Protocol of the Session on March 16, 2006

Auch an der Stelle haben wir aus dem Wirtschaftsausschuss – man sucht sich die Krümel zusammen – einen positiven Effekt gehabt. Uns ist eine Linie von im Schnitt 41 € bis 2003 gezeigt worden, die auskömmlich war, um die Minderpreise bei der Kohle in den Jahren 1998 und in den Folgejahren auszugleichen. Wir wissen, 2004 und 2005 sind die Bafa-Preise von 40 € auf 55 € und auf 64 € angestiegen. Wir müssen immer sehen, die 20 € mehr pro Tonne muss man mit der Zahl 26 Millionen, dem Fördervolumen, multiplizieren. Deshalb muss Transparenz her, warum – das hat der Bundesrechnungshof zum Glück auch festgestellt –, wenn die Weltmarktpreise so exorbitant ansteigen, bei den Absatzbeihilfen – das ist der größte Brocken der Beihilfen, die wir zahlen – keine Entlastung für die öffentlichen Haushalte da ist. Auch das muss geklärt werden.

Herr Kollege Priggen, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Papke erlauben?

Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Priggen, bei aller Einigkeit, die uns beide bei diesem Thema und auch in unserer Kritik an der Deutschen Steinkohle ja häufig prägt, kann ich Ihnen eine Frage nicht vorenthalten, wenn Sie so auf die Verrechnung der gestiegenen Weltmarktpreise abstellen: Weshalb, um Gottes willen, haben Sie dann, wenn diese Verrechnung in der Tat so kritikwürdig ist – und da würde ich Ihnen folgen –, in der Regierungsverantwortung in Düsseldorf und auch in Berlin nicht verhindert, dass diese Regelung so verabschiedet werden konnte? Wir sind doch alle gemeinsam sehenden Auges in diese Probleme hineinmar

schiert. Gab es keine Möglichkeit, das zu verhindern, als Sie Verantwortung in Berlin getragen haben?

Herr Dr. Papke, damit wir einen vernünftigen Austausch haben, will ich Ihnen das gerne erläutern. Das ist nämlich auch Ihr Problem; das muss man ganz klar sagen. Neulich mussten Sie ja auf einer Pressekonferenz zugeben, dass Sie gar nicht wissen, ob Gespräche geführt werden. Im Vergleich dazu war ich noch in einer etwas kommoderen Lage; denn wir haben in Berlin über die Regierungsbeteiligung bestimmte Informationen bekommen. Das Mysterium beziehungsweise das Mysteriöse bei der Kohlefinanzierung ist aber …

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Mysterium ist richtig!)

Das Mysterium ist: Selbst nachdem das Plenum eine Beihilfe beschlossen und der Bundestag gesagt hatte, dass 40 €/t die Marke sind, haben damals Bundesfinanzminister Eichel und Bundeswirtschaftsminister Clement in der Genehmigung, praktisch in dem Ausführungserlass, den Weltmarktpreis nicht mehr bei 40, sondern bei 46 €/t mit einem ominösen Kappungsfaktor angesetzt und dann im Prinzip noch eine Ausgleichsklausel eingefügt.

Wenn wir nicht im Interesse der Transparenz und im Interesse der Parlamentarier gemeinsam aufpassen, dann laufen wir wieder das Risiko, dass, egal, was man beschließt, die Ausführungsbestimmungen in Berlin nachher anders aussehen. Davor sind Sie handwerklich nicht geschützt. Das waren wir nicht. Ich kann Ihnen nur im Interesse der Sache wünschen, dass Sie diesen Lernprozess anders erleben. Dazu will ich gerne beitragen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zwei Punkte noch! Wir reden über den Börsengang. Ich finde es völlig richtig, in dem Antrag ein unabhängiges Gutachten zu fordern. Ich bin skeptisch, ob es dann, wenn Werner Müller von einem Erlös von 4 Milliarden € spricht, bei einem Verkauf in drei Teilen 8,5 Milliarden € gibt. Diese Zahl erscheint mir außerordentlich gewagt. Wenn es aber auch nur 500 Millionen € mehr wären, müsste jemand eine wirklich vernünftige Begründung dafür liefern, warum ich den Konzern im Ganzen lassen und nicht in drei Teile aufsplitten soll. Warum soll ich dann Steag mit dem Wohnungsbau zusammen lassen? Diese 500 Millionen € gingen nämlich zulasten des öffentlichen Haushaltes. Insofern ist es absolut richtig, eine unabhängige Un

tersuchung darüber haben zu wollen, was bei diesem Börsengang tatsächlich das vernünftige Modell ist. Dagegen kann man überhaupt nichts sagen.

Im Thyssen-Geschäftsbericht von 2004/2005 lese ich, dass Thyssen seinen RAG-Anteil von 442 Millionen € mit der Begründung abgeschrieben hat, der weiße Bereich sei 7 Milliarden € wert, die Altlasten betrügen aber 11 Milliarden €. Dann muss ich doch umso vorsichtiger sein, wenn ich weiß, dass in der Operation Börsengang die Haftung für die Kohle auf die öffentliche Hand übergeht und dann unter Umständen mit einem Risiko wieder ein Fünftel beim Land landet. Insofern ist das richtig, legitim und muss gemacht werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Allerletzter Punkt in dieser Runde: Mit dem Unterausschuss „Bergbausicherheit“ sind wir am Freitag nächster Woche in Wassenberg. Wir müssen berücksichtigen, dass es auch neue Bergschäden gibt, die wir bisher nicht gekannt und in den Finanzrisiken nicht berücksichtigt haben. Im Gegensatz zum Ruhrgebiet ist im Aachen-Erkelenzer Revier der Bergbau 1997 eingestellt worden. Bisher kannten wir nur Schäden durch Absenkungen. In dieser Region haben wir aber massive Schäden durch den Wiederanstieg des Grundwassers. Darüber zu reden, welche Kosten diese Schäden auf lange Sicht verursachen, wer sie trägt und wo sie abgebildet sind, ist auch für uns als Parlamentarier notwendig; denn am Niederrhein und im Ruhrgebiet steht möglicherweise das gleiche Risiko noch an.

Daher ist es nur vernünftig, mit diesem Antrag zu verlangen, dass uns detaillierte Angaben für ein Szenario vorgelegt werden; denn das ist ein legitimes Interesse des Parlamentes. Wir verlangen nicht, dass Herr Tönjes uns vorschlägt: Wir wollen uns auflösen. – Wir wollen nur eine Faktengrundlage haben, um dann in einem Diskurs Entscheidungen treffen zu können. Das ist für ein Parlament absolut legitim und richtig. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Brockes das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem Spitzengespräch zwischen Bundeswirtschaftsminister Glos und unserer Wirtschaftsministerin Frau Thoben ist sichergestellt, dass das Land NRW auf Augenhöhe

mit dem Bund Gespräche über eine erforderliche Gesamtlösung führen wird.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Nimm den Mund nicht so voll!)

Dass die Bundesregierung jetzt endlich ein Gutachten in Auftrag gibt, um die Altlasten des Bergbaus zu ermitteln, ist ein Verdienst des unnachgiebigen Festhaltens der Koalitionsfraktionen von FDP und CDU an ihren Positionen im Koalitionsvertrag.

Es freut mich, dass dieser aus unserer Sicht sehr wichtige Punkt des Koalitionsvertrages hier auch von Teilen der Opposition mitgetragen wird.

Meine Damen und Herren, in der heutigen Landtagsdebatte wird aber auch deutlich, dass die NRW-SPD mit ihrer Position zur Steinkohle absolut isoliert ist. Sie ist hier im Land isoliert, aber auch in Berlin; denn auch dort verkämpft sich keiner mehr für die deutsche Steinkohle. Ein Bekenntnis zum Sockelbergbau sucht man im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU des Bundes vergeblich.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Wie ist es denn mit Herrn Pofalla?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Eilantrag, über den wir heute im Plenum abstimmen werden, ist durch das inakzeptable Verhalten des Vorsitzenden der DSK, Herrn Tönjes, im Wirtschaftsausschuss am vergangenen Mittwoch heraufbeschworen worden. Dass sich ein staatlich alimentiertes Unternehmen wie die DSK weigert, den politischen Entscheidungsträgern unerlässliche Informationen für deren Entscheidungsfindung vorzulegen, ist eine beispiellose Brüskierung des Parlamentes, die wir so nicht hinnehmen werden.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, sowohl die Beschäftigten der RAG als auch die Steuerzahler haben ein Recht darauf, zu erfahren, welche Konsequenzen der von der RAG geplante Börsengang des weißen Bereiches und die damit verbundene Auflösung des Haftungsverbundes mit sich bringen. Damit die Landesregierung diese für die einzelnen Unternehmensbereiche wichtige und im Grundsatz auch richtige Weichenstellung unterstützen kann, muss zunächst sichergestellt sein, dass keine zusätzlichen Kostenrisiken eines fortdauernden Steinkohlenbergbaus für die Steuerzahler entstehen.

Meine Damen und Herren, wir sind dafür verantwortlich, dass mit den Steuergeldern sorgsam

umgegangen wird und keine ungedeckten Schecks auf die Zukunft ausgestellt werden. Dies unterscheidet uns als neue Regierungsfraktionen fundamental von der alten abgewählten rotgrünen Landesregierung, die der deutschen Steinkohle für den Zeitraum 2006 bis 2012 noch insgesamt 12 Milliarden € Subventionen hinterherwerfen wollte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, um zusätzliche Belastungen für die Steuerzahler ausschließen zu können, benötigen wir die von den Antragstellern geforderten Angaben über die Kosten unterschiedlicher Szenarien für den sozialverträglichen Ausstieg aus dem subventionierten deutschen Steinkohlebergbau. Wir fordern die Landesregierung deshalb auf, von der DSK die erforderlichen Szenarien durchrechnen zu lassen und die Ergebnisse dem Landtag in naher Zukunft vorzulegen.

Aber nun zu den ehrgeizigen Plänen des ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Werner Müller. Wenn uns demnächst ein valides Gutachten über die Höhe der Altlasten vorliegt, muss sichergestellt sein, dass diese Summe durch den Börsengang tatsächlich zu erzielen ist. Dabei ist es unsere Pflicht gegenüber dem deutschen Steuerzahler, Alternativen zu einem Börsengang zu analysieren. Wenn Sie, Herr Horstmann, von vornherein eine Einzelverwertung der werthaltigen Unternehmensteile der RAG kategorisch ausschließen, versündigen Sie sich an den deutschen Steuerzahlern.

Meine Damen und Herren, anstatt Vorfestlegungen zu treffen, wollen wir alle Varianten eines Börsengangs der RAG ergebnisoffen prüfen. Vorstellbar wäre etwa eine separate Veräußerung des Immobilienbereichs, die Veräußerung der Steag an einen strategischen Investor, der trotz des vorhandenen Interesses nicht zwingend RWE oder EnBW heißen muss, sowie ein Börsengang der Chemiesparte.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: Dies kann für den Steuerzahler und für die Beschäftigten in den genannten Bereichen der bessere Weg sein. Deshalb muss er geprüft werden. Insofern danke ich allen, die an dem heutigen Beschluss mitwirken werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Dr. Horstmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht also heute um Transparenz. Die Landesregierung wird aufgefordert – so heißt es im Entschließungsantrag –, von der Deutschen Steinkohle AG Zahlen über die Kosten eines Auslaufbergbaus einzufordern. Was für ein fulminantes Arbeitsergebnis für eine Koalition, die angekündigt hat, aus dem Steinkohlebergbau auszusteigen, und vor neun Monaten eine Regierung eingesetzt hat!

(Edgar Moron [SPD]: Das haben die doch schon längst beschlossen!)

Meine erste Frage lautet: Wieso müssen Sie die Regierung dazu auffordern? Sind Sie der Meinung, dass sie nicht genug tut? Ich kann mich noch gut erinnern, in der vergangenen Legislaturperiode mit Herrn Kollegen Linssen, damals in anderen Rollen, manche Debatte im Wirtschaftsausschuss bestritten zu haben, als es um den Vorwurf ging, die Regierung beschaffe keine genügenden Informationen bei der RAG. Könnte es etwa sein, dass Sie bis heute nicht weiter sind? Oder kann es sein, dass Sie hier ein kleines taktisches Spielchen mit der DSK aufführen, um der den schwarzen Peter dafür zuzuschieben, dass die Bergleute und die Bergbauregionen noch immer keine Sicherheit über die Zukunft der Steinkohle haben? Ich glaube, Sie wissen mehr.

Frau Ministerin Thoben, ich möchte Ihnen einmal eine präzise Frage stellen: Ist Ihnen eine von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC testierte Aufstellung der RAG aus dem Jahre 2005 bekannt, die die sogenannten Ewigkeitslasten des Bergbaus, also Kosten für Altersversorgung, Dauerbergschäden, Grundwasserreinigung, Schachtsicherung und personelle Abwicklungskosten, im Einzelnen auflistet und – hören Sie gut zu – dabei auch Szenarien für eine Stilllegung des Steinkohlebergbaus 2010 oder 2018 enthält? Ich hätte darauf gerne gleich eine präzise Antwort. Wenn Sie diese Frage bejahen, dann möchte ich ebenso präzise wissen, welche zusätzlichen Angaben Sie bisher von der RAG gefordert haben.

Für das Parlament wäre es auch interessant zu erfahren, wie sich die Ewigkeitslasten in Abhängigkeit von einem möglichen Stilllegungszeitpunkt entwickeln. Sie wissen so gut wie ich, dass sie umso höher ausfallen, je früher man in den Modellrechnungen einen Stilllegungszeitpunkt setzt. Vielleicht können Sie uns ja darüber einmal aufklären, denn Sie haben ja angekündigt, mit Ihrem Auslaufbergbau Geld sparen zu wollen, und zwar 750 Millionen € noch in dieser Legislaturperiode.

Ich will Ihnen sagen, was meiner Meinung nach hier stattfindet. Sie flüchten sich in eine Transparenzdebatte über Zahlen und Daten, weil Ihnen das politische Durcheinander in den eigenen Reihen entschlossenes Handeln nicht ermöglicht.

(Beifall von der SPD)

Für Ihre kernigen Aussagen – Auslaufbergbau, das aber sozialverträglich, aber mit einer Einsparung von 750 Millionen € in dieser Legislaturperiode – haben Sie keinerlei Zahlen, Informationen oder Daten gebraucht. Jetzt, wo jeder merkt, dass das alles nicht zusammenpasst, zeigen Sie mit dem Finger auf andere, die Ihnen angeblich notwendige Informationen vorenthalten. Ich sage Ihnen: Einige bei Ihnen wissen längst mehr. Das ist der Unterschied zwischen Herrn Dr. Linssen und Herrn Dr. Papke und wahrscheinlich auch zwischen Herrn Pofalla und Frau Thoben. Die anderen, die noch immer an den Koalitionsvertrag glauben, sollten sich überlegen, ob es wirklich schmeichelhaft ist, zu behaupten, dass man keine Ahnung hat.

Wir brauchen kein Filibustern, sondern baldige Entscheidungen. Die Entwicklung bei HeitkampDeilmann-Haniel zeigt uns, wie nahe die Schnitte in der Kohlepolitik schon dem Fleisch der nordrhein-westfälischen Wirtschaft gekommen sind. Vor dem Hintergrund kann es nicht sein, dass blindlings nach noch tieferen Schnitten gerufen wird. Mit der Entwicklung bei HDH sind wir den ersten betriebsbedingten Kündigungen von Bergleuten so nah wie nie zuvor.

(Christian Weisbrich [CDU]: Warum denn?)

Es ist an der Zeit, Herr Ministerpräsident, dass Sie Ihre Führungsverantwortung wahrnehmen und dafür sorgen, dass, wie Sie versprochen haben, kein Bergmann ins Bergfreie fällt.

Übrigens: In diesen Tagen liegt uns der neue Subventionsbericht der Bundesregierung vor. Er offenbart, dass von 2003 bis 2006 1,4 Milliarden € an öffentlichen Subventionen eingespart worden sind, und davon 1 Milliarde € alleine bei der Steinkohle.

Es bleiben immer noch 21 Milliarden, Herr Kollege Dr. Droste, davon 1,6 Milliarden für die Steinkohle. Sie sollten einmal Ihren Subventionsbegriff an der Realität des Subventionsgeschehens überprüfen und uns hier die Frage beantworten, ob Sie wirklich der Meinung sind, dass dieses alles auf Dauer so nicht weiter geht – einschließlich Landwirtschaft usw. Sie können doch hier nicht so leichtfertig etwas daherreden, wie Sie das tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Zur wirtschaftlichen Vernunft gehört es aber auch, dass Nordrhein-Westfalen nichts unternimmt, was den geplanten Börsengang der RAG verhindern oder verzögern könnte.