Zu den Medikamenten hat Frau Steffens einiges gesagt. Auch ich sehe mit Sorge, wie viele Psychopharmaka Kindern und Jugendlichen mittlerweile verordnet werden. In Ihrem Antrag schreiben Sie aber: „Therapie und psychosoziale Begleitung müs
sen Vorrang vor medikamentöser Behandlung erhalten.“ Das steht nicht für jedes Krankheitsbild der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Das sieht so aus, als wolle Rot-Grün Oberarzt für die spezifischen Krankheitsfälle von Kindern und Jugendlichen spielen. Solche Leitsätze können wir nicht unterschreiben.
Zur Forderung nach einem Sofortprogramm zum Ausbau von tagesklinischen Plätzen habe ich eben schon gesagt, dass die Landesregierung bereits aktiv war. Somit ist ein Sofortprogramm überflüssig. Auch eine modellhafte Erprobung einer Kooperation zwischen Jugendhilfe und Psychiatrie in einigen Regionen kann kein geeignetes Mittel sein, um die beschriebenen Probleme in den Griff zu bekommen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Monheim, Sie haben geklagt, dass unser gemeinsamer Antrag, der nun hier vorliegt, in der Diktion ein bisschen mehr Wahlkampf enthalten würde, als unsere Anträge aus Mai und Juni letzten Jahres. Ja, woran liegt das denn? Wo ist denn das, was Sie hier an Gemeinsamkeiten beschworen haben, in den letzten fünf Jahren gewesen? Wir haben uns doch fünf Jahre lang darum bemüht. Sie aber haben leider kein Entgegenkommen gezeigt.
Ich will daran erinnern – gucken wir uns das noch mal ganz genau an –: Seit Sommer 2006 beschäftigen wir uns mit diesem Thema, damals auf Antrag der Grünen. Wir haben dann im Januar 2007 die gemeinsame Anhörung gehabt, auf die Sie selbst gerade Bezug genommen haben. In der Auswertung dieser Anhörung bestand im Ausschuss zwischen allen Fraktionen Konsens, dass Handlungsbedarf besteht. Und was ist daraus geworden? Sie, die Regierungskoalitionen, haben uns zugesagt: Wir machen dazu einen ersten Aufschlag. Dann sollen SPD und Grüne dazukommen. – Auf diesen ersten Aufschlag warten wir bis heute. Der ist nicht erfolgt, Frau Monheim. Wir konnten nicht gemeinsam agieren.
Im Oktober – nicht etwa 2007 – 2008 haben Sie den Offenbarungseid geleistet. Damals haben Sie erklärt, Sie seien auch als FDP und CDU nicht in der Lage, einen gemeinsam Antrag auf den Tisch zu legen, zu dem wir uns dann hätten verhalten können. In dieser Ausschusssitzung haben wir Sozial
Wir haben Ihnen zwischenzeitlich sogar das Angebot gemacht – weil wir ja im Januar 2007 noch das große Thema Psychiatrie auf der Tagesordnung hatten –: Wenn Sie das nicht gleich für das gesamte Thema abwägen können, weil die Baustelle vielleicht doch ein bisschen zu groß ist, dann lassen Sie uns in drei Gottes Namen doch wenigstens den Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie gemeinsam anpacken.
Aber selbst bei dieser Eingrenzung des Themas waren Sie nicht in der Lage, dem nachzukommen. Und dann wundern Sie sich, dass wir jetzt sagen: Fünf Jahre sind in diesem Bereich eine verlorene Zeit gewesen. Es ist nichts passiert. Es ist in diesem Bereich in der Tat nichts passiert. Und ich glaube, das sollten wir hier festhalten.
Wir haben deshalb einen eigenen Antrag eingebracht. Warum? Sie sagen, das wäre doch gar nicht nötig gewesen, schließlich kam doch im April 2008 die Ankündigung, es gebe ein Sofortprogramm. – Ja, die Ankündigung gab es. Einen Kriterienkatalog, wie es denn funktionieren soll, gab es nicht, jedenfalls gab es nichts Transparentes. Wie viele Plätze sind denn seitdem im teilstationären bzw. stationären Bereich geschaffen worden? Wie groß ist denn das Sofortprogramm? – Unseren Haushaltsantrag von 10 Millionen €, um ein solches Sofortprogramm zu finanzieren, haben Sie abgelehnt. Also ich kann keine Taten erkennen. Außer Ankündigung ist da nichts gewesen. Das, was da passiert ist, ist marginal.
Wir reden über die Verantwortung des Landes. Stationäre und teilstationäre Plätze sind insbesondere in der Verantwortung des Landes und nicht in der Verantwortung der KVen.
Man muss meines Erachtens noch ein bisschen genauer hingucken; und da wäre ein Stück weit Ehrlichkeit wirklich angesagt.
Bei uns ist die sowieso. Bei Ihnen vermisse ich die ja. Ich wäre bei Ihnen ja schon froh, wenn das ein Stück weit wäre, Herr Ellerbrock, ein Stück wenigstens.
Ich möchte noch einen Punkt nennen. Die Frage ist: Was war denn die Ursache, dass Sie sich nicht haben einigen können? Möglicherweise hat das doch genau daran gelegen, dass der Minister monatelang, um nicht zu sagen: jahrelang, der Ansicht anhing, dass es diesen Mehrbedarf gar nicht gibt. Er war vielmehr der Meinung: Die Zahl der Jugendlichen geht sowieso herunter, dann wird der Bedarf auch kleiner. – Das war die eine Aussage. Die zweite Aussage war die, dass, wenn er in die Fläche
gehe – also ganz im Gegensatz zu dem, was Sie heute vertreten –, das Angebot Nachfrage schaffe, und das wolle er nicht haben. Das Dritte, was er gesagt hat, war, dass vonseiten der Jugendhilfe die Leistung in den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, in den Bereich der Gesundheit abgeschoben würde und dass das die Ursache für die Wartelisten sei. – Das war die Situation im Herbst 2008. Eine Änderung dieser Position hat der Minister erst im Frühjahr 2009 vorgenommen.
Herr Minister, ich erinnere mich noch gut an die Haushaltsberatung, wo ich diesen Punkt mit aufgegriffen habe, weil dankenswerterweise auch die KGNW wieder einmal sehr deutlich wieder den Finger in die Wunde gelegt und gesagt hat: Da muss was passieren, da ist noch nichts passiert. – Als ich meine Rede beendet hatte, sagten Sie zu mir: Bei der Psychiatrie haben Sie ja recht, Frau Gebhard. – Es ehrt Sie ja auch, dass Sie da einen Sinneswandel vollzogen haben und dann in der Ankündigung das Sofortprogramm kam.
Herzlichen Dank. Frau Gebhard, Sie haben eben von drei Aussagen gesprochen. Könnten Sie mir bitte sagen, wann denn die erste und die zweite Aussage vom Minister gemacht worden sind?
Diese drei Aussagen können Sie sogar dem schriftlichen Bericht entnehmen, den der Minister für die Ausschusssitzung im Oktober 2008 vorgelegt hat.
Genau da! Das können Sie bitte nachlesen. Da heißt es wörtlich – das habe ich mir notiert –: Ausdruck dafür, „dass zunehmend Erziehungs- und schulische Probleme zulasten der GKV in den Gesundheitsbereich verschoben werden.“ – Ich habe mir das nicht Wort für Wort herausgeschrieben. Sie finden das alles in diesem Text und in dem Protokoll der Ausschusssitzung, in der wir das diskutiert haben.
Das heißt also, wir waren gezwungen zu handeln. Wir haben im Mai letzten Jahres den Aufschlag im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der ganzen Breite gemacht. Die Grünen sind dann im
Juni gefolgt. Und dann, Frau Monheim, gab es wiederum das Angebot an Sie: Lassen Sie es uns doch gemeinsam machen. – Und wir haben gewartet und gewartet. Wir haben die ersten Beratungen gemacht. Und jetzt im Frühjahr hieß es in einer Obleuterunde: Geben Sie uns noch ein bisschen Zeit, wir sind noch nicht dazu gekommen. – Und was kam dann? – Wiederum nichts. Daher haben sich Rot und Grün alleine zusammengesetzt und gesagt: Gut, dann gucken wir mal, auf welchen gemeinsamen Nenner wir kommen, welche Maßnahmen jetzt an erster Stelle stehen müssen. – Dann kommen Sie plötzlich mit diesem kleinen, mickrigen Antrag um die Ecke.
Wenn ich mir anschaue, was in diesem Antrag steht, und hinzunehme, was Sie vorhin als Problemlage beschrieben habe, dann kann ich nur sagen: Da ist eine große Diskrepanz. Wenn darin als Situationsbeschreibung das stehen würde, was Sie vorhin einleitend gesagt haben, dann hätten wir ja eine vernünftige Basis miteinander, dann könnten wir da etwas bewegen. Aber leider Gottes steht das nicht in Ihrem Antrag. Da ist keine einzige Forderung zum Ausbau des teilstationären oder des stationären Bereichs zu finden. Es ist kein einziges Wort enthalten, wo die Ursachen für steigende Bedarfe zu suchen sind und dass Sie diese wahrgenommen haben.
Sie schreiben stattdessen – und das macht mich wirklich stutzig –, die Zahlenreihen in der KiGGSStudie stellten den Bedarf fest, ohne anschließend einzulösen, wie diesem Bedarf denn nachgekommen werden soll. Wir haben doch darauf aufmerksam gemacht – hier verweise ich noch einmal auf unseren originären Antrag –, dass wir diesem Bedarf, der in der KiGGS-Studie steht, nicht nur nicht nachkommen können, sondern dass – obwohl bei den Betroffenen sozusagen schon eine Selbstzensur stattfindet – mit einem Fünftel auch nur ein Bruchteil der Eltern mit ihren Kindern tatsächlich Hilfe aufsucht. Aber nicht einmal diesen Bedarf können wir abdecken; trotzdem existieren noch Wartelisten.
Das heißt, wenn Sie solch eine Zahl in Ihrem Antrag voranstellen und sagen, dass dort ein Problem besteht, dann müssen Sie auch sagen, wie es zu lösen ist.
Und da bin ich bei dem Minister. Herr Minister, Sie haben vorhin zu einem anderen Tagesordnungspunkt gesagt, die Regierung sei dazu da, Probleme nicht nur zu beschreiben, sondern sie auch zu lösen. Aber von Lösen kann hier nun wirklich keine Rede sein. Darum kamen wir nicht umhin – ich finde das sehr bedauerlich –, hier festzuhalten, dass wir kein Stück weitergekommen sind.
Ich will noch einen Punkt ansprechen. Vorhin kam die Frage, was für eine Situation Sie 2005 übernommen hätten; das Defizit schleppten wir ja schon so lange mit uns herum. – Erstens ist es erst in den letzten Jahren zu diesem dramatischen Anstieg der Zahlen gekommen. Zweitens hatten wir 2005 ein wesentlich besseres niederschwelliges Angebot als heute – aber um Längen besser.
Drittens gab es sowohl im Rheinland als auch in Westfalen-Lippe ein Konzept, das auf den Ausbau der tagesklinischen Plätze und das Hineingehen in die Fläche ausgerichtet war. Das war ein abgestimmtes Programm. Dieses konnten die Träger der Kliniken bis heute nicht umsetzen. Das liegt daran, dass Sie über Anträge, die aus der alten Legislaturperiode stammen, bis heute noch nicht entschieden haben. Das ist, glaube ich, alles andere als ein Nachweis von Arbeit und Leistung. Das spricht für sich selbst. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Kollegin Gebhard. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Laumann das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der psychosozialen Versorgung von Kindern und Jugendlichen bei uns in Nordrhein-Westfalen haben wir ein erhebliches Handlungsfeld vor uns; das muss man ohne Wenn und Aber zugeben. Anscheinend leben wir in einer gesellschaftlichen Entwicklung, in der diese Erkrankung – das muss eigentlich jedem von uns Sorge machen – in erheblichem Umfang zunimmt.
Im ambulanten Bereich sind wir aufgrund der Ausbildungszahlen bei den Ärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie momentan nicht in der Lage, dem wachsenden Bedarf an Niederlassungen so entgegenzutreten, wie wir es müssten.
Meine Damen und Herren, die Wahrheit ist auch, dass niemand innerhalb von fünf Jahren Facharzt wird. Das heißt, diejenigen, die wir jetzt dringend bräuchten, hätten schon längst ausgebildet sein müssen. Aber da gibt es auch wieder ein Problem: dass sich bei den Zulassungs- und vor allen Dingen bei den Weiterbildungsstellen die Kapazitäten nicht von heute auf morgen so ausbauen lassen, wie es wünschenswert wäre.
Ein weiterer Punkt ist – in dieser Frage haben wir im Ministerium in den letzen Jahren ohne Zweifel dazugelernt –: Wir haben auch aus der alten Administration heraus sehr lange ausschließlich auf tagesklinische Plätze gesetzt. Das war in diesem Umfang nicht zu halten, da uns vermehrt berichtet wurde, dass der Anteil junger Menschen, die man abends
eben nicht wieder nach Hause schicken kann, weil die Elternhäuser nun mal so sind, wie sie sind, zunimmt. Deswegen müssen wir trotz des Ausbaus der tagesklinischen Plätze auch dem Ausbau an Betten weiter verstärkt nachkommen.
In dieser Frage haben wir im Ministerium Anfang 2009 eine starke Kurskorrektur vorgenommen – das ist hier richtig vorgetragen worden –, weil wir diese Situation neu beurteilt, neu eingeschätzt und neu entschieden haben. Ich finde, ein Ministerium darf auch mal eine Kurskorrektur vornehmen.
Wir haben das im Ausschuss ganz transparent dargelegt. Ich habe das mit einigen Veränderungen bei uns im Haus – auch personeller Art – unterstrichen.
Wenn hier aber gesagt wird, wir hätten nichts auf die Reihe gebracht: Ich meine, das darf man so nicht stehenlassen. Deswegen würde ich Ihnen gerne eine kleine Zahlenreihe vortragen, gerne auch zum Mitschreiben: Anerkannte Betten in Nordrhein-Westfalen: 2005 – 1.029, 2010 – 1.178. Anerkannte tagesklinische Plätze: 2005 – 558, 2010 – 670. Betten in Betrieb: 2005 – 998, 2010 – 1.132. Tagesklinische Plätze in Betrieb: 2005 – 480, 2010 – 630. – Das heißt, wir haben in erheblichem Umfang Kapazitäten ausgebaut.