Protocol of the Session on March 24, 2010

Bitte schön?

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das ist der Antrags- text!)

Genau. Darüber stimmen wir gleich hier ab.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Ist das in Ber- lin aufgeschrieben worden?)

Der vom FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle initiierten Debatte um verschärfte Repressionen hat sich mittlerweile auch die Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD, Hannelore Kraft, angeschlossen.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Falsch!)

So forderte Hannelore Kraft, Langzeitarbeitslose zu gemeinnütziger Arbeit heranzuziehen und ihre Arbeitsleistung allein symbolisch zu honorieren. Diese Forderung wurde in Übereinstimmung mit der SPD-Führung in Person des aktuellen SPDVorsitzenden Sigmar Gabriel sowie seines Amtsvorgängers Franz Müntefering als sozialpolitische Integrationsmaßnahme für nicht mehr auf den ersten Arbeitsmarkt Vermittelbare dargestellt.

Doch auch Langzeitarbeitlose haben ein Recht auf gute Arbeit. Auch sie stehen unter dem Schutz des Grundgesetzes. Der von Bundesaußenminister Guido Westerwelle initiierten Diskussion und seiner und Krafts Forderung nach einem Arbeitsdienst für Langzeitarbeitslose steht weiterhin das Grundgesetz gegenüber, das prinzipiell die Würde jedes Menschen, das Prinzip sozialstaatlichen

Handels sowie das Verbot von staatlicher Zwangsarbeit verteidigt.

Deswegen habe ich hier mehrere Punkte zur Abstimmung gestellt. Ich hoffe, dass Sie sich vielleicht eines Besseren besinnen und diesen Punkten zustimmen. Das werden Sie vermutlich nicht tun. – Ich danke.

Das war der Abgeordnete Sagel. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der CDU Frau Abgeordnete Middendorf das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich nur wundern. Ich stehe jetzt das erste Mal hier, Herr Sagel. Was Sie hier vorgetragen haben, war weder zum Antrag,

(Zurufe von der SPD: Das war der Antrag!)

noch macht es Sinn und Zweck, darauf einzugehen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich glaube, der große Themenbereich Hartz IV hat in den letzten Wochen sehr für Diskussionsstoff gesorgt. Dies greifen auch Sie auf, Herr Sagel. Der vorliegende Antrag mischt dabei munter verschiedene Ebenen wie die Bundespolitik – das haben Sie gerade deutlich gemacht – mit der landespolitischen Debatte.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Sie haben das falsch verstanden!)

Alles in allem kann ich mich nur wundern, Herr Sagel, dass Sie hier einen abenteuerlichen arbeitsmarktpolitischen Rundumschlag vornehmen. Ich kann mich nur wundern.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Sie sollen han- deln!)

Unter anderem greift der Kollege Sagel erneut das Thema Mindestlohn auf. Nach wie vor gilt für uns – und da möchte ich die Position der CDU und der Landesregierung anführen –: Zuständig für die Lohnfindung sind in erster Linie die Tarifpartner; das sollte eine politische Aufgabe sein.

(Beifall von CDU und FDP – Dietmar Brockes [FDP]: Das kennt der gar nicht!)

Deshalb ist es uns als CDU auch so wichtig, dass es funktionierende Tarifverträge gibt, und diese müssen für die jeweiligen Branchen bindend sein. Deshalb hat unser Arbeitsminister Karl-Josef Laumann die Tarifverträge im Friseurgewerbe, im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie beim Wach- und Sicherheitsdienst für allgemeinverbindlich erklärt. Deshalb haben wir in Nordrhein-Westfalen 230.000 Beschäftigte durch Allgemeinverbindlichkeitserklärungen vor Dumpinglöhnen abgesichert.

Wir haben uns in NRW keinesfalls aus der Verantwortung für die von Hartz IV Betroffenen verabschiedet. Im Gegenteil, Herr Sagel: Jahrelang hat sich die Landesregierung vehement für eine Erhöhung des Schonvermögens bei der Altersvorsorge stark gemacht,

(Beifall von der FDP – Prof. Dr. Gerd Boller- mann [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)

damit jemand, der privat vorsorgt und- das ist ganz entscheidend – eigentlich alles richtig gemacht hat, bei längerer Arbeitslosigkeit davon noch etwas übrig behält. Alles andere untergräbt doch das Vertrauen in den Sozialstaat und ist ungerecht.

(Beifall von CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wichtige arbeits- und sozialpolitische Initiativen und Impulse gingen immer wieder von der jetzigen Landesregierung aus. Ich erinnere nur an die nordrhein-westfälische Bundesratsinitiative im Jahre 2007. Dort haben wir doch explizit aufgezeigt, dass auch für Kinder von Hartz-IV-Empfängern die Teilhabe an Bildung nicht behindert werden darf.

Deshalb ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein weiterer Erfolg, nachdem wir uns lange für einen bedarfsgerechten Kinderregelsatz stark gemacht haben. Kinder brauchen einen Regelsatz, der sich ihrer Lebenswirklichkeit anpasst.

Auch im Bereich der geförderten Beschäftigung hat die Landesregierung immer wieder Programme ins Leben gerufen. Ich erwähne nur „Jugend in Arbeit plus“, mit dessen Hilfe 9.000 Arbeitslose eine reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden haben.

Oder ich möchte an das Landesprogramm „Integration unternehmen“ zur Schaffung von Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen erinnern.

Ein echtes Erfolgsmodell made in NordrheinWestfalen ist sicherlich das Kombilohnmodell, das unser Arbeitsminister Karl-Josef Laumann unermüdlich vorangetrieben hat. Die Fortführung auf Bundesebene mit der JobPerspektive ist eine Bestätigung für erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik aus Nordrhein-Westfalen.

Natürlich – das betone ich, Herr Sagel – kämpfen wir auf Landesebene weiter für Verbesserungen, zum Beispiel für einheitliche Tarifverträge in der Zeitarbeitsbranche, im Einzelhandel und bei den Pflegeberufen. Ein qualifizierter Mitarbeiter, der vollzeitbeschäftigt ist, muss von seinem Lohn auch leben können. Diesen Herausforderungen begegnen wir am besten durch verlässliche Politik für die Menschen in unserem Land. Das hat die CDU gemacht, und zwar – das sehe ich ganz entschieden so, Herr Sagel – ganz sicher nicht mit einem Antrag, wie Sie Ihn uns vorlegen, der einfach nur abenteuerlich und überhaupt nicht zielführend war. – Danke.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Middendorf. Auch an dieser Stelle Gratulation zu Ihrer ersten Rede hier im Haus.

Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der schon redeerfahrene Kollege Schmeltzer das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Dietmar Brockes [FDP]: Schaun wir mal!)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich denke, bei einem solchen Antrag kann man es recht kurz machen: Was der Kollege Sagel aufgeschrieben und eben abgelesen hat, ist ein verwirrtes Zusammenstammeln von populistischen Überschriften und trifft den Kern dessen, was den Menschen hilft, überhaupt nicht.

(Beifall von der CDU)

Es ist das Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen tatsächlicher Diskussionsinhalte; ansonsten würden Sie Frau Kraft nicht mit Herrn Westerwelle gleichsetzen. Das zeigt, dass Sie die Inhalte überhaupt nicht verstanden haben.

Es gibt eine Vermengung von Allgemeinplätzen: Sie fordern zum einen Änderungen im SGB II, zwei Punkte später fordern Sie die Abschaffung. Das war ein typischer Beweis dafür, dass Sie wirklich nicht regierungsfähig sind.

Ich denke, Herr Sagel, halten Sie es mit den Äußerungen Ihrer Spitzenkandidatin heute Morgen in den „Ruhr Nachrichten“, konzentrieren Sie sich auf die Opposition und – wenn es nach mir geht – am besten außerhalb dieses Hauses. – Danke sehr.

(Beifall von SPD, CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Witzel das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Witzel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe ja gerne die Positionierung meines Vorredners gehört, die in den letzten Tagen und Wochen längst nicht bei allen auf Ihrer Seite so klar und so erkennbar gewesen ist.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Aber, Herr Witzel, es ist schon spät am Abend!)

Sie arbeiten ja an der Revision von Hartz. Das durften wir in den letzten Wochen erleben. Sie haben mit all dem, was Sie früher beschlossen haben, heute nichts mehr zu tun. In der Tat hat die dunkelrote Linkspartei von Herrn Sagel damit angefangen zu intonieren, Hartz sei Armut per Gesetz. Dann kamen die Grünen hinterher, und jetzt hört man es

immer stärker auch aus Ihren Reihen. Sie müssen sich entscheiden, wenn Sie sich für die Zukunft aufstellen, wie Sie es sehen.

Wir halten den Antrag für Populismus. Deshalb hat er hier auch keine vertiefende Erörterung verdient. Er ist gespickt mit Übertreibungen und eine große Augenwischerei, die Herr Sagel vorgelegt hat.

Ich möchte ein paar kurze Bemerkungen zu Hartz IV machen, weil hier immer wieder von der Opposition bewusst falsche Dinge transportiert werden.

Wir als FDP haben immer ein konstruktiv-kritisches Verhältnis gehabt. Wir haben viele Grundsätze, die neu geregelt worden sind, durchaus begrüßt und daran deshalb mitgewirkt. Wir haben aber sehr wohl auch deutlich gemacht, dass es handwerkliche Fehler, eine zu große Kompliziertheit des Regelwerks gibt. Deshalb bestehen Reformnotwendigkeiten für eine Verbesserung.

Ich darf stichwortartig darauf verweisen: Wir sind diejenigen gewesen, die sich ganz maßgeblich in dieser Koalition in Nordrhein-Westfalen für eine Aufstockung des Schonvermögens eingesetzt haben, weil das in unsere Philosophie passt: Wer arbeitet, muss mehr haben, Herr Schmelzer, als derjenige, der nicht arbeitet. Das mögen Sie anders sehen. Unsere Philosophie ist – noch einmal zum Mitschreiben –: Wer arbeitet, muss mehr haben, als derjenige, der nicht arbeitet.