Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Die Landesregierung hat auf einen erneuten Wortbeitrag verzichtet. Es liegen mir auch keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Bericht entgegengenommen und auch die Aussprache dazu geführt, sodass ich damit den Tagesordnungspunkt 2 schließen kann.
3 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz in NordrheinWestfalen (Verfassungsschutzgesetz Nord- rhein-Westfalen – VSG NRW)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Verfassungsschutzgesetz war aufgrund seiner Befristung zu novellieren. Wir haben bei der Überarbeitung folgende Ziele verfolgt: Wir wollen ein modernes Verfassungsschutzgesetz, damit der Verfassungsschutz heutigen Entwicklungen gegenüber nicht blind wird. Wir wollen ein Verfassungsschutzgesetz, das der gegenwärtigen Bedrohungslage, die wir eben ausführlich diskutiert haben, mit angemessenen rechtlichen Instrumenten entgegentritt und die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit herstellt.
Daher sollen die Auskunftsbefugnisse gegenüber Banken und Telekommunikationsunternehmen auch gegenüber inländischem Extremismus gelten. Wir müssen künftig die sogenannten Homegrown Terrorists, Islamisten mit deutscher Staatsangehörigkeit, ebenso beobachten können wie ausländische Gefährder.
Das bedeutet nicht, dass zum Beispiel Bankkontobewegungen jedes Einzelnen überprüft werden können. Nur bei Anhaltspunkten für das Vorliegen von schwerwiegenden Gefahren wie zum Beispiel dem geplanten Anschlag auf eine Synagoge darf
Diese Notwendigkeit der Erweiterung der Überwachungsbefugnisse auf Home-grown Terrorists steht im Übrigen auch auf der Agenda der Bundesregierung bei der anstehenden Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes.
Anders als beim Gesetzentwurf der Großen Koalition müssen in Nordrhein-Westfalen bei Kontenabfragen und Auskunftsersuchen gegenüber Telekommunikationsunternehmen Anhaltspunkte für den Verdacht einer schwerwiegenden Straftat vorliegen. Das unterscheidet unseren schwarzgelben Entwurf der Landesregierung von einem sozial-demokratisch beeinflussten in Berlin.
Mit unserem Gesetzentwurf erhält der Verfassungsschutz die bisher nur generell geregelte, nunmehr ausdrücklich benannte Ermächtigung mit offensiven Internetmaßnahmen, extremistische Bestrebungen aufzuklären. Hiermit wird das Handeln des Verfassungsschutzgesetzes transparenter und nachprüfbarer gemacht. Der Entwurf der Bundesregierung sieht eine solche Spezifizierung nicht vor, was dazu führt, dass der Bürger, über Art, Anlass und Umfang einer solchen Maßnahme nicht informiert wird.
Zu diesen offensiven Internetbeobachtungsmaßnahmen gehören neben der Beobachtung von Homepages auch das Auslesen von E-Mails auf Festplatten. Als verantwortlicher Innenminister möchte ich für die Sicherheit unseres Landes wissen, welche Extremisten sich Anleitungen zum Bombenbauen aus dem Internet ziehen und wer in verdeckten Chatrooms über geeignete Anschlagsziele diskutiert. Es ist völlig abwegig, damit einen Verstoß gegen das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung aufzuzeigen oder elektronischen Hausfriedensbruch zu reklamieren.
Solche schwerwiegenden Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht sind nur dann zulässig, wenn hinreichend Anhaltspunkte für schwere Gefahren vorliegen. Zusätzlich muss die unabhängige G-10-Kommission, deren Existenz Herr Rudolph kürzlich noch in einer Pressekonferenz geleugnet hat, genehmigen. Das heißt, das ist durch eine vergleichbare Institution wie dem Richtervorbehalt abgesichert, den wir ansonsten bei schwerwiegenden Eingriffen haben. Es wird auch insofern der Verfassungsschutz kontrolliert.
Auf diese offensiven Internetmaßnahmen zu verzichten, würde bedeuten, die moderne Kommunikationswelt, in der sich internationale terroristische Netzwerke bewegen, von der Beobachtung auszuschließen. Eine ausdrückliche gesetzliche
Ermächtigung aber stellt den Verfassungsschutz auf Augenhöhe mit den terroristischen Kommunikationstechniken.
Kennzeichnend für den Gesetzentwurf sind aber nicht nur die erweiterten Befugnisse für den Verfassungsschutz, sondern auch neue Begrenzungen, die sich aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht ergeben. So soll der Verfassungsschutz NRW umfassender als das Bundesamt und viele andere Verfassungsschutzbehörden verpflichtet werden, heimlich beschaffte personenbezogene Daten zu kennzeichnen und diese nach Beendigung der Maßnahme dem Betroffenen bekanntzugeben.
Noch nicht gelöst haben wir das Problem der verfassungsgemäßen Ausgestaltung der Wohnraumüberwachungsermächtigung. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien für den Bereich der Strafverfolgung lassen sich nur ansatzweise auf die Aufgabenstellung des Verfassungsschutzes übertragen, da dieser weit im Vorfeld der konkreten Gefahr agiert.
Die bisherigen Versuche anderer Länder, auch für die Wohnraumüberwachung durch den Verfassungsschutz konkretisierende Tatbestandsmerkmale zu finden, waren nicht von Erfolg gekrönt. Ergebnis dieser Bemühungen sind komplizierte, unübersichtliche und unpraktikable Regelungen, die nach meiner Auffassung gleichwohl nicht die verfassungsmäßigen Hürden überwinden werden. Hier bietet sich alleine das konzertierte Vorgehen in Bund und Länder an, das aber nicht rechtzeitig zur Vorlage des heute zu beratenden Gesetzes auch zu verlässlichen Ergebnissen geführt hat.
Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt davon, dass mit dem vorliegenden Entwurf einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit unter Berücksichtigung der neuen Bedrohungslage hinreichend Rechnung tragen wird.
Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Dr. Rudolph das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eines vorausschicken: Eine Vielzahl der Änderungen, die die Novelle der Landesregierung vorlegt, tragen wir mit. Wir wollen uns aber auf drei wesentliche Kritikpunkte konzentrieren, die auch die
Den ersten Kritikpunkt hatten Sie, Herr Innenminister, schon mit angesprochen. Das betrifft die Frage, wie man Extremismus und Bekämpfung des Terrorismus definiert. Weil Sie darauf hingewiesen haben, dass das Terrorbekämpfungsergänzungsgesetz in Berlin inzwischen vorliegt und Ihnen über die Bundesratsbeteiligung auch bekannt ist, stellen wir fest, dass wir eine abweichende Systematik haben. Sie besteht darin, dass die Große Koalition sehr präzise versucht zu bestimmen, wo die Sonderbefugnisse der Sicherheitsbehörden und der Geheimdienste eingesetzt werden können, wenn es um inländischen Terrorismus geht.
Sie dehnen aber diese Sonderbefugnisse auf alle Extremismusbereiche aus. Das kritisieren wir ausdrücklich. Wir kritisieren das, auch wenn Sie hier anführen, dass nur in Fällen der schwerwiegenden Gefahr gehandelt werden könnte, was erst einmal definiert werden müsste. Wenn man das mit der „gegenwärtigen Gefahr“ aus dem Polizeirecht übersetzt, Herr Innenminister, dann sehen Sie doch an der Systematik, dass Sie dabei sind, die Trennung zwischen Verfassungsschutz, Geheimdienst und Polizei gesetzessystematisch aufzuheben. Deshalb gebe ich zu bedenken: Wenn Sie sich für ein Trennungsgebot einsetzen wollen, achten Sie darauf, dass Sie dieses Trennungsgebot gesetzlich richtig hinbekommen, wenn es um Verfassungsschutz und Polizei in Nordrhein-Westfalen geht.
Eines will ich Ihnen auch noch zu dem sozialdemokratisch beeinflussten Gesetz in Berlin sagen. Wie operiert denn die Bundestagsfraktion der FDP in Berlin, Herr Minister? Es gibt Pressemitteilungen, wonach die FDP-Bundestagsfraktion zum Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz erklärt:
„Das Aufgabenfeld der Geheimdiensttätigkeit auch auf die Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Inland auszudehnen, ist durch nichts gerechtfertigt.“
„Der Entwurf der Regierungskoalition zum Terrorismusbekämpfungsänderungsgesetz stellt einen Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit der Mittel dar.“
Herr Innenminister, diese Kollegin würde ich gerne einmal nach Nordrhein-Westfalen einladen. Bei Ihrem Gesetz gibt es nämlich noch mehr zu kritisieren. Das ist das Problem der FDP bei der Innenpolitik in Nordrhein-Westfalen und bei der Innenpolitik auf Bundesebene. Sie sind da unglaubwürdig.
Sie sind auch in einem anderen Punkt unglaubwürdig, der eine zentrale Kritik herausfordert. Seit dem 3. März 2004 ist klar, dass der Große Lauschangriff oder die akustische Wohnraumüberwachung, wie es technisch heißt, verfassungswidrig gewesen ist. Deswegen wurde die Strafprozessordnung auf Bundesebene verändert.
Was bieten Sie dem nordrhein-westfälischen Parlament in Ihrer Novelle? – Keine Veränderung. Von einem Innenminister der FDP darf man zumal dann, wenn es sich angeblich um den einzigen liberalen Innenminister Deutschlands handelt, erwarten, dass er ein höchstrichterliches Urteil aus Karlsruhe, welches seine Parteifreunde und Vorgänger Burkhard Hirsch und Gerhart Baum erstritten haben, so umsetzt, wie es sich gehört und wie es das Gericht verlangt. Damit würde er dem Verfassungsschutz eine sichere und verfassungsgemäße Basis geben. Hiervon können wir nichts erkennen. Das ist offensichtlich Leistungsverweigerung und fahrlässig.
Deshalb sage ich zu diesem Punkt immer, wenn Sie es so belassen, ist unser Gesetz verfassungswidrig. Sie leisten der inneren Sicherheit in diesem Land damit keinen Dienst.
Sie leisten dem Land keinen Dienst, wenn Sie eine Novelle verabschieden, die offenkundig verfassungswidrig ist.
Lassen Sie mich als letzten Punkt das Auslesen von Daten von privaten PCs nennen. Herr Minister, die Befugnisse liegen darin, dass die Dienste und in bestimmten Bereichen die Polizei des Internet bestreifen. Das passiert heute schon. Das ist nicht der Punkt.
Ihr Gesetzentwurf geht noch einen bedeutenden Schritt weiter. Es geht jetzt nicht mehr um das Auslesen und Abfangen von E-Mails. Es geht nicht mehr um die Bestreifung des Internets und
das Aufspüren von bestimmten illegalen oder gefährlichen Seiten. Es geht nicht mehr nur darum, die Kommunikationsdaten zu sammeln und festzuhalten, wer mit wem kommuniziert. Sie greifen mit Ihrem Vorschlag zum ersten Mal auf Kommunikationsinhalte zu, die sich auf der Festplatte von privaten PCs in Wohnzimmern befinden. Dagegen haben wir schwerwiegende Bedenken.
Das hat etwas mit Artikel 13 des Grundgesetzes und der Unverletzlichkeit der Wohnung zu tun. Das ist Ihnen bekannt. Darüber werden wir in einer Anhörung zu reden haben.