Protocol of the Session on February 1, 2006

Dass Sie uns immer unterstellen, wir hätten ein verkürztes Verständnis von Wettbewerb, zeigt, dass Sie liberale Politik nur unter der Überschrift des Steinzeitliberalismus verstanden haben, dass Sie aber nicht in der liberalen Politik des 21. Jahrhunderts angekommen sind.

Das, was hier als Regierungserklärung vorgelegt worden ist, beschreibt eine Zäsur in der Wissenschafts- und Forschungspolitik dieses Landes. Es geht nicht nur um einzelne Programme und Progrämmchen, so sinnvoll, erfolgreich und lobenswert sie vielleicht im Einzelnen auch waren, sondern es geht um einen Kulturwechsel. Es geht um die Revolution im Hochschulrecht, über die Herr Ronge im Interview gesprochen hat. Diesen Anspruch stellen wir an uns.

Wir haben das Vertrauen, dass die Menschen mit dieser Freiheit verantwortungsbewusst umgehen und dass sie besser wissen, was an Fortschritten möglich ist, als wir das als Parlament können. Wir dürfen uns dieses Wissen nicht länger anmaßen. Das Wissen ist in der Gesellschaft vorhanden, aber nicht in diesem Landtag, nicht auf dieser und nicht auf jener Seite, sondern in der Gesellschaft.

(Zuruf von Edgar Moron [SPD])

Dafür müssen wir den richtigen, den treffenden Ordnungsrahmen finden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Lindner. – Für die Landesregierung spricht nun Minister Pinkwart.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst sehr herzlich dafür bedanken, dass hier eine so intensive Aussprache zu den zentralen Herausforderungen unseres Landes stattgefunden hat.

Ich freue mich sehr darüber, dass insbesondere von Herrn Stahl, Herrn Lindner, Herrn Kuhmichel und Herrn Weisbrich noch einmal die Tragweite herausgearbeitet worden ist, mit der wir es zu tun haben.

Ich habe bei anderen Rednern die Feststellung vermisst, dass wir einen erheblichen Abstand haben. Ich hätte mir von denen, die in der Vergangenheit Verantwortung für dieses wichtige Land wahrgenommen haben, gewünscht, dass sie substantiierte Erklärungen dafür anbieten, warum sich Nordrhein-Westfalen in der zentralen Zukunftsfrage Forschung und Entwicklung in den letzten Jahren, in denen Sie Verantwortung hatten, von Deutschland wegentwickelt hat, während sich Länder in Süddeutschland von Deutschland positiv abgehoben haben. Dazu haben Sie nichts, aber auch gar nichts gesagt.

(Beifall von FDP und CDU – Zuruf von Sören Link [SPD])

In den zentralen Punkten, bei denen von uns auf unabhängige Studien verwiesen worden ist, die Erklärungsgründe genannt haben, haben Sie entweder ausweichend reagiert oder, Herr Römer, leider erneut die Augen vor den Herausforderungen und den tatsächlichen Begründungen eines verzögerten Strukturwandels geschlossen, indem Sie uns in dieser Zeit aufgefordert haben, wie wir das von Herrn Horstmann auch schon gehört haben, die Steinkohlesubventionen zu verlängern.

Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik Deutschland und das Land Nordrhein-Westfalen haben im Jahre 2003 annähernd die gleiche Summe für Steinkohlesubventionen wie für Forschung und Entwicklung aufgewendet.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Das ist eine falsche Verteilung von Mitteln und mitursächlich für die Probleme, die wir haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Das wollen wir ändern. Das beschreiben wir mit verschiedenen Aspekten, mit verschiedenen An

sätzen, aber auch mit einer neuen Philosophie. Das Bemerkenswerte ist, dass Sie – ich kann das in einem gewissen Umfang nachvollziehen – vor dem Dilemma stehen und auf der einen Seite nicht zugeben wollen, dass eine solche dramatische Entwicklung unter Ihrer Verantwortung stattgefunden hat, ohne dass Sie wirksam entgegengesteuert haben, und auf der anderen Seite die Vorschläge nicht nachvollziehen, die von uns jetzt unterbreitet werden, um das zu ändern.

Einerseits sagen Sie, hier sei nichts oder zu wenig gesagt worden, oder wenn etwas gesagt worden ist, dann als Plagiat, andererseits kritisieren Sie massiv die Gesetzentwürfe, die wir bereits in den Landtag eingebracht oder Ihnen in Eckpunkten vorgetragen haben.

Sie sagen mit Verweis auf die Exzellenzinitiative, also wenn wir ein objektives Gutachterergebnis zur Kenntnis bringen, wir redeten das Land schlecht. Gleichzeitig leugnen Sie die Aussagen derer, die sich im Exzellenzwettbewerb durchgesetzt haben, die sich mit ihren Aussagen positiv zu dem bekennen, was wir ändern wollen, wie zum Beispiel der Rektor der RWTH Aachen, der im Übrigen zurzeit für die deutschen Hochschulrektoren spricht. Er hat sich nämlich zum Hochschulfreiheitsgesetz in der Presse rundum zufrieden geäußert. Das hätten Sie hier auch zur Kenntnis bringen können.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, das heißt, diejenigen, die sich exzellent aufstellen, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, die weiterkommen wollen, die unser Land besser machen wollen, sagen zu dem, was diese neue Landesregierung unternimmt: rundum zufrieden. Damit können wir weiterarbeiten. – Und Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, reden das hier schlecht. Damit setzen Sie das fort, was Sie in Ihrer Regierungszeit zu verantworten hatten.

(Beifall von CDU und FDP)

Das Gleiche gilt für ein Missverständnis im Hinblick auf die öffentlichen Ausgaben, das in der Debatte leider auch immer wieder zum Tragen kam. Es wurde von mir hier dargestellt, es wurde auch in der RWI-Studie dargestellt, dass es, bezogen auf die Forschungs- und Entwicklungsquote, maßgeblich daran mangelt, dass sich die private Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen bislang nicht in der Weise engagiert hat, wie das in anderen Bundesländern möglich ist.

Es wird auch konstatiert, dass die öffentliche Hand, relativ gesehen, hier mit 0,7 % des BIP ei

ne vernünftige, wenngleich noch nicht hinreichende Forschungs- und Entwicklungsausgabenquote hat. In der gleichen Studie – das wird dann wieder verdrängt – wird eben auch gesagt, dass es nicht nur auf die Quantität der Mittel ankommt, sondern auch auf die Qualität des Mitteleinsatzes, auf die Wirkungsweise dieser Mittel. Und dann werden in dieser Studie ganz konkrete Gründe genannt, warum diese Mittel in der Vergangenheit nicht wirksam genug eingesetzt worden sind. Insofern geht es nicht nur um die Ausgaben im Nominalbetrag, sondern auch darum, was die öffentliche Hand mit diesen Ausgaben an konkreter Politik tatsächlich bewirken kann. Darüber hinaus geht es darum, welche Rahmenbedingungen die Politik den Unternehmen zur Verfügung stellt, um sich an einem Standort entfalten zu können.

Wir haben seitens der neuen Landesregierung deutlich gemacht – das erkennen Sie auch an zahlreichen Maßnahmen, die die Wirtschaftsministerin, der Innenminister, der Umweltminister eingeleitet haben, von denen Ihnen viele nicht gefallen; das kann ich nachvollziehen –, dass wir endlich Bürokratie abbauen, damit sich die Unternehmen endlich auf das Wesentliche konzentrieren können.

(Beifall von der CDU)

Nehmen Sie nur eine Kennzahl: Allein im Mittelstand fallen pro Jahr Bürokratiekosten in einer Größenordnung von 45 Milliarden € an. Wenn Sie dies auf NRW herunterbrechen, sind Sie bei der Größenordnung von 9 Milliarden €. Wenn es uns gelänge, die Bürokratiekosten nur zu halbieren und die Unternehmer dann zu gewinnen, diese Gelder in Forschung und Entwicklung zu investieren, hätten wir überhaupt keine Probleme, die Forschungslücke zu schließen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir müssen also hier umsteuern. Es mag Ihnen nicht als hinreichend erscheinen, wenn wir sagen: Wir nehmen den Staat zurück. – Sie hätten es lieber, wenn ich Ihnen seitenweise Programmpolitik vortrüge, wo sich der Staat neu einmischen und was er sich alles einfallen lassen sollte – möglichst in vielen Hochglanzbroschüren. Meine Damen und Herren, dieses Land braucht keine neuen Programme und keine neuen Hochglanzbroschüren. Dieses Land braucht endlich die Freiheit für die, die Forschung und Entwicklung betreiben können.

(Beifall von CDU und FDP)

Lieber Herr Vesper, ich bedanke mich für die freundlichen Worte und gebe sie gerne zurück,

auch an den Ausschussvorsitzenden, weil ich es für wichtig halte, dass wir im Parlament fair zusammenwirken. Aber zu dem, was Sie auch mit Blick auf Ihre frühere Regierungsarbeit mit Hinweis auf den Qualitätspakt angedeutet haben, nämlich Sie hätten nächtelang ringen müssen, muss ich Ihnen sagen: Die Haushaltslage, die Sie damals vor Augen hatten, ist im Vergleich zu der, die wir heute gewärtigen müssen, nicht besser geworden. Das muss ich einmal so festhalten.

(Beifall von CDU und FDP)

Dass es auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich die Oppositionsführerin auf den Weg nach Münster gemacht hat, um gegen die Landesregierung vor dem Verfassungsgericht Klage zu führen, und trotz der Finanzmisere bei einem nicht verfassungsgemäßen Haushalt nicht nur gelungen ist, den Qualitätspakt zu verlängern, sondern auch noch zusätzliche Mittel für eine Exzellenzinitiative und die Ansiedlung von Max-PlanckInstituten aufzubringen, ohne dass wir uns bis in die Nacht hätten streiten müssen – wir haben es gemeinsam hinbekommen: der Ministerpräsident, der Finanzminister und der Ressortminister; ich hoffe sehr, dass wir es mit den Mehrheitsfraktionen hier im Landtag auch zu einem Abschluss führen können –, ist auch ein Zeichen für eine andere Politik für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von CDU und FDP)

Dann möchte ich noch etwas zu den Beispielen sagen, die ich aufgeführt habe: Ich habe – die Abgeordneten der Oppositionsfraktionen bitte ich dies nachzulesen – meine Worte bewusst so gewählt, dass etwa beim Thema Cluster – da habe ich mich auf die RWI-Studie bezogen, in der eine Aufnahme von Nordrhein-Westfalen gemacht worden ist: Cluster RWTH, Cluster Dortmund, Stammzellenforschung – mit entsprechenden Hinweisen im Vorfeld deutlich wird, dass in NordrheinWestfalen viele Dinge auch gut gelaufen sind und gute Arbeit geleistet worden ist. Das habe ich nicht geleugnet. Es wäre auch schlimm, wenn es anders wäre.

(Marc Jan Eumann [SPD]: An einer Stelle!)

Wir können die Stellen gleich gerne abgleichen. – Ich habe diese Initiativen auch nicht auf meine oder unsere Fahnen geschrieben. Ich habe lediglich darüber berichtet.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das war doch in Ihrer Regierungserklärung! – Weitere Zurufe von der SPD)

Nein, ich habe Bezug auf die RWI-Studie genommen und habe gesagt: In der RWI-Studie sind

ganz klar Cluster und Netzwerke herausgehoben worden. Aber es sind eben nur die wesentlichen herausgehoben worden, dort, wo wir wirklich Stärken haben.

Ich habe hier deutlich gemacht, dass wir genau solche Stärkenfelder, die es aus meiner Sicht noch zu wenig gibt, die es aber durchaus gibt, weiter fördern wollen. Wir wollen, dass auch neue entstehen können – aber bitte mit einer entsprechenden Qualität. Die vielen anderen Programme und Progrämmchen, Clusterchen und Cluster, die in der Vergangenheit hochgehalten worden sind, werden in Zukunft von uns jedenfalls nicht mehr in der Weise gefördert, wie Sie es getan haben; denn wir legen Wert darauf, dass sich solche Konzepte im Wettbewerb um das beste Konzept durchsetzen müssen. Dass wir hier Schwerpunktbildung in einer anderen Art betreiben, als Sie es getan haben, habe ich hier dargelegt – auch in großer Fairness gegenüber dem, was hier vorher erarbeitet worden ist.

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Eumann?

Ja, gerne.

Bitte schön, Herr Eumann.

Herr Minister Pinkwart, ich erkenne an, dass Sie in Ihrer jetzigen Einlassung das formuliert haben, was Sie in der uns vorliegenden Regierungserklärung nicht formuliert haben. In Ihrer Regierungserklärung, die uns gestern Abend um 20:45 Uhr erreicht hat, habe ich nämlich nur folgenden Hinweis auf Seite 4 gelesen – ich zitiere –:

„Es geht hier nicht darum, ‚schwarz zu malen‘ oder die Anstrengungen der Vorgängerregierung schlechtzureden. Aber Teilerfolge sind kein Aufbruch und schon gar kein Durchbruch für den Innovationsstandort NordrheinWestfalen.“

Haben Sie in Ihrer Regierungserklärung – das ist meine Frage – weiter auf die Vorgängerregierung in einer, wie ich finde, nicht besonders freundlichen Art und Weise Bezug genommen, so wie Sie es gerade getan haben?

Herr Eumann, vielen Dank für die Frage. Sie gibt