Protocol of the Session on February 1, 2006

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion der SPD fordert in ihrem Antrag die Landesregierung auf, ein Konzept und ein entsprechendes Arbeitsprogramm für eine regionale Partnerschaft zwischen Nordrhein-Westfalen und der Türkei zu entwickeln. Und sie fordert darüber hinaus, dass die Landesregierung die notwendigen formellen Schritte für eine Partnerschaft vereinbart und dem Landtag bis zum Herbst dieses Jahres einen Bericht zu einer regionalen Partnerschaft vorlegt.

Sie haben in diesem Antrag ja auch eine ganz konkrete regionale Empfehlung ausgesprochen. Ich glaube schon, dass man das an der Stelle sagen darf. Ich weiß, dass es eine Empfehlung ist und dass Sie nicht formuliert haben, dass alle anderen Regionen ausgeschlossen werden. Aber es ist schon eine Vorfestlegung, die Sie nach meiner Auffassung dort formuliert haben. Ich kritisiere das nicht. Vorschläge sind ja auch dazu da, gemacht und überprüft zu werden.

Ich erkenne aber auch bei allen Fraktionen, dass sich alle der folgenden Tatsachen bewusst sind: Die Türkei und Nordrhein-Westfalen sind seit Jahren freundschaftlich miteinander verbunden. Alle vier Fraktionen haben das eben auch deutlich vorgetragen. Das wird hier niemand bezweifeln wollen. Wir sind uns auch darin einig, dass die sehr guten freundschaftlichen Kontakte zwischen Nordrhein-Westfalen und der Türkei weiter vertieft werden sollten. Diese Kontakte gilt es gerade vor dem Hintergrund der nordrhein-westfälischen Bevölkerungsstruktur, die im Vergleich zu anderen Bundesländern den höchsten Anteil türkischstämmiger Migrantinnen und Migranten aufweist, nachhaltig zu stärken.

Herr Vesper, Sie merken, das ist die korrekte Formulierung. Es heißt „türkischstämmige Migrantinnen und Migranten“. Im Alltag wissen wir manchmal nicht so genau, ob wir jetzt „türkische Unternehmer“, „Unternehmer mit türkischem Migrationshintergrund“ sagen oder andere Formulierungen wählen sollen. Aber wir meinen, glaube ich, alle dasselbe.

Ein solcher Prozess kann aber nicht erfolgreich im Rahmen einer Partnerschaft Nordrhein-Westfalens mit einer ausgewählten türkischen Region begleitet werden, wenn man sie quasi einfach so vorweg als Blaupause akzeptiert.

Ich bin überzeugt – das wissen auch die Kollegen aus der Parlamentariergruppe –, dass wir im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Türkei einen ganz soliden und sachorientierten Ansatz wählen sollten, der auch einer Überprüfung für die Zukunft standhalten muss. Ich meine, dass es noch etwas zu früh ist, um uns solche Festlegungen mit auf den Weg zu geben. Zunächst gilt es, mögliche Kooperationsbereiche beider Länder zu identifizieren und auszuloten, welche Regionen der Türkei sich für derartige Kooperationen eignen.

An dieser Stelle liegen der Antrag der SPD und der von CDU und FDP überhaupt nicht auseinander. Wir sollten da auch das Verbindende einmal betonen, wie das die Kollegin Keller, aber auch die Kollegen Witzel und Vesper gemacht haben. Bei aller Straffung und Effizienz der internationalen Aktivitäten müssen wir sehr wohl darauf setzen, auch das miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Dabei müssen wir auch die Kriterien für die internationale Neuausrichtung unseres Landes klar berücksichtigen. Diesem Grundsatz werden wir auch bei der Zusammenarbeit mit der Türkei Rechnung tragen.

Wir wollen Ihnen zusagen, dass nach der Debatte im Hauptausschuss dann auch klar formuliert wird, in welchen Regionen der Türkei sich überhaupt Möglichkeiten für eine tatsächlich bilaterale Zusammenarbeit eröffnen. Im zweiten oder im dritten Schritt sollten wir dann über die Form einer solchen Zusammenarbeit entscheiden.

Meine persönliche Auffassung kennen Sie, Herr Dr. Vesper. Ich hätte es am liebsten, dass wir eine Reihe von existierenden Partnerschaften mit noch mehr Leben füllen und am Ende eines solchen Prozesses möglicherweise eine etwas formellere Partnerschaft vollzogen wird.

Ich bin – wie die Kollegen, die das vorgetragen haben – für eine Intensivierung der künftigen Zusammenarbeit in den Bereichen Hochschule und Wissenschaft, Wirtschaft und Umwelt ebenso wie für die Intensivierung der nordrhein-westfälischen Kooperationen im Bereich von Schulpartnerschaften, Austauschprogrammen und Städtepartnerschaften.

Die im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen angesprochene Errichtung eines deutschtürkischen Jugendwerkes werden wir natürlich prüfen. Herr Witzel, Sie haben darauf hingewiesen, dass wir einen Integrationsminister und ein Integrationsministerium haben. Wir sollten dann auch wirklich klar mit Blick auf eine entsprechende Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen im

Bundesrat nach Abschluss der Prüfung tätig werden.

Das sind arbeitsintensive Maßnahmen. Das sind konkrete Schritte, die die Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und der Türkei nachhaltig ausbauen. Damit helfen wir der Türkei auch ganz praktisch auf ihrem Weg des Ausbaus demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen. Das ist ein wirksamer Ansatz, der die entsprechenden Bemühungen auf Bundesebene und im europäischen Kontext in allen relevanten Fragen der Zusammenarbeit unterstützt.

Ich will auf ein paar Punkte eingehen, die hier von den Kolleginnen und Kollegen noch einmal kritisch hinterfragt worden sind. Frau Keller und Herr Witzel haben die Reihenfolge angesprochen. Da kann ich nur unterstreichen, dass man sehr sorgfältig und nachhaltig überprüfen muss, was man wann macht.

Auch die Frage, die Herr Vesper aufgeworfen hat, ist nicht unkritisch. Diese Frage konnten auch die Kollegen von der SPD in ihrem Antrag, wie ich finde, noch nicht abschließend beantworten. Das betrifft die geographische Abgrenzung. Das ist nachher in der Praxis nicht ganz einfach. Wo sind unsere Hauptansprechpartner? Wie gehen wir damit um?

Ich finde, Herr Vesper, dass Sie auch mit Recht die Frage stellen: Sollen wir das nicht auf der parlamentarischen Ebene wirksam begleiten? Ich glaube, dass es, wenn wir das nur auf der Ebene der Exekutive machen, auch ein bisschen zu kurz greift. Ich bin überzeugt, dass – wie die Kollegin Keller und der Kollege Witzel es angesprochen haben – auch da ein Mittel sein kann, im Bereich des Jugendaustausches noch mehr zu machen als bisher.

Alles in allem bin ich davon überzeugt, dass das zentrale Anliegen – gerade weil wir in NordrheinWestfalen viele türkischstämmige Mitbewohner und -bürger haben – in die richtige Richtung geht, nämlich die Intensivierung der Partnerschaft beziehungsweise die Intensivierung des Verhältnisses von Nordrhein-Westfalen und der Türkei anzustreben.

Ich glaube, dass wir im Hauptausschuss und darüber hinaus in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich zu gemeinschaftlichen Ansätzen in dieser Frage kommen. Ich freue mich auf die Diskussion und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Breuer. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kuschke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will durchaus an das anknüpfen, was insbesondere der Kollege Dr. Vesper angemahnt hat, nämlich dass wir es hier eigentlich mit einem Gegenstand zu tun haben, über den sich ein Streit in vielerlei Hinsicht nicht lohnt.

Um noch einmal klar die Ausgangslage, Herr Minister Breuer, zu beschreiben: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hätten sicherlich keine Probleme, bei unserem Antrag zu sagen, wir konzentrieren uns ausschließlich auf IV, den Beschlussteil. Dann wäre auch der Hinweis auf die ägäische Region nicht mehr enthalten. Auf diesen Punkt komme ich aber nachher noch einmal zurück. Das wäre dann eigentlich die Ausgangssituation, zusammen mit dem Entschließungsantrag der Regierungskoalition darauf zu sehen, wie man weiterkommt.

Wenn man sich dann den Beschlussteil im Antrag von CDU und FDP unter II ansieht, Frau Kollegin Keller, haben wir natürlich keine Probleme mit dem ersten Spiegelstrich.

Wir haben natürlich auch keine Probleme mit dem zweiten Spiegelstrich.

Dann kommt der Punkt, unter dem Sie eine Initiative zur Errichtung eines deutsch-türkischen Jugendwerkes prüfen lassen wollen. Dazu zwei Anmerkungen.

Die Formulierung macht es bereits deutlich: Es soll ein Prüfauftrag in Richtung von jemand anderem, der das auf Bundesebene initiieren muss, vergeben werden. – Darüber müssen wir diskutieren.

Wir allerdings schlagen etwas vor, was wir tun können. Dabei greife ich die Anregung des Kollegen Vesper auf. An der Stelle sollten und müssen Landesregierung und Landtag gemeinsam handeln. Wir hätten keine Probleme damit, das über einen entsprechenden Beschluss im Hauptausschuss zu verdeutlichen.

Frau Kollegin Keller, es gibt in Ihrer Argumentation eine nicht ganz schlüssige Einlassung. Sie sagen, es sei zu früh für die von uns gewollte regionale Partnerschaft und so etwas wäre möglicherweise nicht angemessen. Möglicherweise entspreche das nicht der Definition der internationalen Politik der Landesregierung insgesamt, die – darauf komme ich noch zu sprechen – noch erarbeitet werden muss.

Wenn Sie so argumentieren, müssen Sie natürlich bedenken, dass Ihre Forderung nach einem deutschtürkischen Jugendwerk sogar darüber hinausreicht. Denn Jugendwerke auf einer solchen Ebene gibt es ganz, ganz wenige. Geschaffen worden sind sie vor einem historischen Hintergrund. Das gilt sowohl in Richtung Frankreich wie auch in Richtung Israel. – Man muss sich also schon darüber im Klaren sein, wie man argumentiert und das alles in einen Zusammenhang bringt.

Meine Damen und Herren, trotzdem gibt es Chancen – dafür haben sich alle Rednerinnen und Redner erneut ausgesprochen –, in den Beratungen – vor der Sitzung des Hauptausschusses und im Hauptausschuss selbst – mit Ruhe und Bedacht an die Angelegenheit heranzugehen. Wir würden unsererseits beispielsweise überlegen, wie wir den Gedanken „Jugendwerk“ fassbar machen können. Welche Argumente haben wir in der Vergangenheit gehört? Diese Argumente müssen wir noch einmal abwägen.

Dem steht die Bitte an Sie gegenüber zu prüfen, ob beim Beschlusstext zur regionalen Partnerschaft nicht auch die Zielperspektive verankert werden könnte. Den zeitlichen Rahmen dafür geben wir, sagen wir doch im Beschlussteil, dass ein Bericht und ein Arbeitsprogramm erarbeitet werden sollen. Wir sprechen vom Herbst dieses Jahres. Damit ist durchaus eine zeitliche Achse angegeben.

Meine Damen und Herren, angesichts dessen sollten wir auf jegliches Beiwerk verzichten. Frau Kollegin Keller, damit meine ich beispielsweise die Äußerung, man wolle keine 1:1-Fortsetzung der Politik der alten Landesregierung; der Kollege Breuer strahlt mich an, weil er dazu – ich sage einschränkend – an diesem Punkt, weil das in anderen Punkten sicherlich nicht der Fall ist, aber so ist das Leben – bereit wäre.

Wir würden darauf verzichten zu sagen, es seien bereits Vorarbeiten geleistet worden, die nicht hätten fortgesetzt werden können, weil es einen 22. Mai gab, etc.

Meine Damen und Herren, wir sollten dennoch ein nach wie vor interessantes Dokument einbeziehen. Dabei handelt es sich um einen Brief des Kollegen Röken, dem Vorsitzenden der deutschtürkischen Parlamentariergruppe, vom Oktober 2004 an Herrn Landtagspräsidenten Schmidt. Dort berichtet er über die Reise einer Delegation aller vier Fraktionen in die Türkei. Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich die entscheidende Passage zitieren. In dem Schreiben heißt es:

„Die Parlamentariergruppe ist der Auffassung, dass analog zu den Beziehungen mit anderen Staaten Nordrhein-Westfalen besondere Verbindungen mit einer Partnerregion in der Türkei aufnehmen sollte. Die ägäische Region mit dem pulsierenden Zentrum Izmir böte sich unseres Erachtens an. Das schließt eine Kooperation auf Kompetenzfeldern landesweit nicht aus.“

Sicherlich mit Einverständnis des Kollegen Röken lasse ich den Satz heraus, der sich auf die ägäische Region bezieht. Es bleibt die damalige Übereinkunft der Parlamentarier und Abgeordneten aller vier Fraktionen, vor dem Hintergrund ihrer Arbeit festzustellen: Das macht Sinn. Wir schaffen dann einen Rahmen, der Städtepartnerschaften möglicherweise noch einmal einen Schub verleiht und zusammenhält.

Ich sage es hier an dieser Stelle einmal ganz offen: Wir kennen doch die Probleme von Städtepartnerschaften, die oftmals von Personen abhängen. Herr Kollege Witzel, wenn diese Personen einmal nicht mehr da sind – aus welchen Gründen auch immer – und wir keine Struktur in der Städtepartnerschaft haben, läuft das dort nicht mehr. Die Partnerschaften in den Kompetenzfeldern würden sich weiter fortführen lassen und möglicherweise durch die Klammer einer regionalen Partnerschaft noch einmal Schub bekommen.

Sie werden es wissen oder nachlesen, aber trotzdem nur noch einmal zur Erinnerung: Zu dieser Delegation gehörte – ich habe mich beim Kollegen Röken erkundigt – der damalige Kollege Kufen, der jetzige Integrationsbeauftragte.

(Minister Michael Breuer: Der sitzt auf der Tribüne und hört zu!)

Der hört zu und kann das bestätigen. Gott zum Gruße, Herr Kollege! – Dazu gehörte auch der jetzige Staatssekretär Brendel. Von der Fraktion der Grünen hat damals der Kollege Groth teilgenommen.

Wenn man sich das vergegenwärtigt, was damals in großer Übereinstimmung formuliert worden ist, kann man durchaus erneut den Versuch starten. Kollege Töns hat für uns ausgeführt, welches für uns derzeit der Hintergrund für diese Initiative ist. Wir haben eine Zeitachse angegeben. Erwartungshaltung ist nicht, dass innerhalb von 14 Tagen der Knoten durchgeschlagen wird. Lassen Sie uns gemeinsam den Versuch unternehmen, in den Beratungen im Hauptausschuss zu einer Klärung zu kommen. Die Menschen in NordrheinWestfalen und in der Türkei, die über eine solche

Partnerschaft enger zusammenrücken könnten, haben es verdient.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kuschke. – Für die CDU-Fraktion hat noch einmal Frau Keller um das Wort gebeten.

Herr Kollege Kuschke, es ist wichtig und richtig, dass wir die Feinheiten im Ausschuss diskutieren. Das gilt für Ihren Antrag und unseren Entschließungsantrag.

Richtig ist auch, dass wir große Erwartungen wecken, wenn wir Landespartnerschaften eingehen. Wenn wir eine solche Landespartnerschaft eingehen, müssen wir anschließend in der Lage sein, diese Erwartungen wirklich zu erfüllen.

(Zustimmung von Werner Jostmeier [CDU])

Insofern weigere ich mich, mit Schnellschüssen immer neue Partnerschaften ins Leben zu rufen. Wir stellen uns einer wirklich wichtigen Herausforderung. Herr Vesper hat es eben erneut betont: Es gibt bereits 13 oder sogar noch mehr Städtepartnerschaften regionaler Art. Wir sollten uns im Einzelnen anschauen, wer diese regionalen Partnerschaften eingegangen ist und wie lange sie bestehen. Sind sie heute noch mit Leben erfüllt? Ich finde, auch das ist eine wichtige Voraussetzung. Wir sollten uns das einmal im Hauptausschuss genau anschauen.

Wenn wir bereit sind, ein Jugendwerk ins Leben zu rufen, erfordert das in der Tat eine große Leistung, denn – Sie haben eben selbst das deutschfranzösische Jugendwerk erwähnt; ich erinnere mich sehr wohl daran – es ist dann eine ganze Menge zu schultern. Wenn wir uns hier für junge Menschen entscheiden und sehr viel mehr an Input hineingeben wollen, sehen wir darin gerade auch für die Zukunft eine wichtige Zielsetzung. Wir wollen uns einer Diskussion nicht verschließen.

Frau Keller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kuschke?