Herr Minister, Sie haben jetzt keine Zahlen zu den geplanten Kürzungen genannt. Haben Sie im Gespräch mit dem LWL Zahlen genannt?
Wenn Sie das Wort Kürzungen auf den Haushalt 2006 beziehen, nein. Die angeblichen Kürzungen um 17 Millionen € bezogen sich auf erste interne Vorüberlegungen des Hauses, die eine Anhebung der Betriebskosten vorsahen. Diese ersten Überlegungen sind frühzeitig verworfen worden.
Eine Kürzung der laufenden Betriebskosten 2006 um 17 Millionen € war zu keinem Zeitpunkt geplant. Das ist dem LWL auch bekannt. Der LWL selbst kann die Kürzung um 17 Millionen € übrigens aus meiner Sicht nicht rechnen. Für sich erwartet der LWL, wie ich in Presseberichten lese, ein Minus von 7 Millionen €. Für den LVR ist es etwa dieselbe Patientenzahl; macht also noch einmal 7 Millionen €. Das sind zusammen 14 Millionen €. Fragen Sie doch einmal den LWL, wo die fehlenden Kürzungen um 3 Millionen € bleiben. Bei den freien Trägern sicher nicht, denn die neuen Träger haben noch nicht einmal ein Budget. Daran sehen Sie, dass sich diese Zahl nicht rechnen lässt. Ich fand es richtig – dazu stehe ich – zu einem Zeitpunkt, wo ich wusste, dass auch das Finanzministerium in diesem Bereich Kürzungen erwartet, ein weiteres Gespräch mit den Landschaftsverbänden zu führen.
Im Übrigen hat Herr Dieckmann im Maßregelvollzug Kürzungen haben wollen, Herr Steinbrück als Finanzminister hat Kürzungen im Maßregelvollzug haben wollen, weil jeder weiß, dass wir hier 20 % über anderen Bundesländern liegen. Auch die alte Landesregierung hat mit dem Deckel 2005 Sparmaßnahmen im Maßregelvollzug angesetzt, indem sie gesagt hat: 2005 gibt es genauso viel Geld wie 2004. – Ich werde diese Politik schlicht und ergreifend weiter fortsetzen. Denn wenn wir im Maßregelvollzug nicht sparen, ist dieses auch ein Nichtsparen zulasten von Bereichen, in denen andere Bürger betroffen sind.
Einen Maßregelvollzug, der so abläuft in Nordrhein-Westfalen, dass die Landschaftsverbände durchführen, uns die Rechnungen schicken und wir zahlen, den kann und wird es nicht geben.
Herr Minister Laumann, ich hatte im Dezember eine Kleine Anfrage an Sie gerichtet, unter anderem mit einer Fragestellung, die ich noch einmal zitieren will.
Ich hatte seinerzeit gefragt, ob sichergestellt ist, dass die bisher geplanten neuen Standorte trotz der Mittelkürzungen realisiert werden und damit
die lange geforderte Entlastung der bestehenden Forensik-Standorte, unter anderem LippstadtEickelborn – aus der Gemeinde komme ich –, tatsächlich erfolgt. Sie haben seinerzeit in Ihrer Antwort Anfang Januar geschrieben: Ja.
Ich frage Sie, ob unter den neuen Erkenntnissen, dass Sie erneut einsparen müssen, diese Antwort nach wie vor Gültigkeit hat oder ob die Gefahr besteht, dass der Konsens in Richtung der neuen Standorte aufgekündigt wird.
Frau Kollegin, ich finde, dass die Durchsetzung neuer Standorte im Maßregelvollzug und die Tatsache, dass wir in der Planung so weit sind, wie wir sind, auch eine große Leistung meiner Vorgängerin ist.
Diese Standorte werden umgesetzt. Wir haben auch die Mittel im Haushalt, dass wir die Bauten bezahlen können. Sobald wir an die Baugenehmigung kommen – Sie wissen, dass wir an dem einen oder anderen Standort gerichtliche Auseinandersetzungen haben –, werden diese Baumaßnahmen durchgesetzt, um bestehende Einrichtungen zu entlasten. Aber unabhängig davon müssen wir – ich hoffe, dass wir das in einem Konsens sowohl mit den Landschaftsverbänden wie auch mit dem Parlament hinbekommen – eine Philosophie über einen sicheren, wirtschaftlichen und effektiven Maßregelvollzug haben. Wir müssen die Kostenseite im Blick haben.
Ich finde, dass dieser Dreiklang aus Nachteinschluss, Langzeiteinrichtungen für nicht mehr therapiefähige Patientinnen und Patienten – in der Regel sind es Patienten – und Umstellung der Vollstreckungsreihenfolge – das muss allerdings bundesgesetzlich geregelt werden – ein Weg ist, um hierhin zu kommen. Im Übrigen gibt es einen einstimmigen Beschluss aller 16 Landesminister in Deutschland, die für Forensik zuständig sind. Das sind bis auf ein Bundesland die Gesundheitsministerinnen und -minister.
Dann haben wir in Nordrhein-Westfalen die Sondersituation: viele kleine unwirtschaftliche Stationen. Man muss Stationen verbinden – auch hier ist das eine oder andere baulich notwendig –, um größere Stationseinheiten zu erhalten. Das ergibt ein gutes Zusammenspiel: das Durchsetzen der neuen Standorte – das sind im Haushalt Baukosten, die nicht in den Betriebskosten enthalten sind – und das In-den-Blick-Nehmen, wie sich die Betriebskosten entwickeln. Das wird wohl gemeinsam mit den Betroffenen sehr verantwortungsvoll gelingen.
Dafür gibt es aber eine Voraussetzung: Man muss sich auf der verantwortlichen Ebene über die Problematik unterhalten können, ohne dass die gewonnenen Informationen verwendet werden, um Personalräte – sie machen sich natürlich Sorgen um die Stellen –, Mitarbeiter und in einem ganz konkreten Fall auch noch Patientinnen und Patienten zu verunsichern. Das ist nicht die Zusammenarbeit, wie ich sie mir vorstelle.
Herr Minister, der LWL hat behauptet, er habe den Tagessatz pro Patient bereits auf 230 €, den Bundesdurchschnitt, gesenkt. Wieso wollen Sie noch mehr sparen?
Viele Zahlen, die der LWL nennt, sind für mich und meine Fachabteilung nicht nachvollziehbar. Wir haben in NordrheinWestfalen im Schnitt einen Tagessatz von 240 €, nicht gerechnet die Patienten nach § 126 a, bei freien Trägern und diejenigen, die wir in anderen Ländern untergebracht haben, weil wir zu wenig Maßregelvollzugsplätze haben.
Wenn der LWL von 230 € spricht, werden wir das feststellen. Dann wird er unter Umständen Rücklagen gebildet haben, die wir im kommenden Budgetjahr wieder einsparen können.
In diesem Zusammenhang möchte ich zu der Behauptung des LWL Stellung nehmen – das ist hochgespielt worden –, wir hätten in Rheine einen Tagessatz von 271 €. Für Rheine haben das Land und der LWL einen Tagessatz von 297,36 € vereinbart. So steht es in der Budgetvereinbarung, und diesen Tagessatz haben wir dem LWL gezahlt. Wenn die Klinik billiger war, umso besser. Dann hat der LWL offenbar einen Überschuss gemacht, den wir natürlich vom Budget 2006 abziehen werden.
Noch einmal: In Rheine war die Auseinandersetzung, und dann sagt der Zuständige vom LWL, Herr Hollweg, ich hätte Unrecht, der Tagessatz läge bei 271 €. – Fakt ist: Mein Haus hat an den LWL 297,36 € überwiesen. Ich bin dankbar für diese Information. Das ist schon ein Batzen an Einsparungen, die ich für das nächste Jahr brauche.
Vielen Dank, Herr Minister. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Steffens eine zweite Frage.
Herr Minister, für mich klang es so, als ob die Landschaftsverbände aus Ihrer Sicht sehr hohe Summen fordern würden. Die alte Landesregierung hat einen zusätzlichen Träger installiert, die Alexianer, die kein Landschaftsverband sind. Hat es mit diesem Träger auch schon Gespräche über Kostenreduzierungen für den geplanten Standort gegeben? Und welche Einstellung hat der zusätzliche Träger zu dieser geringeren Summe, die Sie zukünftig finanzieren wollen?
Was den Standort Münster angeht, haben die Alexianer noch einen Vertrag aus der Zeit der alten Landesregierung. Dort gibt es zurzeit zwischen den Alexianern und der Bauverwaltung des Landes, die nicht in meinem Hause angesiedelt ist, eine Abstimmung der Baupläne.
Es ist logisch, dass die Bauverwaltung des Landes prüft, ob die Baupläne dem Kostenrahmen entsprechen. Erst dann, wenn diese Prüfung stattgefunden hat, kann mein Haus über den Tagessatz für die Betriebskosten verhandeln. Das hängt zusammen. Ich finde schon, dass die Reihenfolge so sein muss: Erst einmal muss man wissen, wie gebaut wird, und danach kann man sich über Betriebskosten unterhalten. Ich finde es auch richtig, beim Bau der Einrichtungen darauf zu achten, diese Einrichtungen wirtschaftlich zu betreiben. Denn die Entwicklung der Betriebskosten ist für die langfristige Perspektive der Finanzierung entscheidender als der letzte Euro bei den Baukosten.
Herr Minister, heute war in der „Neuen Rhein Zeitung“ zu lesen, dass die Arbeitsverträge in Rheine überwiegend gekündigt worden sind. Wie wollen Sie die Sicherheit in Rheine gewährleisten?
Da Rheine eine der neueren Einrichtungen mit vielen befristeten Arbeitsverträgen ist, hat der LWL gesagt – wenn die Pressemeldungen zutreffen – wenn er Personaleinsparungen umsetzen muss, will er das an die
sem Standort besonders stark tun. – Ich halte diese Entscheidung fachlich nicht für vertretbar, weil man aus Sicherheitsaspekten in einer Klinik nicht von heute auf morgen einen Großteil des Personals auswechseln kann.
Allein mit diesem Vorschlag hat sich der zuständige Mann beim LWL auch noch seiner fachlichen Kompetenz beraubt. Die Wahrheit ist, dass wir als Land jede Stelle in Rheine bezahlen. Jeden Euro, den der Landschaftsverband in Rheine ausgibt, bekommt er von uns erstattet. Ich gehe davon aus, der LWL müsste aufgrund dieser Situation auch wissen, dass er in diesem Fall Personalentscheidungen, die fachlich nicht in Ordnung sind, nicht gegen den Willen des Ministeriums durchsetzen kann. Ich werde alle meine Rechte wahren, damit die Sicherheit in Rheine gewährleistet bleibt.
Herr Minister, Sie nennen Einsparmöglichkeiten bei den Betriebskosten, die Sie durch drei Maßnahmen realisieren wollen. Zum einen sprechen Sie von einer Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge. Es ist richtig, dass die Gesundheitsminister seit Jahren einheitlich der Auffassung sind, dass dies erfolgen soll, die Justizseite aber auch einheitlich dagegen steht,
sodass eine Realisierung sicherlich sehr schwierig ist. Die Frage ist: Welche Einsparungen sind hiermit verbunden?
Welche Einsparungen sollen damit verbunden sein, dass sogenannte Long-stay-Patienten untergebracht werden sollen? Im Übrigen gibt es schon heute in jeder Klinik eine Abteilung für Long-stay-Patienten. Welche zusätzlichen Einsparungen erwarten Sie hier?
Der Nachteinschluss bedarf zahlreicher Umbaumaßnahmen, wie Sie auch selbst dargestellt haben. In Bezug auf die Umbaumaßnahmen frage ich mich: Welche Kosten entstehen dort? Über welchen Zeitablauf reden wir dabei? Welche Einsparungen sind hier letztendlich zu erzielen? Welche Einsparungen stehen also den Kosten gegenüber? Und warum wird bereits heute über Einsparungen in diesem und im nächsten Jahr bei den Betriebskosten geredet, obwohl sich diese Maßnahmen – unabhängig von der Summe der Einsparungen – ja erst sehr viel später realisieren lassen? Ist es nicht unverantwortlich, zu einem
Zeitpunkt, zu dem wir eine Überbelegung haben und zu dem es die neuen Standorte noch gar nicht gibt, gleichzeitig über Kürzungen und Personalabbau zu reden?
Frau Abgeordnete, ich mache jetzt alle Abgeordneten noch einmal darauf aufmerksam, dass nach unserer Geschäftsordnung immer nur eine Frage, und zwar eine nicht unterteilte Frage, gestellt werden darf. – Das Lächeln zeigt mir, dass sie mehrfach unterteilt war. Ich bitte dann wenigstens die nachfolgenden Fragesteller, sich an die Geschäftsordnung zu halten, wenn es denn möglich ist.
Frau Kollegin Fischer, ich glaube, dass es unstreitig eine richtige Entscheidung ist, Schritt für Schritt möglichst viele Plätze für Nachteinschluss umzubauen. Wir haben die Begehungen der Einrichtungen abgeschlossen. In den nächsten Wochen werden wir einen Plan machen. Er wird sich an der Frage entscheiden, wo wir mit den geringsten baulichen Veränderungen und dem geringsten finanziellen Aufwand das meiste erreichen können. Das können wir dann auch gerne dem Fachausschuss vorlegen. Auf diese Weise werden wir über eine relativ kurze Zeitachse schon einiges in diesen Bereichen bewegen können. Die Haushaltsmittel in einem bestimmten Umfange stehen mir auch in diesem Haushaltsjahr dafür zur Verfügung.
Bei der Frage der Langzeiteinrichtungen geht es vor allen Dingen darum, dass wir mit den Fachleuten in den Kliniken erst einmal die Zahl der Personen ermitteln müssen, die zu den nicht mehr therapiefähigen Menschen gehören. Von dieser Zahl wird es sehr entscheidend abhängen, zu welchen Einsparungen man kommen kann. Sie wissen, dass es sich immer um ein Verfahren handelt, das auf den einzelnen Menschen bezogen ist. Wir müssen das Ganze auch wirklich sehr gewissenhaft machen; denn Therapie – mit der Möglichkeit, auch zu einer Entlassung zu kommen – ist der günstigste Maßregelvollzug. Wir wissen aber auch, dass das nicht bei allen Menschen erreichbar ist. An dieser Stelle müssen wir gucken, dass wir für diesen Teil der Patienten eine vernünftige Betreuung in möglichst wirtschaftlichen Verhältnissen hinbekommen. Das wird eine weitere Einsparmöglichkeit sein.
Justizministerin unseres Landes vertritt den gleichen Standpunkt wie ich und meint ebenfalls, dass wir zu dieser Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge kommen müssen. Soweit ich weiß, gibt es auch bei den Justizministern anderer Länder ein Umdenken; denn die Spardiskussionen sind in anderen Bundesländern auch nicht sehr viel anders als unsere. Daher gehe ich davon aus, dass auch die große Koalition in Berlin eine Chance ist, diese Veränderung der bundesgesetzlichen Regelungen im Strafgesetzbuch hinzubekommen.
Dies würde uns für einen bestimmten Zeitraum eine Entlastung geben, weil der Zufluss ein Stück weit abgebremst wird. Später wird er uns allerdings auch wieder einholen; das muss man schon sehen. Erst einmal bekommen wir im Aufwuchs der Zahlen aber eine Atempause, was sich auch im Haushalt des Maßregelvollzuges für einige Jahre dementsprechend auswirken wird.
Ich finde, dass ich mit dem, was wir hier überlegen, nicht – wie Sie in einer Pressekonferenz gesagt haben, glaube ich – den Konsens im Maßregelvollzug in Nordrhein-Westfalen aufkündige, sondern in Wahrheit Ihre Politik, neue Standorte durchzusetzen, um eine Entlastung hinzubekommen, jetzt mit einem Konzept für einen sicheren, qualitativ hochwertigen, aber wirtschaftlichen Maßregelvollzug ergänze. Daraus ergibt sich dann, glaube ich, ein richtiges und gutes Konzept für den Maßregelvollzug in Nordrhein-Westfalen.
Vielen Dank, Herr Minister. – Ich habe jetzt noch fünf Fragestellerinnen und Fragesteller. Irgendwann sollten wir uns einmal überlegen, ob dieses Thema, wenn es denn so interessant ist, nicht vielleicht im Fachausschuss noch einmal einer vertieften Debatte zugeführt werden sollte. Aber das ist nur eine Anregung des Präsidenten; Sie brauchen sie nicht aufzugreifen.
Herr Minister Laumann, wie Sie wissen, sind die Expertinnen und Experten sich einig, dass die größtmögliche Sicherheit im Maßregelvollzug in der Persönlichkeit der Patienten angelegt sein muss, also durch therapeutische Maßnahmen zu erzielen ist. Es ist ja bekannt, dass kein Gefängnis und keine Maßregelvollzugsklinik so sicher sind, dass es nicht immer wieder zu Entweichungen kommen kann und die Gesellschaft gefährdet ist. Deswegen haben wir in den Landschaftsverbänden einen hohen therapeutischen Standard, um die Sicherheit in der