – dieses Thema nicht schon seit Jahren über Ihre Regierungsbeteiligung hier in Düsseldorf und Berlin längst angegangen? Jetzt zu behaupten, Sie hätten – erstens – das immer schon gewusst, hätten aber – zweitens – nichts gemacht und Sie machten uns – drittens – den Vorwurf, wir hätten nicht hinreichend genug gehandelt, obwohl diese Regierung doch gehandelt hat, geht nicht an. Diese Regierung hat aufgeklärt und dafür gesorgt, dass PFT wieder herausgenommen wird.

Herrgott noch mal, so können wir doch nicht miteinander umgehen! Herr Remmel, dieses Strickmuster trägt doch einfach nicht. Es ist Ihrer unwürdig, und ich habe auch keine Lust, darüber zu diskutieren. Es ist einfach schlecht.

PFT ist also ein Stoff, der aufgrund seiner speziellen Verwendung nicht großflächig in die Umwelt eingebracht wird. Wir haben die Landesregierung gehört, die sich dafür eingesetzt hat, dass ein

Verbot ausgesprochen wird. Punktuelle und teilweise illegale und – so will ich es sogar sagen – kriminelle Einleitungen sind nie hundertprozentig auszuschließen. In dem Falle hat dann ein entsprechendes Recht zu wirken. Auch an der Stelle besteht Klarheit.

Die Vorwürfe, die Sie in der Ausschusssitzung erhoben haben, man hätte sofort eine Truppe nach Belgien schicken und dort ermitteln müssen – so weit und so schnell es ging, ist das gemacht worden – muss doch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Belgien ein anderer Staat ist.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Wir sind in Europa!)

Das ist schön und gut. Dann setzen Sie sich doch bitte über Ihre grünen Europaabgeordneten dafür ein, dass wir die Grenzen entsprechend öffnen. Im Bereich der kriminalpolizeilichen Ermittlungen sind wir schon weiter. Aber soweit es um Rechtshilfeersuchen geht, Herr Kollege, sind wir noch nicht so weit. Wir können keine Truppen in Marsch setzen und belgische Behörden dazu zwingen, die Unterlagen herauszugeben. So einfach ist das.

(Johannes Remmel [GRÜNE] zeigt auf seine Ellenbogen.)

Ja, mit der sozialistischen Faust gehe ich nach Belgien! Hören Sie doch auf!

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Ellenbogen!)

Jetzt geht es zu weit.

Genauso verhält es sich mit Ihrer Forderung, Herr Remmel, wie hätten bei Reach schon längst handeln müssen. Ihre Forderung, über die wir hier diskutiert und die wir auf breiter Basis abgelehnt haben, dass alle Stoffe über Reach untersucht, bewertet, ausgelistet usw. werden müssten, würde zu einem absoluten Chaos führen. Ich finde es praxisorientierter, risikobewertet und mengenmäßig bezogen vorzugehen. Das, was Sie wollen, ist Schaumschlägerei, Theorie, Wolkenkuckucksheim und hat mit der Realität des täglichen Lebens nichts zu tun.

Der Kollege Ortgies wies darauf hin, dass in manchen Positionen der Begriff „Nanotechnik“ durchblinkt. Lassen Sie das sein! Das bringt nicht viel. Tatsache ist: Die Aktivkohlefilter, die da sind, haben zu einer wieder vernünftigen Trinkwasserqualität geführt. Damit an der Stelle überhaupt nichts gedeutelt werden kann – ich stimme mit Ihnen vollkommen überein –: Wir müssen uns der Frage stellen, wie wir die diffusen Einträge von gesundheitsgefährdenden Stoffen in den Boden und in

das Wasser minimieren. Ob ich sofort so weit gehen würde wie der Kollege Ortgies und jeden Klärschlamm auch als wertvollen Dünger ausschließen würde, möchte ich dahingestellt sein lassen. Wenn es von unbelasteten sowie gewerblich nicht belasteten Abwässern stammt, kann man das meiner Meinung nach sehr gut verantworten.

Im zweiten Schritt geht es darum, wie wir unsere Abwasseraufbereitungstechnik dahin bringen – sind solche Schadfälle vorhanden und entsprechende Stoffe im Rohwasser –, das wieder herauszubekommen. Auch an der Stelle, Herr Stinka, bin ich mit Ihnen völlig einig: Wir müssen zuerst den Eintrag verhindern. Wenn wir das nicht können und der Stoff im Wasser ist, müssen wir uns darüber unterhalten, wie wir den Stoff wieder herausbekommen. Das ist völlig klar.

Meine Damen und Herren, ich schaue jetzt einfach einmal in die Tageszeitung. Interessant ist, dass ein Kreistagsabgeordneter der Grünen – weil in einem Biobodenverbesserer diese Stoffe aufgetreten sind – eine Strafanzeige gegen Frau Höhn erstattet hat. Ich halte den strafrechtlichen Aspekt nicht für tragfähig. Die politische Bewertung Ihres Kollegen vor Ort, die Verantwortlichkeit bei Frau Höhn zu suchen, teile ich. Tendenziell stimmt das. Darüber mögen Sie sich Gedanken machen.

Wer wie Sie heute Morgen mehrfach mit einem Finger auf andere zeigt, der zeigt mit mindestens drei Fingern auf sich selber. Das sollten Sie beherzigen.

(Beifall von der FDP)

Lasst uns hier vom Stil und Inhalt her eine andere Diskussionskultur finden. Dann bin ich gerne zur Diskussion bereit. Herr Remmel, so wie Sie das tun, können wir hier nicht miteinander umgehen. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist Herr Minister Uhlenberg für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe vor circa fünf Wochen der Abgeordneten und Ausschussvorsitzenden Fasse einen Brief geschrieben mit der Bitte, in der Ausschusssitzung am 23. August dem Ausschuss im Rahmen einer sehr umfangreichen Information über das Thema PFT berichten zu können. Das

ist dann in der Ausschusssitzung am 23. August in Köln auch geschehen. Das wiederum war Grundlage für die Anträge der Oppositionsfraktionen zur heutigen Debatte.

Das, was die Grünen abgeliefert haben, ist eine Fleißarbeit und Seminararbeit, die an den Ausschuss überwiesen wird. Herr Abgeordneter Stinka, zum Antrag der SPD-Fraktion und der Überschrift möchte ich eigentlich gar nicht viel sagen. Ihr Antrag ist dünn. Ich freue mich auch – da kann ich Ihnen Rechte geben –, dass die CDU am kommenden Samstag einen Landesparteitag durchführen wird, bei dem das Thema Verbraucherschutz und Umwelt im Mittelpunkt stehen wird.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ich glaube eher, dann stehen andere Themen im Mittelpunkt!)

Machen Sie das auch einmal. Das würde Ihre Partei programmatisch ein Stück weiterbringen.

Meine Damen und Herren, am 23. August haben wir umfassend informiert. Darauf lege ich großen Wert, weil dieses Thema genau wie das Thema eben wichtig ist. Das Parlament und die Öffentlichkeit müssen natürlich über alles, was mit Veränderungen bei PFT zu tun hat, informiert werden. Von daher sind die Vorwürfe in den Anträgen, die von Fahrlässigkeit oder einer Verunsicherung der Verbraucher reden, absurd.

Natürlich gibt es eine Verunsicherung bei den Verbrauchern. Das Ganze findet in meinem Wahlkreis statt, was den Möhnesee angeht. Darauf werde ich gleich noch eingehen. Es ist doch völlig klar, dass die Verbraucher verunsichert sind, wenn sie in der Zeitung etwas über PFT lesen.

Aber die Frage ist ja: Liegt es an der Landesregierung oder an dem Problem, das wir jetzt leider vorfinden und meistern müssen? Das ist die Aufgabe, die wir jetzt haben. Deswegen gestatten Sie mir, dass ich heute noch einmal umfassend und zusammenhängend zu den einzelnen Aspekten Stellung nehme.

Meine Damen und Herren, seit Bekanntwerden der PFT-Belastungen an Ruhr und Möhne Ende Mai sind durch die zuständigen Behörden umfangreiche Maßnahmen zur Ursachenbekämpfung und -ermittlung sowie zum Schutz der Bevölkerung getroffen worden. Das habe ich am 23. August in der Ausschusssitzung schon deutlich gemacht. Ich möchte hier nur noch einmal schlagartig die wesentlichen Maßnahmen und Aktivitäten auflisten, die seitdem angestoßen wurden und durchgeführt worden sind:

Erstens. Als wichtigste Maßnahme ist hier die zeitnah erfolgte Nachrüstung der Trinkwasseraufbereitung im Wasserwerk „Möhnebogen“ zu nennen. Die PFT-Konzentrationen konnten dadurch unter den von der Trinkwasserkommission empfohlenen lebenslang gesundheitlich duldbaren Leitwert von 0,3 Milligramm pro Liter abgesenkt werden.

Zweitens. Wir haben die Arnsberger Vereinbarung auf den Weg gebracht. Die Gesundheit der Bevölkerung vor Ort hat für mich oberste Priorität. Dabei bestimmt das Vorsorgeprinzip unser Handeln. Die unmittelbare Verantwortung für die Trinkwasserqualität, meine Damen und Herren, tragen die Wasserversorger. Das Land ist dabei Garant und Partner. Deshalb habe ich am 25. August gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr die Arnsberger Vereinbarung „Gemeinsame Verantwortung und kooperatives Handeln für hohe Trinkwasserqualität und Gesundheit“ unterzeichnet.

Auf der Grundlage vorliegender Erkenntnisse und Daten wird jetzt eine gemeinsame Belastungsabschätzung zu den relevanten Stoffeinträgen und mikrobiologischen Verunreinigungen vorgenommen. Diese Bestandsaufnahme bildet dann zusammen mit den anerkannten Qualitätszielen für das Trinkwasser die Grundlage für eine Prioritätensetzung bei erforderlichen Maßnahmen.

Morgen wird es ein Treffen mit den Vertretern der Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke des Ruhrverbands geben. Dabei werden die entsprechenden Daten und Bewertungsgrundlagen, die wir inzwischen haben, abgeglichen, sodass wir über die notwendigen konkreten Entscheidungsgrundlagen für die Umsetzung der Arnsberger Vereinbarung verfügen.

Drittens. Es geht um weitere Untersuchungen für Menschen und Umwelt. Um ein umfassendes Bild über die Belastung und deren Ursachen zu erhalten, sind weiterhin Untersuchungen in den verschiedenen Umweltmedien erforderlich. Das Umweltministerium und die nachgeordneten Behörden haben hierfür erhebliche personelle Kapazitäten und finanzielle Ressourcen eingebracht. Boden- und Gewässeruntersuchungen sind bereits angelaufen, ebenso wie die Blutuntersuchungen bei der Bevölkerung aus dem Raum Arnsberg.

Meine Damen und Herren, mit diesen Untersuchungen wollen wir herausfinden, ob der Konsum verunreinigten Trinkwassers zu einer messbaren Belastung von perfluorierten Verbindungen im Blut geführt hat. Zur besseren Einordnung der Ergebnisse werden auch Untersuchungen in unbe

lasteten Regionen durchgeführt. Das ist ein völlig neuer Weg, den wir beschreiten. Im Vergleichsgebiet Siegen wurde hiermit bereits begonnen, in Arnsberg werden die Untersuchungen im Oktober gestartet. Die Ergebnisse dieser Studie werden wir Anfang des Jahres 2007 veröffentlichen.

Außerdem, meine Damen und Herren, wollen wir herausfinden, ob der Verzehr von Fischen aus Ruhr und Möhne derzeit gesundheitsschädlich ist. Die Abklärung dieser Frage ist allerdings – daher kommt auch die Verunsicherung bei den Menschen vor Ort, das kann ich sehr gut nachvollziehen – relativ zeitintensiv. Ich hätte auch lieber, das Ganze ginge wesentlich schneller. Daher haben wir aus Vorsorgegründen empfohlen, bis zum Vorliegen von endgültigen oder neuen Ergebnissen, den Verzehr von Fisch einzuschränken.

Meine Damen und Herren, natürlich kann so etwas zu einer Verunsicherung beitragen. Um es auf den Punkt zu bringen: Das hängt schlicht und einfach davon ab, wie viel Fisch der Einzelne verzehrt. Wenn er sehr viel Fisch verzehrt, ist es ein Problem, wenn er aber Fisch in normalen Mengen verzehrt, ist es kein Problem. Wir warten auf neue Ergebnisse, die uns in der nächsten Woche vorgelegt werden. Diese werden wir dann auch wieder sofort veröffentlichen.

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Remmel?

Nein, ich werde jetzt keine Zwischenfrage zulassen.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Die Ergebnis- se liegen doch schon seit zwei Wochen vor! Sie lügen doch! – Zurufe von der CDU)

Nein, es gibt keine neuen Ergebnisse. Das mit dem Lügen, Herr Abgeordneter Remmel, weise ich zurück; aber das ist ja Ihre Art und Weise des Umgangs. Dazu können Sie offensichtlich nichts mehr, das ist Ihre Art und Weise.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich sage Ihnen: Nächste Woche bekommen wir die neuen Ergebnisse.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Die liegen seit dem 27. August vor!)

Das Umweltministerium hat eine entsprechende Empfehlung herausgegeben, was den Umgang mit Fischen angeht. Daran hat sich in den letzten

14 Tagen, drei Wochen nichts geändert; das will ich aus Zeitgründen nicht noch einmal wiederholen. Es wird weitere Ergebnisse geben. Diese werden wir auch im Interesse der Menschen vor Ort – davon ist eine ganze Region abhängig – veröffentlichen. Es geht um Tourismus, es geht darum, dass keine Angelscheine an der Möhne mehr verkauft werden. Ich weiß, um was es geht. Wir werden in der nächsten Woche weitere belastbare Ergebnisse vorlegen.

Viertens: Bodenuntersuchungen. Meine Damen und Herren, seit letzter Woche liegen nun die ersten Untersuchungsergebnisse zum Boden vor. Es wurden sehr hohe Bodenwerte an perfluorierten Tensiden im Raum Brilon-Scharfenberg festgestellt. Dabei wurde ein enger Zusammenhang zwischen der Bodenbelastung einerseits und den ermittelten PFT-Belastungen in den angrenzenden Bachläufen andererseits bestätigt. Es handelt sich um eine 10 ha große Ackerfläche.

Daraufhin wurde eine konzentrierte Schadstoffanreicherung bis 60 cm Bodentiefe ermittelt. Die Messungen ergaben Belastungen in Höhe von ca. 2.000 bis 6.000 Mikrogramm PFT pro Kilogramm Boden. Meine Damen und Herren, das macht insgesamt 400 kg reines PFT auf dieser Fläche aus.

Die relativ mobilen Stoffe haben sich bereits in erheblichem Maße aus der Ackerkrume in den Unterboden verlagert. Darum steht fest, dass das aufgebrauchte Abfallgemisch erhebliche Mengen an PFT enthalten hat. Das wiederum untermauert die Vermutung eines illegalen Schadstoffeintrags. Wir werden weitere Schadstoffverlagerungen von belastetem Boden in die angrenzenden Gewässer unterbinden beziehungsweise begrenzen. Die Bezirksregierung Arnsberg entwickelt mit Unterstützung eines Gutachters und des Landesumweltamtes ein wirksames Maßnahmenkonzept.