Protocol of the Session on March 24, 2010

Ich eröffne die Beratung und erteile dem Abgeordneten Sagel als Antragsteller das Wort.

(Minister Karl-Josef Laumann: Mein Gott, was muss man sich hier alles anhören!)

Herr Minister Laumann, Sie sollten erst einmal Ihre braune Vergangenheit in diesem Landtag aufarbeiten, bevor Sie solche Reden halten.

(Lebhafter Widerspruch von der CDU)

Es ist wirklich unglaublich, dass über 40 Abgeordnete hier im Landtag gesessen haben, bei denen vom Landtagspräsidium immer noch veröffentlicht wird, dass sie bei der NSDAP waren, dass Sie in einer Partei sind, die diese Vergangenheit nicht aufgearbeitet hat, und dass Sie selber die Blockflötenparteien im Osten problemlos in Ihre Partei integriert haben. Das ist Ihre Politik. – Das an dieser Stelle dazu.

(Zuruf von der CDU: Rüpel!)

Ich komme zum Thema. Da sind wir nämlich bei der FDP, bei den Extremisten von der FDP. Lang ist es her, dass Franz-Josef Strauß über die Liberalen als Linkspartei – man beachte das Wort Linkspartei – hergezogen ist. Das war 1976 zur Zeit der sozialliberalen Koalition.

Die heutige FDP ist vom sozialliberalen Gedankengut meilenweit entfernt. Sie ist marktradikal, extremistisch und damit im Kern als verfassungsfeindlich einzuschätzen.

(Unruhe)

Diese Partei missachtet prinzipiell das Sozialstaatsgebot des Artikel 20 Grundgesetz und verletzt damit jeden Tag im Kern Artikel 1 des Grundgesetzes, der die Würde des Menschen als oberstes Gut durch die Verfassung schützt.

So ist es unter anderem auch durch das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 zur Berechnung der Hartz-IVRegelsätze festgestellt worden, einer massiven und langjährigen Menschenrechtsverletzung in Deutschland, zu deren vorrangigen geistigen Urhebern auch die FDP gehört. Doch selbst vor dieser deutlichen Warnung des höchsten deutschen Verfassungsgerichts hat sich die FDP nicht auf den Boden der Verfassung zurückholen lassen, wie die maßgeblich von ihrem Bundesvorsitzenden, Guido Westerwelle, inszenierte Debatte über angebliche spätrömische Dekadenz der Ärmsten unter den Armen in Deutschland zeigt.

Was Sie völlig vergessen haben, ist: Bei den Spätrömern war es so, dass dies eine Dekadenz der Eliten war. Und genau für diese Dekadenz der Eliten stehen Sie auch hier. Ich nenne als Stichworte nur Mövenpick-Partei, Millionen-Spenden, Senkung der Mehrwertsteuer. Das ist Ihre Politik, Klientelpolitik bis zum Abwinken. Den Leuten steht es bis hier.

In dieser Debatte wurde auch deutlich, dass die FDP weiterhin mit dem Artikel 14 Grundgesetz offensichtlich nicht klarkommt, nämlich: Eigentum verpflichtet. Anders ist es nicht zu erklären, dass die FDP Steuersenkungen für Vermögende und Spitzenverdiener ohne jeden Blick für die Realitäten und verfassungsrechtlichen Gebote verlangt. Wir haben heute schon mehrfach gehört, wie die Situation ist. Sie wollen neue Steuersenkungen noch vor dem Wahltag am 9. Mai, damit Sie Ihre Chancen verbessern. Das ist die Politik, die Sie hier machen – gegen das Land NordrheinWestfalen, gegen die Kommunen in NordrheinWestfalen.

Sie verlangen, um jeden Preis eine Kopfpauschale einzuführen, bei der jedes Prinzip Bismarck’scher Sozialgesetzgebung ins Gegenteil verkehrt werden soll. Dass breitere Schulte mehr tragen können, gilt schon seit Bismarck. Aber das haben Sie mittlerweile längst vergessen und machen hier einen Manchester-Liberalismus – man könnte auch sagen: Kapitalismus –, für den Sie hier stehen und der wirklich hanebüchen ist.

Ich habe sehr deutlich gemacht, wie verfassungsfeindlich auch die FDP hier ist.

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist nicht akzeptabel! – Weitere Zurufe von der FDP)

Sie haben mehrfach mit Ihrem Innenminister Herrn Wolf vor dem Verfassungsgerichtsgerichtshof verloren.

Herr Kollege Sagel!

Sie haben vor dem Bundesverfassungsgerichtshof eine Klage verloren. Sie haben zweimal vor dem Gerichtshof in Münster Verfassungsklagen verloren. Das ist die Realität der FDP in Nordrhein-Westfalen.

(Fortgesetzt Zurufe)

Sie sind Extremisten. Das hat im Übrigen auch der „Spiegel“ in seiner Ausgabe vom 28.02.2010 festgestellt. Mit dieser Meinung bin ich nicht alleine. Ich bin in guter Gesellschaft. Auch die Redaktion des „Spiegel“ hat dies in Ihrem Artikel so beschrieben.

Herr Abgeordneter Sagel, ich möchte Sie in aller Ausdrücklichkeit darauf hinweisen, dass Sie sich hier unparlamentarisch geäußert haben,

(Beifall von CDU und FDP)

indem Sie hier den Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit erhoben haben. Das ist auch ehrenrührig. Ich muss Sie dafür rügen.

Als nächster Redner hat nun für die CDU der Abgeordnete Biesenbach das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Als es hieß, ich solle zu diesem Antrag reden, empfahl mir ein von mir geschätztes Mitglied dieses Landtages, die Rede auf ein Wort zu beschränken.

(Beifall von der CDU)

Ich will aber Herrn Sagel nicht die Ehre antun, seinetwegen gerügt zu werden. Denn das Wort begänne mit A, und es ist unschwer auch für ihn nachzuvollziehen, welches Wort damit gemeint ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Wer ihn hier erlebt hat, kann nur sagen: Die einzig richtige Antwort hat gerade Minister Laumann gegeben. Die Anträge von Herrn Sagel sind es in der Tat nicht wert, sich damit auseinanderzusetzen.

Wer eine Partei, die in 60 Jahren für die Bundesrepublik so viel geleistet hat wie die FDP, angefangen von Theodor Heuss bis zu Hans-Dietrich Genscher, als extremistisch darstellt, der kann hier nicht ernst genommen werden.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich sage das deshalb, weil ich damit zugleich auch Herrn Becker und Frau Löhrmann von den Grünen empfehlen möchte, ihre diesbezüglichen Äußerungen in der Debatte vom 11. März 2010 zurückzunehmen

(Beifall von CDU und FDP)

und sich dafür in aller Deutlichkeit zu entschuldigen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich habe auch eine Bitte an uns alle: Nehmen wir Herrn Sagel nicht ernst, und lassen wir uns nicht von ihm provozieren! Denn er möchte schlicht nur davon ablenken, dass es sich bei der Truppe, mit der er antritt, um eine Ansammlung von Chaoten und Extremisten handelt.

(Beifall von CDU und FDP)

Jetzt mögen Sie fragen, wie ich dazu komme. Ganz einfach: Man braucht ja nur in die Papiere hineinzuschauen. Auf dem ersten Bundeskongress am 5. April 2008 beschlossen die Linken ein Programm. Und dort heißt es:

Als Sozialistinnen, als Kommunistinnen, als Anarchistinnen kämpfen wir für eine libertäre, klassenlose Gesellschaft. Die berühmten zwei Gräben Reform oder Revolution bilden für uns keinen Widerspruch. Wir streiten für einen grundsätzlichen Systemwechsel.

Das ist nachzulesen im Verfassungsschutzbericht und nicht aus den Fingern gesogen.

Sie betrachten auch das Parlament hier als nichts anderes als ein Instrument. In demselben Programm heißt es weiter: Wir wollen die Bühne des Parlamentarismus für uns nutzen. – Sie machen also Theater. Und mehr als Theater ist es nicht.

Sollten die Wählerinnen und Wähler in NordrheinWestfallen Sie trotzdem in diesen Landtag wählen: Ich denke, wir werden mit Ihnen fertig werden. Denn so viel Fantasie haben Sie nicht, um uns auf die Nerven zu gehen. Und wir sollten Ihnen auch nicht die Ehre geben, länger dazu zu reden, so wie KarlJosef Laumann es sehr deutlich gesagt hat.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Biesenbach. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Kollegin Gödecke das Wort. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der politischen, aber noch viel mehr in der parlamentarischen Debatte gibt es Vergleiche und Bilder, die sich schlichtweg verbieten und unanständig sind und die diejenigen, die sie verwenden, und zwar nachhaltig und wiederholt verwenden, disqualifizieren und in eine politische Ecke stellen, wo sie sich selbst hingestellt haben und wo sie dann auch hingehören.

Es gibt Anträge, bei denen lohnt sich die politische Auseinandersetzung; sie macht sogar Spaß. Dieser Antrag gehört überhaupt nicht dazu.

(Beifall von SPD und FDP)

Es gibt Anträge, die sind geeignet, dass man sich mit dem Antragsteller auseinandersetzt. Dieser

Antrag gehört auch nicht zu dieser Sorte von Anträgen.

(Beifall von SPD und FDP)