Das sind alles konkrete Vorschläge. Ich denke, dass wir hier einen sehr guten Maßnahmenkatalog vonseiten der Linken vorgelegt haben.
Das war der fraktionslose Abgeordnete Sagel. – Als Nächster spricht für die Landesregierung Herr Minister Dr. Wolf.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir alle sind uns einig, dass sich die Kommunen wie auch das Land und der Bund in einer schwierigen finanziellen Lage befinden. Das ergibt die Analyse zweifelsfrei.
Allerdings wird die Frage, wer die Verantwortung an dieser Stelle trägt, deutlich unterschiedlich beantwortet. Ich möchte dem Redner der SPD nur ein Zitat zurufen, das man der Presseerklärung der Kommunalen Spitzenverbände vom 10. März entnehmen kann:
Wir haben ein größeres Ausgaben- als ein Einnahmeproblem, und das trotz intensiver Sparpolitik in den Kommunen seit Jahren. Insbesondere müssen Lösungen gefunden werden, um die Dynamik der steigenden Sozialausgaben zu stoppen.
Daran zeigt sich eben auch, dass es nicht an den fehlenden Landeszuwendungen liegt. Hier ist oft von mir vorgetragen worden – ich will es gerne wiederholen –, dass zwischen 2006 und 2010 10 Milliarden € mehr in die Kassen der Kommunen geflossen sind als zwischen 2001 und 2005, also in der Periode, in der Sie noch die Verantwortung getragen haben. Sie sehen also, in dieser Periode ist mehr gekommen. Aber es reicht bei den Kommunen nicht, weil sie im Zusammenhang mit den Sozialausgaben explosionsartige Kostensteigerungen haben.
Das haben wir nun, neben der wichtigen Frage der Gewerbesteuerpflicht, zum Thema gemacht. Es ist vieles Richtige zur Volatilität und Konjunkturreagibilität dieser Steuer gesagt worden. Bundesweit lag das Gewerbesteueraufkommen im Jahr 2008 bei 31,1 Milliarden €, 2009 bei 26,4 Milliarden €. Das entspricht in etwa dem – das haben auch andere heute vorgetragen –, was in Nordrhein-Westfalen herausgekommen ist. Welcher Haushalt soll so etwas verkraften können? Also muss hier auf Dauer Remedur her. Das haben wir seit vielen Jahren gesagt.
Herr Jäger, nur ganz am Rande – zugleich auch für den geschätzten Kollegen Moron, der ebenfalls ans Pult treten wird –: Als Sie Anfang des Jahrtausends die damaligen Steuererleichterungen beschlossen haben,
die sich natürlich auch unmittelbar auf die Gewerbesteuer ausgewirkt haben, kann ich mich nicht entsinnen, dass damals unter sozialdemokratischer Verantwortung irgendetwas passiert ist.
Wir haben jetzt die Gemeindefinanzkommission eingerichtet, um zum einen die Frage der strukturellen Verteilungsgerechtigkeit zu klären – die Herr Jäger zu Recht angesprochen hat –: ob nämlich der Bund mit seinen Leistungsgesetzen nicht mehr verspricht, als er durch Zahlungen nach unten weiterreicht.
Das heißt, bei der Gewerbesteuer diskutieren wir über einen Ersatz, nicht über ihre Abschaffung. Bei jeder Diskussion, die Rot-Grün anzettelt, wird Schwarz-Gelb vorgehalten, wir wollten sie abschaffen. Das ist mitnichten die Wahrheit, sondern wir wollen einen planbaren, verlässlichen Ersatz. Natürlich muss der Bund dazu Hilfestellung leisten; denn dabei geht es um Modelle, die sich letztlich um eine bessere Beteiligung an der Mehrwertsteuer drehen. Da ist der Bund natürlich mit im Boot.
Auch bei den Soziallasten ist er mit im Boot. Wenn man – wie es der Kollege Lux vorgetragen hat – bei den KdU, bei der Eingliederungshilfe und der Grundsicherung für ältere Menschen explosionsartige Steigerungen hat, hat das nichts, aber auch gar nichts mit der Gesetzgebung des Landes zu tun. Nichts ist durch dieses Parlament und durch die diese Regierung tragenden Koalitionsfraktionen verursacht.
Übrigens sind diese Dinge strukturell in Ihrer Regierungszeit im Bund angelegt worden. All das – Hartz IV – ist beschlossen worden, als Rot und Grün mit sozialdemokratischen Finanzministern die Verantwortung getragen haben.
All dies wird jetzt korrigiert, und ich hoffe, dass wir entsprechende Ergebnisse erreichen können. Dass dies in einer Zeit, in die die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg fällt, natürlich schwierig ist, darüber sind wir alle uns im Klaren. Ich habe schließlich gerade gesagt, auch die anderen Haushalte sind in Not.
Mir wäre es lieb, wenn sich auch die sozialdemokratischen Vertreter in der Gemeindefinanzkommission für dieses Thema engagieren würden. Das habe ich nicht erlebt. Das lief nach dem Motto „Nichts hören, nichts sehen, nichts sprechen“.
Als wir, Herr Linssen und ich, die Soziallasten dort nachhaltig thematisiert haben, waren Ihre Vertreter ganz still. Da war nichts zu hören, da war Schweigen angesagt.
Ich meine, das steht im Widerspruch dazu, wenn Herr Gabriel auf öffentlichen Plätzen erklärt, es müsse etwas passieren. Dann soll er mal seinen Leuten in der Kommission sagen, dass wir den Bund von der Länderseite nachdrücklich auffordern müssen, etwas für unsere Kommunen zu tun; denn wir treten für dieselben ein.
Es sind einige Dinge angesprochen worden, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Das Thema Ausbildungsverbot ist von Ihnen schlichtweg in falscher Weise interpretiert worden. Wenn es um den
eigenen notwendigen Bedarf geht, zum Beispiel um Nachwuchs bei der Feuerwehr, gibt es überhaupt keine Schwierigkeit, auszubilden.
Aber es kann nicht sein, dass Kommunen, die über Jahre hinweg im Vergleich zu ähnlich gestellten Kommunen einen zu hohen Personalbestand hatten und jetzt schreiben, sie müssten Personal reduzieren, dann über Bedarf ausbilden. Das kann nicht funktionieren. Wenn jemand überschuldet ist, wenn jemand pleite ist, kann es nur um den notwendigen Bedarf gehen.
Über all das haben wir uns, auch mit den Vertretern der Kommunalen Spitzenverbände, x-mal ausgetauscht. Insofern ist der Weg vorgezeichnet. Natürlich darf ausgebildet werden, um Personal zu ersetzen.
Lassen Sie mich noch zwei, drei Sätze zu den sogenannten Rettungswegen sagen, die von der SPD und auch von den Grünen jedes Mal präsentiert werden.
Wenn die SPD einen Rettungsschirm von 5 Milliarden € zulasten des Landes vorschlägt, steht das in eklatantem Widerspruch zu den Krokodilstränen, die sie ständig über die Verschuldung des Landes vergießt. Das heißt, wir müssen gemeinsam Wege finden, wie wir auch unter Beachtung dessen, was Herr Engel gesagt hat – eigene Anstrengungen und eine Verbesserung der Lage betreffend die Bundesebene –, zu tragfähigen Lösungen kommen.
Wenn am Ende nur noch die Forderung nach Auflösung des Solidarpakts bleibt: Wer glaubt denn, dass so etwas, wofür man laut Grundgesetz notwendige Mehrheiten braucht, ernstlich geschehen wird? Das ist eine Forderung, die man erheben kann; das passiert auch allenthalben. Aber sie ist unrealistisch, sie ist aus meiner Sicht chancenlos. Diejenigen, die bislang von dem Pakt profitieren, werden eine entsprechende Sperrminorität ausüben, und dann wird das nichts werden.
Wir müssen auf die machbaren Punkte gehen, die in der Gemeindefinanzkommission angesprochen worden sind. Das ist das Thema der planbaren dauerhaften Finanzierung der Kommunen im Rahmen des Ersatzes der Gewerbesteuer. Wir müssen auch das Thema der besseren Dotierung der Sozialleistungen der Kommunen angehen. Das, was heute die Kommunen vor Ort leisten müssen, ist nicht ihre originäre Aufgabe.
Für die allgemeinen gesamtgesellschaftlichen Lebensrisiken muss der Bund stärker in Haftung genommen werden. Dafür wollen wir kämpfen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, es ist gut, dass sich der Landtag zum Ende der Wahlperiode noch einmal intensiv mit der Frage der kommunalen Finanzen auseinandersetzt. Das ist eines der großen zentralen Probleme unseres Landes, neben der Bildungspolitik. Ich habe den Eindruck, auch aus fünf Jahren Arbeit als Vorsitzender dieses kommunalpolitischen Ausschusses, dass wir in der Lösung der Probleme, vor denen die Kommunen stehen, in diesen fünf Jahren eigentlich keinen wesentlichen Schritt vorangekommen sind.
Das, was sich bei den Kommunen an finanziellen Überdehnungen mittlerweile abspielt, das ist in der Tat dramatisch. Ob man das nun „Kommunen in Not“ nennt oder eine andere Formulierung findet, ist völlig egal. Die Kommunen haben einen negativen Finanzierungssaldo.
Im vergangenen Jahr 2009 – die Abrechnungen liegen noch nicht endgültig vor – haben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen in den ersten drei Quartalen ein Minus von 1,77 Milliarden €. Das heißt, in den ersten neun Monaten – und das hat sich natürlich in den letzten drei Monaten 2009 auch so fortgesetzt – haben die Kommunen rund 1,7 Milliarden € weniger eingenommen, als sie ausgeben mussten. Das wird sich 2009 sicherlich noch deutlich auf über 2 Milliarden € erhöhen und im Jahre 2010 noch einmal eine dramatische Steigerung bekommen.
Vor diesem Hintergrund sind alle Diskussionen – auch die, die von Herrn Engel hier noch einmal geführt wurden – absurd, weil sie einfach an den Problemen vorbeigehen.
Ich habe schon sehr gestaunt, als wir in einer Anhörung mit kommunalen Vertretern zusammengesessen haben, dass Sie dann, Herr Engel, noch einmal darauf hingewiesen haben, dass man doch Standesämter zusammenlegen könnte und dass das einen Teil der finanziellen Probleme – zwar nur ein bisschen, aber auch – lösen könnte. Das ist eine Denkstruktur, die weit weg ist von der kommunalen Realität und mit ihr überhaupt nichts mehr zu tun hat.
Auf der Zuschauertribüne sitzen Auszubildende der Stadt Essen, die die Sorge haben, dass sie nicht mehr übernommen werden und dass sie ihre Ausbildung nicht fortsetzen können. Denen wird gesagt: Das geht nicht, weil die Stadt Essen quasi – wie andere auch – pleite ist.
90 % aller Kommunen werden innerhalb der nächsten fünf Jahre – ich vermute, sehr viel früher – keinen ausgeglichenen Haushalt mehr haben, sondern im Nothaushalt sein bzw. in einer vorläufigen Haushaltsführung. Das ist eine Zahl, die uns Frau Prof. Färber umgekehrt vorgerechnet hat. Sie hat gesagt: 10 % werden noch einen ausgeglichenen Haushalt haben. Das bedeutet, 90 % nicht mehr. Das kommt aufs Gleiche heraus.
Ich frage mich: Wie gehen wir mit dem Thema um? – Sehr geehrter Herr Lux, ich schätze Sie persönlich sehr, aber das, was Sie hier wieder vorgetragen haben, kriege ich nicht zusammen. Sie kommen doch auch aus einem kommunalen Bereich. Sie fühlen sich doch auch für die Kommunen verantwortlich, so wie wir auch.
Da frage ich mich jetzt: Wo sind eigentlich die Lösungsvorschläge, die Anregungen der Koalitionsfraktionen gewesen, mit denen wir uns im kommunalpolitischen Ausschuss hätten auseinandersetzen müssen?