Wissen Sie, was die Milchbauern, die uns gestern hier im Landtag aufgesucht haben, uns darüber berichtet haben? – Sie benennen diese Kredite als das, was sie für viele Betriebe sind: eine Insolvenzverschleppung. Die Großbetriebe nehmen diese Liquiditätshilfe, um damit größere Ställe bauen zu können. So sieht das aus.
Trotz des vielen Geldes, das in diesem Bereich ausgegeben wird, führt diese Politik heute immer noch dazu, dass die Starken immer stärker werden und die Schwachen, sprich: die Familienbetriebe, auf der Strecke bleiben. Ob in der Milchpolitik in Nordrhein-Westfalen oder bei der Unterstützung zum Ausbau der Biolandwirtschaft oder auch bei der Regionalvermarktung – Ihre Programme haben in den letzten Jahren nicht dazu beigetragen, eine multifunktionale, eine flächendeckende Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen für die Zukunft zu sichern und den landwirtschaftlichen Betrieben ein Einkommen zu garantieren. Viele sind von dieser Politik enttäuscht und werden am 9. Mai sehr wohl wissen, dass sie den Wechsel wählen.
Das haben sie mir mitgegeben; denn die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher will keine Politik, die die große industrielle Landwirtschaft fördert und voranbringt. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
Liebe Frau Kollegin, Sie haben eben etwas von Verdrängungswettbewerb zwischen größeren und kleineren Betrieben erzählt. Abgesehen davon, dass man das nicht in allen Punkten nachvollziehen kann, frage ich Sie: Was sagen Sie denn dazu, dass Herr Folgart, der im Schattenkabinett von Steinmeier Agrarminister werden sollte, in Brandenburg ganz gezielt Flächen aufkauft, um seinen Großbetrieb zu arrondieren und ständig weiter wachsen zu lassen und damit Kleinbetriebe ins Aus stürzt? Vielleicht könnten Sie dazu, wie sich Ihre Leute verhalten, einmal etwas sagen.
Herr Deppe, ich bin Abgeordnete im Landtag Nordrhein-Westfalen. Ich bin bemüht, Politik für die Menschen hier in Nordrhein-Westfalen zu machen. Ich kämpfe dar
um, dass flächendeckend hier im Land, ob im Bergischen, im Sauerland oder auch in der Eifel, unsere Landwirte und die Familienbetriebe eine sichere Zukunft haben. Ihr Programm aber, das Sie hier vorlegen, ist rückwärtsgewandt.
Vielen Dank, Frau Kollegin Watermann-Krass. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Kollege Remmel das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben heute hier – gestern hatten wir das schon einmal – einen zweiten Antrag der Koalitionsfraktionen, mit dem wieder sehr viel Papier beschrieben wurde. Ich nenne ihn Torschlusspanik II. Warum müsste man so viel aufschreiben, wenn man doch auf gute Ergebnisse in der Legislatur verweisen könnte? Offensichtlich hat Sie hier das schlechte Gewissen eingeholt, dass Sie diese Legislatur hinsichtlich einer Neuaufstellung einer Politik für den ländlichen Raum verschlafen haben. Die Entwicklung ist an Nordrhein-Westfalen vorbeigegangen. Das genau ist das Problem, das vor uns liegt. Die Vorarbeiten hätten geleistet werden müssen, weil 2013 tatsächlich eine Veränderung auf uns zukommt.
Hier im Land hat man aber Politik gemacht – das ist die Politik der Koalitionsfraktionen, aber auch des Ministers – nach dem Motto: Es darf nicht sein, was nicht sein darf. Man hat einfach die Augen verschlossen und das, was auf uns zukommt, schlichtweg ignoriert. Die Vorarbeiten sind in NordrheinWestfalen nicht geleistet worden.
Die Kollegin hat es bereits gesagt: Nicht nur jetzt müssen wir diskutieren, sondern wir hätten schon längst Vorbereitungen dafür treffen müssen, dass es zu einer Veränderung der Finanzströme kommen wird; es wird weniger werden, und es wird weggehen von der einzelbetrieblichen Förderung. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Sie aber haben das verleugnet, ignoriert und die Augen davor verschlossen. Das muss man Ihnen vorwerfen.
Nun wird das mit Blick auf die Zukunft nicht helfen. Das heißt, wir müssen in der nächsten Legislatur das beschleunigt nachholen, was Sie in den letzten fünf Jahren versäumt haben, nämlich eine wirkliche Regionalentwicklung vorzubereiten, die Gefäße dafür zu kreieren, dass die Mittel, die von der EU kommen, tatsächlich auch in regionale Projekte fließen können. Das wird nicht einfach sein. Man kann nämlich nicht einfach irgendetwas aus dem Boden stampfen. Regionalentwicklung braucht seine Zeit.
Das ist die Zukunft der Agrarförderung in NordrheinWestfalen. Nach wie vor wird es einzelbetriebliche
Förderung für kleine und mittlere Betriebe geben. Arbeit, Mensch, Natur, Umwelt, Heimat – das werden die Stichpunkte zukünftiger Agrarförderung sein. Subventionen werden weniger in Großbetriebe fließen, weniger zu RWE, weniger in die verarbeitenden Betriebe, sondern dorthin fließen, wo man sich an Umwelt, Natur und Arbeit orientiert. Das ist die Zukunft. Vor dieser Zukunft – das muss hier festgestellt werden – haben Sie die Augen verschlossen.
Am drastischsten deutlich wird das im Ökolandbau. Diese Entwicklung ist an Nordrhein-Westfalen vorbeigezogen. Öko ist an Nordrhein-Westfalen vorbeigeboomt. Das zeigen alle Zahlen.
Schauen Sie sich die Statistiken an, schauen Sie in Ihre Bilanz! Daraus wird deutlich, dass es gerade nach dem Regierungswechsel, als Sie die Kappung aus ideologischen Gründen beschlossen haben, einen deutlichen Knick in der Entwicklung des Ökolandbaus in Nordrhein-Westfalen gegeben hat. Das war gerade zu der Zeit, als der Boom eingesetzt hat. Deshalb haben wir im Land die Entwicklung der letzten Jahre verschlafen. Hier müssen wir dringend wieder aufholen, weil es nach wie vor Zuwachsraten gerade im ökologischen Landbau gibt.
Sie haben – auch das muss in der Bilanz festgehalten werden – die Konflikte, die es mit der Landwirtschaft gibt, in der Tat nicht gelöst.
Wer zukunftsfähige Landwirtschaft und Agrarpolitik in Nordrhein-Westfalen will, muss die Konflikte in einem so dicht besiedelten Land auch mit den Menschen in den Dörfern lösen. Dies betrifft insbesondere die gerade in den Dörfern im Münsterland vorgetragene Frage nach der zunehmenden Agrarindustrie. Diese Konflikte müssen gelöst werden. Dies gilt ebenso für die Konflikte mit dem Artenschutz; das haben wir gestern diskutiert. Auch da sind wir kein Stück vorangekommen. Bei der Frage des Flächenverbrauchs haben Sie versucht, sich einseitig in die Büsche zu schlagen. Aber die wirklichen Konflikte, beispielsweise mit dem Wohnungsbau, mit den Gewerbeflächen und mit dem Straßenbau,
sind Sie nicht angegangen. Oder nehmen Sie die tatsächlichen Auswirkungen der Landwirtschaft im Bereich Gülle, also die Nitratbelastung einerseits und die Belastung Richtung Feinstaub- und Nährstoffeinträge andererseits! Diese Konflikte haben Sie nicht gelöst, sondern eher verdrängt. Insofern fällt Ihre Bilanz negativ aus.
Wenn man dann noch ganz konkret in die Bereiche schaut, wo wirklich Ihre „eigenen Leute“ sitzen, etwa bei den Milchbauern: Sie haben in dieser Legislatur
eine klare Entscheidung getroffen. Die Milchbauern sind dabei hinten runtergefallen. Sie haben sich für die Schweinemäster und die Ackerbauern entschieden, aber die Milchbauern in Nordrhein-Westfalen haben Sie fallen lassen. Das ist eine klare, strategische Entscheidung gewesen. Das muss man Ihnen auch an jeder Stelle vorhalten; denn hier wird auch die Zukunft der Landschaft der Menschen in bestimmten Regionen entschieden. Sie haben sich gegen diese Art der Agrarpolitik für Milchbauern entschieden.
Deshalb bedeutet das unterm Strich: Fünf schlechte, verlorene Jahre für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Landwirtschaft in NordrheinWestfalen. Das wollen wir am 9. Mai gemeinsam in einer Konstellation auf dieser Seite verändern. –
Das war der Abgeordnete Remmel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Als nächster Redner hat nun für die Landesregierung Herr Minister Uhlenberg das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass der Antrag der Koalitionsfraktionen zur Landwirtschaft in NordrheinWestfalen als Tagesordnungspunkt 3 der letzten Plenarsitzung dieser Wahlperiode behandelt wird. Meistens wurde diese Materie unter „Weitere Tagesordnungspunkte“ abgehandelt.
Meine Damen und Herren, dies ist nie der Bedeutung der Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen gerecht geworden. Ich weiß, die Wahrnehmung der Landwirtschaft in einem Industrieland wie Nordrhein-Westfalen ist immer etwas komplizierter und schwieriger, als es etwa in Niedersachsen oder Bayern der Fall ist. Aber Nordrhein-Westfalen ist der drittwichtigste Agrarstandort in der Bundesrepublik Deutschland. In der Landwirtschaft und der Ernährungswirtschaft gibt es über 400.000 Arbeitsplätze; dort arbeiten mehr Menschen als bei Kohle und Stahl. Ich möchte auch hier noch einmal die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen hervorheben.
Worum ging es in diesen vergangenen fünf Jahren? – Die Landwirte haben darauf gewartet, nicht weiter gegängelt und nicht weiter von oben herab behandelt zu werden. Sie wollten von dieser Landesregierung gute, verlässliche Rahmenbedingungen. In den vergangenen fünf Jahren ist es uns gelungen, solch gute, verlässliche Rahmenbedingungen für
unsere Landwirtschaft auf den Weg zu bringen. – Dafür, insbesondere für die politische Unterstützung, möchte ich mich sehr herzlich bei den Koalitionsfraktionen bedanken.
Der Landwirt ist Unternehmer und will als Unternehmer wahrgenommen werden. Wir haben inhaltlich stark gearbeitet, wir haben uns auf die nächsten Jahre vorbereitet, in denen wir auch die politische Verantwortung in Nordrhein-Westfalen tragen möchten. Gemeinsam mit Wissenschaftlern, Landwirten, Verbänden, Biobauern, der Landjugend und den Landfrauen haben wir mit „Landwirtschaft 2020“ ein schlüssiges Konzept auf den Weg gebracht. Das hat es in Nordrhein-Westfalen früher nicht gegeben. Dort werden klare Aussagen gemacht, wie es mit unserer Landwirtschaft in den nächsten Jahren weitergeht.
Der Strukturwandel wird sich in der Landwirtschaft weiter fortsetzen; das ist klar. Wir haben eine eindeutige Aussage zur Milchpolitik getroffen. Ich möchte das aufgrund der knappen Zeit heute nicht vertiefen, sondern nur anmerken: Während der Quotenregelung ist die Zahl der Milchviehbetriebe in Nordrhein-Westfalen von 30.000 auf 8.000 gesunken. Das Auslaufen der Quotenregelung ist von Frau Künast und den damaligen Agrarministern auf den Weg gebracht worden.
Es geht darum, dass wir die gesamte Landwirtschaft mitnehmen – das wird die Landesregierung weiter tun –: ob Grünlandbetriebe, Ackerbaubetriebe, ob erneuerbare Energien, ob Naturschutz oder Veredelung. Das ist unsere große Aufgabe.
Der Strukturwandel geht weiter. Aber, meine Damen und Herren, was hochinteressant ist: Wir haben in der Landwirtschaft inzwischen wieder mehr Arbeitsplätze, als es noch vor fünf Jahren der Fall war. Die Betriebe stellen wieder ein. Wir haben gut ausgebildete, junge Bäuerinnen und Bauern. Gerade die grünen Berufe haben in diesen vergangenen fünf Jahren einen Aufschwung erfahren. Dafür bin ich dankbar.
Die Agrarreform ist wichtig. Wir brauchen auch in Zukunft eine starke erste Säule und eine starke zweite Säule. Ich bin froh, dass ich dazu mit den Agrarministern der anderen Länder, auch denen der SPD-geführten Länder, eine einheitliche Meinung vertrete. Das ist noch einmal auf der Agrarministerkonferenz am 18. September so beschlossen worden. – Was die SPD hier in Nordrhein-Westfalen erzählt, ist weit von dem entfernt, was die Agrarminister in den anderen Ländern praktizieren.
Meine Damen und Herren, für mich gibt es während der nächsten Wahlperiode drei große Herausforderungen auf dem Gebiet der Landwirtschaft:
Wir müssen in den nächsten fünf Jahren weiter Konflikte lösen, wenn es um solche Fragen geht: Nahrungsmittel auf der einen und nachwachsende Rohstoffe auf der anderen Seite, Veredelung auf der einen Seite, Biogas auf der anderen Seite. Das ist ein Konflikt, der heute insbesondere in den starken Veredelungsregionen in Nordrhein-Westfalen auftritt und der gelöst werden muss. Das EEG ist gut, aber es kann nicht sein, dass der eine Bereich staatlich garantierte Preise bekommt, während sich der andere am Markt behaupten muss. Darin muss das EEG möglicherweise flexibler sein, da muss nachgebessert werden. Das habe ich mir als Minister für die nächste Wahlperiode vorgenommen.
Ein zweiter wichtiger Punkt: Nordrhein-Westfalen ist das am dichtesten besiedelte Bundesland. Wir müssen die Akzeptanz für Veredelung und für landwirtschaftliche Betriebe wieder stärken. Im Rahmen der Veredelung brauchen wir die höchsten technischen Standards, sonst erreichen wir in einem dicht besiedelten Land keine Akzeptanz. Auch dieses Problem möchte ich in den nächsten fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen lösen.