Protocol of the Session on January 18, 2006

(Beifall von der FDP)

Damit, meine Damen und Herren, komme ich zu meiner letzten Bemerkung, zur Aufforderung der Kollegin Koschorreck: Sie haben uns ausdrücklich gesagt, Sie als SPD würden dafür sorgen, dass Schwarz-Gelb hier nicht aus der Verantwortung entlassen werde. – Da haben wir eine Gemeinsamkeit. Das sehen wir auch so. Diese Rollenverteilung können wir gerne auch die nächsten Jahrzehnte beibehalten. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Witzel. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Altenkamp das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus dieser Diskussion bleibt zunächst einmal festzuhalten, dass Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, bei der Betreuungsinfrastruktur im Land Nordrhein-Westfalen aktuell im Haushalt kürzen. Sie kürzen 104 Millionen € bei den Sachkosten nach dem Motto: Was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern? Als wir angefangen hatten, die Sachkosten in den Haushalten 2004/2005 ein Stück zurückzufahren, haben Sie das massiv kritisiert. Jetzt gehen Sie noch härter daran. – Das ist das Erste.

(Beifall von der SPD)

Das Zweite: Sie streichen die Zuschüsse für ausfallende Elternbeiträge bei den Kommunen um rund 85 Millionen € mit der Folge, dass die Kommunen die Elternbeiträge anheben müssen und Kinder aus Kindertageseinrichtungen abgemeldet

werden, weil sich eine ganze Reihe von Eltern diese Beiträge nicht leisten können.

Dann fragen Sie, Herr Lindner: Wieso? Die Eltern zahlen doch sowieso nur noch 13 %. Außerdem sind einige Kommunen damit ein bisschen lax umgegangen. – Kommen Sie sich mittlerweile nicht ein bisschen schäbig vor? Sie lügen die Leute an.

(Beifall von der SPD)

Sie versprechen das Blaue vom Himmel und erzählen heute: Alles, was wir tun, ist durchaus berechtigt und richtig. Am Ende wird es ganz sicher auf die Zustimmung der Eltern treffen.

Kommen wir einmal zu dem Zauberwort, das Sie immer verwenden: Wir bauen Familienzentren auf. – Ja, Sie bauen Familienzentren auf – irgendwann 2008/2009; denn dann erst wird es nach der Ankündigung des Ministers eine materielle, im Haushalt verankerte Unterstützung geben, vorher nicht. Vorher gibt es 2,5 Millionen € für ein Coaching der Einrichtungen, die Familienzentren wollen.

(Beifall von der SPD)

Gleichzeitig kürzen Sie aber die Familienhilfe, meine Damen und Herren, was bedeutet: Am Ende entziehen Sie der Infrastruktur für Betreuung, den Eltern in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr rund 186 Millionen €

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

und kommen dann mit 2,5 Millionen € für Coaching für die Einrichtungen, die Familienzentren werden wollen.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Heuchelei!)

Das ist wahrscheinlich das, was man – frei nach den Äußerungen in der Imagekampagne – „Simulation von Familienpolitik“ nennt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Gleichzeitig kündigt der Minister für 2007 15 Millionen € für den weiteren Ausbau von Familienzentren an. Damit sind wir am Ende summa summarum bei 171 Millionen €, die Sie der Infrastruktur im Augenblick entzogen haben.

Dazu kommt, dass Sie noch nicht einmal bereit sind, Herr Minister, die Zielperspektive „beitragsfreies Kindergartenjahr“ anzunehmen, wobei wir uns inhaltlich alle einig sind, wie wichtig das letzte Kindergartenjahr zur Schulvorbereitung, Sprachförderung etc ist – das erzählen auch Sie uns permanent im Ausschuss. Stattdessen erklären Sie: Das ist bis 2010/2012 für das Land Nordrhein-Westfalen nicht zu machen.

Wenn Sie als Familienpolitiker von Anfang an nach der Devise, finanzwirtschaftlich kann ich das sowieso nicht verwirklichen und komme damit bei meinen Leuten wahrscheinlich nicht durch, an die Sache herangehen, kann ich nur sagen: Gute Nacht, Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen! Sie haben überhaupt nicht den Willen, diesen politischen Schwerpunkt in irgendeiner Form zu setzen,

(Beifall von der SPD)

sondern treten dem allgemeinen Chor bei: Jeder muss irgendwie kürzer treten und zum Haushalt beitragen.

Eines steht jedenfalls fest: Familienpolitik ist nicht Schwerpunkt dieser Regierung!

Dann komme ich noch einmal zu dem Elternbild, das Sie offensichtlich haben: Auf der einen Seite wollen Sie den Elternwillen bei der Frage der Grundschuleingangsbezirke stärken – herzlichen Glückwunsch –, auf der anderen Seite wird der Elternwille aber beschnitten, wenn es um die Wahl der weiterführenden Schulen geht.

(Beifall von der SPD)

Dieser Ministerpräsident hat in seiner komischen Regierungserklärung zum Jahreswechsel das Jahr für Kinder ausgerufen. Übrigens: So etwas habe ich noch nicht erlebt.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Eine Heuche- lei ist das!)

Das hatte nichts mit Landesvater zu tun, sondern das war eine Wahlkampfrede – aber egal.

(Sören Link [SPD]: Simulation des Landes- vaters!)

Wenn wir es genau sehen, dann haben Sie nicht das Jahr für Kinder ausgerufen, sondern das Jahr für Schulkinder. Da kann ich allen Familienpolitikern nur zurufen: Habt Acht! Nicht alles, was Kinder brauchen und benötigen, spielt sich in der Schule ab. Vieles davon – das zeigt Pisa, Sie haben es vorhin selber zugegeben – findet durch eine effektive Förderung weit vor der Schule statt.

(Beifall von der SPD)

Wenn Sie das familienfreundlichste Land werden wollen, dann orientieren Sie sich an RheinlandPfalz. Dort sind eine Menge Zielperspektiven benannt worden. Dort ist man in der Lage, einen familienpolitischen Schwerpunkt zu setzen. Warum? – Weil das Land eine Familienministerin hat, die bereit ist, mit den Kolleginnen und Kollegen auch in einen Streit zu gehen und zu sagen: Das ist ein

wichtiger inhaltlicher Schwerpunkt, das ist ein Standortfaktor.

Das ist der entscheidende Punkt: Familienpolitik muss eine andere Bedeutung bekommen.

(Beifall von der SPD)

Ein Letztes muss ich dazu noch hinzufügen: Das Familienbild und auch das Frauenbild, das Sie, Herr Laschet, in einem Interview in der „Rheinischen Post“ gezeichnet haben, das Herr Lindner gerade wieder und auch der Ministerpräsident dargestellt haben –

(Minister Armin Laschet: Was denn?)

auch was das Elterngeld betrifft und die Verpflichtung der Männer, sich an der Betreuung im ersten Jahr zu beteiligen –, erinnert mich ein bisschen an einen Sketch von Loriot – „der Kosakenzipfel“ –: Zwei Ehepaare sitzen sich gegenüber. Der eine Mann fragt den anderen: Was macht denn Ihre Frau? Er antwortet: Meine Frau reitet. Daraufhin die Antwort: Ich finde es schön, wenn Frauen etwas Eigenes haben. – Und Reiter werden ja immer gesucht.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Altenkamp. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Jarzombek das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Altenkamp, ich hoffe nur, Sie haben sich nicht die ganze letzte Nacht in Rage geredet, um hier gerade diese Vorstellung liefern zu können.

Ich darf Ihnen auf zwei der von Ihnen gerade erwähnten Punkte antworten. – Die FDP hat in der letzten Legislaturperiode genau das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei stellen wollen. Daraufhin hat Frau Koczy von den Grünen – ich darf das aus dem Ausschussprotokoll zitieren – gesagt:

„Weder 2004 noch 2005 sei der Vorschlag der FDP-Fraktion schulterbar. Das Konzept sei nicht seriös. Eine konzeptionelle Diskussion an sich sei … angebracht.“

Die führen Sie aber nicht; Sie haben ein sehr kurzes Gedächtnis.

(Beifall von der CDU)

Sie haben uns vorgehalten, die Haushaltsansätze für Familienzentren wären viel zu gering. – Ich glaube, das macht den Unterschied zwischen unserer und der von Ihnen in der Vergangenheit betriebenen Politik aus: Wir testen das erst einmal in

einem überschaubaren Rahmen, wir denken nach, bevor wir das überall einführen. Flexible Schuleingangsphase – nehmen Sie das als Beispiel! –, verkürzte Schulzeit, Zentralabitur, all das sind Dinge, mit denen Sie angefangen haben und dann auf die Nase gefallen sind, weil Sie es nicht vernünftig vorbereitet haben.

(Beifall von der CDU – Heiterkeit von der SPD)

Aber ich freue mich, dass gerade Sie heute mit uns über Familienpolitik diskutieren wollen. Denn dann müssen Sie sich auch mit Ihrer eigenen, der von Ihnen produzierten Bilanz auseinander setzen:

Zum Ersten sind Sie nach zwei Perioden RotGrün sowohl im Land als auch im Bund allein verantwortlich für die niedrigste Fertilitätsrate in allen uns umgebenden Staaten von nur 1,3. In Frankreich und Irland kommt man auf Werte von 1,9. Das liegt im Wesentlichen an der dortigen Betreuungssituation.