Protocol of the Session on February 4, 2010

(Holger Ellerbrock [FDP]: Vor Monaten!)

gegeben hat,

(Holger Ellerbrock [FDP]: Konsequente Fort- führung des Regierungshandelns!)

dann könnte man einerseits von Recycling sprechen.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Nein, das ist etwas anderes!)

Aber andererseits muss man wahrnehmen, wo der Sitz im Leben dieses Antrags ist. Wenn man inhaltlich faktisch nichts vorzuweisen hat,

(Holger Ellerbrock [FDP]: Dann lesen Sie doch den Antrag!)

dann muss man immer – das ist jedenfalls meine Erfahrung – mit viel Flügelschlagen verhindern, dass der andere und auch die Öffentlichkeit erkennen, dass man eben nichts vorzuweisen hat. Genau das scheint durch diesen Antrag.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ihre Bilanz an dieser Stelle ist nicht vorhanden, weil Sie nichts vorzuweisen haben. Ich erkläre Ihnen auch, warum das so ist.

In Ihrem Wortbeitrag, Herr Ellerbrock – das gilt auch für Sie, Herr Kaiser –, haben Sie verräterischerweise die Vergangenheitsform benutzt: Das war so mit der Finanzmarktkrise, und es war so, dass da falsch informiert worden ist. – Das ist aber Gegenwart. Das ist alltägliche Praxis.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verbraucherzentralen erklären uns genauso wie die Gewerkschaften, dass dieses Verhalten nicht abgenommen, sondern zugenommen hat. Nicht Einsicht ist aufgrund der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise in den Banken und in der Kundenberatung festzustellen, sondern man hat noch an Tempo zugelegt. Insofern spiegelt Ihr Antrag überhaupt nicht die Dramatik wider, die sich momentan in diesem Bereich abspielt.

Ihr Antrag benennt auch nicht die umfassenden Instrumente, die notwendig wären, um den Sumpf systematisch trockenzulegen.

In der Tat – Herr Ellerbrock hat die Stichworte genannt – waren es früher der Bankbeamte und die Bankbeamtin, denen man vertraut hat. Dann wurden daraus der Kundenberater und die Kundenberaterin, und heute heißen sie Finanzdienstleister. Daran wird schon deutlich, wie sich die Philosophie geändert hat: Nicht mehr der Kunde und seine Vermögensverhältnisse stehen im Mittelpunkt der Beratung. Vielmehr sind bestimmte Produkte, Finanzdienstleistungen, zu vermarkten.

Das hat dann nichts mehr mit Kundenorientierung zu tun, sondern ist eine Produktorientierung, und diese Produktorientierung – das sagt schon der Name – orientiert sich wiederum an bestimmten Margen, die die Geschäftsleitungen und Vorstände in ihren Konzernzentralen bzw. Bankzentralen festlegen und die erreicht werden müssen.

Die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, schildern, dass sie Verkaufsvorgaben erfüllen müssen, die dann auch noch ständig überprüft werden. Hierbei werden harte Methoden angewandt: täglicher Rapport; teilweise haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehrmals täglich Nachweise zu erbringen, wie viel verkauft worden ist. Der Verkaufsdruck am Bankschalter hat teilweise Drückermethoden. Das hat zugenommen, weil die Vorgaben der Konzernzentralen entsprechend gewachsen sind. Darauf gibt Ihr Antrag in der Tat keine Antwort.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es ist richtig: Der Landtag Nordrhein-Westfalen kann keine Regeln im internationalen Finanzmarkt einziehen, aber ein kleiner Satz zu der Frage einer Börsenumsatzsteuer

(Svenja Schulze [SPD]: Das ist zu viel ver- langt!)

oder dazu, wie zukünftig mit den Boni verfahren werden soll, wäre schon sinnvoll. Die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung sind da ausgesprochen zurückhaltend. Der amerikanische Präsident und auch die englische Finanzwelt gehen offensichtlich ganz anders damit um. Auch die internationale Systematik muss an der Stelle – als Vorgabe – dringend umgestellt werden.

Dann loben Sie sich selber, was auf der Bundesebene beabsichtigt ist. Aber bereits heute ist erkennbar, dass die Regelungen, die in der Großen Koalition getroffen worden sind, zu kurz greifen. Die Haftungsregeln beschränken sich offensichtlich nicht auf einen notwendigen längeren Zeitraum. Mindestens zehn Jahre muss eine solche Haftungsregelung gelten. Auch bei den Protokollen geschieht die Umsetzung nur zögerlich. Einen FinanzmarktTÜV, so wie wir in bräuchten, der Produkte prüft und dann entsprechend kennzeichnet, haben wir immer noch nicht.

Frau Schulze hat darauf hingewiesen: Die zentrale Forderung der Verbraucherverbände ist, die Verbraucherkompetenz durch Verbraucherberatung und -zentralen zu stärken und einen Watchdog – das ist der englische Begriff, der deutsche wäre Wachhund –, eine unabhängige Finanzüberwachung, einzuführen. Das fehlt in Ihrem Antrag völlig.

Es ist insgesamt ein Flügelschlagen, um die schlechte Bilanz zu vertuschen. Damit werden Sie nicht durchkommen. Das werden Ihnen die Bürgerinnen und Bürger nicht abnehmen. Insofern ist der Antrag zwar gut gemeint, aber letztlich nicht zielführend. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Remmel. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Uhlenberg das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Finanzmarktkrise hat viele Gesichter. Eines dieser Gesichter ist die böse Überraschung, die vielen Kleinanlegern beschert wurde. Wir haben uns in der letzten Zeit alle über den typischen Kleinanleger informiert, der Erspartes verloren hat.

Mir wurde zum Beispiel folgender Fall einer Bankkundin geschildert: 72 Jahre, Witwe, Rentnerin, Gesamtvermögen 40.000 €. Sie war eine konservative Anlegerin. Seit dem Tod ihres Mannes muss sie sich selbst um die Geldangelegenheiten kümmern, versteht aber nicht viel davon. Sie bezieht nur eine kleine Rente und weist bei allen Beratungsgesprächen darauf hin, dass selbst der kleinste Verlust für sie nicht hinnehmbar ist.

Der Berater legt das Geld in 13 unterschiedlichen Werten an. Spareinlagen machen nur 2.000 € ihres Vermögens aus. Die Werte sind zur Hälfte Aktienfonds, die in europäische oder deutsche Werte investieren, aber auch ein Fonds, der in asiatische Werte investiert. Die andere Hälfte wird in Zertifikaten unterschiedlicher Emittenten angelegt. Viele Zertifikate besitzen 100 % Kapitalschutz, mit dem im

Prospekt geworben wird. Alle Wertpapiere werden auf den Rat des Beraters hin gekauft. Die Kundin verlässt sich auf ihn.

Mit den Jahren wird der Risikoanteil im Depot immer höher. Der Berater passt das Risikoprofil der Kundin entsprechend an. Am Ende unterschreibt sie eine Risikostrategie, die bis zu 55 % Risiko in ihrem Depot zulässt. Der tatsächliche Risikoanteil beträgt 70 %.

Mit Beginn der Finanzmarktkrise und den darauf folgenden Börseneinbrüchen sinkt der Depotwert dramatisch. Einzelne Zertifikate sind wertlos. Es stellt sich heraus, dass der Kapitalschutz, von dem immer die Rede war, nur für den Fall besteht, dass der Emittent nicht insolvent wird. Erst jetzt wird der Kundin klar, dass sie diese Papiere in ihrem Depot hat. Sie versteht nicht, warum ihr Berater ihr offensichtlich risikoreiche Produkte empfohlen hat.

Die Bank sieht keinen Haftungsgrund. Durch die bisherigen Käufe und Verkäufe hätte die Frau bereits Erfahrungen mit Zertifikaten und risikoreichen Wertpapieren gemacht, argumentiert die Bank. Die Anhebung des Risikoprofils sei aufgrund der Erfahrungen zustande gekommen. Die Mischung im Depot spreche für ausgewogene Risikostrategien.

Bei Entschädigungen auf dem Kulanzwege ist die Kundin natürlich leer ausgegangen. Die Bank argumentiert, dass sie als erfahrene Anlegerin beim Kauf der Papiere um das Risiko hätte wissen müssen. So wird es ihr wahrscheinlich auch vor Gericht ergehen.

Meine Damen und Herren, Fälle wie dieser, in denen eine Verbraucherin genau das machen möchte, was von ihr immer verlangt wird, nämlich eigene Vorsorge zu treffen, zeigen die Verbraucherprobleme im Beratungsprozess leider nur zu deutlich auf.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Hier gerät eine Kundin wegen jahrelangen Vertrauens bzw. unangemessener Beratung in ein Profil, aus dem im Krisenfall der Anschein gegen sie spricht. Das nenne ich Übervorteilung. Deshalb fordere ich in der Anlageberatung mehr Verbraucherschutz ein. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es nicht einfach, sich auf dem Finanzmarkt zurechtzufinden. Finanzprodukte sind komplizierter geworden, ihre Vielfalt hat stark zugenommen. Das ist einerseits gut, denn damit wächst auch die Chance des Verbrauchers, ein Finanzprodukt zu finden, das seinen Bedürfnissen entspricht. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist jedoch, dass sie zu weniger statt zu mehr Transparenz führt.

Verbraucherinnen und Verbraucher sind schnell überfordert, wenn sie sich Wissen angeeignet haben und auch über eine gewisse Finanzkompetenz verfügen. Die Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung von Eigenverantwortung, die wir als Politiker vom Verbraucher beispielsweise für die private Al

tersvorsorge einfordern, werden unter diesen Bedingungen immer größer.

Die zunehmende Intransparenz schafft neue Abhängigkeiten, indem der Verbraucher immer mehr auf Empfehlungen von Bank- und Finanzberatern angewiesen ist. Zudem sind viele Berater offenbar selbst nicht mehr in der Lage, die Komplexität mancher Finanzprodukte und Geschäftsstrategien zu durchdringen. Fehlberatungen sind dann vorprogrammiert, wenn sie durch falsche Provisionsanreize und hohe Vertriebsvorgaben zusätzlich noch befeuert werden. Sie führen auf Verbraucherseite zu Fehlentscheidungen und schwerwiegenden Folgen.

Die Vernichtung von Ersparnissen, vorzeitige Vertragskündigungen mit hohen finanziellen Verlusten, der Kauf von Finanzprodukten, die für die persönlichen Ziele nicht erforderlich sind, oder auch eine unzureichende Absicherung von Lebensrisiken sind vor dem Hintergrund leider keine Seltenheit.

Deshalb fordere ich: Die Beratung und der Vertrieb von Finanzdienstleistungen müssen so gestaltet werden, dass sie zum Abbau von Informationsdefiziten bei den Kunden beitragen und mehr Transparenz und Fairness gegenüber dem Verbraucher gewährleisten. Finanzdienstleistungen sind eben nicht mit Produkten des täglichen Bedarfs vergleichbar. Auf diesem Gebiet können Verbraucher nicht wie bei Alltagsprodukten auf umfassende Erfahrungen bauen. Sie müssen vertrauen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dieses Vertrauen darf nicht missbraucht werden. Finanzdienstleistungen sind und bleiben in erster Linie Vertrauensgüter. Der Wettbewerb darum funktioniert auf einem Markt, der einen Ordnungsrahmen hat, an den sich alle halten.

Herr Minister.

Diesen Ordnungsrahmen müssen wir neu justieren. Dabei müssen wir auch dort ansetzen, wo Kunden sich selbst schützen können.

Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend erklären – leider habe ich zu wenig Zeit, um auf alle Argumente einzugehen –, …

Insbesondere weil der Kollege Remmel Ihnen auch noch eine Zwischenfrage stellen will.

… dass gerade wir in Nordrhein-Westfalen diesen

Weg gegangen sind, und zwar durch eine Stärkung der Verbraucherzentralen – sowohl personell wie auch finanziell wie jetzt auch in der Fläche durch drei neue Verbraucherzentralen. Ich bin auch gerade dabei, gemeinsam mit dem Kollegen Hauk aus Baden-Württemberg auf Bundesebene im Rahmen einer großen Konferenz am 18. März 2010 unsere Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen vorzulegen.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Wir sind in Nordrhein-Westfalen auf einem guten Weg. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.