Meine Damen und Herren, drei Monate Warten auf qualifizierte Erstgespräche, vier Monate auf Eingliederungsvereinbarungen, falsche Kostenschätzungen zu Beginn der Gesetzlichkeit, zwei Drittel der Mehrkosten, also von 3,6 Milliarden €, gehen zurück auf Sozialversicherungsbeiträge – das sind alles keine Gründe, die die ganze Sache infrage stellen, sondern das sind viele Gründe, um die Hartz IV-Gesetzgebung zu renovieren.
Zuständigkeitsprobleme gibt es in Hülle und Fülle: nicht geregelte Kompetenzabgrenzungen in den Argen zwischen der Bundesanstalt, den Bundesagenturen und den Kommunen, Abstimmungsprobleme bezüglich der Förderprogramme, die nicht gesteuert eingesetzt werden können. Die Anzahl der Vermittler in den Argen geht gegen 10 bis 15 %, weil die Arbeitsagenturen nur so wenige Vermittler in die Arbeitsgemeinschaften gegeben haben. Aber Leute, die nicht zur Vermittlung ausgebildet sind, können auch keine Vermittlungsergebnisse erzielen, meine Damen und Herren. Hier besteht ganz großer Bedarf für diese Nacharbeit.
Die Koalition aus Union und SPD muss daher auf Bundesebene in mehreren Punkten Nachbesserungen beschließen. Die von mir vom Bundesrechnungshof benannten und von den Argen im Land formulierten Fehler müssen beseitigt werden. Die Hartz-Gesetze sind, wenn sie so gestaltet sind, so umgesetzt werden und so zum Teil ausgenutzt, um nicht zu sagen, missbraucht werden, eben nicht in Ordnung.
Sollten sie durch die Verbindung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe aufgrund von Arbeitslosigkeit ihren Zweck wirklich erfüllen, so brauchen sie eine Zuständigkeit, und zwar nur eine Zuständigkeit, und klare gesetzliche Vorgaben, die umsetz
Nur wenn das Gesetz dies alles erfüllt, wird es als wirksam und von jedermann als gerecht empfunden. Übrigens: Ich persönlich vermisse dabei auch noch eine ordentliche Relation im SGB III zwischen der Einzahlungszeit und der Bezugsdauer. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Der Bundestag hat mit Hartz IV ein schlechtes Gesetz beschlossen. Nicht die Betroffenen, Frau Steffens, sind stigmatisiert, sondern eigentlich sind die verantwortlichen Politiker stigmatisiert, die für diese Gesetzgebung zuständig sind.
Worüber sich Menschen beschweren, sind, wie man hört, ja reelle Dinge. Dass zum Beispiel ein Millionärssohn Hartz IV konsumiert, kann ein Normalbürger nicht verstehen. Wenn sich ein Häuslebesitzer zusätzlich durch Hartz IV viermal im Jahr die Trinkwasseruntersuchung bezahlen lässt, können die Menschen das nicht verstehen. Wenn arbeitslose Familienväter faktisch auf einen Stundenlohn von über 12 € kommen, können das Menschen, die einer richtigen Arbeit nachgehen und auch eine Familie zu versorgen haben, nicht verstehen. Wenn eine Verkäuferin mit Kind, die 20 km von ihrem Arbeitsplatz entfernt wohnt, im nächsten Jahr weniger verdient als Hartz IV, weil die Entfernungspauschale gesenkt wird und die Steuern erhöht werden, und mit Hartz IV besser dastünde, kann das nicht passend sein. Wenn Selbstständige mittlerweile von Hartz profitieren, wenn Ärzte und Juristen, damit sie krankenversichert sind, bescheinigen, dass sie eigentlich nichts verdienen, kann das nicht richtig sein. Darüber hinaus werden schlechte Arbeitsvermittlung und zu lange Wartezeiten beklagt.
Das alles sind doch Dinge, die zeigen, dass dort eine ganz schlechte Arbeit gemacht worden ist und eine Generalüberholung von Hartz IV dringend erforderlich ist.
Hartz IV ist von einer ursprünglich guten Idee mittlerweile zur bloßen Farce verkommen. Inzwischen scheint diese Idee mehr ein Problem geworden zu sein als ein Beitrag zu dessen Lösung. Trotzdem halten wir den Kerngedanken von Hartz IV, näm
lich die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, nach wie vor für richtig und alternativlos.
Ja, nicht alles im Leben ist schlecht. – Die Kritik wurde immer lauter. Hartz IV erweist sich vor allem als teuer und wenig effektiv. Die Zahl der Bezieher des Arbeitslosengeldes II liegt weit über den ursprünglichen Schätzungen. Auch da stellt sich die Frage: Warum ist das so schlecht geplant worden? Arbeitslosengeld-II-Empfänger sind doch eine relativ planbare Größe. Da ist wohl ganz schlecht vorbereitet worden.
Der Entwurf des Fortentwicklungsgesetzes, über den der Bundestag morgen entscheidet, geht vielen nicht weit genug – höchstens der SPD. Dieser Weg kann nicht richtig sein, um den Arbeitsmarkt zu beleben und Arbeitsvermittlung effizienter zu gestalten.
Das sieht auch die Landesregierung so und spricht sich daher für eine Generalrevision von Hartz IV aus. Sie bemängelt insbesondere die Allzuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit und den daraus folgenden Zentralismus, der einer Lösung der Arbeitsmarktproblematik nicht förderlich ist. Das sehen insbesondere wir Liberale so. Wir fordern ja daher die Auflösung der Agentur für Arbeit in ihrer jetzigen Form, weil die Vermittlungsquote nach den bisher gelaufenen Maßnahmen einfach zu schlecht ist und wir dadurch einer verbesserten Vermittlungsquote einen deutlichen Schritt näher kämen. Wir halten also zusätzlich zur Revision von Hartz IV die Revision der Arbeitsverwaltung insgesamt für notwendig. Das gehört eng zusammen; man kann es nicht getrennt sehen.
Herr Kollege Post hat einiges aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes genannt, der für die bisherige Gesetzgebung und das bisherige Verfahren, so wie es läuft, vernichtend ist.
Darüber hinaus kann man noch die Ein-Euro-Jobs ansprechen; das hatte Herr Post noch nicht getan: Ein Viertel entspricht nicht den Bedingungen der Gemeinnützigkeit. Bei weiteren 50 % sind die Bedingungen, unter denen sie ablaufen, überhaupt nicht klar. Ein-Euro-Jobs bedeuten im Moment eher, dass reguläre Jobs wegfallen. Auch da müssen wir unbedingt ran. Es kann nicht sein, dass es als gemeinnützig gilt, wenn eine Schule oder die Stadtverwaltung angestrichen wird und dieser Auftrag nicht mehr der örtliche Malermeister bekommt, sondern die Kommunen ihren An
strich günstig durch Ein-Euro-Jobs bekommen, aber dadurch die ordentlichen Jobs im Ort wegfallen. Das müssen wir unbedingt ändern.
Der Gesetzentwurf geht also nicht weit genug. Das Prinzip des Förderns und Forderns, das bei Hartz eigentlich bestehen sollte, wird längst nicht vernünftig umgesetzt. Die Arbeitsgemeinschaften – dieser entwickelte Konstrukt – sind ein nicht überlebensfähiger Zwitter. Im richtigen Leben klappt es nicht, Diener zweier Herren zu sein. Das Kompetenzgerangel ist da überhaupt nicht hilfreich. Wir müssen den Weg gehen, dass die Kommunen die Verantwortung in der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen alleine übernehmen. Der Verschiebebahnhof von Verantwortlichkeit muss endlich aufhören.
Nach unserer Ansicht muss die Arbeitsagentur in eine leistungs- und kundenorientierte Versicherungsagentur umgewandelt werden, die das Arbeitslosengeld auszahlt. Für überregionale und internationale Aufgaben des Arbeitsmarktes wäre eine kleine Arbeitsmarktagentur zuständig. Die Verantwortung für die regionale Arbeitsmarktpolitik würde auf die Jobcenter der Kommunen übergehen. Wir versprechen uns davon eine effizientere und nachhaltigere Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt.
Vor diesem Hintergrund halten wir die pauschalen Forderungen nach einer Senkung des Arbeitslosengeldes II, wie sie zum Teil zu hören sind, erst einmal nicht für zielführend. Es ist viel wichtiger, erst einmal die Systemfehler zu beheben und den Menschen eine Chance zu geben, wirklich in Arbeit zu kommen, anstatt sie immer nur zu verteufeln. Da sind wir uns einig, Frau Steffens.
Die Koalition des Stillstandes in Berlin sitzt das Problem aus – das muss man schon offen sagen –, wenn es bis zum Herbst verschoben und erst einmal abgewartet wird. Dabei ist ganz klar zu erkennen, dass die SPD der Blockierer in Berlin ist. Die Arbeitslosen tragen den Schaden; das müssen Sie sich jetzt anhören.
Wichtig ist, dass sich in Zukunft Arbeiten wieder lohnen muss – mehr als bisher. Wir müssen auch dafür sorgen, dass Sozialmissbrauch stärker als bisher bekämpft wird. Wir müssen die Arbeitsvermittlung effizienter machen. Was ganz wichtig ist und immer wieder vergessen das wird: Die Rahmenbedingungen für mehr Arbeit müssen endlich geschaffen werden. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! „Welche Linie verfolgt die Landesregierung“, fragt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Eingangstext für die heutige Aktuelle Stunde. Die Antwort steht für mich fest: in Berlin unterschreiben und hier dagegen agitieren, schnell vom Acker machen für zuvor eingegangene Verantwortung,
Verantwortung aus dem Koalitionsvertrag in Berlin, der beim Thema Arbeitsmarktpolitik maßgeblich von diesem Landesarbeitsminister verhandelt wurde, Verantwortung, als nach einer langen Nacht im Vermittlungsausschuss der Kompromiss zu Hartz IV zwischen den Vertretern von CDU und SPD gefunden wurde –
(Minister Karl-Josef Laumann: Ich war gar nicht dabei! Ich war gar nicht im Vermitt- lungsausschuss!)
mit einigen, wie Kurt Beck richtig festgestellt hat, die zur inhaltlichen Verkomplizierung beigetragen haben und jetzt nach einer Generalrevision rufen.
„Mit gefangen, mit gehangen“, oder „CDU will sich aus der Verantwortung stehlen“ sind Kommentare der letzten Tage, die den Nagel auf den Kopf treffen.
Wie hat sich doch der damalige Fraktionsvorsitzende der Union hier gewunden, wenn es um Hartz IV ging.
Erst haben CDU und CSU der ehrlichen transparenten Arbeitslosenstatistik zugestimmt; Herr Rüttgers war dabei. Dann, als Hartz IV intensiv thematisiert wurde, schlug der Ministerpräsident Pirouetten: Erst war Herr Rüttgers dagegen, dann, nach dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses mit den Stimmen von CDU und CSU, war er dafür. Nach den ersten Montagsdemonstrationen war er wieder dagegen und stellte sich schon vor Inkrafttreten als der Generalrevisor hin; es war ja auch schließlich Wahlkampf.
Was, Herr Laumann, was, liebe Landesregierung, wollen Sie? Wie sehen Ihre konkreten, realistischen Vorschläge aus? Wann wollen Sie sich wie – und ich meine nicht über die Medien – in Berlin einbringen?
Was will denn überhaupt die Union? – Stoiber: Senken des Regelsatzes, regionale Staffelung und Anreize für die Arbeitsaufnahme verschärfen! Althaus: Regelsätze kürzen! Merkel: Regelsätze bleiben! Kollege Post in „WDR Aktuell“ am 23.5.: Regelsätze runter! Laumann am 24.5. im „Morgenmagazin“: Regelsätze bleiben! CSU-Generalsekretär Söder: Wer Arbeit ablehnt – Leistung auf Null kürzen!
In dieses Horn blies dann auch Ministerpräsident Rüttgers. Der CDU-Sozialexperte Weiß warnt vor übereilten Korrekturen und verweist darauf, dass es vernünftig sei, diese Reform so, wie sie angelegt ist, zu Ende zu bringen. Pofalla und Milbradt fordern Sanktionen. Ministerpräsident Böhmer bringt zumindest schon einmal Tarife mit ins Gespräch, indem er sagt, Unterstützungsleistungen dürften nicht höher sein als die untersten Tarifgruppen. Es geht also doch wieder um Kürzung. Ministerpräsident Wulff mahnt vor einem Streit zwischen CDU und SPD und bemerkt zu Recht, dass Union und SPD gemeinsam in der Verantwortung stünden.
Ja, was will die CDU auf Bundesebene denn? Sie weiß es selber nicht, schreit aber in jedes Mikrofon, dass ihr vor die Nase gehalten wird.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Desinformation, wie sie hier betrieben wird, ist eines. Aber Sie, Herr Laumann, tragen Mitverantwortung. Im Deutschen Bundestag hatten Sie an dieser Stelle Mitverantwortung, und in den Koalitionsverhandlungen hatten Sie auch Mitverantwortung. Da lassen wir, da lassen die Menschen in diesem Land Sie nicht mehr heraus. Die Menschen wissen: Herr Minister, du bist Hartz!