Protocol of the Session on January 18, 2006

Wir sind gerade dabei, die Effizienz der zahlreichen Landesinitiativen zu überprüfen und hier mit der Wirtschaft zu neuen Verabredungen zu kommen. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie als alte Landesregierung einen Dschungel von ungefähr 38 Landesinitiativen ihr Eigen nennen können. Wir werden deren Ernsthaftigkeit und Sinnhaftigkeit auch daran messen, ob die beteiligten Unternehmen bereit sind, Geld mitzubringen, wenn sie da mitmachen.

(Helmut Stahl [CDU]: So ist es!)

Wir haben für die Gesellschaft für Wirtschaftsförderung erstmals einen Geschäftsführer gewonnen, der tatsächlich eigene Auslandserfahrung in einem renommierten Unternehmen mitbringt. Ich meine, das wird auch dieser Gesellschaft gut tun. Wir werden ihre Tätigkeit auf die internationale Investorenakquise und auf das Standortmarketing konzentrieren.

Die gesamte Außenwirtschaftsförderung wird neu aufgestellt. Auch wenn Sie den Begriff nicht gerne hören, meine Damen und Herren von der Opposition: Das werden wir wiederum gemeinsam mit den Kammern machen. Wir wollen auch hier weniger staatliche Angebote und mehr Marktnähe bei der Förderung insbesondere zu den kleinen und mittleren Unternehmen, übrigens auch speziell für die Außenwirtschaftsaktivitäten des Handwerks.

Meine Damen und Herren, wir gehen auch mit der Ziel-2-Förderung und der Regionalförderung anders um. Die finanzielle Grundlage für den Einsatz der EU-Strukturfonds in der Förderperiode 2007 bis 2013 ist gesichert. Ich habe gestern zusammen mit dem Europaminister Breuer die Eckpunkte der Öffentlichkeit vorgestellt. Rund 1 Milliarde € kann Nordrhein-Westfalen nach vorläufigen Berechnungen für die ehemaligen Ziel-2Strukturfonds – es gibt noch ein paar andere, aber ich meine das Gebiet, über das ich spreche – von der EU bekommen.

Bei der Kofinanzierung – da geht es noch einmal um denselben Betrag – werden wir neue Wege gehen. Neben Geldern des Bundes, des Landes und der Kommunen, die schon bisher eingesetzt wurden, sollen in Zukunft verstärkt auch Drittmittel von privater Seite als Kofinanzierungsbeiträge durch die EU anerkannt werden.

Ich bin auch zuversichtlich, dass wir das schaffen. Bei Ziel 1 ist es bereits verabredet auf dem Gipfel. Wir sind gerade dabei, unsere Vorstellung in die Beratungen des Europaparlaments einzubringen.

Die neue Förderperiode folgt der Lissabon-Strategie: Stärken stärken. Die Kommission wird keine mikrogeographische Abgrenzung von Fördergebieten mehr vorgeben. Das gibt uns die Möglichkeit, die Mittel, die wir als Land haben, im Wettbewerb der Regionen um die besten Ideen und die besten Konzepte zu organisieren. Die Mittel werden zukünftig dazu genutzt, die Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft und die zukünftige Wissensgesellschaft in allen Teilen des Landes zu forcieren. Förderschwerpunkte werden KMUs und Existenzgründer sein. Es wird aber auch weiterhin möglich und nötig sein, einen erheblichen Teil der zukünftigen Efre-Strukturmittel für den Strukturwandel in besonders benachteiligten Stadtteilen und Regionen insbesondere im Ruhrgebiet zu nutzen.

Ein Kennzeichen der neuen Wirtschaftspolitik besteht darin, dass die Landesregierung mit öffentlichen Mitteln anders umgeht. Vieles können wir uns nicht mehr leisten. Das verschweigen wir nicht, sondern darüber reden wir mit den Menschen, und wir werben um ihre Zustimmung.

Dafür bieten wir bei der Ansiedlung eine professionelle Begleitung sowie die profilierte und qualifizierte Herausbildung von Standorten an. Die Unternehmen verstehen dies übrigens und akzeptieren es durchaus. Gefälligkeitszusagen, die unter strengen ökonomischen Gesichtspunkten im Vergleich zu anderen Vorhaben deutlich unterliegen

würden, wird es mit dieser Landesregierung nicht mehr geben.

(Beifall von der CDU)

Wir reden – und das wird im Land, übrigens auch im Ruhrgebiet, verstanden – über die Wirklichkeit, wir nutzen den Sachverstand und bieten Problemlösungen. Deshalb hellt sich die Stimmung auf.

Das hat vielleicht etwas damit zu tun, dass die neue Landesregierung die Probleme benennt und offen ausspricht, was zu tun ist.

Wir werden unsere Vorstellungen auch in ein nationales Energiekonzept einbringen. Dabei wird es neben der Wahrung unserer Interessen in Bezug auf Bedingungen und das Ausmaß der zukünftigen Nutzung fossiler Energieträger – schließlich ist Nordrhein-Westfalen ein Land, in dem viele stromintensive Unternehmen ansässig sind – auch darum gehen, wie im neuen Energiekonzept die Preiswürdigkeit und die Klimaverträglichkeit eines Ausstiegs aus der Kernenergie dargestellt werden soll. Ich bin sehr gespannt auf konkrete Hinweise.

Meine Damen und Herren, die Notwendigkeit, über die Aspekte Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Klimaschutz im Rahmen eines nationalen Energiekonzepts zu diskutieren, ist überfällig. Wir stehen dafür, dass wir auf dieser Basis unsere Interessen sowohl hinsichtlich des sozialverträglichen Ausstiegs aus der subventionierten Steinkohle als auch hinsichtlich niedriger Strompreise in die Debatte einbringen.

Meine Damen und Herren, dabei geht es um sehr viele modernste Technologien, in denen Nordrhein-Westfalen führend ist. Das reicht bis zur möglichen Nutzung – wir möchten dies möglichst bald – der Brennstoffzelle. Dann müssen wir – Herr Priggen, Sie behaupten immer das Gegenteil; wir möchten hier nämlich keinen neuen Reaktor bauen – gemeinsam dafür streiten, dass diese Technologie, in der wir führend waren und zum Teil noch sind, für die sicherste Nutzung zur Verfügung steht. Dafür müssen wir werben.

(Beifall von CDU und FDP)

Deshalb stehen die Sicherheitsforschung und die Fortentwicklung auch in der gemeinsamen Koalitionsvereinbarung. Sie können sich vorstellen, dass wir mit Ihnen sehr bald über Einzelheiten – auch über die Neuformulierung eines Konzepts für erneuerbare Energien – sprechen werden.

Dabei geht es keineswegs nur darum, wie es hier häufig dargestellt wird, hier im Land, in NordrheinWestfalen bei allen möglichen Elementen der er

neuerbaren Energien große Beiträge zu organisieren – Stichwort: Windkraft. Vielmehr geht es um den Erhalt und die Nutzung dieser modernen Technologien für den Export. Es geht um den Export in Länder, in denen sie besonders geeignet sind.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Es macht niemand etwas kaputt. Sie sollten unsere Anträge lesen. Wir haben sogar klargestellt, dass das Repowering nicht nur möglich bleibt, sondern ausdrücklich gewünscht wird. Wir möchten aber gerne, dass das dort passiert, wo es auch Wind gibt.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir sind stolz darauf, dass uns der neue Bundeswirtschaftsminister bereits schriftlich zugesichert hat, dass er im nationalen Allokationsplan 2 die Wünsche und Erwartungen, die die Energiewirtschaft in Nordrhein-Westfalen an die Fortschreibung hat, mit trägt. Das heißt, dem Umsetzen des tatsächlich beabsichtigten Kraftwerkserneuerungsprogramms im Land steht nichts mehr im Weg.

Wir freuen uns auf sehr viele große Investitionen im Land und sagen Ihnen gleichzeitig: Wer hier den Eindruck erweckt, Wohlstand, Zukunftsfähigkeit und Beschäftigung seien durch alle möglichen Ausstiege am allerehesten zu erreichen, und gleichzeitig in einer Weise organisiert, dass sich die Industrie nicht nur nicht besonders wohl fühlt, sondern sogar als Störfaktor begriffen wird, der verpasst die Zukunft des Landes.

(Beifall von CDU und FDP)

Deshalb werden wir – und das sehr nachdrücklich – den Energie- und Industriestandort NordrheinWestfalen qualifizieren. Denn wir wissen, dass er für die gesamte Wertschöpfungskette, die wir hier gerne haben wollen, Grundlage und Erfolgsmotor ist. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin, für die Unterrichtung, die wir als Landtag entgegengenommen haben.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion dem Abgeordneten Römer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Dieser Bericht war kurz und eine Mischung aus Liebe, Glaube und Hoffnung. Die Ministerin liebt ganz offensichtlich – das wurde wieder deutlich –

ihre eigene Ideologie. Sie glaubt ganz fest an die Selbstheilungskräfte des Marktes und auch an die Kammern, und sie hofft inständig darauf, dass sich die Wirtschaft selbst in Schwung bringt. Das, verehrte Frau Thoben, ist aber zu wenig für die Wahrnehmung der wirtschaftspolitischen Verantwortung in einem Land wie Nordrhein-Westfalen. So lässt sich der rasante Strukturwandel in unserem Land jedenfalls nicht erfolgreich gestalten.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, wir brauchen stattdessen eine aktive Wirtschaftspolitik. Wir brauchen eine Politik, die unterstützt und fördert, die Stärken ausbaut – das ist keine Frage –, gleichzeitig aber auch Schwächen beseitigen hilft. Sie haben davon überhaupt nichts erkennen lassen.

Ich habe Verständnis dafür, Frau Ministerin, dass Sie nach acht Monaten Regierungszeit noch keine vorläufige Bilanz ziehen wollen. Da ist auch noch nichts zu bilanzieren. Sie haben schließlich noch nichts bewegt und – das will ich ausdrücklich einräumen – auch noch nicht viel bewegen können. Deshalb bleiben wir – Sie haben das gerade wieder einmal angekündigt – gespannt darauf, wann Sie endlich mit konkreten wirtschaftspolitischen Maßnahmen kommen werden.

(Beifall von der SPD)

Heute muss ich mich vor allem auf das Konjunkturgutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung stützen. Dieses Gutachten gibt ohne Frage Anlass zur Freude; ich will das ausdrücklich herausstellen. Das gibt deshalb Anlass zur Freude, meine Damen und Herren, weil deutlich wird, dass es in Deutschland insgesamt und vor allem in Nordrhein-Westfalen wirtschaftlich aufwärts geht.

(Zuruf von der CDU: Seit der neuen Regie- rung!)

Das ist ein gutes Signal und eine gute Botschaft besonders für die Menschen in NordrheinWestfalen, die sich um diesen Aufschwung bemüht, dafür eingesetzt und gearbeitet haben. Denen will ich im Namen meiner Fraktion bei dieser Gelegenheit ausdrücklich danken, denn die haben den Dank allemal verdient.

(Beifall von der SPD)

Das Gutachten gibt auch deshalb Anlass zur Freude, weil damit klar wird, dass die Lage und die Perspektive der nordrhein-westfälischen Wirtschaft längst nicht so düster sind, wie das von CDU und FDP bisher immer behauptet worden ist. Ich sage das ohne jede Häme: Die Landesregie

rung kann jetzt die ersten Früchte auch dessen ernten, was wir über Jahre geduldig und beharrlich auch mit Rückschlägen versehen und oft gegen den erbitterten Widerstand aus den Reihen von FDP und CDU mit unserer Wirtschaftspolitik gesät haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Zurufe und Lachen von CDU und FDP)

Hören Sie gut zu! – Wir stellen jedenfalls heute fest: Die mühsame und beharrliche Aufbau- und Umbauarbeit der rot-grünen Koalition hat sich unter dem Strich für die nordrhein-westfälische Wirtschaft und damit für die Menschen gelohnt. Sie beginnt sich langsam auszuzahlen und sorgt für neuen Schwung.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Frau Thoben, deshalb – das will ich ausdrücklich herausstellen und anerkennen – geht es wirtschaftspolitisch dort am besten, wo Sie einfach da weitermachen, wo wir begonnen, die Grundlagen gelegt haben – das bestätigt im Übrigen auch das Gutachten –:

(Dietmar Brockes [FDP]: Um Gottes willen!)

bei der Mittelstandsförderung, bei der Stärkung der NRW-Bank, beim Bürokratieabbau, bei der Gründungsoffensive; ich könnte die Liste verlängern. Nicht nur der ostwestfälische Modellversuch ist erfolgreich.

(Dietmar Brockes [FDP]: Wer hat den denn blockiert? – Herr Clement!)

Die Geschwindigkeit, die Gründlichkeit und die Rechtssicherheit unserer Genehmigungsverfahren halten inzwischen jedem internationalen Vergleich stand. Deshalb ist es unsinnig und ausschließlich ideologisch motiviert, wenn Sie, Frau Thoben, jetzt offensichtlich die regionalisierte Strukturpolitik, eine Erfolgstory in Nordrhein-Westfalen und für Nordrhein-Westfalen, beerdigen wollen. Es gibt da zweifellos Verbesserungsbedarf, im Übrigen auch beim Tariftreuegesetz. Aber beides zu beseitigen, dafür gibt es keine vernünftigen Gründe. Deshalb ist es richtig, dass die Gewerkschaften protestieren und Alarm schlagen.