Sie werden mir zubilligen, dass wir, als wir im Jahr 2005 die Regierungsverantwortung übernommen haben, bei Hauptschule, Realschule, Gymnasium nur Nullnummern in Bezug auf die Einrichtung von Ganztagsangeboten vorgefunden haben, und diese Nullnummern hatten sich schon über zehn Jahre erstreckt. Und das haben wir geändert. Wir haben insbesondere deutlich gemacht, dass Förderungen gerade dort erforderlich sind, und wir sehen inzwischen eine entsprechend große Resonanz.
Von daher ist das die übliche Polemik. Durch diese Polemik werden Sie aber die Problematik „Diffamierung der Hauptschülerinnen und Hauptschüler“ nicht beheben. Ich kenne keine Schulform, in der so intensiv die Überleitung in den Beruf stattfindet, in der so intensiv Kontakte und Praktika vermittelt werden wie in der Schulform Hauptschule. Es ge
Ich kenne keine andere Schulform, in der man sich so intensiv um den Anschluss und nicht nur um den Abschluss kümmert wie in dieser Schulform. Deshalb ist es unredlich, mit dieser Polemik durch das Land zu ziehen. Sie lösen die Probleme dieser jungen Menschen nicht, wenn Sie sie diffamieren. Ich bitte darum zu sagen, wie das ist.
Unsere Politik ist relativ einfach: Wir stehen zu jeder Schulform. Es gibt Schülerinnen und Schüler, die besonderen Förderbedarf haben und in einem Großsystem – für sie haben wir die Gesamtschulen – gut untergebracht sind; es gibt genauso Schülerinnen und Schüler, die Probleme haben und Unterstützung brauchen, die aber im geschützten Raum, im kleinen System, besser gefördert werden.
Deshalb: kleine Grundschulen, kleine Förderschulen und auch kleine Hauptschulen. Das ist erforderlich, und daran werden wir gemessen. Es geht um den Unterricht und es geht verdammt noch mal nicht – zum einhunderttausendsten Mal –
um die Fragestellung „Schulform“. Es geht um die individuelle Förderung und darum, dass wir die Lehrerinnen und Lehrer entsprechend ansprechen. Das ist entscheidend. Dazu stehen wir.
Meine Damen und Herren, wer das Gymnasium abschaffen will, wer die Realschule abschaffen will, wer die Hauptschule abschaffen will, dem wünsche ich viel Spaß im Wahlkampf. Alle Eltern, auch die in den letzten Dörfern, werden merken, dass die Einheitsschule nicht das Allheilmittel für alle Probleme ist, die diese Gesellschaft hervorbringt. – Schönen Dank.
Damit ist die Rede von Herrn Kaiser beendet. Es gab eine Wortmeldung zu einer Zwischenfrage, aber er war schon fertig. – Jetzt kommt als nächster Redner für die FDP-Fraktion Herr Kollege Witzel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Grünen hat – was selten ist – etwas Zutreffendes festgestellt, als Frau Beer darauf verwiesen hat, dass das Ziel der FDP der Erhalt eines differenzierten, gegliederten und begabungsgerechten Bildungswesens ist – auch für die Zukunft.
Sie haben zu Recht darauf verwiesen, dass die geltende Beschlusslage der FDP vorsieht, dass wir uns keine weiteren Gesamtschulgründungen für Nordrhein-Westfalen wünschen.
Sie haben des Weiteren darauf verwiesen, dass wir für pragmatische Lösungen vor Ort offen sind. Jedem ist völlig klar: In dem Augenblick, in dem sich demografische Veränderungen ergeben, wird es quantitative Anpassungen bei Schulstandorten geben. Das ist seit Jahren so. In dem Moment, in dem sich Veränderungen in der Schülerdemografie ergeben, gibt es in allen Schulformen Beispiele dafür, dass Schulstandorte geschlossen werden genauso wie an anderen Standorten neue eröffnet werden.
Ich sage Ihnen aber ganz ausdrücklich, Frau Beer – da gehen wir in der Tat sehr weit auseinander, weil es nicht Ihr Anliegen ist, Vielfalt zu erhalten, sondern unseres –: Wer Vielfalt erhalten will, der darf keine weiteren Gesamtschulen gründen; denn jede Gesamtschulneugründung kostet erwiesenermaßen mindestens zwei Schulstandorten des gegliederten Systems ihre Zukunft. Genau das haben wir in den letzten Jahren beobachten können: In dem Augenblick, als Gesamtschulen neu gegründet worden sind, sind dafür im Wesentlichen Hauptschulstandorte in der Nähe geschlossen worden. Deshalb sind Sie Anhänger von Gesamtschulgründungen um jeden Preis: weil Sie damit in den letzten Jahren das Angebot der Hauptschullandschaft reduziert haben, da es hier eine sehr große Überlappung bei dem Klientel gibt. In der Tat ist das ein wesentlicher Unterschied, der uns auseinanderbringt.
In Ihrem Antrag fordern Sie Schulwirklichkeit ein. Das kann ich vom Anspruch her nur begrüßen. Doch schauen Sie sich einmal alle Ihre Projekte von Gesamtschulgründungen, über die Sie so gerne sprechen, an. In der letzten Plenarwoche haben wir breit über den Gesamtschulstandort Morsbach diskutiert. Sie haben eine singuläre, lokale Frage zum Thema gemacht, mit der sich dann das gesamte Landesparlament eine Stunde lang beschäftigt hat.
Wir haben Ihnen damals gesagt, Frau Beer, wir sind sehr gespannt, wie groß die Elternakzeptanz für den Gesamtschulstandort Morsbach ist, wie groß die Elternakzeptanz in Sankt Augustin ist und wie sich das Anmeldeverhalten in Lippstadt gestalten wird. Und das Ergebnis ist: Sie haben sowohl in Sankt Augustin als auch in Morsbach nicht einmal die Mindestanzahl an interessierten Eltern für eine Anmeldung mobilisieren können.
Bei einem Bürgerentscheid in Sankt Augustin hat sich eine breite Mehrheit von Eltern gegen diese Schulform entschieden. In Lippstadt, wo jetzt interessanterweise eine Gesamtschule genehmigt worden ist, gibt es unter den 120 Anmeldungen ledig
Frau Beer, Sie sagen, die Kinder und die Eltern wollten alle gemeinsam lernen, das sei so schön, die Gesamtschule vereine doch alle, auch diejenigen, die Schwierigkeiten hätten, und die, die besser seien. Dann müssten Sie doch eine kognitive Dissonanz bekommen, wenn Sie sehen: Eine einzige Anmeldung eines Schülers mit Gymnasialeignung von rund 120! Wenn Sie das als ein Gesamtschulsystem propagieren, das die Trennung zwischen Schulformen aufhebt, ist das absurd. Das ist die Schulwirklichkeit.
Landesweit sieht es für Sie etwas positiver aus. Da haben zumindest 9 % der Schüler an Gesamtschulen eine Gymnasialeignung, aber mehr sind es nicht. Das ist die Schulwirklichkeit, die Sie einfordern, und die sollten Sie zur Kenntnis nehmen, Frau Beer.
Herr Witzel, weil ich weiß, dass Sie immer gerne lange und ausgiebig reden, will ich Ihnen gerne noch ein bisschen mehr Redezeit verschaffen.
Nehmen Sie denn auch zur Kenntnis, dass trotz alledem die Schulform Gesamtschule 75 % ihrer Schülerinnen und Schüler zum Zentralabitur führt, obwohl sie weitestgehend keine Gymnasialempfehlung gehabt haben, wie Sie sagen, diese Hellseherei von Grundschullehrern also nicht aufgeht? Wie würden Sie das denn einschätzen? Sagen Sie doch noch ein bisschen dazu. Wir hören Sie so gern. Es ist doch das Ende der Legislaturperiode.
Herr Groth, hören Sie doch zu. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie dazu fachliche Informationen zur Verfügung stellen würden. Mir ist ausdrücklich nicht bekannt, dass es der Regelfall an Gesamtschulen ist, dass 75 % der dort angemeldeten Schüler Abitur machen.
(Zuruf von der SPD: Das ist doch gar nicht gesagt worden! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Es ging um Kinder ohne Gymnasialempfehlung!)
Sie werden doch nicht davon ausgehen, Frau Beer, dass die Kinder mit Gymnasialempfehlung in der Quote unter den Kindern ohne Gymnasialempfehlung liegen. Damit ist doch klar, dass die Aussage im statistischen Schnitt selbstverständlich erst recht gelten muss.
Ich habe nicht die aktuellen Schuldaten. Vielleicht kann die Landesregierung, vielleicht kann die Ministerin gleich so nett sein, diese in den Raum gestellte Sachaussage zu qualifizieren, ob 75 % der Kinder, die ohne Gymnasialeignung an Gesamtschulen angemeldet werden, Abitur machen. Das wäre die statistische Antwort auf Ihre Frage.
Zur politischen Bewertung, an der Sie ein Interesse gehabt haben, Herr Groth: Mir geht es um die Qualität. Deshalb müssen wir uns natürlich beim Gesamtschulabitur auch über diesen Punkt unterhalten, den wir immer wieder diskutiert haben: 80 % dessen, was in die Zentralbewertung der Abiturnote eingeht, sind Vornoten und Vorleistungen.
Für 20 % gibt es den Abiturbereich, in dem in der Tat die Aufgabenstellung – nicht die Bewertung! – identisch ist. Das ist in Nordrhein-Westfalen anders als in Finnland mit einer zentralen Korrekturbehörde, die wir auch nicht wollen. Wenn Sie dann eine Abiturnote mit all dem haben, was an Vornotenabweichung oder Vornotenlifting bekannt ist, wo Sie genau sehen, dass Kinder in der Qualifizierungsphase um mehrere Notenpunkte besser bewertet werden als dann, wenn sie zum Vergleich beim Zentralabitur zu einer Prüfung antreten, müssen Sie sich in der Tat die Qualitätsfrage stellen.
Mir geht es sehr um Gerechtigkeit, Frau Beer. Deshalb sage ich Ihnen ganz klar: Ich halte es nicht für richtig, dass Kinder, die in der gymnasialen Oberstufe an Gymnasialstandorten höhere Anforderungen erfüllen müssen, um die gleiche Abiturnote zu bekommen, bei der Studienplatzvergabe später mehrere Semester auf ihren Studienplatz warten,
und diejenigen, die ausweislich des Leistungsvergleichs im Abitur zwischen Gesamtschuloberstufe und gymnasialer Oberstufe nicht mehr, sondern weniger Kenntnisse gehabt haben, damit aber die