Protocol of the Session on March 16, 2006

wenn Sie in der Form, in der Sie heute hier auftreten, als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des schwer angeschlagenen Unternehmens argumentieren? In der aktuellen Situation hat die Landesregierung sofort deutlich gemacht, dass sie die Sorgen der Bergleute bei HDH sehr ernst nimmt, und hat sich sofort als Vermittler angeboten.

Herr Schartau, ich habe auch eine Frage an Sie. Ich habe mir mitgeschrieben, was Sie gesagt haben. Sie sagten:

Deilmann-Haniel ist eine Betriebsabteilung des Monopolisten.

Es kann ja wohl nur die DSK sein, die Sie gemeint haben. Sie haben sich dagegen gewehrt, dass es Bergleute erster und zweiter Klasse gibt. Wissen Sie wirklich nicht, dass die Kumpel zwar dieselbe Arbeit machen, aber unterschiedlichen rechtlichen Bedingungen unterliegen, und zwar mit Ihrer Mitwirkung und nicht erst seit heute?

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist doch ein Teil des Problems. Arbeitnehmer erster und zweiter Klasse: Herr Römer sagt, es dürfe niemand ins „Bergfreie“ fallen.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Sie wissen doch ganz genau, dass die Bedingungen für die Mitarbeiter der DSK andere sind als für die Mitarbeiter von HDH.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Deshalb versuchen sie, sich in ähnliche Bedingungen einzuklagen, wie die Mitarbeiter von der DSK sie haben. Das ist die rechtliche Situation.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Was wollen Sie damit eigentlich sagen? – Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schartau?

Bitte schön.

Sorry, das geht nicht.

Nicht in der Aktuellen Stunde? – Okay.

In der aktuellen Situation haben wir uns sofort als Vermittler angeboten. Ich habe zwischenzeitlich mehrere Gespräche geführt, teils mit den beiden Bergbauspezialgesellschaften, teils getrennt mit der DSK, teils mit der IG BCE. Bisher ist es nicht gelungen, diese beiden Schachtbaufirmen auf ein gemeinsames Vorgehen zu verpflichten.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das ist noch nicht viel!)

Ich habe großes Verständnis für die Sorgen der einzelnen Betroffenen. Das darf aber nicht den Blick auf die wirtschaftspolitische Lage und die Finanzlage des Landes verstellen.

Wir nutzen den Bergleuten in der augenblicklichen Situation mehr als mit Polemik, wenn wir alle möglichen Gespräche führen, abgebrochene Gespräche wieder aufnehmen und dort, wo die Streithähne nur noch in Rechtsstreitigkeiten liegen, zu deren Überwindung beitragen. Ich sehe meine Aufgabe jedenfalls darin, mit kühlem Kopf zu sondieren, was aus Sicht der DSK, der IG BCE und HDH machbar ist.

(Beifall von der CDU)

Durch die Entscheidung der Bundesknappschaft, die Zahlung der Sozialbeiträge bis Juni aufzuschieben, ist zumindest ein Zeitfenster für eine solche Lösung eröffnet.

Was die Zukunft von Deilmann-Haniel angeht, so wird die Landesregierung jeden Lösungsansatz aktiv und positiv begleiten. Wichtigstes Ziel ist eine verlässliche Perspektive der Bergbauleute bei HDH und für die Bausparte des Unternehmens.

Ich sage Ihnen nichts Neues. Sie haben es mit verabredet. Ich unterstreiche gerne, dass auch die CDU beteiligt war. In einem stagnierenden und schrumpfenden Markt hat ein Unternehmen auch die Verantwortung, sich bekannten Marktgegebenheiten anzupassen. Man könnte einmal fragen: Was haben Sie eigentlich getan, um die Anpassung voranzutreiben und vielleicht dazu beizutragen, dass ein Unternehmen nicht in diese existenzielle Krise gerät, Herr Römer?

(Beifall von CDU und FDP)

Ich werde an allen Szenarien mitwirken, die dazu beitragen können, die Sorge, die sich jetzt sehr einseitig auf die Mitarbeiter von HDH konzentriert, dadurch zu begleiten, dass man ihnen neue Optionen eröffnet. Ich sage Ihnen heute aber auch – Herr Schartau hat das abgefragt; ich bestätige es gerne –: Ich habe keine fertige Lösung. Ich arbeite an der Lösung. Ich versuche, zu helfen. Ich kann mir auch Perspektiven vorstellen, die außerhalb

dessen liegen, was die Geschäftsleitung von Deilmann-Haniel bisher für sich allein vorgetragen hat. – Bitte, helfen Sie mit, den Menschen zu helfen.

Ich wiederhole es: Es gibt Interessen, und es gibt einen vernünftigen Umgang damit. Aber Bergleute – egal wo sie arbeiten – haben auch ein Anrecht darauf, dass ihnen ihre tatsächliche, auch rechtliche Situation geschildert wird und man nicht so tut, als wüsste man nicht, dass es längst die Bergleute erster und zweiter Klasse gibt, nämlich die bei der DSK und die anderen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich habe jetzt eine Wortmeldung des Kollegen Eumann von der SPD-Fraktion. Ich erteile Ihnen hiermit das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Thoben, das Motto Ihrer Politik lautet: Mit kühlem Kopf! – Aber leider: Mit kaltem Herz!

(Beifall von der SPD – Lachen von Ministerin Christa Thoben)

Denn es geht tatsächlich um die Beschäftigten im Ruhrgebiet und ihre Familien, die sich große Sorgen machen. Und es geht, meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP, auch um den Wert beziehungsweise Stellenwert von Arbeit für den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft.

(Beifall von der SPD)

Man muss sich im Landtag darüber unterhalten, wie Sie als Landesregierung mit diesem Sachverhalt umgehen.

Frau Thoben, es ist etwas anderes, bilaterale Gespräche zu führen, den Beschäftigten aber am Dienstag vergangener Woche vor Ihrem Ministerium zu sagen, Sie würden alle Beteiligten an einen Tisch holen. Ich glaube: Nur wenn Sie alle Beteiligten am selben Ort zum selben Zeitpunkt zusammenbringen, werden Sie eine Lösung erreichen können. Das steht bislang noch aus. Der 7. März ist lange vorbei. Sie hatten über eine Woche Zeit.

Deshalb sind die Kolleginnen und Kollegen hier. Sie machen deutlich, dass sie darauf warten. An der Stelle gebe ich meinem Kollegen Harald Schartau völlig Recht: Niemand erwartet von der Landesregierung jetzt ein Patentrezept – das gibt es nicht; jetzt noch nicht –, aber doch mehr Engagement

und mehr Herzblut, wenn es um die Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen geht.

(Beifall von der SPD)

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat mehrfach richtigerweise gesagt: Politik schafft keine Arbeitsplätze. Aber – auch das hat er gesagt –: Politik hat die Verantwortung, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass es Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen gibt und diese erhalten bleiben. – Das vermisst man zurzeit. Politik hat auch die Verantwortung, die Ängste und Sorgen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ernst zu nehmen, Frau Ministerin Thoben, und daran, glaube ich, gibt es Zweifel.

Sie sagen zwar, niemand dürfe ins Bergfreie fallen. Aber Sie bleiben in diesem Parlament die Antwort schuldig, ob das auch für diese Landesregierung gilt oder Sie nur Rednerinnen und Redner der SPD zitieren, meinen Kollegen Schartau und meinen Kollegen Römer?

Ich wiederhole: Es steht die Zusage, alle an einen Tisch zu holen. Das sind Sie nicht nur diesem Parlament, sondern noch mehr den Beschäftigten schuldig.

Jetzt noch einmal zu den Kollegen von der CDU! Ihr Generalsekretär auf Bundesebene ist ja nicht irgendwer. Interessanterweise kann ich in der „NRZ“ vom 7. März lesen: Wenn die Abhängigkeit Deutschlands von Energieimporten, die schon jetzt 60 % betragen, weiter steigt, so – Zitat Pofalla -„wäre es fatal, den deutschen Steinkohlenbergbau absaufen zu lassen.“ Das ist etwas anderes, als es die Kollegen Weisbrich und Witzel hier in diesem Parlament verkünden.

(Beifall von der SPD)

Herr Weisbrich, das werden Sie auch nicht mit Ihren lapidaren Bemerkungen im Wirtschaftsausschuss ohne weiteres abtun können.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es besteht die Gefahr, dass ein Markenzeichen unserer Region in Europa nachhaltig geschädigt wird.

Nordrhein-Westfalen hat es nämlich geschafft, in einem schwierigen Strukturwandel aus dem Land von Kohle und Stahl ein Land zu machen, in dem es viele erfolgreiche Unternehmen gibt, die am Weltmarkt agieren, in dem es viele Forschungseinrichtungen gibt, die mit innovativen Produkten und Vorschlägen am Weltmarkt operieren, in dem es viele Hochschulen und kreative Menschen gibt. Gerade dieser Strukturwandel im Bereich von Kohle und Stahl zeichnet uns deswegen so be

sonders aus, weil er – anders als in anderen Regionen Europas – ohne soziale Brüche passiert ist. Meine Damen und Herren, genau das setzen Sie mit Ihrer Politik zurzeit aufs Spiel.

Deswegen fordern wir Sie auf: Nehmen Sie die Sorgen ernst und leiten Sie einen Kurswechsel für die Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen und für das Land Nordrhein-Westfalen ein. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Eumann. – Nun hat für die CDU-Fraktion der Kollege Hovenjürgen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Eumann, die Kaltschnäuzigkeit, mit der Sie Ihre Rede begonnen haben, indem Sie bewiesen haben, wie Sie mit den Sorgen der Bergleute Ihr Spiel spielen, ist etwas, das ich nicht in Ordnung finde. Das will ich Ihnen an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen.