Protocol of the Session on March 16, 2006

Angedacht ist eine Erweiterung der Befugnisse der Behörden, von sich aus die Öffentlichkeit zu informieren. So soll die Öffentlichkeit über verbraucherrelevante Sachverhalte unter Nennung des Herstellers und des Produktes informiert werden, und zwar nicht nur bei Gesundheitsgefahren, sondern

auch dann, wenn zum Beispiel ekelerregende Lebensmittel in Verkehr gebracht werden.

Wie Sie der Formulierung entnehmen können, Herr Remmel, wird die Kann-Vorschrift in eine Soll-Vorschrift umgewandelt, sodass künftig im Rahmen der Interessenabwägung kein besonderes Interesse der Öffentlichkeit mehr erforderlich ist. Des Weiteren soll § 40 Abs. 4 LFGB aufgehoben werden, sodass eine Information der Öffentlichkeit auch dann noch möglich ist, wenn die betroffenen Erzeugnisse nicht mehr am Markt oder bei der Verbraucherschaft vorhanden sind. Durch eine solche aktive Verbraucherinformation entsteht deutlich mehr Transparenz auf dem Markt, von der nicht nur der Verbraucher, sondern auch der verlässliche Unternehmer profitiert.

Wie Sie an dieser Stelle erkennen können, werden Ihre erhobenen Forderungen aus dem Antrag zu § 40 LFGB damit gegenstandslos. Weiterhin sollten Sie erkennen, dass wir die Änderungen bereits eingebracht haben, bevor Sie in diesem Haus Ihren Antrag gestellt haben.

Die Forderung des Antrages nach einer Ausweitung des Anwendungsbereiches des Gesetzes durch die Einbeziehung von Dienstleistungen und Auskunftsansprüchen gegenüber privaten Unternehmern sind damit abzulehnen. Eine solche Regelung bedeutet für ein Unternehmen wieder einmal einen Zuwachs an Bürokratie. Dies zeigt mir, dass entgegen aller Diskussionen zur Entbürokratisierung und Förderung des Mittelstandes die Mitglieder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nichts über Mittelstandspolitik und Verantwortung für den Mittelstand gelernt haben. Das Stichwort ist Bürokratieabbau und nicht Bürokratieaufbau. Die Verbraucher werden schnell erkennen, wer Service bietet und wer nicht, denn der Kunde ist der Arbeitgeber für die Unternehmer.

Eine Anmerkung: Es war Rot-Grün gewesen, die den Meisterbrief abgeschafft haben. Sie haben doch vielen Firmen die Tore dafür geöffnet, dass sie ohne große Kontrollen an den Markt konnten. Sie haben überhaupt nicht mehr auf Qualität gesetzt.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen, Herr Remmel: Ich glaube, dass wir mit dem Vorschlag des Verbraucherinformationsgesetzes auf Bundesebene, worin NRW durch das Informationsfreiheitsgesetz stark eingebunden ist, auf dem richtigen Weg sind. Diesen Antrag können wir als CDU nur ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Nun hat Frau Abgeordnete Schulze für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schade, dass nur noch so wenige von der CDU und der FDP da sind, weil ich Ihnen extra ein wunderschönes Zitat mitgebracht habe.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Mehr als bei Ih- nen!)

Aber das Zitat ist an Sie gerichtet. Es lautet:

„Es gibt nur einen Maßstab, und das ist der Verbraucher. Denn welchen anderen Zweck sollte eine Wirtschaft haben als den, der Gesamtheit eines Volkes zu immer besseren und freieren Lebensbedingungen zu verhelfen, Sorgen zu überwinden und den Segen der Freiheit – nicht nur der materiellen, sondern auch der geistigen und seelischen Freiheit – allen teilhaftig werden zu lassen?“

Diese klugen Gedanken sind nicht von mir, sondern von Ludwig Erhard. Der hat sie im Mai 1954 in einem Vortrag zu den Prinzipien der deutschen Wirtschaftspolitik in Antwerpen geäußert. Wenn man sich einmal anschaut, wie das heute aussieht, dann stellt man fest, dass die Praxis leider immer noch ganz anders ist. Die Verbraucherinnen und Verbraucher verfügen regelmäßig über zu wenige Informationen über den Markt, über deutlich weniger Informationen als die Anbieterseite. Das führt dazu, dass die Anbieterseite bei uns die Möglichkeit hat, sich dem Wettbewerb zu entziehen. Sie können zu hohe, wettbewerbsmäßig nicht gerechtfertigte Preise erzielen, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher über bestimmte Mängel nicht informiert sind. Dies führt dazu, dass wir bei uns keinen Qualitätswettbewerb haben.

Volkswirtschaftlich führt die mangelnde Information dazu, dass die Zahlungsbereitschaft insgesamt zurückgeht. Wir haben das hier schon häufig diskutiert, und zwar unter dem Titel „Geiz ist geil“. Wir müssen jetzt aber darüber diskutieren, woher es kommt, dass sich die Leute so verhalten. Was ist das für eine Mentalität, und was können wir dagegen tun? Ich finde, der zentrale Hebel gegen die „Geiz ist geil“-Mentalität ist eine gute Verbraucherpolitik, denn damit kann man Transparenz auf dem Markt schaffen. Verbraucherpolitik ist Wirtschaftspolitik von der Nachfrageseite her.

Markttransparenz wird immer wichtiger, weil es immer mehr Globalisierung und immer mehr internationalen Handel gibt. Deswegen brauchen

die Verbraucherinnen und Verbraucher bessere Informationen, denn von ihren Entscheidungen hängt es ab, was gekauft wird und welcher Standard sich durchsetzt. Es hängt von den Verbraucherinnen und Verbrauchern ab, ob man mit Gammelfleisch Profite erzielen kann und in den Schlachtereien unter unglaublichen Arbeitsbedingungen für Niedrigstlöhne gearbeitet wird. Gerade weil die Entscheidung der Verbraucherinnen und Verbraucher Konsequenzen hat, brauchen sie auch Informationen.

Es ist heute nicht nachvollziehbar, ob eine Werbebotschaft stimmt, ob der Preis gerechtfertigt ist, ob sich hinter dem Preis auch die gewünschte Qualität versteckt. Deswegen brauchen wir mehr Transparenz und deshalb ein bundesweites Verbraucherinformationsgesetz. Die SPD hat schon seit 2002 versucht, dieses Verbraucherinformationsgesetz auf der Bundesebene zu verankern. Das ist bisher an CDU und FDP gescheitert. Ich hoffe, dass Sie sich jetzt einmal daran erinnern, dass Sie sonst immer den freien Markt predigen, und hier dafür sorgen, dass es für die Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Transparenz gibt.

Wir brauchen in Deutschland einen Qualitätswettbewerb. Wir können uns keine Diskussionen nur um „billig“ leisten, wir müssen immer besser sein. „Besser statt billiger“ ist da auch die richtige Formel. Wir brauchen mehr Transparenz. Deshalb, Herr Uhlenberg, setzen Sie sich für die Verbraucher in Nordrhein-Westfalen ein, aber auch für die Produzenten! Wir brauchen auf der Bundesebene ein weitreichendes Informationsgesetz.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nun spricht für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Ellerbrock.

Herr Präsident! Meine hier verbliebenen Damen und Herren! Wir sagen doch alle Ja zum informierten Bürger, weil nur der informierte Bürger ein mündiger Bürger ist. So weit besteht Einvernehmen.

Ihren Worten, Frau Schulze, habe ich entnommen, dass Sie über den Ausspruch „Geiz ist geil“ diskutieren wollen. Ich will nicht darüber diskutieren, denn ich lehne dies zutiefst ab. Diese Werbung „Geiz ist geil“ ist aus meiner Sicht eine Verantwortungslosigkeit der Wirtschaft. Wenn man mir sagt: „Ich bin sparsam“, ist das in Ordnung. Wenn man mir sagt: „Ich bin geizig“, ist das eine schlimme Sache.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD])

Diese Verrohung der deutschen Sprache ist eine ganz schlimme Sache. Ich will über diesen Ausspruch nicht nur nicht diskutieren, sondern halte ihn für unmöglich und lehne ihn im Namen meiner Fraktion ab.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben uns als Koalitionsfraktionen auch den Verbraucherschutz aufs Panier geschrieben – selbstverständlich –, weil wir der Überzeugung sind, dass nur der informierte Bürger ein mündiger Bürger ist und nur er seine Kaufentscheidung bewusst treffen kann.

Dieser Antrag allerdings, so wie er formuliert ist, entspricht einer geistigen Mentalität, die wir überhaupt nicht teilen können. Das ist die geistige Mentalität eines auf sich selbst bezogenen Fokus, wenn man sagt: Nur ich stehe im Mittelpunkt, ich muss das hier in Deutschland von NordrheinWestfalen ausgehend alles regeln. – Wir sind nicht der Nabel der Welt.

Meine Damen und Herren, wenn man sich einfach nur einmal klar macht, was in diesem Antrag steht – wir fordern ja immer den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das ist auch richtig –, dann kann man das überhaupt nicht nachvollziehen. Der Antrag der Grünen basiert auf einem Weltbild, das wir nicht teilen wollen. Dort kommt zum Tragen: Die Welt ist schlecht. Das freie Unternehmertum ist verantwortungslos. Man will den Kunden betrügen, man will ihn nach allen Regeln der Kunst ausnehmen. Der Verbraucher wird dort als unmündiges Etwas dargestellt. – Das sehe ich nicht, das sind wir nicht. Wir sind da sehr viel weiter.

In Teil 2 des Antrages kommt ein Gutmenschentum zum Tragen, das jeglicher Realität entbehrt. Sie sagen: Behörden und Unternehmen unterliegen einer Informationspflicht. Die Informationspflicht umfasst Waren, Produkte und Dienstleistungen. Und – jetzt kommt es – mindestens – es gibt also noch etwas darüber hinaus – sollen die Gefahren und Risiken des Produktes dargestellt werden. – Das ist also der Beipackzettel. Wenn ich Aspirin nehme, dann lege ich den erst einmal zur Seite; denn wenn ich lesen würde, was alles passieren könnte, würde ich krank werden.

„Herkunft, Beschaffenheit sowie Herstellung des Produkts“ – das ist ein halbes Buch, das da geschrieben wird. Dann muss die „Qualifikation des verarbeitenden Personals“ dargestellt werden.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das ist auch richtig!)

Die „Überwachungsmaßnahmen bei der Produktion“ müssen festgelegt werden, „Statistiken über

bisherige Verstöße des Herstellers gegen Verbraucherschutzvorschriften“ und – jetzt kommt es – „Produktionskriterien, die die Menschenwürde, das Leben und die Gesundheit von anderen, die Rechte der Kinder und der Umwelt achten“. Also: Zu jedem aus Japan, China oder sonst wo importierten Produkt kommt ein Beipackzettel, in dem all diese Kriterien aufgelistet werden.

Leute, in welcher Welt leben Sie? Wir haben Freihandel. Wie wollen wir die Waren aus Frankreich nach diesen Kriterien beurteilen? Haben Sie etwas von Freihandel gehört? Haben Sie etwas von Rahmenbedingungen gehört? Das kann doch alles nicht wahr sein!

Laut Antrag sind die derzeitigen Ausschlussmöglichkeiten – das heißt, Informationen verweigern – zu reduzieren.

Herr Abgeordneter Ellerbrock, es gibt den Wunsch einer Zwischenfrage bei Herrn Kollegen Remmel.

Bei Herrn Kollegen Remmel immer gerne und jederzeit.

Okay.

Kollege Ellerbrock, sind Ihnen die einfachen Kennzeichnungen der Schweiz, die die Teile dieser Kriterien beinhalten, bekannt?

Ich kenne nicht die einzelnen Kriterien der Schweiz. Ich nehme nur Ihre Geisteshaltung, die ich fünf Jahre lang kennen gelernt habe, als Maßstab, um festzustellen, was sich hierhinter alles verbirgt.

Ich kann doch nicht – das will ich jetzt wirklich als Advocatus Diaboli deutlich machen – von dem Klempner, der bei mir zu Hause eine Muffe legt, verlangen, dass er mir sagt: Diese Muffe wird aus südamerikanischem Kupfer hergestellt, und ich muss die Produktionsbedingungen und die Menschenwürde in Südamerika und in dem weiterverteilenden Staat Nordamerika berücksichtigen und beachten, und das muss mir mitgeliefert werden.

Leute, lasst die Kiste wirklich auf dem Boden! Ja zu einer vernünftigen Information, aber nicht zu diesem Monstrum, das hier dargestellt worden ist! Das geht in eine andere Welt. Sie leben in einer anderen Welt. Die Welt ist nicht nur schlecht, sie ist auch nicht nur gut. Aber dieses geht weit über das Ziel hinaus.

Im Übrigen: Wir haben doch ein Verbraucherinformationsgesetz in Nordrhein-Westfalen zusammen beschlossen. Das haben wir mitgetragen, das ist ein Maßstab, das ist in Ordnung. – Schönen Dank. Das war’s.

(Beifall von FDP und SPD)

Der möglicherweise letzte Redner des heutigen Tages ist der zuständige Minister, Herr Minister Uhlenberg.

Vielen Dank, Herr Präsident, auch für die ausreichende Zeit, die ich jetzt habe, um zu diesem wichtigen Thema etwas zu sagen.

Meine Damen und Herren! Ich habe eine gute und beruhigende Nachricht für die Opposition, insbesondere für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Diese gute Nachricht besteht darin, dass wir mit dem Verbraucherinformationsgesetz begonnen hatten, lange bevor Sie diesen Antrag eingebracht haben. Das ist doch eine schöne Beruhigung, Herr Abgeordneter Remmel.

Es ist natürlich noch kein Gesetz verabschiedet worden, denn dann hätten wir hier, so wie ich Sie kenne, eine Debatte gehabt. Aber Bundesminister Horst Seehofer hat einen ersten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtes der Verbraucherinformation vorgelegt, der sich nach meiner Auffassung durchaus sehen lassen kann.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Der reicht aber nicht aus!)

Frau Abgeordnete Schulze, dieser Antrag ist auch mit der SPD auf Bundesebene diskutiert und abgestimmt worden. Deswegen geht es hier auch um einen Referentenentwurf.