Protocol of the Session on January 18, 2006

Jetzt kommen wir zum Elterngeld. Ich stimme mit der Position überein, dass das Elterngeld und die Menge an Geld, die man jetzt in die Hand nimmt, um für die Familien etwas zu tun, so falsch eingesetzt sind.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Warum haben Sie das dann verhandelt?)

Wir reden als Landesregierung über unsere politischen Schwerpunkte. Wir sind ein Landtag und keine Podiumsdiskussion bei irgendeiner evangelischen oder katholischen Akademie. Wir reden als Landesregierung, und unsere Priorität ist der Ausbau der Betreuung, denn die Entscheidung für oder gegen Kinder hängt wesentlich davon ab, ob die Vereinbarkeit, ob das Betreuungsangebot vorhanden ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist die entscheidende Frage, die viele, wenn sie vor der Situation stehen, in die eine oder andere Richtung bewegt.

Das Elterngeld verkürzt das bisher gezahlte Erziehungsgeld auf ein Jahr. Damit ist allerdings keinem geholfen, denn wenn nach einem Jahr das Betreuungsangebot nicht da ist, wird die Grundfrage, wie ich Beruf und Familie miteinander vereinbaren kann, immer noch nicht beantwortet sein.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Richtig!)

Deshalb ist diese Prioritätensetzung – das haben wir als nordrhein-westfälische Landesregierung von Anfang an gesagt – der großen Koalition falsch. Es ist allerdings vorwiegend ein SPDModell, dem sich unsere Freunde der Union in der großen Koalition angeschlossen haben. Es ist im Ansatz falsch und es ist in der Ausgestaltung falsch. Wenn es heute ein Erziehungsgeld von 307 € gibt, das in Zukunft bei höheren Einkommen bis zu 1.800 € gezahlt wird, der Geringver

diener aber nur noch einen Sockelbetrag oder gar nichts mehr bekommt, dann ist das in höchstem Maße sozial ungerecht.

(Beifall von der CDU)

Wir werden das in allen Verhandlungen mit Berlin – über den Bundesrat und wo immer wir Einfluss nehmen können – in den nächsten Wochen einbringen.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Minister Laschet. – Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe auf:

2 Perspektiven der NRW-Wirtschaft im Jahr 2006

Unterrichtung durch die Landesregierung

Die Landesregierung hat mit Schreiben vom 9. Januar 2006 gebeten, die Unterrichtung auf die Tagesordnung zu setzen. Das haben wir getan.

Ich erteile der Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, Frau Thoben, das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich Ihnen heute positive Perspektiven der NRWWirtschaft für das Jahr 2006 schildern kann.

Wir haben eine Situation, wie wir sie schon seit Jahren nicht mehr hatten. Nordrhein-Westfalen kommt wieder. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung geht für das kommende Jahr von einem Wachstum von 1,5 % aus. Das wäre das stärkste Wachstum seit fünf Jahren. Es würde bedeuten, dass Nordrhein-Westfalen den Rückstand zum Bund aufholt und wieder an die Entwicklung im Bundestrend anschließt.

Die Essener Forscher sehen einen deutlichen Trend seit Mitte des letzten Jahres. Seitdem belebt sich die Konjunktur in Nordrhein-Westfalen. Treibende Kraft waren zunächst die Exporte, die im dritten Quartal 2005 den Vorjahreswert um fast 10 % überschritten haben. In der zweiten Jahreshälfte hat zudem die Produktion von Industriegütern spürbar angezogen und liegt vermutlich – die endgültige Berechnung wird das zeigen – sogar

mit einem Plus von 3 % über dem Bundeswert von 2,8 %.

Treiber der Konjunktur ist die Industrieproduktion, deren Wachstum sich mit 3,3 % noch etwas beschleunigt. Die Zuwächse konzentrieren sich auf Vorleistungsgüter mit einem Plus von 4 % und auf Investitionsgüter mit einem Plus von 3,5 %.

Ich betone ausdrücklich: Wir sind ein Industrieland, und Wachstum ist bei uns von der Stärke der Industrie unmittelbar abhängig.

Die wachsende Industrieproduktion erhöht auch die Wachstumsraten bei den unternehmensnahen Dienstleistungen, die ebenfalls überdurchschnittlich expandieren, während der Bereich der haushaltnahen Dienstleistungen stagniert. Bedingt durch das starke Wachstum bei den unternehmensnahen Dienstleistungen erwarten die Konjunkturforscher bei den Dienstleistungen insgesamt einen Zuwachs von 1,5 %, was ebenfalls über dem Bundeswert von 1,1 % liegt.

Trotz dieser konjunkturellen Besserung – das füge ich hinzu – werden wir im Jahresdurchschnitt des Jahres 2006 die derzeit viel zu hohe Arbeitslosigkeit nur geringfügig unterschreiten. Aber auch hier gilt: Die Konjunkturforscher rechnen im Verlauf des Jahres mit einer allmählichen Besserung.

Meine Damen und Herren, man kann sagen – wir hoffen natürlich, dass sich das verfestigt –: Die bitteren Jahre scheinen überwunden zu sein. Wir haben erstmals wieder eine Chance, nicht nur auf das Prinzip Hoffnung, sondern auf ein sich stabilisierendes Wachstum zu setzen und damit auch absehbar wieder zu mehr Beschäftigung zu kommen.

Wir haben uns vorgenommen, mit der Wirtschaftspolitik dieses Landes und den Politiken quasi aller Ressorts diese Chancen zu nutzen und durch entsprechende Politik zu unterstreichen.

Für mich steht der Mittelstand im Zentrum. Ein erstes Mittelstandspaket ist verabschiedet. Die Novellierung und Aufhebung, vielleicht auch die Aufhebung des Mittelstandsgesetzes, haben wir verabredet sowie die Aufhebung des Tariftreuegesetzes. Übrigens: Außer dem Begriff ist an diesem Gesetz nichts Gescheites.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Fragen Sie einmal die Gewerkschaften!)

Ich kann Ihnen sagen, Herr Eumann: Wenn man sich bei Ihnen noch daran erinnern könnte, was die Vertreter Ihrer Landesregierung uns in Vermerken zu diesem Gesetz hinterlassen haben – das haben wir nämlich inzwischen gefunden –,

dann wüssten Sie, dass die Ihnen dringend davon abgeraten haben, so etwas auf den Weg zu bringen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir werden zusammen mit den Kammern Gründungsagenturen, zentrale Anlaufstellen einrichten. Auch wenn Sie immer wieder behaupten, wir wollten dabei die kommunale Wirtschaftsförderung ausschließen, so stimmt dies dennoch nicht; die sind längst mit dabei.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Viel zu spät!)

Das sagen Sie.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Nachträg- lich dazu gekommen! – Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Oh Gott, ich lach mich tot. Danke für die Anregung, Frau Kraft.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Jetzt komme ich zu einem besonders schönen Punkt, den ich Ihnen gerne vortrage: Wir werden die Eignungsprüfung von Handwerkern, die sich ohne Meisterbrief selbstständig machen wollen, von den Bezirksregierungen auf die Kammern übertragen.

(Beifall von CDU und FDP)

Das, was Sie gemacht haben, ist bundesweit einmalig und zeugt nur von Misstrauen gegenüber den Menschen. Wir setzen auf Vertrauen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir setzen darauf, dass auch Selbstverwaltungseinrichtungen sich an Recht und Gesetz halten. Das scheint Ihnen ein völlig fremdes Denken zu sein.

Wir haben weitere konkrete Ziele für das nächste Mittelstandspaket. Wir werden den Zugang zu öffentlichen Aufträgen für den Mittelstand verbessern. Das wird bald sein. Wir setzen die Dinge um, die wir versprechen.

Das gilt übrigens auch beim Thema Ladenschluss. Wir werden die Ladenöffnungszeiten insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Weltmeisterschaft verändern – gastfreundlich und weltoffen. Möglich werden zu dieser Zeit Öffnungszeiten nicht nur werktags rund um die Uhr sein, sondern wir werden für Public Viewing und an den Spielstätten – selbstverständlich auch dann, wenn Spiele stattfinden – von der Möglichkeit der Ausnahme am Sonntag Gebrauch ma

chen. Man darf außerdem länger im Biergarten sitzen, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Finanzierungsbedingungen verbessern wir zusammen mit der NRW-Bank. Da gab und gibt es noch ein paar Lücken. Eines will ich ganz besonders herausheben; das ist die sogenannte Seed-Finanzierung. Es gab für innovative Existenzgründer ein großes Problem, weil das natürlich sehr riskant und, da noch kein Kapital vorhanden, ein besonders sensibles Marktfeld ist. Auch da haben wir zusammen mit der NRW-Bank etwas auf den Weg gebracht.

Wir gestalten auch die Wirtschaftsförderung neu. Wir hatten zwar eine schwierige Haushaltslage, aber wir können Ihnen sagen: Zum Beispiel werden die Gründungsförderung und die Meistergründungsprämie gegenüber dem Vorjahr sogar aufgestockt. Das machen wir deshalb, weil nachweislich – das ist ja von Ihnen vor zehn Jahren eingeführt worden, und insofern können Sie die Analyse wahrscheinlich nicht bestreiten – große Beschäftigungseffekte zu erzielen sind, wenn man auf diesem Feld Menschen ermutigt.

Wir sind gerade dabei, die Effizienz der zahlreichen Landesinitiativen zu überprüfen und hier mit der Wirtschaft zu neuen Verabredungen zu kommen. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie als alte Landesregierung einen Dschungel von ungefähr 38 Landesinitiativen ihr Eigen nennen können. Wir werden deren Ernsthaftigkeit und Sinnhaftigkeit auch daran messen, ob die beteiligten Unternehmen bereit sind, Geld mitzubringen, wenn sie da mitmachen.