Deshalb hat die Koalition von Union und FDP entschieden und angekündigt, dass wir in der Zukunft die Sprachförderung in die Regelförderung des neuen Kindergartengesetzes überführen wollen. Wir wollen es nicht mehr abhängig machen von Größen von Kindergartengruppen, sondern wollen es beschreiben als eine der Standardaufgaben, der sich jede Kindertageseinrichtung und jedes Familienzentrum stellen soll.
In den bisherigen Programmen, Crashkursen und anderen Maßnahmen, hatten wir zudem neben diesem konzeptionellen Nachteil das Problem zu beklagen, dass die Mittel nicht ausgereicht haben, um allein in den Problemstädten, in den Problemstadtteilen insgesamt eine hinreichende Förderintensität zu gewährleisten.
Deshalb ist es zu begrüßen, dass es den beiden Koalitionsfraktionen gelungen ist, anlässlich der letzten Haushaltsberatungen den Ansatz von 8,1 Millionen € auf über 17 Millionen € mehr als zu verdoppeln. Kollege Solf hat auch die längere Geschichte hier dargetan. Eine dreißigfache Steigerung gegenüber den Anfängen dieser Problembewältigung – ich meine, das ist ein erster guter Zwischenerfolg, der sich sehen lassen kann.
Wir wollen nicht nachlassen. Wir wissen, es gibt andere Maßnahmen, denen wir uns stellen müssen. Wir müssen Eltern erreichen in der Sprachförderung. Wir müssen die Programme aus dem Zuwanderungsgesetz, die sich an sogenannte Bestandsausländer – so ist ja der Begriff von Herrn Schily gewesen – wenden, auch in Nordrhein-Westfalen verstärken. Das sind Aufgaben, denen wir uns in der Zukunft zu stellen haben.
Jetzt heute mit diesem Antrag freuen wir uns zunächst einmal darüber, dass wir den richtigen Weg in der Zuwanderungspolitik gefunden haben und dass wir die Sprachförderanstrengungen dieses Landes endlich unter der neuen Verantwortung haben verstärken und intensivieren können. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD die Kollegin Tillmann das Wort.
Ich möchte das auch gerne erklären. CDU und FDP mussten sich anscheinend nach ca. 500.000 Protestunterschriften einmal gegenseitig auf die Schultern klopfen und sich selber loben. Sie wollen mit diesem Antrag wahrscheinlich gleichzeitig dem Vorwurf begegnen, nicht genügend inhaltlich zu arbeiten.
Ich belege das jetzt, und zwar so: Eine Diskussion zum Thema Sprachstandsfeststellungen und Sprachförderung ist bereits in der 6. Sitzung des Ausschusses für Schule und Weiterbildung am 2. November 2005 ausführlich geführt worden, allerdings unter dem Tagesordnungspunkt „Ausreichende Deutschkenntnisse als Voraussetzung für die Einschulung“.
Dargestellt wurde in dieser Sitzung von Frau Ministerin Sommer und Staatssekretärin Dr. GierdenJülich, dass es in diesem Bereich zu einem Kooperationsvertrag zwischen dem Ministerium für Schule und Weiterbildung und dem Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration kommen wird. Kindertageseinrichtungen und Familienzentren sollen zu Zentren der Sprachförderung werden. Das ist damals dort schon gesagt worden. Außerdem ist eine Intensivierung der allgemeinen Sprachförderung in Kitas beabsichtigt.
Ebenfalls wurde in dieser Sitzung ausführlich über das Problem der Verbindlichkeit von vorschulischer Sprachförderung gesprochen, und vonseiten der Landesregierung wurde darauf hingewiesen, dass zu diesem Thema ein Rechtsgutachten eingeholt werden sollte.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, entweder sind Sie über die Aussagen Ihrer eigenen Landesregierung nicht informiert oder Ihre Landesregierung arbeitet Ihnen zu langsam, sodass Sie ihr mit Ihrem Antrag einen kleinen Schubs geben wollten.
Aber wir als SPD-Fraktion beraten natürlich gern diesen Antrag noch einmal im AGFI und beschäftigen uns ebenso gerne nochmals damit im Ausschuss für Schule und Weiterbildung.
Nun zum inhaltlichen Teil: Richtig und unstreitig ist, dass die Beherrschung der deutschen Sprache notwendige Voraussetzung ist erstens für ei
ne erfolgreiche Schullaufbahn und zweitens für eine gelingende Integration. Richtig ist weiterhin, dass Sprachförderung so früh wie möglich beginnen sollte, also bereits im vorschulischen Bereich.
Bedauerlicherweise wird in Ihrem Antrag das Thema Zweisprachigkeit nicht aufgegriffen. Ich denke, da ist Herr Kollege Solf sehr an unserer Seite. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben: Bei Entzug der Muttersprache kann die allgemeine kognitive Entwicklung des Kindes behindert werden, was zu Schulversagen führen kann. Bei Entzug der Muttersprache und höherem Angebot der Zweitsprache erreicht auch die Zweitsprache nicht immer das gewünschte Niveau, was wiederum zu Schulversagen führen kann.
Die Muttersprache sollte früh und systematisch gefördert werden – bereits in den Kitas. Die Förderung der Muttersprache und der Zweitsprache stehen dabei nicht in Widerspruch zueinander. Daher muss ernsthaft überlegt werden – ich denke, das können wir im Ausschuss gemeinsam machen –, ob und inwieweit muttersprachliche Förderung nicht bereits im Kindergarten beginnen kann.
Ich verweise gerne noch einmal auf das Problem der sogenannten doppelten Halbsprachigkeit, das bei vielen Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund auftritt. Erzieherinnen und Erzieher müssen in die Lage versetzt werden, systematische Sprachförderung im Kindergarten zu leisten. Das bedeutet eine zwingende Veränderung in der Ausbildung: Jede Erzieherin und jeder Erzieher sollte in Zukunft mit Blick sowohl auf Sprachförderung, als auch auf Förderung von Mehrsprachigkeit ausgebildet werden.
Sprachförderung ist aber nur ein Teil. Die Grünen haben in ihrem Entschließungsantrag noch einmal auf das Thema der Elternqualifizierung hingewiesen; das hatte Herr Lindner eben auch noch einmal angesprochen. Ich denke, dazu gibt es genügend Ausführungen im Entschließungsantrag, sodass ich darauf verzichten kann, darauf näher einzugehen.
Ich möchte gerne noch einmal auf Herrn Solf eingehen: Wenn Sie uns so darstellen, als wenn wir in den letzten Jahren überhaupt nichts bei der Sprachförderung im vorschulischen Bereich und bei der Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund gemacht hätten, sage ich Ihnen: Das ist einfach falsch. Wir haben die Ansätze kontinuierlich erhöht. Wenn wir noch dran wären, hätten wir sie auch noch weiter ausgebaut. Aber das ist diese Wenn- und Kann-Diskussion.
(Michael Solf [CDU]: Erkundigen Sie sich bei denjenigen, die schon damals da waren! Das war grausam!)
Ich will Ihnen noch eins dazu sagen: Wenn Sie für sich in Anspruch nehmen, dass diese Titel ganz zu Anfang auf Drängen Ihrer Fraktionen eingestellt worden sind, finde ich daran überhaupt nichts Verwerfliches, weil es nur zeigt, dass wir der Vernunft folgen können. Dann müssten Sie aber auch der Vernunft und dem Drängen von 500.000 Unterschriften nachgeben, weil dahinter auch jede Menge Vernunft und Zukunft stehen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Tillmann. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Asch das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es hier schon mit einem interessanten Vorgang zu tun. Ich möchte daran erinnern, dass meine Fraktion im Herbst letzten Jahres einen Antrag mit dem Titel „Die vorschulische Sprachförderung von Kindern muss weiter verbessert werden“ vorgelegt hat. Dieser Antrag ist viel beachtet worden und auf sehr große Zustimmung gestoßen. Alle Fraktionen haben gesagt: Das ist ein gutes Konzept! Prima! – In der gewohnten Ritualisierung der Abläufe konnte man sich jedoch nicht dazu durchringen, einem Antrag der Opposition zuzustimmen.
Jetzt, ein knappes halbes Jahr später, kommt nun der damals schon angekündigte Antrag von CDU und FDP. Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es einmal freundlich auszudrücken: Ich finde ihn etwas unterkomplex.
Ich kann auch nicht erwarten, dass Sie gerne von uns abschreiben. Aber vielleicht hätten Sie doch das eine oder andere aus unserem sehr viel konkreteren Antrag übernehmen können, der sehr viel mehr an Konzepten vorgegeben hat.
Herr Lindner, bei Sprachförderung geht es auch darum, wissenschaftliche Ansätze aufzunehmen. Wenn Sie das nicht für nötig halten, sagt das mehr über die Form aus, wie Sie Politik machen.
Wir haben den Anspruch, unseren politischen Initiativen moderne, neue und wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde zu legen. Ich glaube, das ist auch gut so.
(Britta Altenkamp [SPD]: Nach dem Hoch- schulfreiheitsgesetz spricht keiner mehr mit der FDP! – Beifall von der SPD)
Sie machen in Ihrem Antrag überhaupt keine Vorschläge dazu, wie die Sprachförderung von Kindern verbessert werden kann. Sie entwickeln kein Konzept. Noch schwerwiegender ist, dass Sie jetzt, nachdem im Haushalt 17 Millionen € für die Sprachförderung eingestellt worden sind, ankommen und sagen: Wir brauchen dafür ein Konzept. – Das ist paradox. Das ist ein Vorgehen, das widersinnig ist. Hätten Sie im November letzten Jahres unserem Antrag zugestimmt, hätten wir jetzt ein Konzept und könnten anfangen zu arbeiten.
Wir legen mit unseren Anträgen konkrete Konzepte vor. Die Qualifizierung der Eltern steht dabei an erster Stelle, weil wir wissen, dass die häusliche Sprachumgebung immer noch die bestimmende Instanz im Spracherwerb der Klein- und Vorschulkinder ist. Wir wollen das Selbsthilfepotenzial der Eltern beim Erwerb der Zweitsprache Deutsch deshalb stärken.
Wir wollen, dass die Sprachförderung in den institutionellen Alltag in den Schulen und Kindergärten integriert wird. Das heißt, die Sprachförderung muss sozusagen innerhalb der Regelsysteme erfolgen. Wir wollen keine Sondersysteme wie externe Gruppen oder spezielle Kurse. Die Erzieherinnen und Lehrerinnen müssen qualifiziert werden. Das ist nicht nur ein pädagogisch sinnvolles, sondern auch ein nachhaltiges Konzept, weil es bedeutet, dass keine teuren Kurse eingekauft und finanziert werden müssen, sondern dass eine dauerhafte Fortbildung der Erzieherinnen und Erzieher erfolgt, die sie in ihrem pädagogischen Alltag nutzen können.
Ganz wichtig ist: Lehrerinnen und Lehrer müssen Kompetenzen bei der Vermittlung der deutschen Sprache als Zweitsprache erwerben. Denn wir wissen auch, dass Deutsch als Zweitsprache ganz andere didaktische Methoden voraussetzt als der normale Deutschunterricht in den Schulen. Dies erfordert, dass die Lehrerinnen und Lehrer die spezifische Situation des Spracherwerbs und der Sprachsozialisation der Kinder mit Migrationshintergrund verstehen, und dies erfordert spezifische Fördermethoden.
Alle Fachleute betonen, dass die Kontinuität in der Sprachförderung wichtig ist. Sie muss vom Elementarbereich bis in die Schule, bis in die Sekundarstufe I hinein gehen. Dafür muss ein qualitativ anspruchsvolles Sprachlernkonzept entwickelt werden. Dazu gehört auch, dass die Muttersprache – das beantragen wir in unserem Entschließungsantrag – als ordentliches, versetzungsrelevantes Unterrichtsfach angeboten wird und folgerichtig auch als Abiturprüfungsfach zugelassen und angeboten wird.
Diese Forderung ist hier schon gemeinschaftlich in der letzten Legislaturperiode in der Integrationsoffensive 2001 formuliert worden. Überhaupt gibt es in den Zielsetzungen sehr viele Gemeinsamkeiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, an diese Gemeinsamkeiten sollten wir anknüpfen. Vielleicht gelingt es ja in der gemeinsamen Diskussion im Fachausschuss, nicht nur mit der gesellschaftlichen Integration von Kindern mit Migrationshintergrund weiterzukommen, sondern auch in der fraktionsübergreifenden Integration und Zusammenarbeit. Ich biete jedenfalls zu diesem Punkt meine Bereitschaft dazu an. Ich hoffe, dass wir gemeinsam zu guten Ergebnissen in den Diskussionen des Fachausschusses kommen werden.