Protocol of the Session on January 18, 2006

Für diese ordnungspolitische Neuausrichtung der Wirtschafts- und Sozialpolitik gibt es keine Alternative. Wir werden diesen Weg konsequent weiter gehen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir mit einer Flut von Gesetzen, Regelungen und Normen den Freiheitsraum des Einzelnen, der etwas unternehmen wollte und will, immer mehr eingeengt haben. Wir haben uns von den Grundprinzipien eines Ordnungsrahmens entfernt und den Menschen Schritt für Schritt aus der Verantwortung für sich selbst entlassen. Dabei wurden immer mehr Aufgaben auf den Staat übertragen, die eigentlich vom freien Unternehmertum hätten bewältigt werden müssen.

Richtig verstandene Ordnungspolitik beschränkt sich darauf, den Rahmen vorzugeben, innerhalb dessen Menschen ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich regeln. Mit Interventionen durch den Staat oder mit neuen Fluten von Regulierungen und Verordnungen können Probleme nicht gelöst werden. Wir müssen wieder an das Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft anknüpfen und sie ins Zentrum rücken. Wir wollen Menschen ein neues Selbstbewusstsein geben und setzen dabei auf Freiheit statt Fremdbestimmung.

Die Zielrichtung, die der Ministerpräsident artikuliert hat, lautet: Wir brauchen einen starken Staat und keinen fetten Staat.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Oh!)

In praktische Politik umgesetzt, finden Sie diese klare Denkrichtung insbesondere im ersten Mit

telstandspaket, das die Ministerin vorgestellt hat. Hier werden Maßnahmen mit einer erfolgversprechenden Zielrichtung gebündelt, die dem Mittelstand als dem Rückgrat unserer heimischen Wirtschaft nachhaltig nutzen.

Wir werden uns daranmachen, den Dschungel an Förderprogrammen zu lichten und wachstumshemmende bürokratische Regelungen zu beseitigen. An den Kammern – das können Sie kritisieren, wie Sie wollen – werden wir Gründungsagenturen einrichten, bei denen Existenzgründer Beratung aus einer Hand erhalten.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Also doch, Frau Thoben!)

Die guten Ergebnisse des Bürokratieabbaus in der Modellregion Ostwestfalen-Lippe werden zügig auf das ganze Land übertragen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das höre ich ger- ne! Der Wirtschaftsförderer!)

Wir begrüßen ausdrücklich, dass zukünftig alle finanziellen Fördermittel des Landes anders als in früheren Zeiten an einer Stelle, nämlich bei der NRW-Bank, konzentriert werden.

Schließlich – das ist vielleicht eine der wichtigsten Botschaften; da bin ich wieder bei der Ideologie, Herr Römer – werden EU-Vorschriften auch in diesem Land nur noch 1:1 umgesetzt. Ich darf Ihnen sagen: Vorbei sind die Zeiten, in denen sich die Politik in diesem Land den Luxus erlauben konnte, aufgrund einer ideologiebehafteten Sachbetrachtung die gültigen EU-Normen unserer Nachbarländer zulasten unserer heimischen Wirtschaft sogar noch zu übertreffen. Auch die Investitionen im Kraftwerksbau werden die positive Grundstimmung fördern.

Lassen Sie mich deshalb abschließend zur Energiepolitik sagen: Die jüngste Entwicklung auf den Energiemärkten hat uns deutlich vor Augen geführt, wie eng die Verknüpfung von Energie und Wachstum ist. Hohe Energiepreise reduzieren die realen Einkommen und somit das verfügbare Kapital für Konsumausgaben. Die Bedeutung von Energiepreisen als Produktionsfaktor, der enge Zusammenhang zwischen Energiepolitik und wirtschaftlicher Entwicklung, insbesondere dem Erreichen von Wachstumszielen, sind unübersehbar.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Michael Vesper)

Daher ist es schlichtweg dumm, wenn man vor diesem Hintergrund Technologien, die in Nordrhein-Westfalen vorhanden sind und ein erhebli

ches Zukunftspotenzial ausweisen, mit ideologischen Scheuklappen von Anfang an niedermacht.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Steinkohle oder was meinen Sie jetzt?)

Zur weiteren Förderung von Spitzentechnologie, wie etwa die Erzeugung von Wasserstoff zum Betreiben von Brennstoffzellen, kann ich nur sagen, dass man um jede Technologie froh sein sollte, die in irgendeiner Weise für die Zukunft nützlich sein kann. Wir dürfen uns das Heft hier nicht aus der Hand nehmen lassen. Das von Frau Ministerin Thoben angestrebte nationale Energiekonzept wird sich mit der langfristigen Planung gründlich auseinander setzen. Da haben wir großes Vertrauen.

Auch wenn es jetzt noch nicht für jeden ersichtlich ist: Energiepolitik wird in Zukunft eines der wichtigsten Themen sein. Die wirtschaftliche Entwicklung wird davon entscheidend abhängen. Deshalb dürfen Zukunftsoptionen nicht schon im Keim erstickt werden.

Ich wende mich abschließend, Frau Ministerin Thoben, auch einmal an Sie persönlich. Ich möchte Ihnen Dank sagen für den Bericht, den Sie heute hier – das darf man auch mal sagen – bei allen positiven Vorzeichen in gebotener Bescheidenheit mit einem vorsichtigen Optimismus gegeben haben. Ich kann mich an Debatten zur Haushaltseinbringung hier in diesem Hause erinnern, in denen teilweise mit getürkten Zahlen gearbeitet und fantastisches Wirtschaftswachstum vorausgesagt wurde, um auf diese Weise einen Haushalt aufzupolieren, der unausgeglichen war noch und noch. Sehr verehrter Herr Römer, Sie haben hier gesagt, man hoffe auf ein Anspringen der Wirtschaft. Da kann ich Ihnen nur sagen: Fünfzehn Jahre unter Ihrer Regierung haben ausgereicht, um 43 Milliarden Neuverschuldung aufzutürmen. Das war eine Politik, die nichts mit Nachhaltigkeit zu tun hatte.

(Beifall von CDU und FDP)

Deswegen hat mir Ihr Vortrag, Frau Ministerin Thoben, so gefallen. Es bedarf nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, wie ein anderer Minister, vielleicht von SPD oder Grünen, hier herumgeturnt und herumgetanzt hätte, wenn er diese Zahlen, die uns Gott sei Dank heute beschert werden konnten, hier hätte präsentieren können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Ministerin Thoben, ich darf Ihnen gleichzeitig Dank sagen, dass Sie das schwere Amt der Wirtschaftsministerin übernommen haben. Sie halten Kurs auf dem Weg zu einer neuen Wirtschaftspoli

tik für dieses Land. Ich sage Ihnen offen: Es ist keine Lobhudelei aus falsch verstandener Parteifreundschaft,

(Lachen von der SPD)

wenn ich Ihnen heute attestieren möchte – auch wenn die Kolleginnen und Kollegen jetzt pflichtschuldig lachen: das ist mein ganz persönlicher Eindruck –, dass es nicht zuletzt auch Ihrem Sachverstand und der Klarheit Ihrer Aussagen zu verdanken ist, dass wir – ich glaube, Herr Römer, Sie werden das allein schon in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses festgestellt haben, und Herr Priggen ganz besonders – im Wirtschaftausschuss auch über die Fraktionsgrenzen hinweg bei allen Differenzen in der Sache eine positive Grundstimmung haben, die es uns erlaubt, hart, aber zielorientiert an den Sachthemen, die dieses Land berühren, zu arbeiten. Auf dieser Entwicklung werden wir im Jahre 2006 aufbauen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Als nächster Redner hat nun der Abgeordnete Priggen von der Grünen-Fraktion das Wort.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Wir brauchen eine Schweigeminute!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Dr. Droste, das war ja – ich muss mich jetzt bemühen, ruhig und getragen zu sein – fast schon ekstatische Selbsthypnose, was Sie das gemacht haben!

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Christian Weisbrich [CDU]: Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund!)

In aller Sachlichkeit: Uns war eine Erklärung über die Perspektiven der NRW-Wirtschaft 2006 versprochen worden.

Das Erste, was ich sagen will: Ich bedaure, dass Sie keine Regierungserklärung dazu abgeben, denn – ehrlich gesagt – das, was Sie vorgetragen haben, Frau Thoben – man hat sich ja in Vorbereitung auf die Sitzung hier bemüht, zu erahnen, was kommt, und hat die Pressemeldung von Montag, den Sprechzettel, den der Ministerpräsident am Montag auf der Veranstaltung hatte, studiert, auch Ihre Reden aus der Vergangenheit –, war in der Substanz nicht mehr als das, was wir jetzt mehrfach gehört haben.

Ich habe Verständnis dafür, dass Sie sich immer noch freuen, dass wir abgewählt worden sind und

Sie in der Regierung sind. Ich habe eben die SPD-Kollegen gefragt, ob man so etwas fünf Jahre lang machen kann. Denn ich finde, irgendwann muss der Punkt kommen – wir akzeptieren es ja, der Wähler hat gesprochen, wir haben eine andere Rollenverteilung –, dass Sie Ihre Arbeit akribisch machen. Das, was Sie bis jetzt machen und was Sie eben wieder geliefert haben, war aus meiner Sicht nicht Ergebnis der Arbeit, die Sie mit der notwendigen Präzision machen müssten, sondern ein Stück weit eine beliebige Aneinanderreihung von Versatzstücken aus Wahlkampfreden und öffentlichen Veranstaltungen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Mir hat wirklich nur noch der Gender-Beauftragte der Forstverwaltung gefehlt. Dann hätten wir den auch noch gehabt. So!

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Und die Hams- ter!)

Ja, die Hamster haben auch gefehlt. Ich weiß gar nicht, warum.

Ich will aber versuchen, auf ein paar Punkte einzugehen, weil auch außerordentlich interessante Widersprüche dabei waren.

Ich muss noch einmal auf Herrn Dr. Droste eingehen: Sie haben mit einer solchen Begeisterung der Atomkraft das Wort geredet – die gleiche Argumentation könnten Sie auf die Steinkohle anwenden. Dass NRW Technologie und Chancen hat, die sich in Arbeitsplätze umsetzen lassen, kann ich bei den Kollegen der anderen Fraktion plausibler begründen als die Frage eines Kugelhaufenreaktors, der seit zig Jahren stillgelegt ist und der in NRW zu unser beider politischer Lebzeiten mit Sicherheit keine Arbeitsplatzeffekte haben wird. Insofern ist das für mich ein bisschen schwer nachvollziehbar.

Mich macht ein bisschen unruhig, dass Sie sich um bestimmte Punkte, die abgearbeitet werden müssten, zum Beispiel Vorlagen der Bundesregierung, nicht kümmern. Jetzt wird wie die Madonna in einer Prozession die Perspektive der Atomenergie immer wieder durchs Dorf getragen. Die Atomenergie gibt es aber in NRW nicht. Es gibt eine bestimmte Auseinandersetzung auf Bundesebene. Aber ich kann auf längere Sicht auch nicht sehen, dass das nennenswerte Arbeitsplatzeffekte auf Bundesebene haben soll. Deswegen verstehe ich es nicht. Das will ich nur sagen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dann würde ich gerne auf ein paar Punkte eingehen, die aus meiner Sicht fehlen, wenn wir ver

nünftig darüber reden wollen, welche Chancen es gibt. Sie haben uns Wachstumszahlen des RWI vorgelegt. Das Gutachten, in dem diese Zahlen stehen, hatten wir, die wir in Klausur waren, erst heute Morgen im Fach; alle anderen hatten es bereits gestern. Diese Zahlen muss man im Detail nachlesen. Das RWI wird sauber arbeiten. Statt 1,5 % können es nachher aber auch 1,3 % sein. Dass das Wachstum 1,5 % oder mehr beträgt, können wir uns alle nur wünschen. Denn unser aller Ziel muss sein – wir haben eine Million Menschen ohne Arbeit –, dass Menschen in Arbeit kommen.

Die Zahl, die in Bezug auf die Arbeitsplätze im Gutachten stehen soll, kenne ich nur aus Presseberichten. Da ist nur von 25.000 Arbeitsplätzen die Rede. Das sind immerhin 25.000, und es wäre gut, wenn sie erreicht würden. Aber es ist natürlich erschreckend wenig. Die Frage, was wir tun können, damit das mehr wird, muss Ihr und unser Antrieb sein; denn letztlich sind wir alle in der Verantwortung.

Wir müssen gucken, was fehlt. Herr Dr. Droste hat eben einen interessanten Zusammenhang angesprochen. Er hat gesagt, man könne sehen, wie eng Energieverbrauch und Wachstum miteinander verknüpft seien. Ich glaube, er spielt auf China, Indien und die asiatischen Staaten an, wo im Moment ein Boom ist. Ich glaube, dass Sie, wenn Sie den Weg weiter verfolgen, in der Sache einen unglaublichen Irrtum begehen.

Ich bin kein Freund von Sigmar Gabriel gewesen. Er kam mir als „Pop-Beauftragter“ der SPD immer wenig seriös vor. Aber ich habe am letzten Montag in der „Süddeutschen Zeitung“ seinen Gastkommentar gelesen – der war wirklich lesenswert, das muss ich sagen –, in dem er sich mit der Frage befasst hat, ob es langfristige Innovationszyklen gibt, auf die man frühzeitig setzen und die man erahnen muss, weil diejenigen, die auf sie setzen und sie entwickeln, eine Chance haben, in der Aufschwungsituation dabei zu sein. Als Beispiel nannte er die Automobilindustrie und die Kommunikationsindustrie. Er sagt: Die Technologie für das 21. Jahrhundert ist die Rohstoffeffizienz, ist die Energieeffizienz. Ich glaube, dieser Ansatz enthält sehr viel. Denn es ist richtig, dass die asiatische Region im Moment sehr viel Energie bei zum Teil niedrigsten Wirkungsgraden verbraucht; darüber haben wir öfter geredet.

Wenn wir in der Lage sind, mit Rohstoffen und mit Energie wesentlich effizienter umzugehen – wir wissen, dass es geht; das ist die Herausforderung für unsere Ingenieure, für unsere Technik –, können wir in diesen Märkten vorne liegen, wenn die

Ressourcen knapper und teurer werden, und danach sieht alles aus. Deswegen liegt in der Frage der Rohstoffeffizienz, der Rohstoffintelligenz, der Energieeffizienz unsere Herausforderung. Bei Ihren Perspektiven für 2006 haben Sie dazu nichts vorgetragen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)