Protocol of the Session on March 10, 2010

Es geht erstens um Erhalt und Ausbau von Forschungs- und Entwicklungskompetenzen bei der Reaktorsicherheits-, Abfall- und Endlagerforschung sowie beim Strahlenschutz auch im internationalen Umfeld.

Zweitens. Voraussetzung für einen maßgeblichen Einfluss Deutschlands im internationalen Normungs- und Rechtsetzungsprozess bleibt eine solche Forschung. Hierbei müssen wir daran denken, dass es um die sicherheitstechnische Auslegung der weltweit und insbesondere um Deutschland herum neu entstehenden kerntechnischen Anlagen geht. Schon deshalb muss sich Deutschland an der schutzzielorientierten Weiterentwicklung des Kernenergie- und Strahlenschutzrechts beteiligen.

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, ist auch die Beteiligung an den internationalen Arbeiten zu Reaktoren der nächsten Generation notwendig, um die hohen deutschen Sicherheitsstandards einzubringen, die internationale Entwicklung zu verfolgen und als adäquater, anerkannter Forschungspartner auch Einfluss auf weltweite Entwicklungslinien und -inhalte nehmen zu können.

Diese Kompetenzen sind unbeschadet der Frage, ob und wie lange die Kernenergie als Brückentechnologie eingesetzt werden wird, schon deshalb erforderlich, um bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Kernenergienutzung den geordneten Betrieb der vorhandenen Anlagen sicherzustellen. Genau dies war auch 2002 die Auffassung der rot-grünen Koalition.

Darüber hinaus werden dringend qualifizierte kerntechnische Nachwuchskräfte in Wissenschaft, Wirtschaft sowie in Aufsichts- und Genehmigungsbehörden gesucht. Die erst jetzt wieder ansteigenden Zahlen der Studierenden auf diesem Gebiet gilt es daher zu sichern. Diese Aufgabe des Staates nicht wahrzunehmen, wäre unverantwortlich.

Schließlich gilt es, auch künftigen Generationen die Möglichkeit offenzuhalten, sich dieser Technologie zu bedienen, ohne dass zuvor ein Fadenriss in der international anerkannten Forschung in Deutschland eintritt.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Landesregierung hält es daher auch in Zukunft für erforderlich, Wettbewerbe zu Fragestellungen auch aus dem Bereich der Kernenergie auszuschreiben und entsprechende Projekte zu fördern. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Linssen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Stinka das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Linssen hat gerade erwähnt, wir würden uns mit diesem Antrag hinter den Leistungen der Regierung Rüttgers verstecken. Wir haben vorhin gehört, dass die Schluchten, über die uns die Brücke Atomenergie führen soll, mit dieser Technologie überbrückt werden müssen. Die Schluchten, Kolleginnen und Kollegen, haben Sie aufgerissen.

(Beifall von der SPD)

Die Schluchten werden immer weiter und größer, weil – darüber können wir reden; Herr Linssen ist leider nicht der Fachminister – wir über den Windkrafterlass ewig geredet haben, weil wir gerade in Berlin das Desaster erleben, dass man sich nicht einig ist, was die Solarförderung angeht, weil wir doch erleben, was bei der Gebäudesanierung passiert.

Täuschen Sie die Menschen nicht darüber hinweg – Sie stellen doch auch Ihre Kräfte in den gesetzlichen Rahmen –, dass hierbei Unsicherheit entsteht. Ich habe vorhin in meiner Rede erwähnt, dass sich das zentrale Handwerk über mangelnde Planungs- und Rechtssicherheit beklagt hat. Ich wüsste nicht, dass das zentrale Handwerk eine Vorfeldorganisation der SPD ist.

(Dietmar Brockes [FDP]: Das wird es auch nicht werden!)

Diese Fragen haben Sie die Schlucht vergrößern lassen, über die uns eine Brücke – diese Brücke gibt es nicht – tragen soll. Wenn Sie über Endlagerung sprechen, erinnere ich nur an den bayerischen Versuch, in Wackersdorf einiges niederzulegen.

Wir Sozialdemokraten müssen ganz deutlich sagen, dass wir Techniken in der Gesellschaft einführen wollen, über die ein gesellschaftlicher Konsens besteht. Das ist ganz wichtig, denn sonst werden wir den Umbau der Industriegesellschaft nicht hinbekommen, Herr Brockes.

(Beifall von der SPD)

Wir leben – darüber haben wir schon gesprochen – in einem föderalen Staat. Wenn einige Bundesländer meinen, sie könnten sich der Entsorgungsfrage entziehen, sage ich: So wird keine Solidarität produziert. So wird auch die Innovation in NordrheinWestfalen ganz sicher nicht gefördert.

(Beifall von der SPD)

Daher ist das nach wie vor ein Irrweg, der nach hinten und nicht nach vorne führt.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Stinka. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Kollege Priggen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Linssen, ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie sich wenigstens mit unserem Antrag und den Punkten befasst haben, die wir aufgeführt haben. Ich bin Ihnen auch für eine ganze Reihe von Hinweisen dankbar. Das werde ich im Protokoll sehr sorgfältig verfolgen. Ich habe jedoch, ehrlich gesagt, den Eindruck, dass Sie über ein ganz anderes Programm reden.

(Widerspruch von Dietmar Brockes [FDP])

Denn über alles, was Sie angesprochen haben – Stichwort: Sicherheitsforschung usw. –, können wir reden. Aber das Programm, aus dem ich zitiere, heißt: „EnergieForschung.NRW – Innovative Energietechnologien für morgen“. Dabei geht es um Wasserstoff und um andere moderne Brennstoffe. Darin steht etwas über fossile und nukleare Kraftwerkstechnik zur Nutzung von Hochtemperaturprozesswärme.

Das ist etwas ganz anderes. Das ist der alte Hochtemperaturreaktor, neu aufgelegt als Forschungsreaktor. Sie haben eben gesagt – ich weiß nicht, ob Ihnen das einfach so herausgerutscht ist –, das sei zur Absicherung des Forschungszentrums Jülich.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: So ist es!)

Ich sage Ihnen: Das wird bei uns in der Gegend keine Begeisterung auslösen. Wir haben dort einen Reaktor stehen, der noch 50 Jahre abklingen muss, der jetzt verrückt werden muss, unter dem der Boden hoch kontaminiert ist, wo alleine die Entsorgung – Endlagerung noch nicht eingerechnet –, der Abriss geschätzt 500 Millionen € kosten wird. Den wesentlichen Anteil wird dabei das Land tragen. Wenn jetzt tatsächlich ein solches Abenteuer neu eingeplant werden sollte, dann wird man sich am 9. Mai genau darüber unterhalten müssen.

Sie mögen ja recht haben, dass das im alten Ausstiegsgesetz steht. Da bin ich den Kollegen von der SPD umso dankbarer, denn in dem Antrag von SPD und Grünen steht eindeutig: Es gibt keinen weiteren Forschungsreaktor in NordrheinWestfalen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Position dazu ist also klargestellt. Da sind wir vielleicht weiter, als es damals im Bund ging. Für uns ist das eine klare Linie. Das sagen wir auch ganz offen. Man kann in bestimmten Bereichen forschen, was Endlagerung usw. angeht, denn wir müssen ein Endlager schaffen, da wir für die Abfälle verantwortlich sind. Wir wollen aber keinen neu

en Forschungsreaktor und keine weitere Forschung in Richtung Atomreaktoren, weil wir das für eine Sackgasse halten, weil es andere Wege gibt.

Herr Kollege Wittke, Sie haben auf rot-grüne Regierungszeiten rekurriert. Sie sind ja nicht so lange Minister gewesen wie Michael Vesper und Bärbel Höhn. Ihr bahnbrechender Beitrag war – da waren Sie gerade eine Woche im Amt –, der „Zeit“ das legendäre Interview zu geben, an Windrädern vorbeifahrend: Das ist das Erste, was wir kaputtmachen werden. – Wenn Sie jetzt hier sagen: „Wir wollen die regenerativen Energien deutlich ausbauen“, dann fehlt dafür der Glaube angesichts dessen, was Sie real machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Zielsetzung der Bundesregierung, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung in nur zehn Jahren auf 30 % zu erhöhen, ist für eine CDU/CSU-FDP-Bundesregierung ambitioniert. Für mich ist es zwar ein gebremster Ausbau, aber es geht weiter. Nordrhein-Westfalen kommt jedoch immer mehr ins Hintertreffen. Zum Ende der rot-grünen Regierungszeit hatten wir eine gute Position. Sie haben uns auf Platz 12 gebracht. Wir sind immer weiter dabei, Letzte in diesem Konzert zu werden. Das ist kein Weg nach vorne.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Kollege Brockes, Sie haben – ehrlich gesagt – an dem Antrag völlig vorbeigeredet. Wir machen einen Antrag zu einem bestimmten Sachverhalt, der sehr klar ist: keine Laufzeitverlängerung, keine Forschungsprozesse in dem Sinne und keinen neuen Forschungsreaktor. Sie aber reden von der Endlagerfrage und von einem Linksblock. Da kann ich Sie nur um einen kollegialen Umgang bitten.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Dietmar, ich nenne dich auch bei deinem Namen, behandele dich an der Stelle anständig. Du gehst jedes Mal hier heraus und sagst: „Tritt ihn“. Du weißt genau, wie der Kollege heißt. Das mag ein billiges Mätzchen von dir sein. Du hast es nicht nötig.

(Horst Becker [GRÜNE]: Doch!)

Nein. Ich habe ihn jetzt fünf Jahre lang erlebt und kann sagen, dass er das nicht nötig hat. Das ist genau die Sorte billige Mätzchen, mit denen versucht wird, zu übertuschen, dass man inhaltlich keine Substanz hat, mit denen man meint, man kann sich darüber erheben. Lass es doch einfach sein! Rede zum Antrag, rede zu den inhaltlichen Punkten, sag’ was zu dem Programm, das dein Minister aufgelegt hat! Aber spar’ dir diese Mätzchen!

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Hovenjürgen das Wort. Herr Kollege, bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt haben wir eine ganze Zeit lang eine Debatte verfolgen dürfen, bei der man sich am Schluss fragt: Was wollen wir denn erreichen? Gemeinsam erreichen wollen wir sicherlich eine gesicherte Energieversorgung unseres Landes. Die Frage ist: Wie erreichen wir dieses Ziel? Derzeit erleben wir in unserem Land Proteste gegen Kohlekraftwerke, Proteste gegen Kernkraft, Proteste gegen Biogasanlagen, Proteste gegen Leitungsführungen, Proteste in Sachen Offshore-Anlagen und Ähnliches. In unserem Lande wird also alles thematisiert, problematisiert. Letztendlich müssen wir uns in diesem Hause einig werden, wie wir Energieversorgung in Nordhrein-Westfalen und in der Bundesrepublik zukünftig sicherstellen wollen.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Hier sollte man der Forschung die Möglichkeit geben, nach Wegen zu suchen, die uns dabei behilflich sind. Wer nicht forscht, gewinnt keine neuen Erkenntnisse, Kollege Stinka. Ich habe an dieser Stelle das unbestrittene Gefühl, dass die SPD in Sachen Energiepolitik langsam niemand mehr versteht. Sie kritisieren die Überlegungen zu den neuen Förderrichtlinien bei der Solartechnologie. Sie wissen aber, dass man auch in der Solarbranche erkannt hat, dass zurzeit überfördert wird und dass man sich neue Gedanken machen muss. Wenn die Module doppelt so leistungsfähig sind wie zu Beginn, dann kann man auch über eine Reduzierung von Förderungen nachdenken. Es hat übrigens etwas mit sinnvoller Subvention zu tun, dass man dann reduziert, wenn die Subvention im Ergebnis erfolgreich war. Und sie war ja durchaus erfolgreich. Es gibt einen gehörigen Anteil an Solartechnologie.

Eine andere Frage ist, ob es guten und schlechten Landschaftsverbrauch gibt. Ich finde zum Beispiel Solaranlagen in Solarparks unangebracht, weil wir genügend andere Möglichkeiten haben, ohne Versiegelung der Landschaft Solartechnologie zu installieren.

Wir müssen aber auch darüber nachdenken, wie wir bei der Kernkraft und deren Abwicklung weiterkommen. Den Kollegen der Grünen sage ich noch einmal: Wer aussteigen will, muss endlagern. Es bleibt bei jeder Gelegenheit eine Feststellung von mir: Wer aussteigen will, muss endlagern. Also müssen wir gemeinsam nach einem Endlager suchen, damit der Beschluss von 2002 überhaupt umgesetzt werden kann.

Eine weitere Frage ist, ob wir uns Forschung in Sachen Sicherheit verweigern sollten. Ich glaube, wir würden uns an den Menschen und ihrer Zukunft

in diesem Land versündigen, wenn wir nicht unseren Beitrag zur Sicherung und zum sicheren Betrieb von Kernkraftwerken, selbst wenn sie nicht in unserem Land betrieben werden, leisten. Denn eines bleibt wahr – das müssen sich die Kolleginnen und Kollegen, die der Kernkraft so kritisch gegenüberstehen, anhören –: Ich kenne definitiv niemanden – Minister Linssen hat dies für die Landesregierung vorgetragen –, der in Nordrhein-Westfalen Kernkraftwerke oder auch nur Forschungsreaktoren bauen will. Aber wir müssen uns zumindest darüber einig werden, wie wir letztendlich damit umgehen, wenn wir, nachdem wir aus der Kernenergie ausgestiegen sind, das letzte Kernkraftwerk abgerissen haben und uns dann ans Zählen begeben, feststellen, dass wir in Europa mehr Kernkraftwerke haben als zu Beginn des Ausstiegsbeschlusses in Deutschland. Also macht es nach unseren Erfahrungen mit Tschernobyl auch Sinn, weiter in Sachen Sicherheit zu forschen. Deswegen ist die Vorlage der Landesregierung an dieser Stelle richtig und gut.