Protocol of the Session on May 31, 2006

Wir haben mit dem Streit der letzten Tage zumindest eines erreicht, Herr Kollege Schmeltzer: Der Teil aus dem Gesetz, das in diesen Tagen im Deutschen Bundestag beschlossen wird – ich glaube, Donnerstag oder Freitag –,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Donnerstag!)

in dem man die Durchgriffsrechte des Bundes auf die Argen stärken wollte, wird nicht beschlossen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: War das eine Ge- neralrevision?)

Und glauben Sie mir: Wenn wir aus den Ländern uns nicht so mit dem BMAS angelegt hätten, hätten wir diesen Punkt nicht erreicht.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Da ziehen Sie sich einen Schuh an, der Ihnen nicht passt!)

Und damit wäre die Situation, dass immer mehr Verordnungen, immer mehr Richtlinien und immer mehr Weisungen auf die Argen zukommen, noch verstärkt worden.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD)

Ich finde, das Fass hat aus meiner Sicht alleine die Geschichte zum Überlaufen gebracht. Es geht darum, was sich die BA wegen der Wohngeldzahlungen der Kommunen hat einfallen lassen. Nur 3 % der Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben hier ein Problem mit der BA. Und dann gibt es eine Anweisung, dass, wenn nicht alle Kommunen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Einzugsermächtigung für die BA unterschreiben, die Wohngeldzahlungen eingestellt werden. So etwas ist nicht in Ordnung. Das ist Zentralismus pur.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist Umset- zung von Gesetzen!)

Das muss man auch so geißeln.

(Beifall von CDU und FDP)

Dann muss man mit denen sprechen, bei denen es die Probleme gibt, aber man darf nicht alle in Sippenhaft nehmen. Deswegen, finde ich, habe ich völlig Recht, dass ich den Zentralismus in diesem Bereich in den letzten Tagen so deutlich angesprochen habe.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Was tun Sie jetzt?)

Ich finde, unser Ministerpräsident hat Recht mit der Generalrevision der Hartz-Reformen: Wir brauchen tragfähige Organisationsstrukturen mit stärkerer regionaler Verantwortung für die Betreuung und vor allen Dingen für die Vermittlung von hilfebedürftigen Arbeitslosen.

Wir brauchen Antworten auf den Umgang mit den unterschiedlichen Leistungsbeziehern; die Zahlen habe ich Ihnen genannt.

Wir müssen überlegen, wie der Nachrang der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber der vorhandenen Eigenverantwortung der Menschen, aber auch gegenüber vorrangigen Sozialsystemen wie der Arbeitslosenversicherung und dem BAföG erreicht werden kann. Es ist nicht in Ordnung – das haben wir immer gesagt, das steht

in unserer Koalitionsvereinbarung –, dass jemand, der 30 Jahre in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, genauso schnell nach Hartz durchgereicht wird wie jemand, der nur fünf Jahre in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist und bleibt richtig. Dieses Problem muss nicht im Hartz-Bereich gelöst werden, sondern im Arbeitslosengeldbereich.

(Lebhafter Widerspruch von SPD und GRÜ- NEN)

Wir haben ein Problem: Wir haben viele in der Unterhaltssicherung, weil bei Hartz ein Kind unter 14 Jahren 207 € bekommt – 53 € mehr als beim Kindergeld – und weil bei Hartz ein Kind über 14 Jahren einen Anspruch auf 276 € hat, aber nur einen Kindergeldanspruch von 154 €.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Deswegen haben wir in der Koalitionsvereinbarung hier im Land stehen, dass wir wollen, dass Frauen und Männer nicht, weil sie ein Kind haben, in das Hartz-System kommen und dass das über das Kindergeld oder über eine Leistung, die auf die Kinder bezogen ist, ausgeglichen werden muss. Ich finde: Das ist richtig.

Wir brauchen einen stärkeren Schutz der Vermögen für Alterssicherung für die, die lange gearbeitet haben. Das sollten wir auch einmal gemeinsam artikulieren. Ich wäre froh, wenn ich Ihre Partei dabei an meiner Seite hätte.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Sie haben noch nicht einmal Herrn Koch auf Ihrer Seite! – Weitere Zurufe von der SPD)

Natürlich brauchen wir bessere Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt, damit überhaupt mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstehen können.

(Zurufe von der SPD)

Ich bin sicher, dass die Ziele, die ich genannt habe – da können Sie schreien, wie Sie wollen –, wenn Sie nur ein bisschen darüber nachdenken, auch Ihre Ziele sein könnten, weil sie den Menschen in diesem Land helfen. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von der SPD: Das war ja armselig! – Weitere Zurufe)

Danke schön, Herr Minister. – Für die SPD spricht jetzt Herr Garbrecht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es drängt sich bei der Debatte heute hier, aber insbesondere bei der Debatte, die im Land geführt und bei der einer Generalrevision des Arbeitsmarktes das Wort geredet wird, schon auf: Nicht alle – auch in diesem Haus, das haben wir ja zur Kenntnis nehmen können –, aber die meisten beabsichtigen eine Kürzung der Grundsicherung für Menschen, die arbeitslos sind.

(Hannelore Kraft [SPD]: Richtig! Genau!)

Da sage ich noch einmal deutlich für die SPD: Das ist mit der SPD nicht zu machen.

(Beifall von der SPD)

Wir stehen zum Grundsatz des Förderns und Forderns. Wir wollen eine konsequente Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs, und wir wollen, Herr Minister Laumann, dass den Menschen, die langjährig versichert sind, der notwendige Respekt vor der erbrachten Lebensleistung entgegengebracht wird. Deswegen darf aus unserer Sicht das Übergangsgeld, das für langjährig Versicherte gezahlt wird, nicht zur Disposition stehen.

Wir stehen zu dem Grundsatz, dass die Arbeit, die im Lande zu tun ist, von den Menschen erledigt wird, die im Lande sind

Wir stehen zu dem Grundsatz, dass derjenige, der arbeitet, mehr Geld in der Tasche haben muss als derjenige, der nicht arbeitet.

Aber wir müssen die Debatte wieder ein bisschen auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Es gibt im System nicht ein Zuwenig an Fordern – ich könnte vieles zu dem Bericht des Bundesrechnungshofs sagen, gerade aus der Sicht von jemandem, der sieht, mit welchen Problemen wir zu kämpfen haben; Herr Minister Laumann war bei der Arbeitsgemeinschaft in Bielefeld zu Gast –, sondern ein Zuwenig an Fördern. Gemeinsam beklagen wir ja, dass im letzten Jahr 3,5 Milliarden € nicht ausgegeben worden sind.

Das sind die Tatsachen, die wir zur Kenntnis nehmen müssen.

Tatsache ist auch, dass Menschen in diesem Land trotz Arbeit kein existenzsicherndes Einkommen erzielen. Das ist kein Beleg für zu hohe Leistungen im Transfersystem, sondern ein Zeichen für zu niedrige Löhne in diesem Land, die nicht existenzsichernd sind.

(Beifall von der SPD)

Das führt zu dem Hinweis, wie notwendig die Mindestlohndebatte – egal in welcher Ausprägung – in diesem Land ist.

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger warnte vor Aktionismus. Das Flügelschlagen in Berlin und anderswo in dieser Frage ist wirklich berauschend. Wir stimmen der Einschätzung von Peter Bofinger vorbehaltlos zu: Nicht die Arbeitslosen, die sich drücken, sind das Hauptproblem, sondern die fehlenden Stellen.

Die Grundsicherung deckt den notwendigen Lebensbedarf der Menschen. Wir reichen niemandem die Hand, der hinter die Leistungen für den notwendigen Lebensbedarf zurückzugehen will.

Herr Ministerpräsident, Sie folgen ja jetzt der Debatte. Wir haben heute im System der Grundsicherung eine Million sogenannte Aufstocker. Die hatten wir früher in der Sozialhilfe auch. Der Begriff „Bedarfsgemeinschaft“ kommt im Übrigen aus der Sozialhilfe. Das zeigt noch einmal, dass die Löhne in diesem Land zu niedrig sind, und das zeigt übrigens auch, dass das System des SGB II im Prinzip ein gigantisches Kombilohnmodell in diesem Lande ist.

Ich will jetzt zwei Bemerkungen zur Arbeitsmarktreform machen. Wie sie zustande gekommen ist, ist hier schon ausgebreitet worden. Diese Reform ist als Kompromiss beschlossen worden, an dem nicht nur SPD und CDU, sondern auch Bündnis 90/Die Grünen beteiligt waren. Ich würde mir wünschen, dass wir die Gelassenheit, aber auch gleichzeitig den Veränderungsmut aufbringen, den unsere europäischen Nachbarn wie Holland und die skandinavischen Länder aufgebracht haben und aufbringen, die sozusagen als Blaupause dieser Arbeitsmarktreform gedient haben, und dass wir den gewaltigen Umstellungsprozess, in dem wir uns befinden, mit mehr Pragmatismus und mit weniger Ideologie begleiten. Die skandinavischen Länder, Holland und England haben das mit Erfolg gemacht – aber nicht, weil sie nach 15 Monaten die Ergebnisse gezählt haben. Die Früchte sind erst nach zwei oder drei Jahren gewachsen: durch die erfolgreiche Eingliederung der Menschen, sinkende Arbeitslosenzahlen und eine bessere Kostenentwicklung.

(Beifall von der SPD)

Ich habe den Eindruck, dass diejenigen, die sich heute schlaumeierisch zu Wort melden, die Erfahrungsberichte, die die Bertelsmann-Stiftung und alle anderen im Vorfeld erstellt haben, entweder nie gelesen haben oder nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

(Beifall von der SPD)

Ich habe großes Verständnis dafür, dass Haushälter ihre Zahlen und Belastungen sehen. Wenn das