Protocol of the Session on June 1, 2006

können; denn wir erwarten von der Landesregierung, dass es für den Lärmschutz inklusive der Lärmkartierung und der Erstellung der Lärmaktionspläne klare Zuständigkeiten und Regelungen gibt, dass Kommunen bei der Umsetzung von Lärmminderungsmaßnahmen kompetent mit einem tragfähigen Handlungskonzept unterstützt werden, ohne dabei zusätzliche bürokratische Hürden überwinden zu müssen, dass Lärmvermeidung – also Lärmminderung und passiver Lärmschutz – ein wesentliches Element der Lärmschutzpolitik Landesregierung für jetzt und für die Zukunft sein wird und dass moderne Lärmschutzpolitik nicht als Hindernis für eine aktive Wirtschaftspolitik gesehen, sondern als gemeinsame Chance verstanden wird.

Lärmschutz heißt vor allem Schutz der Kleinen und Schwachen unserer Gesellschaft. Vom Lärm betroffene Bürger müssen dabei durch einen handlungsfähigen und handlungswilligen Staat geschützt werden.

(Beifall von der SPD)

Ob dies mit dem Motto der FDP „Privat vor Staat“ gelingt, bezweifle ich.

(Beifall von der SPD)

Abschließend möchte ich nur noch eines anfügen: Dieser Antrag war wieder einmal viel Lärm um nichts. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Wiegand. – Für die FDP spricht nun Herr Dr. Romberg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Remmel, Sie kommen der Wahrheit allmählich etwas näher. Ihrer vorhin gemachten Aussage „Luft macht krank“ habe ich völlig widersprochen. Jetzt starteten Sie mit: Lärm macht krank. Das kann ich auch noch nicht voll unterstreichen. Ihre Rede hatte gelegentlich deutlich über 60 Dezibel. Das stufen manche schon als Lärm ein. Trotzdem hat Ihre Rede mich noch nicht ganz krank gemacht. Daran sieht man aber, wie unterschiedlich Lärm empfunden werden kann.

Neben der Umsetzung der Europäischen Luftqualitätsrichtlinie stehen Länder und insbesondere Kommunen vor einer weiteren großen Herausforderung, nämlich der Umsetzung der Europäischen Umgebungslärmrichtlinie. Experten gehen davon aus, dass die Umsetzung der EU-Umgebungslärmrichtlinie schwieriger, langwieriger und kostspie

liger sein wird als die Umsetzung der EU-Luftqualitätsrichtlinie.

Es ist unstrittig, dass Lärm gerade für Bewohner städtischer Ballungsräume insgesamt eine Belastung werden kann. Lärm wird als störend empfunden. Lärm wird aber auch immer nur von anderen verursacht. Man selbst verursacht selten Lärm, allerhöchstens Geräusche. Fast jeder fühlt sich also durch Lärm belästigt. Fast jeder ist aber auch selbst Ursache für den belästigenden Lärm.

Wer am Samstagnachmittag seinen Rasen mäht, für den ist die Geräuschentwicklung seines Rasenmähers eine Selbstverständlichkeit, für den Nachbarn hingegen ist sie das nicht. Der empfindet das häufig als Lärm.

Viele Menschen leben bewusst und gerne in städtischen Zentren. Sie schätzen ausdrücklich, dass dort immer etwas los ist, nehmen die Freizeit- und Verkehrsangebote gerne in Anspruch. Dies ist für viele ein Stück Lebensqualität. Ungern lässt man sich seine Lebensqualität jedoch dadurch einschränken, dass die Nachbarn auch einmal lärmträchtige, städtische Sachen unternehmen. Die Belebung unserer Innenstädte wird von allen Parteien immer wieder gefordert und unterstützt. Dass eine belebte Innenstadt zum Null-DezibelTarif zu haben ist, dürfte allerdings eine Illusion bleiben.

Lärmbelastung kann konkret in Zahlen und Werten ausgedrückt werden. Sie haben schon wieder Krankheitsfälle aufgezählt. Auch deren Höhe zweifele ich an. Sie haben sich aber alleine auf die organischen und die Herz- und Kreislauferkrankungen beschränkt. Eine viel größere Rolle spielt Lärm für psychische Erkrankungen. Das wird in Ihrem Antrag nicht erwähnt.

Ihre Wahrnehmung ist völlig subjektiv. Es gibt nämlich Menschen, die ein tropfender Wasserhahn am Schlafen hindert. Andere brauchen zum Schlafen lauten Fernsehton. Menschen sind in der Beziehung sehr unterschiedlich. Deshalb ist es auch schwierig, Lärmgrenzen so haargenau zu definieren.

Lärm muss Grenzen haben. Er belästigt, hat Auswirkungen auf Lebensqualität und die Gesundheit der Menschen. Die Bürger haben einen Anspruch auf angemessenen Schutz vor Lärm. Dies ist unstrittig. Allerdings sollte man sich immer wieder auch ein großes Stück weit an der Lebenswirklichkeit der Menschen orientieren und nicht in einen dogmatischen Rigorismus verfallen.

Lärmschutz ist für die Kommunen nichts Neues, weder in rechtlicher noch in praktischer Hinsicht.

Die TA Lärm, das Bundesimmissionsschutzgesetz, das Landesimmissionsschutzgesetz. sind für die Kommunen nichts Unbekanntes. Auf diesem Gebiet besitzen die Kommunen langjährige Erfahrungen, und zwar sowohl in der Kartierung als auch in der Planung von Lärmminderungsmaßnahmen. Diese Erfahrungen sollten nicht ungenutzt bleiben.

Viel wichtiger aber ist, dass wir die langjährigen aktiven Bemühungen der Kommunen auf dem Gebiet des Lärmschutzes nicht durch unpraktikable und komplizierte Detailregelungen konterkarieren. Nach Berechnungen des Deutschen Städtetages wird die Kartierung und Planung die Kommunen etwa 3,50 € pro Einwohner kosten. Eine Stadt wie Köln muss also zunächst einmal 3,5 Millionen € ausgeben, um den europäischen und den bundesrechtlichen Anforderungen an Kartierung und Planung zu genügen.

Nun hat man damit aber noch keinen einzigen Euro in irgendeine konkrete Maßnahme zur Lärmminderung investiert. Im Vergleich zur Luftqualitätsrichtlinie muss bei der Umgebungslärmrichtlinie eine immense Masse an Daten erhoben, bearbeitet, bewertet werden. Geodaten von Straßen und Schienenwegen müssen ebenso erfasst werden wie Geodaten der betroffenen Gebiete inklusive der betroffenen Einwohner. Gleichzeitig müssen Immissionsdaten erhoben und gewertet werden. Dies geht so weit, dass die Schallausbreitung und -reflexion für einzelne Straßenzüge mithilfe dreidimensionaler Computermodelle errechnet werden muss.

Die Kommunen haben bereits einige Erfahrungen mit dem Thema Lärmbekämpfung. Dennoch erfordert die EU-Richtlinie eine hohe Qualität der Daten, die bislang noch nicht vorliegt. Die Datenbeschaffung und -integration erfordert einen sehr hohen Personaleinsatz und gleichzeitig eine hohe Fachkompetenz in Sachen Akustik, Geoinformation und Verkehrsplanung.

Sowohl die vom Institut für Kartographie und Geoinformation der Universität Bonn erstellte Machbarkeitsstudie als auch der Endbericht zur Lärmkartierungswerkstatt haben verdeutlicht, welche Datenflut zu verarbeiten und auszuwerten ist. Das zuständige Landesumweltministerium bietet den Kommunen umfangreiche Hilfestellungen an. Die entsprechenden Informationen und Dokumente sind frei zugänglich. Darüber hinaus bin ich sicher, dass die Landesregierung den kleineren Kommunen, die aufgrund ihrer fachlich und personell begrenzten Ressourcen an ihre Grenzen stoßen, konkrete Hilfestellung bei der Kartierung und Planung anbieten wird.

Die Grünen erwecken allerdings den Eindruck, als sei die EU-Richtlinie in ihrer Gesamtheit – von der Kartierung über die Lärmminderungsplanung bis zu den konkreten Maßnahmen – im Handstreich umzusetzen. Ich empfehle den Grünen, zunächst einmal ihre eigenen kommunalen Mandatsträger zu fragen, welche Konsequenzen diese Forderung für die einzelnen Kommunen wirklich hat.

Niemand will die Lärmproblematik auf die leichte Schulter nehmen. Dennoch müssen wir uns unter den gegebenen Umständen und insbesondere unter Berücksichtigung der Finanzsituation der Kommunen Schwerpunkte setzen und ein verantwortbares, abgestuftes und deshalb leistbares Vorgehen planen. Wir müssen uns an den Realitäten und dem Machbaren orientieren.

Vor diesem Hintergrund weist der angesprochene baden-württembergische Antrag einen richtigen Weg. Es ist im Sinne aller, wenn die Planung der Maßnahmen zunächst auf die wichtigen Zonen konzentriert wird. Der vorliegende Antrag der Grünen enthält einige wenige richtige Gedanken. Ganz überwiegend geht er aber an der Wirklichkeit vorbei oder ist einfach falsch.

Frau Wiegend hat es schon angesprochen: Die Ergebnisse der Werkstattgespräche sowie der Machbarkeitsstudie sind längst öffentlich. Die Beteiligung der Öffentlichkeit auch an dem Verfahren zur Erarbeitung der Lärmaktionspläne ist im entsprechenden Bundesgesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie ausreichend geregelt. Eine darüber hinausgehende Beteiligung der Umweltverbände ist entbehrlich.

Die Grünen versuchen, sich als Gralshüter des Lärmschutzes zu profilieren. Dazu noch eine Anmerkung zum Schluss: Der Betrieb einer Windenergieanlage im Nennleistungsbereich verursacht Schallleistungspegel von rund 103 Dezibel. Auch das wird immer ausgespart. Das Münsterland ist lauter geworden, aber durch die Windräder. An der Stelle sollten die Grünen selbst einmal ihre eigene Glaubwürdigkeit in Sachen Lärmschutz prüfen. – Danke sehr.

(Beifall von FDP und CDU)

Für die Landesregierung spricht jetzt Minister Uhlenberg.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist immer gut, wenn man über alles redet und wenn immer wieder neue Anträge gestellt werden. Aber, Herr Abgeordneter Rem

mel, ich darf noch einmal in aller Bescheidenheit darauf verweisen, dass ich in einem Brief an alle Abgeordneten mit Datum vom 24. April – das ist noch nicht lange her – für die Politik der Offenheit, wie sie von unserem Haus praktiziert wird, über die wichtigsten Dinge informiert habe. Das gilt auch für die Broschüren, die wir auf den Weg gebracht haben. Die Kommunen in NordrheinWestfalen sind informiert worden.

Jetzt kann man anlässlich einer Debatte wie heute natürlich erklären, es sei nicht informiert worden. Ich werde gleich noch etwas dazu sagen, wann wir informiert haben und dass wir – wo wir jetzt mit der Frage der Lärmbekämpfung in NordrheinWestfalen richtig zu Gange sind – in diesem Verfahren die Strategie nicht ändern, sondern sie mit dem Ziel umsetzen, wirklich zu einer Verminderung der Lärmbelästigung für die Menschen in Nordrhein-Westfalen zu kommen. Dafür bitte ich um Verständnis.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass diese Themen, wie sie hier diskutiert werden – auch mir ist es wie der Abgeordneten Wiegand aufgefallen –, im Umweltausschuss intensiv diskutiert worden sind und dass es zumindest seitdem keine neuen Erkenntnisse gibt. Aber ich betone noch einmal gerne für die Landesregierung, wenn es denn auch im Rahmen einer Landtagsdebatte wichtig ist: Der Umgebungslärm ist ein großes Problem. Der Umgebungslärm hat in den dicht besiedelten Städten und Ballungsräumen Nordrhein-Westfalens vielfach Ausmaße angenommen, die extrem belästigend sind und auf Dauer krank machen. Deswegen sind wir in dieser Frage so aktiv.

Besonders das Anwachsen des Straßenverkehrs hat dazu geführt, dass ruhige Gebiete bei uns immer seltener werden. Etwa zwei Drittel der Menschen klagen heute allein über den Straßenverkehrslärm. Dieser Entwicklung, die in ganz Deutschland und in allen europäischen Mitgliedstaaten zu beobachten ist – gegenüber vielen anderen europäischen Mitgliedstaaten, etwa Frankreich, sind wir, was das Thema Lärm angeht, noch richtig aktiv –, will die Europäische Gemeinschaft mit dieser Umgebungslärmrichtlinie entgegentreten, damit dieses Problem möglichst europaweit geregelt wird.

Ziel dieser Richtlinie ist die Ermittlung der Belastung durch Umgebungslärm anhand von Lärmkarten sowie die Erstellung von Aktionsplänen zu besonderen Lärmzonen. Zusätzlich soll sichergestellt werden, dass die Öffentlichkeit ausreichend über den Umgebungslärm informiert und an der Aktionsplanung beteiligt wird. Für diese Aufgaben

hat die Europäische Union den Mitgliedstaaten sehr enge Fristen gesetzt.

Beispielsweise sollen in einer ersten Stufe bis Juni 2007 Lärmkarten für sämtliche Ballungsräume über 250.000 Einwohner und wichtige Verkehrswege und Großflughäfen ausgearbeitet sein. Wichtige Verkehrswege sind Bundesautobahnen, Bundes- und Landstraßen mit mehr als 6 Millionen Kfz pro Jahr und Schienenwege mit mehr als 60.000 Zügen pro Jahr. Bis 2008 sollen dann Aktionspläne zur Verringerung der Lärmbelastung vorliegen. Grenzwerte legt die EU-Richtlinie nicht fest.

Für die Aufgaben der Umgehungslärmrichtlinie sind in Deutschland die Kommunen zuständig. Auch in den anderen Bundesländern sind die Kommunen dafür zuständig. Auch wenn es jetzt in den Ländern die Diskussion gibt, ob sie bei den Kommunen richtig aufgehoben sind oder ob man sie möglicherweise auf die Landesebene übertragen soll, sind wir der Auffassung: Weil wir die Zusammenarbeit mit den Kommunen begonnen haben, ist die Zuständigkeit bei den Kommunen auch richtig. Unsere Haltung ist also eine andere, als es in dem vorliegenden Antrag gefordert wird. Denn Lärm verursacht in der Regel kleinräumige Konflikte, die nur durch örtliche Planungen und Maßnahmen bekämpft werden können. Der Erfolg des Lärmschutzes hängt maßgeblich von den örtlichen, auf die jeweilige Gemeinde zugeschnittenen Konzepten und von der Akzeptanz vor Ort ab.

Wenn ich so etwas mit den Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gemeinsam auf den Weg bringe, meine Damen und Herren, Frau Abgeordnete Wiegand, dann gehört es sich natürlich, dass die Gemeinden auch entsprechend informiert werden. Sie haben vorhin ganz interessante Gedanken geäußert, aber ich kann Sie beruhigen: Die Gemeinden sind informiert.

(Frank Sichau [SPD]: Bisher noch nicht!)

Da war eine Zwischenfrage?

Wer möchte eine Zwischenfrage stellen? – Herr Remmel, bitte schön.

Herr Minister, vielleicht könnten Sie noch einmal erklären, wie Sie sich das konkret vorstellen, wenn Lärm überörtlich verursacht wird, nämlich durch Hauptverkehrsstraßen, wie er dann örtlich, kleinräumig, kommunal bekämpft werden soll.

Das habe ich doch gerade erklärt, Herr Abgeordneter Remmel. Ich habe erklärt, wie wir vorgehen: Einmal bei den großen Städten in den Ballungszentren über 250.000 Einwohner plus entsprechende Flughäfen und Autobahnen in NordrheinWestfalen, bei denen wir diese Lärmmessung vornehmen.

Ich werde gleich noch etwas dazu sagen, dass wir im Gegensatz zu dem, was Sie fordern, nicht in die gesamte Fläche hineingehen und so im Grunde das Problem nicht lösen können, sondern wir werden uns vor dem Hintergrund der Finanzsituation des Landes, aber auch der Finanzsituation der Städte und Gemeinden in den nächsten zwei bis drei Jahren auf die Bereiche konzentrieren, bei denen wir es auch bezahlen können.

(Beifall von Dr. Stefan Romberg [FDP])

Sie haben einen völlig anderen Ansatz, Herr Abgeordneter Remmel. Sie möchten mit diesem Thema in ganz Nordrhein-Westfalen Unruhe stiften, ohne das Problem zu lösen, weil Sie mit dem Thema Lärm Ihr politisches Süppchen kochen möchten.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben den Ansatz, dass wir das Problem in Nordrhein-Westfalen lösen wollen und dort anfangen, wo es entsprechend gelöst werden muss. Deswegen haben wir mit den Kommunen angefangen.

Ich darf noch einmal darauf verweisen, dass wir am 9. März dieses Jahres alle Kommunen zu einer Besprechung zu dem Thema eingeladen haben – diejenigen, für die das vor Ort ein wichtiges Thema ist, waren auch da –, dass wir am 19. Oktober 2005, also relativ schnell nach dem Regierungswechsel, auch Vertreter der großen Ballungsräume zu einer Besprechung eingeladen haben. Ich habe als Minister die kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen eingeladen und habe mit denen die Lärmproblematik und das gemeinsame Vorgehen zwischen Landesregierung und den Kommunen in NordrheinWestfalen besprochen.