Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/10781
Ich eröffne die Aussprache. – Für die erste antragstellende Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Römer das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus, das der staunenden Öffentlichkeit und den entsetzten Menschen in Nordrhein-Westfalen seit Wochen geboten wird.
Da werden von der CDU gegen Geld Gespräche mit Ministerinnen und Ministern angeboten. Da wird der Ministerpräsident höchstpersönlich für Einzelgespräche auf Parteitagen, auf sogenannten Zukunftskongressen und anderen Parteiveranstaltungen der CDU gegen Sonderzahlung wohlfeil angeboten. Da kostet die Nähe zum Ministerpräsidenten Rüttgers bei öffentlichkeitswirksamen CDU-Veranstaltungen zahlungskräftigen Sponsoren fünfstellige Euro-Beträge. Da wird auch die fernsehgerechte Einspielung von Sponsoren am Tisch des Ministerpräsidenten gegen Bares in Aussicht gestellt. Da soll die Parteikasse der CDU mit der Vermarktung des Ministerpräsidenten Rüttgers aufgefüllt werden. Da wird die verfassungsrechtlich gebotene Trennungslinie zwischen Regierungsarbeit und Parteiarbeit von der Landesregierung und von der CDU nicht nur einmal vorsätzlich überschritten. Da schafft es dieser Ministerpräsident Rüttgers, meine Damen und Herren, bis in die Hitlisten der politischen Satiresendungen vorzustoßen.
Die Titel: „Rent a Rüttgers“, „Nordrhein bezahlen“, „Vermietung von Rüttgers wie ein Dixie-Klo“, sogar im ZDF.
Da wird, meine Damen und Herren, unser Land in einer Weise blamiert, bloßgestellt und dem Hohn und Spott der Öffentlichkeit ausgesetzt, wie das in der 60-jährigen Landesgeschichte noch nicht vorgekommen ist.
Da will uns dieser Ministerpräsident Rüttgers glauben machen, er habe von alledem nichts gewusst, er habe diese jahrelange Praxis seiner CDU, deren Vorsitzender er ist, gar nicht gekannt? Das Ganze, meine Damen und Herren, ist viel mehr als nur ein Stück aus dem Tollhaus, das Ganze ist eine Schande für unser Land.
Sponsoring bei Parteiveranstaltungen, Vermietung von Ausstellungsflächen – das ist nichts Ehrenrühriges,
das ist erlaubt, das ist transparent, und das ist dann normal, wenn die Mietpreise angemessen sind. Weil das aber so ist, meine Damen und Herren, kommt es sehr genau darauf an festzuhalten, was die CDU anders gemacht hat – und das über viele Jahre. Denn eines werden wir nicht zulassen: Wir lassen der CDU nicht durchgehen, dass sie jetzt versucht, ihre Finanzierungspraxis als allgemein üblich darzustellen.
Es ist das Alleinstellungsmerkmal der CDU, und es bleibt das Alleinstellungsmerkmal der CDU, den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen vermarktet und Gespräche mit ihm gegen Geld angeboten zu haben. Das ist ihr Alleinstellungsmerkmal.
Da können Sie noch so viel lamentieren, da können Sie noch so viel zu erklären versuchen: Dieser schlimme Fehltritt der CDU ist einzigartig. Sie können ihn gar nicht vergessen machen. Er bleibt an Ihnen kleben,
2004, meine Damen und Herren, hat die CDU diese Finanzierungspraxis begonnen. Damals noch in der Opposition hat sie ihren Parteivorsitzenden Rüttgers schon vermarktet. Als dieser Ministerpräsident geworden ist, hat die CDU gleich die Preise für Rüttgers erhöht – alles nachzulesen, alles bekannt, alles nicht mehr auszulöschen. Und das alles will Ministerpräsident Rüttgers, der CDU-Landesvorsitzender ist, nicht gewusst haben? Wer soll ihm das denn eigentlich glauben?
Die Menschen in unserem Land glauben Ministerpräsident Rüttgers jedenfalls nicht. Sie haben ein gutes Gespür dafür, wenn jemand versucht, sie hinters Licht zu führen. 80 % der Menschen in Nordrhein-Westfalen nehmen diesem Ministerpräsidenten nicht ab, nichts gewusst zu haben. Und das ist die erdrückende Mehrheit, die weit bis in die Reihen der CDU hineingeht, meine Damen und Herren.
Weil Sie auch gleich wieder versuchen werden, das Lied vom ahnungslosen Ministerpräsidenten und CDU-Landesvorsitzenden Rüttgers zu spielen, sage ich Ihnen in aller Offenheit: Das können Sie jemandem erzählen, der sich die Hose mit der Kneifzange zumacht.
Dieser Ministerpräsident, meine Damen und Herren, hat sich mit seiner Behauptung, nichts gewusst zu haben, in eine Sackgasse manövriert.
Da kommt er jetzt nicht mehr unbeschadet heraus, denn aufgeklärt hat die CDU, hat Herr Rüttgers überhaupt noch nichts. Jetzt gehören aber alle Karten auf den Tisch. Die CDU muss endlich klar Schiff machen. Sie muss offenlegen, wie ihre Finanzierungspraxis von Parteitagen, von Zukunftskongressen und anderen Veranstaltungen ausgesehen hat, welche Briefe von wem mit welchen Angeboten und mit welchen Preisen für welche Leistungen an Sponsoren geschrieben worden sind. Sie muss deutlich machen, welche Rolle dabei der Ministerpräsident gespielt hat – aktiv oder passiv. Solange Sie diese Aufklärung verweigern, solange steht Ministerpräsident Rüttgers bei den Menschen im Verdacht, nicht die Wahrheit gesagt zu haben.
Damit bin ich bei einem ganz entscheidenden Punkt: bei der Glaubwürdigkeit dieses Ministerpräsidenten. Wie hat er sich in diesem Hohen Hause aufgeplustert, mit dem moralischen Zeigefinger auf uns gezeigt, sich selbst moralisch so hoch gehoben, dass er jetzt ganz tief fällt; denn dieser Ministerpräsident ist an seinen eigenen Ansprüchen gescheitert.
Keine neue Bescheidenheit, keine Politik der Erneuerung, keine Politik der Ehrlichkeit und der Transparenz! Herr Ministerpräsident, Ihre Glaubwürdigkeit ist ganz tief in den Keller gefallen.
Und dieser Ministerpräsident, meine Damen und Herren, will sich mit Johannes Rau auf eine Stufe stellen.
Da kann ich nur sagen: Jürgen Rüttgers kann gar nicht so hoch gucken, um zu sehen, wie weit Johannes Rau mit seiner Lebensleistung politisch, ethisch und moralisch über ihm steht. Lichtjahre sind das, meine Damen und Herren, Lichtjahre!
Johannes Rau war authentisch, wahrhaftig und glaubwürdig. Er hat seine Regierungsarbeit als eine dienende Funktion, als Dienst an den Menschen verstanden und ausgeübt. Und bei diesem Ministerpräsidenten Rüttgers besteht der begründete Verdacht, dass er seine Regierungsarbeit nutzt, um den Verdienst seiner Partei, der CDU, ganz oben anzustellen. Das ist der Unterschied, meine Damen und Herren, zwischen Jürgen Rüttgers und Johannes Rau, und das bleibt der Unterschied.
Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die Fraktion der Grünen hat deren Fraktionsvorsitzende, Frau Löhrmann, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir die notwendige Debatte darüber führen, wie wir das Sponsoring von Parteien in Zukunft regeln wollen. Und es ist gut, wenn die CDU brutalst mögliche Aufklärung für künftiges Sponsoring verspricht. Auch ist zu begrüßen, wenn Wüst-Nachfolger Krautscheid immer wieder betont, dass es keine gekauften Gespräche gegeben hat, gibt oder geben wird. Nur: Den Kern des Problems haben weder die CDU noch Herr Krautscheid noch der Ministerpräsident bisher getroffen.
Wir reden heute über das Staatsverständnis der CDU und das Staatsverständnis dieser CDU/FDPRegierung.
Und wir reden über die Sponsoring-Affäre. Solange Fragen offen bleiben, wird der Vorhang nicht fallen. Ich will die offenen Fragen noch einmal klar machen:
Erstens. Der Ministerpräsident sagt, er habe von dem Brief nichts gewusst. Aber das ist nur ein Ablenkungsmanöver. Entscheidend ist nicht, ob er den Brief gekannt hat, sondern ob er von der Praxis wusste,
dass die CDU Gespräche mit dem Ministerpräsidenten zu Geld machen wollte oder gemacht hat, und ob er die Haltung, die dahintersteckt, bekämpft, geduldet oder befördert hat. Das ist die Kernfrage. Da habe nicht nur ich Zweifel.
Blicken wir zurück. Blicken wir in das Jahr 2004. Da gab es im Oktober, kurz vor dem Wahlkampf, einen Artikel im „Spiegel“ mit der Überschrift „Road-Show mit Rüttgers“ – ein Bericht über Sponsoren-Pakete mit Gesprächen mit Rüttgers und Top-VIP-Tischen. Erzählen Sie uns nicht, Herr Rüttgers, dass der damalige Spitzenkandidat der CDU diesen Artikel über sich im Spiegel nicht gekannt hat. Wir wollen heute wissen: Welche Konsequenzen hat der damalige wie heutige Parteichef daraus gezogen? Welche Konsequenzen haben Sie, Herr Rüttgers, als Ministerpräsident daraus gezogen?
Zweitens. Es bleibt auch offen: Gab es weitere solche Briefe mit entsprechenden Angeboten? Wie viele Briefe gibt es? War das durchgängige Praxis in der CDU-Parteizentrale? – Auch hier gibt es bisher keine Transparenz, auch wenn diese Transparenz immer wieder behauptet wird.