Protocol of the Session on May 4, 2006

Da würde ich gerade von der FDP erwarten, aber auch von der Landesregierung insgesamt, dass Sie sich dafür einsetzen, dass diese Wettbewerbsverzerrung genau an der Stelle nicht passiert und nicht ihre Linie wieder durch die Hintertür einen Durchmarsch macht, dass man Gas als Primärenergieträger da herausdrückt. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Nun hat für die FDP-Fraktion Herr Brockes das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 08 des Landeshaushalts, über den wir heute hier beraten, stellt für das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie eine schwere Hypothek der alten rot-grünen Landesregierung dar.

Dies findet seinen Ausdruck in den unumstößlichen Zuwendungsbescheiden der Jahre 2005 bis 2008, die in den Jahren 2006 bis 2009 haushaltswirksam werden. Die hierin fixierten Anteile Nordrhein-Westfalens an der Steinkohlenbeihilfe schränken die Handlungsfähigkeit der Wirtschafts- und Energieministerin in unerträglich starkem Maße ein.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Herr Kollege Leuchtenberg – es wäre schön, wenn Sie zuhören würden –, Sie haben es eben so dargestellt, als würde sich die Energiepolitik im Haushalt nicht wieder finden, und Sie haben dabei schön elegant, wie es sozialdemokratische Art ist, die Steinkohle außen vor gelassen. Das ist ein Ansatz, den man wirklich nicht anwenden kann.

Ich habe gerade schon einmal deutlich gemacht, wie dieser Haushalt aussieht und welche Finanzmengen durch diese eine Position gebunden sind.

Herr Kollege Priggen, Sie betonen immer den 97er-Kompromiss. Es ist ja richtig, dass wir im Bund dabei durch den Bundeswirtschaftsminister eingebunden waren und diesen Kompromiss mit ausgehandelt haben. Wir reden heute aber hier über den Landeshaushalt und die Mittel, die aus diesem Landeshaushalt für diesen Bereich bereits gebunden sind. Das ist von der alten rot-grünen Landesregierung zu verantworten. Die haben Sie mitgetragen. Deshalb können Sie die Verantwortung nicht auf den damaligen Bundeswirtschaftsminister abwälzen.

(Beifall von der FDP)

Die dringend erforderliche Neuausrichtung der Energiepolitik ist von der neuen Landesregierung nach dem Regierungswechsel im vergangenen Mai beherzt angegangen worden. Die politischen Ziele finden sich aufgrund der zuvor erwähnten rot-grünen Hinterlassenschaften noch nicht im Haushalt wieder.

Die neue Landesregierung wird gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen dafür Sorge tragen, dass das Geld der Steuerzahler nicht weiter in den hoffnungslos defizitären Steinkohlenbergbau versenkt, sondern in Zukunftsprojekte investiert wird.

Meine Damen und Herren, bereits wenige Wochen nach der Regierungsübernahme haben wir damit begonnen, den Koalitionsvertrag umzusetzen.

Gerade als Niederrheiner hat mich der folgende Punkt sehr gefreut: Was bis dato kaum jemand für möglich gehalten hatte, haben wir mit der sogenannten Walsumer Verständigung erreicht. Das Bergwerk Walsum wird früher als ursprünglich geplant, spätestens zum 30. Juni 2008, geschlossen. Gleichzeitig haben wir sichergestellt, dass der Kohleabbau unter dem Rhein einschließlich der damit verbundenen Risiken für die Bürgerinnen und Bürger endgültig und unverzüglich beendet wird.

Herr Kollege Priggen, dieses Ergebnis, das wir nach wenigen Wochen erzielt haben, ist mehr als das, was Sie in zehn Jahren Regierungsbeteiligung für die Bürgerinnen und Bürger in der Region erreicht haben.

Weiterhin haben wir mit der DSK vereinbart, die Abbaufelder so anzupassen, dass zukünftig keine Deicherhöhungen erforderlich sind. Wir haben – dies möchte ich an dieser Stelle besonders beto

nen – diesen Erfolg erreicht, ohne den Haushalt auch nur mit einem einzigen Euro zu belasten.

Als Nächstes haben wir – hier haben wir es mit einem nicht nur für Nordrhein-Westfalen wahrlich historischen Projekt zu tun – damit begonnen, die Beendigung des subventionierten deutschen Steinkohlenbergbaus einzuleiten. Im Koalitionsvertrag haben CDU und FDP vereinbart, diesen Ausstieg sozialverträglich zu gestalten. Deshalb haben wir zur Vermeidung sozialer Härten das Anpassungsgeld trotz der angespannten Finanzlage des Landes um 113,4 Millionen € erhöht. Hierdurch leisten wir einen wesentlichen Beitrag dazu, beim notwendigen Abbau der Beschäftigung bei der DSK die Sozialverträglichkeit zu wahren.

Herr Kollege Leuchtenberg, Sie haben eben davon gesprochen, wir sollten nicht nur Lippenbekenntnisse ablegen. Dieses Beispiel zeigt eben, dass wir nicht nur Lippenbekenntnisse machen, sondern im Gegenteil verantwortungsbewusst handeln.

(Beifall von der FDP)

Die Landesregierung ist hiermit in erheblichem Maße in Vorleistung getreten. Jetzt sind RAG und IGBCE gefordert, ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden und diesen unumkehrbaren Anpassungsprozess konstruktiv zu begleiten. Die RAG muss langsam begreifen, dass es für den Abbau von Steinkohle in Nordrhein-Westfalen keinen politischen Auftrag mehr gibt.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal an den gemeinsamen Antrag von CDU, FDP und Grünen vom 13. März erinnern. Dieser stellt eine Zäsur in der Geschichte Nordrhein-Westfalens dar. Die alte Kohlelobby existiert nicht mehr.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Jetzt haben sich drei von vier Landtagsfraktionen für einen Ausstieg Nordrhein-Westfalens aus dem subventionierten deutschen Steinkohlenbergbau ausgesprochen. Ob und inwieweit deutsche Steinkohle ohne staatliche Transferzahlung in Zukunft gefördert wird, das ist in der Hauptsache eine Entscheidung der Eigentümer. Der Verweigerungshaltung des DSK-Vorsitzenden Tönjes und unserer Beharrlichkeit ist es zu verdanken, dass die Bundesregierung nun ein Gutachten in Auftrag gibt, um die Altlasten des Bergbaus zu ermitteln.

(Beifall von der FDP)

Ein weiteres Gutachten – hiermit bin ich beim nächsten Punkt unseres Koalitionsvertrages – wird sich mit den Börsenplänen der RAG und der

damit verbundenen Auflösung des Haftungsverbundes befassen. Meine Damen und Herren, die Zustimmung Nordrhein-Westfalens zum RAGBörsengang ist nur denkbar, wenn zusätzliche Kostenrisiken eines fortdauernden Steinkohlenbergbaues für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ausgeschlossen werden.

Zur Neuausrichtung der Energiepolitik gehört allerdings auch ein klares Bekenntnis zu den Bereichen rationelle Energieverwendung und erneuerbare Energien. Wir setzen das REN-Programm fort, werden allerdings bei den Fördermaßnahmen neue Schwerpunkte setzen.

Primäres Ziel bei den erneuerbaren Energien muss es sein, nicht mit der Gießkanne durch Nordrhein-Westfalen zu laufen, sondern ganz gezielt dort aktiv zu werden, wo auf absehbare Zeit die Schwelle der Wirtschaftlichkeit erreicht werden kann.

Der FDP-Fraktion ist es ein besonderes Anliegen, gerade die vielschichtige Forschungslandschaft im Energiebereich in Nordrhein-Westfalen nachhaltig zu stärken und das vorhandene Know-how im Land zu halten. Wir setzen hierbei auf einen breiten Entwicklungs- und Forschungsansatz, der von der Erforschung und Anwendung der Wasserstofftechnologie über die Kernenergiesicherheitsforschung bis zur Entwicklung neuer Reaktorlinien reicht. Eine Ausgrenzung einzelner Entwicklungs- und Forschungsgebiete aus ideologischen Gründen ist mit der FDP-Landtagsfraktion nicht machbar.

(Beifall von der FDP)

Zum Schluss, Herr Kollege Priggen, möchte ich auf Ihren Änderungsantrag zur Rückzahlung von Zuschüssen für den Absatz deutscher Steinkohle durch die gestiegenen Weltmarktpreise eingehen. – Sie dürfen fest davon ausgehen, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen, die sich in aller Deutlichkeit für das Auslaufen des subventionierten deutschen Steinkohlenbergbaus ausgesprochen haben, jeden zuviel an die DSK gezahlten Euro gerne wieder in den Landeshaushalt einstellen werden.

Allerdings wird Finanzminister Linssen gemäß den Grundsätzen eines ehrbaren Kaufmanns nicht, wie dies bei Rot-Grün in der Vergangenheit üblich war, der Versuchung erliegen, mit Geldern zu planen, die wir noch nicht haben und über deren Höhe wir derzeit noch keine seriöse Aussage treffen können. Sie selbst haben vorhin gesagt, es werde schwierig sein, das Geld wieder in die Kasse zu holen. Seien Sie aber sicher, dass wir alles daran setzen werden, dass dies der Fall sein wird.

Aber – hier erinnere ich Sie, Herr Kollege Priggen, an Ihre eigene Regierungszeit – die in Ihrer Regierungszeit eingeführte Sprechklausel hat dazu geführt, dass wir momentan noch gar nicht wissen, ob überhaupt mit etwas und, wenn ja, mit welchem Betrag zu rechnen ist. Meine Damen und Herren, sollten wir eine Rückerstattung von der DSK erhalten, so werden wir dieses Geld nicht, wie Sie es wünschen, gleich wieder verfrühstücken, sondern die Mittel zur Konsolidierung des Landeshaushaltes verwenden. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Brockes. – Für die Landesregierung spricht jetzt Ministerin Thoben.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Menge an Kritikpunkten, die Herr Leuchtenberg am Energiehaushalt angebracht hat, habe ich mich immer gefragt, wo die Änderungsanträge sind, mit denen Vorschläge unterbreitet werden, wie man es besser machen will. Kein einziger Satz dazu. Was heißt das eigentlich? – Das heißt, Sie trauen sich, hier herumzureden, immer an den Zahlen vorbei, um irgendetwas in die Welt zu setzen, wagen es aber nicht, auch nur einen einzigen Änderungsantrag vorzulegen. Packen Sie die Argumente ein!

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: So ein- fach kann man es sich nicht machen!)

Sie machen es sich doch einfach. Sie halten hier Reden, beklagen den Haushalt und legen nicht einen einzigen Änderungsantrag vor.

An dem, was die Grünen kritisieren, dass wir schon früher eine Rückzahlung hätten erreichen müssen, kann man sich wenigstens, wie Herr Priggen das netterweise gesagt hat, ein Stück weit reiben. Wir sagen, wir wollen möglichst viel zurück haben, aber das ist noch nicht etatreif, weshalb es nicht im Etat steht.

Wir hätten deutlich mehr Luft – darüber redet die SPD ungern –, wenn wir weniger für die deutsche Steinkohle aufwenden müssten. Das ist so. Wir haben uns in der Koalitionsvereinbarung etwas vorgenommen. Das ist schwierig, aber vernünftig.

Herr Leuchtenberg hat gemeint, wir müssen uns um heimische Energieträger kümmern. – Wohl wahr!

Warum hat die SPD nicht die Kraft, zwischen Braun- und Steinkohle zu unterscheiden? – Die

Braunkohle ist nach allgemeiner Übereinkunft nicht nur heimischer Energieträger, sondern auch eine echte Reserve. Herr Römer weiß, dass man national und international zwischen Reserven und Ressourcen sehr wohl unterscheidet. Reserven sind Vorkommen, die unter wirtschaftlichen Bedingungen förderbar sind. Ressourcen sind Dinge, die im Boden sind. Überlegen Sie sich bitte einmal, ob Sie die Kraft haben, zu behaupten, die deutsche Steinkohle sei eine Reserve. Egal wie Sie sich anstrengen, den deutschen Steinkohlenbergbau noch produktiver zu machen: Die Kosten sind dreimal so hoch wie der Preis einer importierten Tonne. Das ist eine Ressource, aber nach allgemeiner Übereinkunft keine Reserve. Deshalb müssen wir über so schwierig zu beantwortende Fragen reden.

Auch uns, Herr Leuchtenberg, liegt an einer gedeihlichen Zukunft der Unternehmen, die derzeit unter dem Dach RAG sitzen. – Sehr richtig.

Aber wir sind noch nicht ganz sicher, ob wir bereits alle Fragen ausreichend beantworten können, die wir diesem Landtag gegenüber auch beantworten müssen, um nicht vor einem Untersuchungsausschuss zu landen. Die Einrichtung eines solchen Ausschusses würde ich Ihnen auch gar nicht übel nehmen, wenn wir einfach sagen würden: Wir kümmern uns nicht um Haftungsrisiken und Möglichkeiten, die Risiken zu begrenzen, sondern winken das, was die RAG aufschreibt, durch. – So darf man gar nicht handeln. Ich würde mich wundern, wenn wir das im Landtag tatsächlich tun könnten, ohne einen Untersuchungsausschuss zu bekommen.

Deshalb nur ein kleiner Hinweis, denn wir können heute nicht die gesamte Energiedebatte führen: Wenn Sie – Herr Römer, Sie sind doch auch schon einige Zeit dabei – alles zusammenzählen, was an öffentlichen Mitteln in den deutschen Steinkohlenbergbau geflossen ist, dann kommen Sie auf stolze 128 Milliarden €.

(Zuruf von der SPD: Gut angelegtes Geld!)

Es stellt sich nun die Frage, ob uns nicht eigentlich sogar der ganze Bereich – zumindest wirtschaftlich gesehen – gehört. Die Frage müssen Sie doch zulassen. Die haben doch nicht aus eigenen Gewinnen andere Töchter und Söhne aufgekauft und aufgebaut, sondern aus Subventionen. Oder ist das anders? – Deshalb führen wir schwierige Gespräche darüber, auf was ich als Ministerin, als diejenige, die das unterschreiben soll, eigentlich ohne irgendeine Sicherheit verzichten darf.

Interessant ist übrigens auch, dass Herr Müller im Zusammenhang mit der Entscheidung von Thyssen-Krupp, ausländische Erzminen zu verkaufen, davon spricht, dass sie wenig Weitsicht bewiesen hätten. Hat er sich eigentlich einmal die eigene Geschichte der Ruhrkohle vor dem Hintergrund vor Augen geführt?

(Beifall von der FDP)