Protocol of the Session on March 10, 2010

Wir glauben, dass die Landesregierung dabei gescheitert ist, die organisierte Kriminalität effektiv zu bekämpfen. Sie hat sie auch nicht zu einem wirklichen Schwerpunkt erklärt. Wir sind dafür und treten dafür ein, dass man die kriminalpolizeiliche Arbeit in diesem Bereich noch einmal überprüft und mit den Ressourcen versieht, die nötig sind, um einem solchen Phänomen, wie ich es gerade nur andeutungsweise beschreiben konnte, entgegenzutreten.

Alle, die damit befasst sind, wissen, dass es heute in Berlin und Brandenburg eine große Razzia gegeben hat. Wir können durchaus davon ausgehen, dass wir es hier nicht mit isolierten Straftaten zu tun haben, sondern mit einem größeren Problem, das nicht nur Nordrhein-Westfalen betrifft, sondern auch andere Bundesländer. Deswegen bedanke ich mich noch einmal ganz herzlich für die Unterstützung des Kollegen Kruse, der ja gesagt hat: Wir brauchen auch bundespolitische Initiativen. Die haben wir in diesem Antrag auch noch einmal gefordert. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kollege Clauser.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag ist überschrieben: „Gegen Bandenkriege energisch vorgehen und rechtsfreie Räume verhindern – Verbot … sorgfältig prüfen!“ Ich habe mir die Frage gestellt, Herr Rudolph: Machen Sie sich wirklich Sorgen über rechtsfreie Räume hier in Nordrhein-Westfalen? Oder geht es Ihnen mehr um die Diskreditierung der Polizeiarbeit in Nordrhein-Westfalen? Oder wollen Sie zum wiederholten Male, wie Ihrem Antrag zu entnehmen ist, die Menschen im Lande mit falschen Zahlen und falschen Behauptungen hinters Licht führen?

Ich möchte zunächst feststellen, dass dieses Thema, das Ihnen, meine Damen und Herren der SPDFraktion, angeblich so unter den Fingernägeln brennt, auf Ihren Antrag hin in der Sitzung des Innenausschusses am 10. Dezember 2009 vertagt wurde. Das Protokoll der Sitzung des Innenausschusses vom 28. Januar 2010 belegt, dass nach einem ausführlichen Bericht des Innenministers kein großer Diskussionsbedarf Ihrerseits vorhanden war. Und warum? Weil Sie erkannt haben, dass der Innenminister und die Polizei in Nordrhein-Westfalen beim Vorgehen gegen die Rockerbanden hervorragende Arbeit geleistet haben! Zu dieser Erkenntnis gratuliere ich Ihnen natürlich sehr herzlich.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der von mir gerade angesprochene Bericht des Innenministers – Vorlage 14/2986 – zeigt in einer detaillierten Auflistung, wie unsere Polizeikräfte nach dem Tötungsdelikt vom 8. Oktober 2009 in Duisburg ihrer Arbeit nachgekommen sind.

Aber auch schon weit vorher haben sich die Sicherheitsbehörden intensiv mit der Gewaltbereitschaft von Rocker- und Motorradbanden beschäftigt, dies erfasst und analysiert. Internationale und europäische Sicherheitsbehörden pflegen einen regelmäßigen Austausch miteinander.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat mit anderen Bundesländern und dem Bund eine Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität entwickelt, die auf der Innenministerkonferenz große Zustimmung erfahren hat.

Aber zurück zu den Vorfällen der Rockerbanden im Herbst! Ich möchte hier jetzt nicht den ausführlichen Bericht des Innenministers wiederholen; er liegt Ihnen allen vor. Aber: Der Bericht zeigt deutlich, welche zeitnahen Maßnahmen des LKA und das federführende Polizeipräsidium Münster durchgeführt haben – und das mit Erfolg. Nur so viel: Es wurden 1.244 Kfz überprüft, 4.375 Personen durchsucht, identifiziert, 170 Sicherstellungen durchgeführt und mehrere Schusswaffen sichergestellt. Und es kam auch noch zu Verhaftungen.

Seit Mitte Dezember ist keine Gewalttat zwischen den verfeindeten Rockerbanden hier in NordrheinWestfalen mehr zu vermelden. Natürlich stehen die Rockerbanden unter ständiger Beobachtung und, wenn nötig, scheuen wir uns auch nicht vor einem Verbot. Hierbei ist aber zu bedenken: Ein Verbot dieser Gruppen beseitigt nicht die Gewaltbereitschaft in den Köpfen.

Diese zeitnahen und erfolgreichen Maßnahmen sind nur möglich gewesen, weil entgegen Ihrer Behauptung, sehr verehrter Herr Dr. Rudolph, die Polizei in Nordrhein-Westfalen organisatorisch und personell gut aufgestellt ist. Und dies ist die Leistung der schwarz-gelben Regierungskoalition.

Wir haben mit dem veränderten Polizeiorganisationsgesetz und dem Drei-Säulen-Konzept die Polizei von überflüssiger Bürokratie entlastet und die Organisation gestrafft. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Personalkürzungen mit 1.429 Stellen, die Sie in den Jahren 2004 bis 2008 geplant hatten, durch uns korrigiert wurden: 841 Stellen sind nicht gestrichen worden, und wir haben die Neueinstellungen mit 1.100 Polizeianwärtern pro Jahr verdoppelt. Von daher haben wir hervorragende Arbeitsbedingungen.

Die NRW-CDU steht mit ihrem Koalitionspartner für Stabilität und Sicherheit. Wir dulden, um das noch einmal deutlich zu sagen, keine rechtsfreien Räume und werden auch weiterhin alles Erforderliche tun,

damit sich die Bürgerinnen und Bürger in unserem wunderschönen Bundesland sicher fühlen. Dies werden wir – das versichere ich Ihnen – auch in der nächsten Legislaturperiode erneut unter Beweis stellen. – Herzlichen Dank.

Oh, das passt genau!

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Clauser. Punktlandung! Das haben Sie richtig gesehen. – Als Nächster spricht Kollege Engel für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rudolph, Sie haben aus dem Innenausschuss richtig zitiert. Die Polizei in NRW hat alles im Griff. Sie ist von Organisation und Personalstärke her gut aufgestellt. Das Land hat mit anderen Ländern und dem Bund eine Bekämpfungsstrategie „Rockerkriminalität“ entwickelt – das wissen Sie –, der die Innenministerkonferenz im Oktober 2009 zugestimmt hat. Auf die begangenen Rechtsverstöße und Gewalttaten wurde konsequent reagiert. Alle denkbaren taktischen Mittel wurden eingesetzt – ebenso alle notwendigen polizeigesetzlichen und strafprozessualen Mittel.

Im November 2009 wurde dem Polizeipräsidium Münster die landesweite Zuständigkeit bei der Bekämpfung der Rockerkriminalität in NRW übertragen. Schon nach vier Wochen wurde die Zuständigkeit wieder aufgehoben. Grund dafür war, dass sich die Lage zwischen den Rockerbanden in NordrheinWestfalen wieder eher unauffällig zeigte, und das bis heute.

Die Verhinderung weiterer Gewaltexzesse, eine beweissichere Strafverfolgung und die Sicherheit der Bürger haben allerhöchste Priorität. Wer möchte daran zweifeln? Rechtsfreie Räume werden selbstredend keinesfalls zugelassen.

Sie fordern in Ihrem Antrag eine sorgfältige Prüfung von Verbotsverfügungen gegenüber den Vereinen der Hells Angels und der Bandidos. Sehen wir den Grenzen und Möglichkeiten ins Auge! Der Innenminister kann ein Verbot nur unter engen Voraussetzungen aussprechen. Die Zwecke oder Tätigkeiten des Vereins müssen strafbar oder verfassungswidrig sein. Insofern bedarf es mehr als – in Anführungszeichen – „nur“ Straftaten einzelner Clubmitglieder.

Die Vereine sind aber nicht auf den Kopf gefallen. Sie versuchen alles, um eine Zurechnung von Straftaten zum Verein zu vermeiden. Das wissen auch Sie. Solange sich der Staat an Vereinsverboten nach § 3 Vereinsgesetz oder dem Nachweis der Bildung oder Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Strafgesetzbuch aber die Zähne

ausbeißt, sollte man sich ohne Veränderung der Sachlage nicht weiter darauf konzentrieren.

Was nützt ein Verbot überhaupt in der Praxis? Diese Frage muss man sich auch stellen. Zwar wäre kraft Gesetz – hier ist § 8 Vereinsgesetz einschlägig – auch eine Nachfolgeorganisation verboten. Die seltenen Beispiele von Verboten haben aber gezeigt, dass dafür dennoch Spielräume geschaffen würden. Dies zeigt sich nach dem Verbot der Düsseldorfer Hells Angels 2001 durch das Erscheinen entsprechender Rocker in Solingen. Das zeigte sich auch bereits nach dem Verbot der Hamburger Hells Angels 1983. Längst hat eine inoffizielle Nachfolgeorganisation aus dem nahen Mecklenburg namens Harbour City die Geschäfte übernommen.

Insofern können wir für Ihren Antrag, Herr Dr. Rudolph, keine Sympathie empfinden. Wir empfehlen, ihn abzulehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Für die grüne Fraktion spricht nun Frau Düker.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir meinen, dass uns der Antrag der SPD bei der Bekämpfung der Rockerkriminalität nicht wirklich weiterhilft.

Worum geht es? – Anlass der Auseinandersetzungen war der gewaltsame Tod eines 32-jährigen Bandidos-Mitglieds in Duisburg, der am 8. Oktober letzten Jahres erschossen wurde. Man nimmt an, dass Anlass für diese Gewalttat eher ein privater Hintergrund war. Darauf folgten Auseinandersetzungen zwischen den Rockerbanden Bandidos und Hells Angels, insbesondere im Ruhrgebiet. Duisburg, Solingen und Essen waren die Tatorte. Es wurde – Kollege Engel hat es erwähnt – die BAO, die Besondere Aufbauorganisation für die zentrale Koordinierung in Münster, gebildet. – So weit, so gut.

Was kam danach? – Die üblichen Reflexe! Ich finde, dass man hinterfragen sollte, warum nach all diesen Problemen sofort nach Verboten gerufen wird, ohne – das haben wir im Ausschuss in zwei Sitzungen, Herr Rudolph, ausführlich rechtlich hinterfragt und auseinander genommen – dass es Anhaltspunkte dafür gibt, nach dem Vereinsgesetz Verbote aussprechen zu können. Man sollte nicht meinen, Vereine verbieten zu können, wenn dafür nicht annähernd die rechtlichen Voraussetzungen vorhanden sind.

Im Übrigen hat sich im Rahmen dieser Verbotsforderungen – das ist immer so schön einfach bei der Politik – nicht nur die SPD hervorgetan, sondern auch der frühere Generalsekretär der CDU, Herr Wüst, der den Innenminister sofort, mal eben aus

dem Hemdsärmel aufgefordert hat: Jetzt wird verboten!

Ich glaube, dass uns das alles nicht weiterhilft. Ein Blick ins Vereinsgesetz und die Rechtsprechung zeigen die hohen Hürden auf. Beim Vereinsverbot geht es darum, dass konkrete Straftaten nachgewiesen werden müssen. Sie müssen nicht nur einzelnen Mitgliedern eines Vereines nachgewiesen werden, sondern sie müssen dem Verein zugeordnet werden können, mindestens der Führungsstruktur von Vereinen.

Das alles wissen wir. Die Rechtsprechung ist eindeutig. Die Ermittlungen angesichts dieser Vorfälle Ende letzten Jahres geben dafür nichts her. Das sollte man zur Kenntnis nehmen und mit diesen Reflexen „Dann verbieten wir mal eben“ aufhören. Das entscheiden nicht wir. Letztendlich bringt es niemandem etwas, wenn politisch laut rumgetönt, das aber schließlich von den Gerichten wieder einkassiert wird.

Wir setzen uns für eine vernünftige Strafverfolgung ein. Allerdings: Herr Engel, Sie sagten, dass die Polizei in NRW gut aufgestellt ist. Das würde ich anders bewerten. Das ist aber eine andere Geschichte, die wir an anderer Stelle diskutieren sollten. Für ein Verbot, meine ich, reichen die Anhaltspunkte nicht. Das sollten wir dann auch nicht öffentlich fordern. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Düker. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Dr. Wolf.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit „Im Westen nichts Neues“ kann man diesen Antrag überschreiben. Ich denke, Herr Rudolph hat auch nicht ernstlich erwartet, dass ihm diese Debatte in irgendeiner Weise hilft. Es ist völlig klar, dass wir eine Verharmlosung der Rockerkriminalität in keiner Weise zulassen, sondern dass wir sie als Teil einer Gesamtkriminalität verfolgen. Die nordrhein-westfälische Polizei ist da wachsam und analysiert und wertet das Ganze ständig aus. Wir sind auch erfolgreich gewesen. Das haben sowohl Herr Clauser als auch Herr Engel vorgetragen.

Es ist klar: Hundertprozentige Sicherheit gibt es in keinem Bereich potenzieller Kriminalität. Wir dulden aber auch keine rechtsfreien Räume. Wir haben – an der Stelle bin ich Frau Düker ausnahmsweise einmal dankbar – völlig klare Einschätzungen – jedenfalls bei drei meiner Vorredner –, dass ein Verbot dann aussichtslos ist, wenn es eben erkennbar nicht die Voraussetzungen des Gesetzes erfüllt. Hier hilft ein Blick ins Gesetz und beflügelt die Rechtsfindung. Da ist sicherlich der Gaul mit Ihnen

durchgegangen, Herr Rudolph. Es gibt keine Ansätze für einen vernünftigen Verbotsantrag und damit erst recht nicht für eine Verbotsaussprechung.

Dass Sie auch diesen Antrag wieder dazu genutzt haben, zu beklagen, was Sie immer beklagen, dass nämlich die nordrhein-westfälische Polizei personell und sachlich nicht ordentlich ausgestattet sei, ist einfach Ihr persönliches Drama: Sie müssen sich jedes Mal wieder vorhalten lassen – Herr Clauser hat es getan; ich will es gerne wiederholen –, dass wir die unselige Entwicklung in der Polizei Nordrhein-Westfalens umgekehrt und eben nicht abgebaut haben, wie der sozialdemokratische Innenminister in Brandenburg es übrigens gerade mit Verve wieder tut, sondern letztlich diejenigen im System gelassen haben, die Sie abbauen wollten. Dadurch, dass die Einstellungszahlen mit 1.100 mehr als verdoppelt wurden, werden im Jahr 2011 2.400 junge Polizisten mehr im System sein, als Sie jemals geplant hatten.

Alles das spricht eine eigene Sprache. Ich denke, wir sollten die Diskussion mit Blick auf die Zeit nicht weiter verlängern. Wir sind hier, glaube ich, richtig aufgestellt. Sie müssen sich fragen, was Sie alles in 40 Jahren Regierungszeit alles unterlassen haben. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/10658, den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10140 abzulehnen. Wer stimmt dieser Empfehlung zu? – CDU, FDP und Grüne. Wer stimmt dagegen? – Die SPD. Enthält sich jemand? – Herr Sagel hat auch dagegen gestimmt. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen und der Antrag abgelehnt.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, muss ich eine Rüge aussprechen. Sie betrifft Frau Abgeordnete Asch. Sie hat in der heutigen Plenarsitzung in einem Zwischenruf zu Tagesordnungspunkt 2, der Aktuellen Stunde zum Thema „Wann legt der Ministerpräsident alle Sponsoren offen?“, den Kollegen Stahl als Heuchler bezeichnet. Auch wenn die Debatte an diesem Tagesordnungspunkt von allen Seiten sehr engagiert geführt wurde,

(Frank Sichau [SPD]: Das war ein Bibelzitat!)

ist dieser Begriff unparlamentarisch und muss deshalb gerügt werden. Frau Asch, die Rüge ist ausgesprochen.

Wir kommen zu:

14 Politik darf nicht käuflich sein: Verbot von offener und verdeckter Einflussnahme von Konzernen und Lobbyisten