Protocol of the Session on February 1, 2006

Die sozialdemokratische Regierungsmannschaft war in der Vergangenheit geradezu gutachtenversessen. Dafür wurde extrem viel Geld ausgegeben. Doch unbequeme Wahrheiten, die dabei zutage traten, wurden in den Wind geschlagen.

Ich erinnere an den importierten Wirtschaftsminister namens Ernst Schwanhold, der eigentlich ganz vernünftig war. Ihrer verkorksten Innovations- und Technologiepolitik hat er ganz deutlich den Spiegel vorgehalten, und zwar mithilfe einer Studie von Roland Berger, die sicherlich auch sehr teuer war. Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis darf ich aus diesem 120-Seiten-Opus einmal zitieren – passen Sie gut auf –:

„Die Technologiepolitik der Landesregierung hat trotz aller eingeleiteten Maßnahmen bisher noch nicht die erforderliche Durchschlagskraft, um … dauerhafte selbst tragende Wachstumsprozesse in Segmenten der Spitzentechnologie auszulösen. Trotz ihrer herausragenden Bedeutung mit langfristig großen Wachstums- und Beschäftigungschancen … spielt die Hochtechnologie nur eine untergeordnete Rolle in der Landespolitik. Die wesentlichen Hemmnisse der Technologiepolitik … liegen insbesondere

in der Vielzahl der involvierten Ministerien … sowie der nach geordneten Einheiten, … der daraus resultierenden Schnittstellenvielfalt und der mangelnden Koordination der einzelnen Institutionen untereinander. Dieses komplexe und komplizierte Fördersystem verhindert eine stringente und einheitliche Unterstützung und damit den weiteren Ausbau vorhandener Potenziale.“

Das, meine Damen und Herren, hat Ihnen einer Ihrer Minister auf den Tisch gelegt, das hat Ihnen ein von Ihnen beauftragtes renommiertes Beratungsinstitut ins Stammbuch geschrieben. Sie haben daraus keinerlei Konsequenzen gezogen. Es ist heute Aufgabe von Minister Pinkwart und seinen Leuten, daraus Konsequenzen zu ziehen und diesen Wirrwarr in Ordnung zu bringen. Und das ist von der Regierungsbildung an mit dem entsprechenden Ministeriumszuschnitt eindeutig gemacht worden. Wir werden das also ändern.

Sie haben damals Ihren Minister Schwanhold für seinen Mut in die Wüste geschickt. Doch – Herr Stahl hat es heute früh gesagt – das Fraunhofer ISI in Karlsruhe und das RWI haben diesen Befund auf ihre Weise mit einem Ergebnis bestätigt, mit dem wir nicht zufrieden sein können. Deshalb, meine Damen und Herren, machen wir das jetzt anders. Wir danken Minister Pinkwart für seine kritische Analyse und werden ihn mit aller Kraft auf dem beschriebenen Zukunftspfad unterstützen.

Wir wissen, Herr Vesper, dass Innovationen nicht staatlich verordnet werden können. Die Politik schafft nicht mit staatlichen Programmen Eliteuniversitäten. Die Politik löst nicht mit Innovationsräten eine Innovationsflut aus. Die Politik bewirkt nicht mit ministerieller Detailsteuerung der öffentlich finanzierten Forschung die Markteinführung neuer Produkte. Das kann sie nicht. Die Politik macht Fehler, wenn sie staatliche Innovations- und Forschungsförderung auf ökonomisch verwertbare Ergebnisse konzentriert. Das sind Regelungsfantasien, die von der staatlichen Planbarkeit der Zukunft ausgehen und bei Sozialisten weit verbreitet sind. Aber wir teilen diese Fantasien nicht.

Technologische Revolutionen, meine Damen und Herren, wie die Nutzung der Elektrizität, die Radio- und Fernsehtechnik, die Halbleitertechnik, das Internet und künftig hoffentlich auch die Nanotechnologie sind nicht das Ergebnis der FuERichtlinien staatlicher Innovationsbüros. Sie wurden eingeleitet von neugierigen und kreativen Menschen sowie von wagemutigen Unterneh

mern, die Freiheit für etwas Neues genutzt haben, die sich Freiheit genommen haben.

Innovationspolitik muss Voraussetzungen schaffen, die zukünftige Innovationen möglich machen. Zukunft kann man nicht planen, Zukunft muss man möglich machen. Zukunft braucht Freiheit, und Zukunft braucht Wettbewerb.

In Nordrhein-Westfalen – da sollten Sie sich einmal die Realität anschauen – keimt seit dem Regierungswechsel wieder Hoffnung. In Dortmund entsteht ein neues Max-Planck-Zentrum für Systembiologie. Hier wird geforscht nach Mitteln gegen Alzheimer, Krebs und Parkinson. Aachen erhält ein neues energiewissenschaftliches Forschungszentrum mit fünf Lehrstühlen. Herr Vesper, da werden in Zukunft auch die Fragen der Energieeffizienz, der Materialeffizienz erforscht. Das hätten Sie in der Vergangenheit schon längst initiieren können. Wir werden ohne Denkverbote eine vernünftige Energiepolitik und Energieforschung betreiben, die Sie in der Vergangenheit versäumt haben.

Und das Schönste ist: Dieses Institut in Aachen wird zu einem großen Teil von der Wirtschaft finanziert; denn die Wirtschaft weiß plötzlich: Jürgen Rüttgers und Andreas Pinkwart stehen für die Überwindung rot-grüner Denkverbote. Sie stehen für Freiheit, und sie stehen für Leistungswettbewerb. Die Zukunft unseres Landes ist bei ihnen in guten Händen. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP – Marc Jan Eu- mann [SPD]: Wie war das denn mit Microsoft in Aachen!)

Danke schön, Herr Weisbrich. – Als Nächstes spricht Herr Lindner für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich will zunächst darauf hinweisen, dass hier vorne noch eine Brille zu finden ist.

(Dr. Ruth Seidl [GRÜNE]: Das ist meine!)

Frau Dr. Seidl, dann bringe ich Sie Ihnen gleich.

(Ralf Witzel [FDP]: Für den besonderen Durchblick!)

Wir haben in dieser Debatte einige Reden gehört, die bemerkenswert und interessant waren und die die Debatte weitergebracht haben. Andere waren nur amüsant.

Zur zweiten Kategorie gehörte auch die Rede, die Herr Römer gehalten hat.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Schon wieder der große Zensor!)

Es war wirklich bemerkenswert, wie Sozialdemokraten immer noch in der Lage sind, die Probleme, die das Land hat, nicht zur Kenntnis zu nehmen

(Bodo Wißen [SPD]: Oberlehrerhaft!)

und all denen, die sich um eine ehrliche Bestandsaufnahme der Stärken und Schwächen bemühen, vorzuwerfen, sie wollten das Land nur schlechtreden.

Ich habe gut in Erinnerung – Herr Römer, Sie haben das übrigens als Landesschatzmeister der SPD bezahlt –, dass die Sozialdemokraten im Landtagswahlkampf mit der Broschüre „Unser starkes Land“ für sich geworben haben. Darin fanden sich Sätze fanden wie: NRW, Deutschlands Nummer eins. – Sie haben das wirklich geglaubt, aber die Menschen haben es Ihnen nicht mehr geglaubt, weil sie mehr Kontakt zur Realität haben als Sie.

(Beifall von der FDP – Edgar Moron [SPD]: Ihnen haben sie auch nicht geglaubt; denn ein Drittel Ihrer Wähler ist davongelaufen!)

Herr Moron, ich will gar nicht bestreiten, dass wir als FDP bei der letzten Landtagswahl unter unseren Möglichkeiten geblieben sind.

(Heiterkeit von der SPD)

Deshalb wollen wir hier ja so eine couragierte Politik machen. Wir werden uns in fünf Jahren an den Ergebnissen unseres Handelns messen lassen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sowohl Union als auch FDP dann mit einem positiven und besseren Votum in ihrer Arbeit bestätigt werden;

(Beifall von FDP und CDU)

denn Sie haben hier keine Alternative vorzuzeigen.

Man muss sich diese Debatte doch nur einmal vor Augen führen: Da gibt es zum einen die, die sagen: Es ist in der Hochschulpolitik nichts passiert. Das sind alles fremde Federn. – Und dann gibt es die anderen, die sagen: Es passiert zu viel. Ihr gebt zu viel Freiheit. Das muss langsamer geschehen. Ihr habt ein falsches Ideal. Ihr steuert in die falsche Richtung.

Ja, was stimmt denn nun? Passiert nichts, sind es nur fremde Federn, oder gibt es den Kulturwechsel? Es gibt die Revolution im Hochschulrecht, von der Herr Ronge gesprochen hat.

Beim Haushalt wird gesagt: Schwarz-gelb macht nur Tempo bei der Sanierung des Haushalts, nur beim Kürzen. – Andererseits streben Sie verfassungsrechtliche Verfahren an, weil Sie uns sagen wollen, wir täten zu wenig bei der Sanierung des Haushalts.

(Carina Gödecke [SPD]: Das haben Sie auch nicht verstanden!)

Das passt nicht zusammen, das ist keine konsistente Oppositionsstrategie und weit davon entfernt, sich überhaupt wieder Regierungsfähigkeit in Nordrhein-Westfalen zu erarbeiten.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Vesper?

Bitte.

Herr Kollege Lindner, erinnern Sie sich vielleicht an die Zeit Ihrer Oppositionstätigkeit, wenn Sie dies so bildreich schildern?

Ich habe fürwahr Verständnis dafür, dass es im Parlament zwischen Regierung und Opposition gewisse Rituale gibt, meine aber, dass es gerade bei einer so traditionsreichen Partei wie der deutschen Sozialdemokratie angezeigt ist, dass sie die Zeit nach einer Abwahl nutzt, sich selbst zu erneuern. Danach kann sie zu Ritualen zurückfinden. Danach kann sie auf das oppositionelle Gaspedal treten. Aber sie sollte erst wieder die Richtung bestimmen, in die sie gehen will.

(Carina Gödecke [SPD]: Ich finde, Sie sollten erst einmal erklären, wie Sozialdemokratie funktioniert! Sie haben doch keine Ahnung!)

Willy Brandt hat einmal so schön gesagt: Man muss auf der Höhe der Zeit sein, wenn man Gutes bewirken will. – Diese Abschiedsrede von Willy Brandt auf dem Kongress der Sozialistischen Internationalen 1992 haben offenbar Liberale intensiver gelesen als Sozialdemokraten in diesem Land.

(Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Wir wollen auf der Höhe der Zeit sein und wissen deshalb, dass unser Wissenschaftssystem eine andere Ordnung braucht. Deshalb haben Sie heute auch nicht über ein Füllhorn von Maßnahmen Bericht erhalten, sondern von einer neuen Programmatik. Wir wollen eben nicht mehr Steuern,

Zentralkapazitäten und Forschungsziele vorgeben, wie es Gegenstand des Forschungskonzeptes 2010 war, sondern wir wollen denen, die besser als die öffentliche Hand, besser als die Politik darüber Bescheid wissen, welche Innovation Potenzial hat, die Freiheit geben, diese Potenziale tatsächlich zu entwickeln.

Das hat nichts mit einem ruinösen Wettbewerb zu tun. Dass Sie überall, wo es um Freiheit geht, ruinösen Wettbewerb befürchten, sagt mehr über Rot-Grün als über Schwarz-Gelb aus.

Wir wissen doch auch, dass die Fachhochschule Bonn/Rhein-Sieg und die RWTH Aachen nicht in einem Wettbewerb zueinander stehen können.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Aha!)

Wir lassen doch auch keinen Schwergewichtsboxer gegen ein Fliegengewicht antreten. Natürlich gibt es unterschiedliche Gewichtsklassen, unterschiedliche Arten des Wettbewerbs. Aachen steht im Wettbewerb mit der ETH Zürich, aber nicht mit der Fachhochschule Bonn/Rhein-Sieg.

Dass Sie uns immer unterstellen, wir hätten ein verkürztes Verständnis von Wettbewerb, zeigt, dass Sie liberale Politik nur unter der Überschrift des Steinzeitliberalismus verstanden haben, dass Sie aber nicht in der liberalen Politik des 21. Jahrhunderts angekommen sind.