Wir nehmen laut Bundeshaushalt 2010 rund 15 Milliarden € Steuergeld in die Hand, um krisenbedingte Einnahmeausfälle – jetzt gab es wieder eine Steigerung um fast 4 Milliarden € – bei den gesetzlichen Krankenkassen durch Steuergeld zu ersetzen. Der Einsatz von Steuergeld bei den gesetzlichen Krankenkassen ist eine wesentlich breitere Solidarität, weil zum Steueraufkommen alle Menschen nach ihrer Leistungsfähigkeit und auch die Unternehmen mit Unternehmenssteuern beitragen. Natürlich beteiligen sich so auch die Beihilfeberechtigten und Privatversicherten, da auch Sie natürlich Steuern zahlen.
Zu sagen, wir seien gerade dabei, die Solidarität mit unseren Krankenkassen einzuschränken, ist etwas an den Haaren herbeigezogen.
Als Gesundheitsminister möchte ich gern einen zweiten Punkt in die heutige Debatte einführen. Wenn sich unser Gesundheitswesen durch eine zu starke Budgetierung in Ansätzen zu einer ZweiKlassen-Medizin weiterentwickeln sollte, haben wir hinsichtlich der Gerechtigkeitsfrage das viel größere Problem, als wenn wir über 8 € Zusatzbeitrag bei einigen Krankenkassen reden.
Meine Damen und Herren, mich beschwert als Gesundheitsminister schon, dass ich von immer mehr gesetzlich Versicherten von relativ langen Wartezeiten bei bestimmten Fachärzten höre. Die Wahrheit ist nun auch, dass eine zu starke Budgetierung dazu geführt hat, dass wir mittlerweile erhebliche Probleme in Teilen von Nordrhein-Westfalen haben, noch junge Menschen zu finden, die zum Beispiel den Beruf des Hausarztes ausüben wollen. Der Hausarztmangel auf dem Lande ist aus meiner Sicht schon eine Einschränkung von Qualität im Gesundheitswesen.
Damit möchte ich Folgendes sagen – und an dieser Wahrheit darf kein verantwortungsbewusster Mensch, auch nicht in den Auseinandersetzungen vor der Wahl am 9. Mai, vorbeireden –: Wenn wir ein gutes Gesundheitswesen für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen haben wollen, dann wird dieses Gesundheitswesen in Zukunft mehr Geld kosten als in der Vergangenheit, und es wird so sein, dass der Mensch der Zukunft für den Bereich der Gesundheit mehr Geld bereitstellen muss als der Mensch der Vergangenheit.
Herzlichen Dank. – Herr Minister, uns wurde glaubhaft berichtet, dass man bei der DKV, der privaten Krankenversicherung, Mitglied werden kann, wenn man in der FDP ist – ohne Gesundheitsprüfung für die gesamte Familie. Ich kenne Fälle, in denen jemand ein behindertes Kind hat, Privatversicherung beantragt hat und abgelehnt wurde, weil das ein Risiko sei. Wenn das so ist, dass die Aufnahme bei dieser Versicherung an
Herr Priggen, erst einmal möchte ich Ihnen zum Geburtstag gratulieren. Ich wünsche Ihnen privat alles Gute, politisch muss ich das ein bisschen einschränken.
Das Zweite, was ich Ihnen sagen möchte: Ich möchte das jetzt nicht kommentieren, weil ich das erst gerade in einer Pressemeldung, die mir ein Kollege von der SPD gegeben hat, gesehen habe. Ich finde, als Minister sollte man nicht etwas kommentieren, was man nicht lückenlos weiß.
Ich will Ihnen nur sagen: Sollte es so sein, wird mir das trotzdem keine Veranlassung geben, Mitglied der FDP zu werden.
Jetzt möchte ich gerne wieder zu einem etwas ernsteren Thema kommen. Ich glaube, dass wir in der Vergangenheit wegen der Koppelung der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen an das sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnis – es gibt bei uns eine gewisse Sozialtradition seit weit über 100 Jahren – in der Politik manche Entscheidung getroffen haben, etwa die Budgetierung im Gesundheitswesen, weil wir die Erhöhung der Lohnnebenkosten in bestimmten Situationen nicht verantworten wollten. Und das hat schon dazu geführt, dass die Tore für eine Zwei-Klassen-Medizin weit aufgestoßen sind.
Man kann heute nicht mehr sagen, dass der gesetzlich Versicherte in dem Umfang und in der Qualität überall behandelt wird wie ein privat Versicherter. Ich möchte es als Gesundheitsminister schon als gesichert wissen, dass jeder Mensch in NordrheinWestfalen, unabhängig von seiner finanziellen Situation, bei Krankheit nach all den Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, behandelt wird.
Wenn man das will, dann muss man auch den medizinischen Fortschritt bezahlen. Ich mache mir relativ viele Gedanken darüber, wie wir es schaffen, den medizinischen Fortschritt so zu gestalten, dass alle Menschen, die in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland leben, daran teilhaben können.
Meine Damen und Herren, wir haben einen gewaltigen medizinischen Fortschritt. Wir haben vor einigen Monaten in unserer Herzklinik in BadOeynhausen einen neuen Chefarzt bekommen, Herrn Prof. Gummert. Er ist einer der ersten Ärzte in Europa, die eine Herzklappe erneuern können, ohne den Brustkörper zu öffnen. Das gibt uns zum Beispiel die Möglichkeit, hoch betagten Menschen
eine neue Herzklappe einpflanzen zu können, was früher bei manchen Gesundheitszuständen aufgrund der Schwere einer solchen Operation nicht mehr ging. Ich finde, das ist ein toller Fortschritt. Aber er kostet Geld.
Ich möchte einen zweiten Punkt nennen. Wir hatten in den letzten zehn Jahren eine Ausgabensteigerung, Herr Sagel, bei den Medikamenten von 65 %. Wir hatten die aber nicht wegen der Gier der Arzneimittelkonzerne oder weil alle so viele Pillen nehmen, sondern wir hatten Gott sei Dank einen erheblichen Fortschritt bei modernen und innovativen Medikamenten bei schwersten Erkrankungen.
Meine Damen und Herren, es ist nun einmal eine Wahrheit, dass es viele Krebspatientinnen und -patienten in Deutschland gibt, die mit diesen modernen Medikamenten, die oft dreistellige Summen in einem Monat kosten, länger leben können und vor allen Dingen ein qualitativ hochwertigeres Leben führen können als früher, als wir diese Medikamente noch nicht hatten.
Es ist wahr, dass noch vor 20 Jahren, als Aids als Thema bei uns in Deutschland aufkam, eine Infizierung mit Aids ein Todesurteil war. Es ist heute immer noch eine schlimme Krankheit, aber aufgrund von modernsten Medikamenten kann man heute mit einer solchen Krankheit viele Jahrzehnte leben. Aber es sind wiederum dreistellige Beträge im Monat, die bei einer solchen Erkrankung für Arzneimittel aufgebracht werden müssen.
Jetzt stellen Sie sich einmal einen Moment vor, dass die vielen tüchtigen Forscher auf dieser Erde weitere Erfolge erzielen. Nehmen wir an, wir haben irgendwann einmal ein richtig gutes Medikament gegen Demenz. Selbst wenn das im Monat für jeden 1.000 € kosten wird – wollen wir dann allen Ernstes irgendwann sagen: „Ab einem bestimmten Alter bekommt man das nicht mehr“? Deswegen ist das Koppeln alleine an die sozialversicherungspflichtige Arbeit auf Dauer der Marsch in die ZweiKlassen-Medizin. Das ist das Unsolidarischste, was überhaupt passieren kann.
Und deswegen – das werde ich auch im Zuge unserer politischen Gespräche anlässlich des 9. Mai überall sagen –: Eines meiner wichtigsten Ziele ist es, die Entwicklung zu einer Zwei-Klassen-Medizin in unserem Land zu verhindern, weil das das Schlimmste wäre, was passieren kann. Deswegen ist nicht von vornherein jeder Politiker unsozial, der sich Gedanken darüber macht, ob wir außerhalb der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse nach vernünftigen Finanzierungsmodellen suchen können.
Ich kenne in ganz Deutschland, im Übrigen auch nicht in der FDP, keinen Politiker, der der Meinung ist, dass wir demnächst ein Gesundheitssystem
Wir sagen alle: Natürlich muss es da einen Sozialausgleich geben, aber keinen Sozialausgleich, der so funktioniert, dass Menschen, die ein Einkommen bis 3.750 € haben, mit ihrer gesamten wirtschaftlichen Leistungskraft zur Solidarität herangezogen werden, während diejenigen, die hohe Gehälter oberhalb von 3.750 € haben, mit diesem Gehaltsanteil nicht mehr herangezogen werden. Hier kann kein Ende der Solidarität sein.
Sie wollen jetzt statt der gesetzlichen Krankenkasse eine Art Bürgerversicherung. Frau Gebhard, Sie haben sich dazu bekannt. Das ist auch keine Überraschung. Es ist nun einmal so: Sie wollen sie, wir wollen sie nicht. Das sind zwei Politikkonzepte, die man gegeneinander stellen muss. Wenn Sie sagen, Sie wollen einen Krankenkassenbeitrag, der vom gesamten Einkommen der Menschen erhoben wird, dann führen Sie über die Krankenkassen in Deutschland ein zweites Finanzamt ein. Sonst geht es ja gar nicht. Da bin ich der Meinung: Es ist mir ein Finanzamt lieber als zwei Finanzämter. Oder sind Sie neuerdings die Partei, die das zweite Finanzamt in Deutschland schaffen will? Oder wollen Sie neben der Bundesagentur für Arbeit, die wir noch nie haben bändigen können, jetzt auch noch eine Bundesagentur für Gesundheit errichten? Oh Gott, oh Gott, kann ich nur sagen. Das wird das Ende der Entwicklung einer solchen Einheitsversicherung sein.
Über all das können wir uns unterhalten. Ich bin sehr viel unterwegs, komme überall hin. Über die Fragen können wir uns unterhalten.
Jetzt wollen wir einfach mal prüfen, ob man auch einen Sozialausgleich stärker über Steuern finanzieren kann, weil wir diesen Weg ja schon mit 15 Milliarden € gegangen sind. – Ich möchte heute in diesem Parlament sehr klar sagen: Ich kenne den neuen Bundesgesundheitsminister auch ein wenig. Es liegt nun einmal daran, dass mein Wahlkreis nicht ganz weit von Niedersachsen weg ist, aber es liegt auch daran, dass wir bei den Koalitionsverhandlungen zusammen waren, es liegt auch daran, dass ich in meiner Funktion ein längeres Gespräch mit ihm gehabt habe. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin froh, dass heute Herr Rösler Gesundheitsminister ist und Ulla Schmidt weg ist.
Ich sage Ihnen auch, dass ich sehr wohl weiß, dass auch Herr Rösler über die Frage, wie man ein solches Gesundheitswesen sozial ausgestalten kann, sehr viel nachdenkt. Wir werden das dann ja
sehen. Eine Kommission kann nicht am Anfang sagen, wo es hingeht. Es ist wirklich ein sehr schwieriges Unterfangen, darüber nachzudenken, wie wir das vernünftig organisieren können.
Die Parameter, die wir als nordrhein-westfälische Landesregierung beurteilen werden, sind: Erstens. Alle Menschen müssen am medizinischen Fortschritt teilhaben können. Zweitens. Wir wollen ein solidarisches Gesundheitssystem haben, in dem die Gesunden für die Kranken zahlen. Und wir wollen drittens ein Gesundheitssystem haben, in dem die stärkeren Schultern in der Gesellschaft erheblich mehr zur Finanzierung des Gesundheitssystems beitragen müssen als die schwächeren Schultern.
Das sind die Grundsätze, die wir in der Prüfung als Landesregierung für unser Verhalten etwa da, wo wir dann gefragt sind, ganz sicherlich als große Prämisse einsetzen werden.
Deswegen meine ich, dass wir in diesem Bereich einen Beitrag aus Nordrhein-Westfalen leisten werden, dass unser Gesundheitswesen auf Dauer in seinen Strukturen so ist, dass es auch für die Menschen überall erreichbar ist.
Wissen Sie, wenn jetzt aus dem Anlass, dass ein paar Krankenkassen 8 € Zusatzprämie einführen, eine Debatte in unserem Land darüber entsteht, jetzt mit Solidarität anzufangen, kann ich nur sagen: Wo wir noch nicht den einheitlichen Gesundheitsbetrag hatten und die Krankenkassen unterschiedliche prozentuale Beiträge nehmen konnten, hatten wir viel größere Unterschiede von der einen gesetzlichen Krankenkasse zur anderen als diese 8 €. Denn wenn jemand 2.000 € verdiente und die Krankenkassen in ihrem Beitrag mehr als 1 % auseinander lagen, redeten wir schon über 20 €. Jeder Mensch, der jetzt sagt, ich möchte diese 8 € nicht bezahlen, mir ist meine Krankenkasse diese 8 € zusätzlich nicht wert, dass ich da drin bleibe, der hat selbstverständlich die Möglichkeit, in eine der vielen Krankenkassen zu gehen – und zwar die größten Krankenkassen, die es in diesem Land gibt, die auch gute Versorgungsstrukturen aufgebaut haben –, die keine Zusatzbeiträge erheben.
Kein einziger Hartz-IV-Bezieher zum Beispiel muss diese 8 € zahlen. Er kann, wenn er die 8 € nicht bezahlen möchte, selbstverständlich in jede Krankenkasse unseres Landes gehen, die keine Zusatzbeiträge berechnet.
Auch das gehört, so finde ich, zu dieser Debatte dazu. Wenn man dann als Grüne schreibt: „Unsolidarische schwarz-gelbe Bundesregierung stop