Protocol of the Session on February 2, 2006

Christof Rasche (FDP)*): Ich würde mich über eine Frage von Herrn Remmel freuen, freue mich aber auch über eine von Herrn Keymis.

Herr Keymis, Sie sind dran.

Danke, dass Sie sich über Fragen freuen, Herr Kollege Rasche. – Wären Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass ich eben in meinen Ausführungen noch einmal deut

lich gemacht habe, dass wir uns vor und während der Regierungszeit Rot-Grün, aber auch danach immer wieder mit dem Thema befasst haben, ich auf das Jahr 2001 verwiesen habe, in dem wir das deutlich gemacht haben, und Ihr Vorwurf insofern ins Leere zielt, wir hätten uns mit diesem Problem nicht befasst, gleichwohl es richtig ist, dass noch Fragen offen sind, die bisher alle hier im Raum noch nicht beantwortet haben.

Herr Keymis, Sie haben in Ihrer Koalitionszeit entscheidende Fragen nicht beantwortet. Sie haben das eben hier dargelegt.

(Beifall von der CDU)

Sie haben sich in der Tat ab und zu mit dem Eisernen Rhein beschäftigt. Aber Ihre Rede eben war so wie Ihre gesamte Politik: völlig widersprüchlich. Das ist Ihre Politik; das ist die Politik der Grünen.

Der Schienenverkehr zwischen Belgien und Deutschland läuft gegenwärtig im Wesentlichen über die sogenannte Montzenroute.

Entschuldigung, Herr Rasche, ich habe schon wieder eine Zwischenfrage, diesmal von Ihrem Fraktionskollegen Herrn Ellerbrock. Möchten Sie die zulassen?

Ich habe das Gefühl, der Präsident bekommt langsam Stress. – Natürlich.

Ich komme in Stress, Sie aber auch. – Bitte schön.

Herr Kollege Rasche, könnten Sie darlegen, welche Aktivitäten die Landesregierung bis zum letzten Frühling unternommen hat, um die Anbindung auf der deutschen Seite intensiv voranzutreiben?

Nach meiner Auffassung hat die Landesregierung immer auf den Schiedsspruch gewartet, der erst am 24. Mai 2005 erfolgt ist, und hat das als Begründung genommen, überhaupt nicht tätig zu werden. Das ist der wahre Grund, warum in Nordrhein-Westfalen nichts passiert ist.

(Beifall von der FDP)

Ich war bei der Montzenroute. – Im Unterschied zum Eisernen Rhein, der speziell für den Gütertransport konzipiert wurde und deshalb wenig Höhenunterschiede aufweist, ist die Montzenroute ca. 50 km länger und wesentlich bergiger. Die

Fahrt dauert etwa zwei Stunden länger. Doppelstöckiger Containerverkehr ist dort nicht möglich. Damit ist die Montzenroute deutlich unwirtschaftlicher als der Eiserne Rhein und auch gegenüber dem Straßengüterverkehr nicht wirklich wettbewerbsfähig.

(Ralf Jäger [SPD]: Wunderbar!)

Die Bemühungen und vor allem die Probleme mit der Reaktivierung der historischen Trasse reichen weit zurück und sind eigentlich bekannt. Ich will einige noch einmal nennen:

1998 gab es die trilaterale Arbeitsgruppe aus Vertretern von Verkehrsministerien und Bahnen aus Belgien, den Niederlanden und Deutschland.

1999 startete das Planverfahren.

2001 lagen zwei Gutachten vor, die die Wiederinbetriebnahme der historischen Trasse präferierten. Umweltverträglichkeitsgutachten von niederländischer Seite legten jedoch umfangreiche Naturschutzmaßnahmen zugrunde, insbesondere die Untertunnelung des Nationalparkgeländes De Meinweg.

Im September 2001 gab es eine grundsätzliche Verständigung über die Reaktivierung. Zunächst sollte eine provisorische Netzöffnung für 15 Güterzüge pro Tag und Richtung vereinbart werden. Dies scheiterte dann an der Frage der Kostenteilung zwischen Belgien und den Niederlanden.

Im Sommer 2003 wurde der Streitfall vor dem ständigen Schiedsgerichtshof vorgelegt, und am 24. Mai 2005 gab es eine nicht anfechtbare Entscheidung über das Nutzungsrecht der Belgier auf niederländischem Gebiet und über die Kostenteilung.

Sobald Belgien die historische Trasse durchsetzt, ist hierzulande dafür zu sorgen, dass der Eiserne Rhein weitergeführt wird. Eine bestimmte Trassenführung – das ist wahr – ist damit aber nicht festgelegt.

(Oliver Keymis [GRÜNE]: Alles meine Rede!)

Ich habe es aber nicht von Ihnen abgeschrieben, Herr Keymis.

(Oliver Keymis [GRÜNE]: Schade!)

Die Bedeutung des Eisernen Rheins beziehungsweise einer Schienenstrecke zwischen Antwerpen und Duisburg für den Wirtschaftstandort Nordrhein-Westfalen ist groß.

(Beifall von der FDP)

Die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen steht für uns im Vordergrund. Wirtschaft, Arbeit und Transport gehören untrennbar zusammen. Das eine wird ohne das andere nicht funktionieren. Dabei spielen die Transportkosten eine immer größere Rolle. Die Landesregierung muss ihren Teil leisten, um die Transportkosten langfristig möglichst niedrig zu halten, um die Konkurrenzfähigkeit der NRW-Wirtschaft und des Mittelstandes zu sichern.

Ein weiteres Ziel ist die Teilhabe Nordrhein-Westfalens an dem Wachstumsmarkt Logistik. Mit einer guten Anbindung an die Seehäfen kann Nordrhein-Westfalen zur logistischen Drehschreibe für das europäische Festland werden. Deshalb ist der Eiserne Rhein beziehungsweise eine Schienenverbindung zwischen Antwerpen und Duisburg zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit besonders wichtig. Eine Monopolstellung des Hafens Rotterdam kann nicht im Sinne Nordrhein-Westfalens sein. Diese müssen wir verhindern.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Eigentümerstrukturen in Rotterdam hinweisen, die nicht unbedingt die Interessen des europäischen Festlands oder Nordrhein-Westfalens berücksichtigen. Sollten sich im Hafen Antwerpen Chancen ergeben, die unseren Interessen entgegenkommen, sollten wir sie nutzen.

Die Finanzierung des Eisernen Rheins ist fest vereinbart. Da Nordrhein-Westfalen nur zu 10 bis 20 % daran beteiligt ist, müssen gerade wir aufpassen, dass wir den Niederländern und den Belgiern keinen Anlass geben, sich aus dieser Vereinbarung zurückzuziehen, zumal die Niederlande ihre eigenen Interessen vertreten und eine Schienenverbindung zwischen Antwerpen und Duisburg immer berhindert haben.

Bei allen Problemen mit der Strecke wäre es falsch, den Eisernen Rhein beziehungsweise die Schienenverbindung zwischen Antwerpen und Duisburg aufzugeben. Deshalb müssen zunächst Alternativen und Varianten hinsichtlich der Streckenführung geprüft werden. Varianten könnten zum Beispiel sein: die Umgehung in Wegberg, Rheindahlen und „De Meinweg“ oder die Nutzung von stillgelegten Trassen und Abschnitten in Rheindahlen und Mönchengladbach. Diese Alternativen und alle anderen Varianten sind bisher nicht oder nicht ausreichend untersucht worden.

Zu dieser Prüfung gehören auch das Thema Elektrifizierung und das Thema Eingleisigkeit. Fest steht, dass auf vielen elektrifizierten Strecken in Nordrhein-Westfalen heute moderne Dieselloks fahren. Die brauchen diese Elektrifizierung zum

Teil überhaupt nicht. Ist das Problem der Eingleisigkeit eventuell durch Ausweichabschnitte zu lösen? Das Gutachten wird es zeigen. Herr Jäger – Herr Horstmann redet gleich –, die SPD will offensichtlich eine 1:1-Reaktivierung der historischen Trasse.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Ach, du liebe Zeit!)

Mögliche Verbesserungen zum Schutz der Anwohner wollen Sie nicht einmal in Erwägung ziehen. Herr Horstmann oder Herr Jäger, ich wäre gern dabei, wenn Sie den Mitgliedern der SPD in Krefeld, die bei der „Anti-Eiserner-RheinBewegung“ bekanntermaßen federführend sind, Ihre Position erklären, dass der Lärmschutz für Sie keine wesentliche Rolle spielt.

Ansonsten müssen Sie vielleicht ein Stückchen weit mit der Regierung mitgehen; denn das Vorgehen der Landesregierung ist zu begrüßen. Das Gutachten wird im Sommer vorliegen. Dann kann auf der Basis gesicherter Erkenntnisse und unter Einbeziehung der Interessen vor Ort vernünftig entschieden werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rasche. – Jetzt hat Minister Wittke für die Landesregierung das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines gleich vorweg: Jawohl, diese Landesregierung will eine Anbindung aller drei ARA-Häfen, von Amsterdam, von Rotterdam und von Antwerpen, an das europäische Hinterland und damit an Nordrhein-Westfalen. Wir wollen das in unserem ureigenen nordrhein-westfälischen Interesse, weil das überlebensnotwendig ist – im Übrigen nicht nur für den Hafen in Duisburg, wenn auch dort in ganz besonderem Maße, sondern auch für die Häfen in Köln, Düsseldorf und Neuss. Wir wollen aber eine Anbindung, die leistungsfähig sowie menschen- und umweltverträglich ist. Darin unterscheiden wir uns von dem, was andere in diesem Parlament wollen.

Herr Kollege Horstmann, da mit Ihnen anschließend ein Vertreter einer ganz besonderen, in Nordrhein-Westfalen weit verbreiteten Spezies ans Rednerpult tritt, nämlich ein ehemaliger Minister ohne Vergangenheit, will ich es Ihnen nicht ersparen, an dieser Stelle noch einmal darauf hinzuweisen, dass Sie über Jahre hinweg nordrheinwestfälische Interessen nicht wahrgenommen haben. Sie haben weder dafür gesorgt, dass wir

endlich bei der Betuwe-Linie weiterkommen, während die Holländer schon längst an der Grenze sind und die Betuwe-Linie auf holländischer Seite bald fertig gestellt sein wird, noch haben Sie dafür gesorgt, dass Bewegung in die Anbindung des Antwerpener Hafens kommt.

Ende des vergangenen Jahres haben wir es gemeinsam mit der Bundesregierung – damals noch der alten Bundesregierung –, der niederländischen Regierung, das heißt der niederländischen Verkehrsministerin, und der Deutschen Bahn geschafft, endlich in eine Planungsvereinbarung einzusteigen, um die Betuwe-Linie umweltverträglich zu bauen und endlich eine ordentliche Schienenanbindung des Rotterdamer Hafens an den Duisburger Hafen hinzubekommen. Sie haben jahrelang nordrhein-westfälische Interessen nicht wahrgenommen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jäger von der SPD?

Nein, ich möchte gerne im Zusammenhang vortragen, Herr Präsident.

Zweitens. Sie haben nordrhein-westfälische Interessen nicht wahrgenommen, indem Sie in Gesprächen mit den Belgiern und den Niederländern nicht darauf hingewirkt haben, dass wir eine leistungsfähige Anbindung des Antwerpener Hafens an das europäische Hinterland und damit an Nordrhein-Westfalen bekommen. Sie sind praktisch in Duldungsstarre verharrt und haben, schön bequem auf dem Sessel sitzend, aber außerhalb der Arena, darauf gewartet, wie sich Belgier und Niederländer einigen.

Ich finde, es muss ein gemeinsames Werk von Belgiern, Niederländern und Nordrhein-Westfalen – und damit der deutschen Seite – sein, wie wir eine leistungsfähige Anbindung des Antwerpener Hafens an das europäische Hinterland hinbekommen.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Bei aller Notwendigkeit einer Güterzugstrecke zwischen dem Hafen Antwerpen und dem RheinRuhr-Gebiet dürfen wesentliche Schwierigkeiten bei der Reaktivierung der historischen Trasse auf deutscher Seite, zwischen Dalheim und Mönchengladbach, nicht außer Acht gelassen werden.