Protocol of the Session on June 22, 2006

Meine Damen und Herren, die Zahl der untersuchten Proben durch die Lebensmitteluntersuchung im Verhältnis zur Einwohnerzahl liegt in Nordrhein-Westfalen bei 5,2. Damit liegt sie über der vom Bundesrat beschlossenen Zahl von fünf Proben je 1.000 Einwohner. Ob eine hohe Probenzahl wie in Hamburg von 9 bis 9,5 Proben je 1.000 Einwohner besser ist, sei dahingestellt. Es kommt nicht auf die nackte Zahl, sondern vor allem auf die Untersuchungstiefe und die Untersuchungsqualität an. Hierzu erfolgte im vorliegenden Verbraucherschutzindex 2006 keine Abfrage. Unabhängig davon kann die Untersuchungsstruktur in Nordrhein-Westfalen in Zukunft sicherlich verbessert werden. Das werden wir in Angriff nehmen.

(Svenja Schulze [SPD]: Wann denn end- lich?)

Die Zahl der festgestellten Verstöße durch die Lebensmitteluntersuchung liegt in Nordrhein-Westfa len bei 14 bis 16,9. Hierzu die Bemerkung, dass eine hohe Beanstandungsquote nicht automatisch ein Index für eine gute Lebensmitteluntersuchung ist. Vielmehr weist eine niedrige Beanstandungsquote auch darauf hin, dass die Vor-OrtKontrollen in den Betrieben funktionieren.

Die angesprochenen Punkte machen deutlich, dass es bei der Lebensmittelüberwachung in Nordrhein-Westfalen noch einiges zu tun gibt – auch wenn sie nicht so schlecht ist, wie die Opposition uns glauben machen will. Ich habe aufgezeigt, dass sich das Ranking des Verbraucherschutzindex teilweise relativiert.

Um dennoch das vorhandene Kontrollpotenzial zum Wohle der Verbraucherinnen und Verbraucher auszuschöpfen, wollen wir die Zahl der Untersuchungsämter durch Zusammenlegung von kommunalen mit staatlichen Ämtern auf fünf bis sieben eigenständige Ämter mit jeweils einem Standort konzentrieren. Das Pilotprojekt, welches im April 2005 im Regierungsbezirk Detmold gestartet wurde, stimmt uns hoffnungsvoll. Die Untersuchungsämter sollen in Zukunft in bestimmten Untersuchungsbereichen Schwerpunkte bilden, sodass analytisch aufwendige Untersuchungen zentral für die Landesteile Rheinland und Westfalen oder für ganz Nordrhein-Westfalen durchgeführt werden. Wir erhoffen uns durch die Zusam

menlegung Synergieeffekte, sodass Proben nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetz noch effizienter und umfassender untersucht werden können. Die Zahl von fünf bis sieben eigenständigen Untersuchungsämtern gewährleistet zudem die räumliche Nähe zu den Lebensmittelüberwachungsämtern.

Die Landesregierung will den Neustrukturierungsprozess so schnell wie möglich abschließen.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Wir warten darauf!)

Meine Damen und Herren, der gesundheitliche Verbraucherschutz ist ein hohes gesellschaftliches Gut; da sind wir uns alle einig. Wir sind uns unserer Verantwortung dafür bewusst und nehmen unsere Verpflichtung zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher sehr ernst. Als Sinnbild für unsere Motivation gilt folgender Leitspruch: Man soll niemandem seine Verantwortung abnehmen, aber man soll jedem helfen, seine Verantwortung zu tragen. – Hiernach haben wir bis jetzt gehandelt und werden das auch in Zukunft tun. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Kollegin Fasse. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Remmel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ach, wenn die Welt doch so einfach wäre,

(Minister Eckhard Uhlenberg: Ja, das stimmt!)

könnten wir heute einfach miteinander diskutieren! Es ist nicht so, dass es mir keinen Spaß machen würde. Wenn Sie mich nachts wecken würden, hätte ich kein Problem damit, eine Philippika auf die Verbraucherschutzpolitik der Landesregierung zu halten.

Aber, meine Damen und Herren, an dieser Stelle ist die Welt doch etwas differenzierter. Frau Fasse hat eingeführt in die Auseinandersetzung und in die Frage, wie man diesen Bericht des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen bewertet. Wir müssen differenzieren, über welches Thema wir heute reden.

(Marie-Luise Fasse [CDU]: Genau!)

Reden wir über diesen Bericht? Dazu gibt es einiges zu sagen. Ich sage Ihnen ganz offen: Da müssen wir auch stringent sein. In unserer Regierungszeit haben wir die Systematik solcher Be

richte kritisiert. Ich kritisiere die Systematik auch heute, weil es beispielsweise in Teilen ausreicht, nur den Namen Verbraucherschutz im Ministerium zu führen, um eine höhere Punktzahl zu bekommen. Das heißt aber noch nicht, dass die Politik entsprechend gut ist. Ich weiß nicht, ob das der richtige Maßstab ist. Wir haben das seinerzeit kritisiert; wir kritisieren es auch heute.

Natürlich – Sie haben Recht –: Die Verbraucherschutzpolitik in Nordrhein-Westfalen hat insgesamt einen höheren Stellenwert bekommen, die Punktzahl ist gestiegen.

(Clemens Pick [CDU]: Bravo!)

Aber, Herr Pick, die Untersuchung hat von Oktober 2005 bis Februar 2006 stattgefunden, und es sind Befragungen durchgeführt worden. Ich wage zu bezweifeln, dass das auf die Politik der neuen Landesregierung zurückzuführen ist. Das würde ich mir schon selber gerne ans Revers heften.

Insgesamt hat die Verbraucherschutzpolitik in Nordrhein-Westfalen also einen guten Ruf. Allerdings – das muss man an dieser Stelle auch deutlich sagen – sind die Kürzungen, die Sie in Ihrem Haushalt zu verantworten haben, in den Index überhaupt nicht eingeflossen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Insofern muss man das Ganze sehr, sehr differenziert betrachten.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Pfuscherei ist das!)

Deshalb lassen Sie uns auf ein Segment dieses Indexes und dieser Befragung konzentrieren! Es lohnt sich in der Tat, intensiver über die Frage der Lebensmittelüberwachung zu diskutieren. Aber auch da ist es differenzierter. Ich bin etwas gehemmt, an der Stelle heute auf das Ministerium einzuhauen,

(Clemens Pick [CDU]: Dafür habe ich Ver- ständnis!)

etwa bei der Frage – das ist ein Gegenstand dieses Indexes –, warum die Zahlen zu den risikoorientierten Betrieben einerseits und zum Personal, das dafür bereitgestellt wird, andererseits noch nicht vorliegen. Das ist ja ein wesentliches Kriterium, warum Nordrhein-Westfalen abgewertet worden ist. Diese Zahlen brauchen wir in der Tat, um festzustellen: Haben wir ausreichend Personal? Unsere These ist: In den Kommunen wird nicht ausreichend Personal zur Verfügung gestellt, um Lebensmittelkontrolle tatsächlich effektiv ausfüh

ren zu können. Aber die Zahlen liegen noch nicht vor. Ich kann den Minister an der Stelle aber nicht kritisieren, weil er versprochen hat, diese Zahlen bis zum August vorzulegen. Das hat er mir zumindest in einem Brief versichert. Ich warte auf diese Zahlen. Dann müssen wir es gemeinsam bewerten. Aber unsere Arbeitshypothese ist: Wir haben zu wenig Personal.

Und wir haben eine falsche Struktur. Da ist der Minister in der Tat zu kritisieren. Wir warten seit Oktober auf ein von Ihnen angekündigtes Konzept,

(Minister Eckhard Uhlenberg: Ich sage dazu gleich etwas!)

wie die Lebensmittelkontrolle in Nordrhein-West falen zukünftig organisiert werden soll.

(Zuruf von der CDU)

Da müssen wir in der Tat streiten. An dieser Stelle haben Sie auch ein ideologisches Problem.

(Beifall von den GRÜNEN – Sylvia Löhr- mann [GRÜNE]: An vielen Stellen!)

Ideologie fängt an, wenn man das Denken nicht mehr zulassen will. Und an der Stelle wollen Sie das Denken und das Diskutieren nicht mehr zulassen. Ist es richtig, dass die Lebensmittelkontrolle, die Lebensmittelüberwachung in NordrheinWestfalen größtenteils kommunal organisiert ist?

(Zuruf von Minister Eckhard Uhlenberg)

Wir haben in diesem Bereich 54 Indianer, aber kaum Häuptlinge. Alle Fachleute, die wir auch in unserer Anhörung dazu gehört haben, haben in die Richtung votiert: Bildet überregionale Einheiten! Siedelt eine überregionale Stelle beispielsweise bei der Bezirksregierung an! Nehmt es in die staatliche Obhut. So wie ich Ihre Diskussion wahrnehme, besteht an der Stelle aus meiner Sicht eine ideologische Blockade, die Sie schleunigst überwinden sollten, wenn wir die Lebensmittelkontrolle und -überwachung in Nordrhein-West falen verbessern wollen.

Ich gebe es zu – gar keine Frage – und habe das in den Ausschussdiskussionen auch immer wieder getan: Wir haben diese Frage während unserer Regierungszeit nicht positiv klären können; das aber auch deshalb, weil es darüber die Auseinandersetzung mit Ihnen und mit den von Ihnen dominierten Kommunen gab.

Sie aber haben im Koalitionsvertrag ideologisch festgelegt, Sie wollten Verwaltungsaufgaben nach unten abgeben. Sie erkennen nur diese eine Richtung. Lassen Sie uns aber doch entlang der Auf

gaben diskutieren. Bei der Lebensmittelkontrolle und -überwachung gibt es gute Gründe dafür, sie in staatliche Obhut zu geben, sie zentraler zu organisieren, weil es darauf ankommt, auf dem Markt gleiche Augenhöhe zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern auf der einen sowie den anderen Marktteilnehmerinnen auf der anderen Seite herzustellen.

Die Strukturen in der Lebensmittelbranche haben sich einfach verändert. Es geht doch nicht darum, die vielen kleinen Betriebe – auch die vor Ort: Gaststätten usw. – noch stärker unter die Lupe zu nehmen, sondern es geht darum, meine Damen und Herren, entlang der Marktstrukturen, die sich im Lebensmittel- und damit natürlich im Fleischbereich ausgebildet haben, zu operieren. Dazu muss der Staat auf gleicher Augenhöhe mit den anderen Marktteilnehmern operieren und in der Kontrolle entsprechend fähig sein, entlang dieser Strukturen zu handeln.

Dazu sagen Expertinnen und Experten, dass wir beispielsweise eine Task-Force brauchen, die in einer Situation angemessen agieren kann, und zwar landesweit. Wir brauchen überregionale Einheiten, die auf Ebene der Regionen operieren. Das hat beispielsweise auch die Stellungnahme – gestern habe ich es erwähnt – der Staatsanwaltschaft Oldenburg ergeben.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Was brauchen wir? – Wir brauchen eine höhere Kontrolldichte, wir brauchen überregionale Einrichtungen. Wir brauchen an dieser Stelle staatliche Verantwortung. Wir brauchen mehr Lebensmittelkontrolleure. Und wir brauchen eine Sonderermittlungseinheit sowie ein besseres Verbraucherinformationsgesetz, jedenfalls besser als das, was uns derzeit auf Bundesebene vorliegt.

Es gibt also eine Menge Diskussionsstoff, den wir fachlich fundiert – möglicherweise, das als Bitte an die Landesregierung, auf der Grundlage einer von Ihnen zu leistenden tief greifenden Auswertung der Anhörung, die der Landtag durchgeführt hat – erörtern sollten. Es geht um dezidierte Stellungnahmen zu den einzelnen Vorschlägen. Dann können wir fachlich weiterkommen. Es gibt viel zu tun, Herr Minister. Ich bin auf Ihr Konzept gespannt, das dem Landtag bisher noch nicht vorgelegt worden ist. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Remmel. – Für die FDP spricht nun Herr Ellerbrock.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe meinen Ohren und Augen kaum trauen können, als die Kollegin Watermann-Krass hier vorgetragen hat. Wir von der FDP und auch von der CDU unterstützen den größten Teil Ihrer Ausführungen ausdrücklich. Allerdings stellen wir fest: Die Zielrichtung war völlig daneben. Wir reden bei dem, was der Bundesverband der Verbraucherzentralen jetzt vorgelegt hat, über das Jahr 2004.

Wir sollten hier im Parlament ausdrücklich positiv würdigen, dass die SPD hinsichtlich der Verbraucherschutzpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen zu der Selbsterkenntnis gelangt ist, dass in der Zeit, in der sie hier treu zur Seite der Grünen gestanden und mit Regierungsverantwortung getragen hat, die rot-grüne Politik auf breiter Basis gescheitert ist. Nachweis: 14 von 66 Punkten bei der Lebensmittelüberwachung. Ich muss eindeutig sagen: Frau Watermann-Krass, ich zolle Ihnen ausdrücklich Respekt, dass Sie diese Selbsterkenntnis gewonnen und den Mut gehabt haben, dies in dieser Deutlichkeit vorzutragen. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall von FDP und CDU)

Das ist eine gute Basis für die Zusammenarbeit. Ich bin sicher, dass der Umweltminister das in seiner Rede sicherlich hervorheben wird. Das waren gute Ansätze, die wir teilweise auch in unserer Regierungserklärung schon festgelegt haben.