Protocol of the Session on April 6, 2006

Sehr gerne.

Herr Kollege Remmel, würden Sie bitte aus Ihrem Blickwinkel noch einmal genau begründen, warum Sie das nicht haben durchsetzen können?

Diese Frage hat eine lange Geschichte. Es gibt ein Papier, das seinerzeit vom Chef der Staatskanzlei, Frohn, und dem damaligen Direktor des Landtages, GroßeSender, ausgearbeitet wurde. Es ging darum, Beteiligungsmöglichkeiten der Parlamentarier bei ausgelagerten Aufgaben des Landes zu verbessern. Wir haben eine entsprechende Diskussion aufgrund des Gesetzentwurfs der FDP-Fraktion geführt. Und die Grünen-Fraktion hatte seinerzeit einen Gesetzentwurf ausgearbeitet.

Ich kann Ihnen ganz offen berichten, dass es darüber interne Debatten zwischen grüner Fraktion und grüner/grünem Ministerin/Minister gab. Es sind heute die gleichen Beamtinnen und Beamten, die den Ministern aufschreiben, dass man das, was das Parlament an dieser Stelle verlangt und was wir heute mit dem Gesetz eingebracht haben, weiß Gott nicht machen müsse und machen solle.

Deshalb glaube ich, dass die Interessenslinien nicht zwischen den Fraktionen verlaufen – das möchte ich noch einmal betonen –, sondern zwischen der Landesregierung mit ihrem Beamtenapparat und den Interessen der Abgeordneten. Und die Abgeordneten als Volksvertreter müssen andere Interessen formulieren, als dies möglicherweise die Verwaltung und die Landesregierung tun. So einfach ist das.

(Beifall von den GRÜNEN)

Im Übrigen war es seinerzeit – darauf hat der Kollege Kuschke dankenswerterweise hingewiesen – allgemeine Auffassung, in dieser – gemeint ist die

jetzige – Legislaturperiode generell eine Verfassungsrenovierung anzustreben. Wir haben auch einen entsprechenden Antrag am Anfang dieser Legislatur eingebracht, der sich noch in der Beratung des Ausschusses befindet. Wir haben damals argumentiert, die Zeit vor der Landtagswahl sei zu kurz, als dass das bei der damaligen Konstellation durchzusetzen gewesen wäre, und wir setzten große Hoffnungen auf den Prozess in der nächsten Legislatur – gemeint ist diese Legislatur. Und deshalb haben wir nun den entsprechenden Antrag eingebracht.

Wir sehen allerdings, dass eine umfassende Verfassungsrenovierung, die dann auch eine Verbesserung der Parlamentsinformationsrechte beinhalten würde, offensichtlich von den anderen Fraktionen des Hauses nicht gewünscht ist. Deshalb haben wir diesen Sachverhalt ausgekoppelt und gemeinsam mit der SPD in einen eigenen Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung gekleidet. Heute tragen wir ihn vor.

Ich plädiere mit ganzem Herzen und voller Emotion dafür, die Trennlinie nicht zwischen den Fraktionen zu sehen. Wir haben ein gemeinsames Interesse, das über den Tag hinaus von uns gemeinsam manifestiert und formuliert werden sollte. Ich weiß, wie stark die Bataillone aufseiten der Landesregierung und des Beamtenapparates sind, die Trennmauern und Grenzen hochzuziehen. Das ist möglicherweise in der Sache begründet, aber nicht der Rechtsentwicklung und den Möglichkeiten, die ein Abgeordneter und das Parlament haben sollten, angemessen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben nämlich in Deutschland eine Rechtsentwicklung, die dem heutigen Zustand in Nordrhein-Westfalen nicht mehr entspricht.

Denn heute gibt es hier zum Beispiel das Informationsfreiheitsgesetz. Wir als Abgeordnete geraten gegenüber der Landesregierung und der Administration mit Blick auf dieses Gesetz in eine Schieflage insofern, als wir weniger Rechte als die Bürgerinnen und Bürger haben. Wir müssen uns bei einem Teil unserer Nachfragen in die Rolle von Bürgerinnen und Bürgern begeben, um die Informationen zu bekommen, die wir als Abgeordnete eigentlich selbstverständlich bekommen müssten.

Dieser Schiefstand und diese Ungleichbehandlung sollten beseitigt werden, indem wir unsere Position in der Verfassung und in der Folge in der Geschäftsordnung manifestieren.

Das gleiche Ansinnen, dass die nach preußischer Tradition aufgebauten Mauern zwischen Administration und Öffentlichkeit abgebaut werden, verfolgt im Übrigen das Umweltinformationsgesetz. Wir haben es mit einer Rechtsentwicklung zu tun, die besagt: In diesen dunklen Raum muss mehr Licht hineinscheinen.

Deshalb sollten wir diese sich in Deutschland vollziehende Rechtsentwicklung, die im Übrigen auch vom Bundesverfassungsgericht noch einmal bestätigt und manifestiert worden ist, in unsere Landesverfassung aufnehmen und dem Anliegen des Parlaments dadurch insgesamt Ausdruck verleihen.

Im Übrigen spricht auch dafür, dass ein solcher Weg in Nordrhein-Westfalen gegangen wird, dass andere Bundesländer ihn schon vor uns gegangen sind; Bayern und Rheinland-Pfalz sind bereits genannt worden. Mittlerweile sind es sieben oder acht Bundesländer, die einen solchen Weg beschritten haben. Es stände dem von der Bevölkerungszahl her größten Bundesland gut an – weil wir sonst immer an der Spitze marschieren wollen –, dies auch bei uns in die Landesverfassung aufzunehmen.

Meine Damen und Herren, im Übrigen verweise ich auf die Diskussionen, die wir im Zusammenhang mit der Föderalismusreform geführt haben, wonach wir auch nach Ihrem Ansinnen den Landesparlamenten eine größere Bedeutung geben wollen. Das heißt aber auch, dass die Rechte der einzelnen Abgeordneten gestärkt werden müssen. Wenn ich mir manche Kleine Anfrage ansehe, ob in der Vergangenheit oder auch heute, dann muss ich sagen, dass es dringend notwendig ist, die Rechte der Abgeordneten zu stärken. Deshalb bitte ich Sie, den von uns eingebrachten Gesetzentwurf sehr intensiv, aufmerksam und mit großem Wohlwollen so zu beraten, dass wir zu einer Verfassungsänderung und damit zu einer Stärkung der Rechte von uns allen kommen. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Für die CDU-Fraktion hat nun der Kollege Biesenbach das Wort.

Frau Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Remmel und Herr Kuschke, mein Gott, was waren das für Berge und Anläufe, die Sie gerade genommen haben. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum diese Mühe, zu begründen, was Frau Kraft vor wenigen Monaten doch viel einfacher ausdrückte

nach dem Motto: Wir haben jetzt andere Rollen, und nun haben wir auch andere Anliegen.

Wir können das doch nachvollziehen; das hat Herr Remmel hier in herrlicher Offenheit gesagt: Uns ist es zehn Jahre lang nicht gelungen, das zu erreichen, was wir jetzt probieren wollen, und nun machen wir einen Anlauf.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das ist nicht fair!)

Das haben Sie gesagt.

Ich lese in Ihrem Gesetzentwurf, dass seit Beginn der 90er-Jahre die Diskussion geführt wird. Der Gesetzentwurf – das meine ich gar nicht böse – ist auch nicht mehr ganz aktuell, denn hier steht: angesichts der Kompetenzverlagerungen unter anderem auf die nationale Ebene. – Die holen wir doch gerade zurück. Das heißt, im Rahmen der Diskussionen in der Föderalismuskommission würden sich viele dieser Fragen überholen.

Lassen Sie uns zu den beiden Kernpunkten kommen. Diese beiden Kernpunkte kennen wir aus den Diskussionen unter anderem im Hauptausschuss, nämlich zum einen, man möchte gerne wesentlich mehr Möglichkeiten haben, über Bundesratsentscheidungen informiert zu werden und in sie einzugreifen, und – das reizt Oppositionsparteien natürlich; das kann ich nachvollziehen – zum anderen Akteneinsicht. Das sind die beiden zentralen Punkte Ihres Gesetzentwurfs. Alles andere ist ein Stück weit Verfassungslyrik. In der Alltagswirklichkeit brauchen wir es nicht, denn das Bundesverfassungsgericht und der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen haben die Ansprüche längst aus Artikel 30 Abs. 2 der Landesverfassung abgeleitet.

Zur Ehrenrettung der jetzigen Landesregierung sage ich, dass ich nicht den Eindruck habe, dass sie bisher mit Informationen spart. Herr Kuschke, ich greife einmal die Fragen auf, die die jetzige Landesregierung bekommen hat, und stelle fest: Die Antworten sind deutlich umfangreicher und flotter erfolgt.

(Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Das ist vielleicht das Erlebnis der Leidensgeschichte. Dieses Erlebnis mag unterschiedlich sein. Ich habe es aus den letzten Jahren in Erinnerung, Sie erleben es jetzt. Aber wir wollen natürlich – hier stimme ich Ihnen zu – als Parlament angemessen informiert sein und die Kontrollrechte, die wir haben, vernünftig ausüben.

Nun betrachten wir einmal den Stand der Diskussion. Ich mache keinen Hehl daraus – Herr Remmel wird es wissen, weil wir es in der Runde der

PGs angesprochen haben –, dass wir gesagt haben: Wir wollen gerne mit der Landesregierung zu einer Vereinbarung kommen, aber wir wollen nicht unbedingt eine Verfassungsänderung. – Das hängt auch damit zusammen, dass die Sympathie bei uns nicht besonders groß ist, permanent an der Verfassung herumzustückeln.

(Beifall von der CDU)

Wir haben in den Jahren 2001, 2002 und 2004 insgesamt vier Verfassungsänderungen gehabt. Das ist zu viel, denn die Verfassung ist ein Grundwerk.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie haben doch drei selber eingebracht!)

Frau Löhrmann, wenn wir alles in die Verfassung schreiben wollen, dann müssen wir anders …

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Ja, wir waren uns aber zum Ende der letzten Legislaturperiode einig, dass wir zunächst einmal eine Pause machen, was Verfassungsänderungen angeht, und dann vielleicht zu einer großen Verfassungsreform kommen.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Ich mache daraus gar kein Geheimnis; Herr Witzel hat daraus auch keines gemacht: Wir haben immer deutlich gesagt, dass wir eine Sympathie dafür haben, dass wir das tun, was in anderen Ländern auch geschehen ist, dass wir eine sogenannte Vereinbarung zwischen der Regierung und dem Parlament treffen. Über eine solche Vereinbarung haben wir mehrfach gesprochen. Wir waren uns in der Runde der PGs einig: Wem das zu wenig ist, der möge eine Initiative starten, und die starten Sie heute.

Wir bieten nach wie vor an – Herr Kuschke, das haben Sie eben angedeutet –, ein Obleutegespräch über das Verfahren zu beginnen und einen Weg zu suchen, wie wir im Konsens das erreichen, was wir erreichen wollen.

Ich möchte Ihnen aber gleich sagen, welchen Standpunkt ich zu den beiden wichtigsten Anliegen vertrete. Wir werden darüber in der Fraktion noch beraten; das haben wir nicht abgestimmt.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Beginnen wir mit dem Akteneinsichtsrecht. Ich hatte das Glück, in den letzten Jahren einem Untersuchungsausschuss anzugehören. Was ich da an Akteneinsichtsrecht erlebt und erlitten habe, war eine reine Qual.

(Beifall von der CDU)

Das gesamte Akteneinsichtsrecht bestand darin, dass die damals von Rot-Grün geführte Landesregierung bei allen interessanten Akten sagte: vertraulich oder geheim. Damit ist eine Akteneinsicht völlig unsinnig; denn alles, was wir wussten und hätten wissen dürfen, konnten wir nicht gebrauchen, weil Ihre Kolleginnen und Kollegen sofort mit dem Schießprügel bereitstanden, nur kein Wort aus vertraulichen Akten zu sagen. Solch ein Akteneinsichtsrecht ist untauglich und eine stumpfe Waffe.

(Beifall von der CDU)

Wir bieten aber gerne an, eine Vereinbarung zu treffen – das ist auch unser Wunsch und entspricht unserem Parlamentsverständnis –, die uns ein vernünftiges Miteinander und die Ausübung der uns angetragenen Rechte ermöglicht. Ob wir das über die Akteneinsicht oder in einem anderen Rahmen machen, darüber sollten wir nachdenken. Dazu können wir eine Absprache treffen.

Der zweite Punkt, bei dem ich auch sage, dass ich dafür noch keine große Sympathie habe, ist die Überlegung, künftig bei Angelegenheiten des Bundesrates die Regierung zu verpflichten, den Landtag vorher zu beteiligen, um ihm Gelegenheit zu geben, Stellung zu nehmen, und die Stellungnahme des Landtags zu berücksichtigen.

Wir haben das im Hauptausschuss einmal kurz andiskutiert. Wenn man sich die Tagesordnung von Bundesratssitzungen anschaut – die Zahl der Tagesordnungspunkte erreicht manchmal eine dreistellige Höhe –, kann man feststellen, dass die Arbeit im Landtag und auch im Hauptausschuss zum Erliegen kommt, wenn wir zu den als wichtig empfundenen Punkten Stellung nehmen sollen und die Regierung diese Stellungnahmen auch noch berücksichtigen muss. Wir sind gar nicht in der Lage, dieses Arbeitspensum zu schaffen.

(Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])