Protocol of the Session on February 3, 2010

Stattdessen haben Sie uns der Germanisierung geziehen. Sie haben die schwierigen Probleme nicht anpacken wollen, sich in schulideologischen Fragen verzettelt und die Dinge schöngeredet.

(Beifall von der CDU)

Auch in der SPD haben das damals viele erkannt. Und es gibt gute Gründe, warum sich Frau Behler, Ihre Vorgängerin, sehr geehrte Frau Schäfer, mit Grausen von der Schulpolitik der SPD abgewendet hat.

(Beifall von der CDU)

Sie aber, Frau Schäfer, schreiben hier einen Antrag, der nur polemisch und in Teilen sogar hysterisch mit einem wichtigen Element der Schulpolitik umgeht. Sie beschimpfen die Feuerwehr, die den Flächenbrand löscht, den Sie zugelassen haben.

(Beifall von der CDU – Sören Link [SPD]: Herr Solf, ich bitte Sie!)

Das passt nicht. Deshalb können Sie sich auf eine sachliche Diskussion gar nicht einlassen; denn jede Fehleranalyse fällt ja auf Sie zurück. Also müssen Sie, wie gehabt, schreien und trampeln. Nach der neuen Rechtschreibung schreibt man eben Pharisäer mit F wie Schäfer.

(Beifall von der CDU – Marc Jan Eumann [SPD]: Das war witzig, Herr Kollege!)

Entsprechend ist der Antrag, den Sie heute vorlegen, ein ungenießbarer, ja sogar giftiger Cocktail aus den unterschiedlichsten Ingredienzen.

(Carina Gödecke [SPD]: Mein Gott, Sie ken- nen ja Fremdwörter!)

Das Infame an ihm ist, dass er berechtigte Fragen und Anliegen von Eltern, von Lehrkräften, von Schülerinnen und Schülern aufgreift, sie dann aber mit

Behauptungen, Halbwahrheiten und auch Falschheiten zusammenbraut.

Natürlich müssen der Gesetzgeber und die Pädagogen vor Ort darauf achten, dass insbesondere in den ersten Schuljahren am Gymnasium eben keine Überforderung der Kinder entsteht. Das ist vor allem zu Beginn eines solchen Systemwechsels nicht einfach; aber die Dinge sind längst auf den richtigen Weg gebracht worden. Alle mussten lernen, dass mehr Unterricht am Nachmittag – anders kann es ja gar nicht gehen – auch weniger Hausaufgaben in der bisherigen Form bedeutet. Dafür bräuchte es keinen Antrag im Namen einer früheren Schulministerin. Das wurde und wird in den Schulen verantwortungsvoll gehandhabt. Und wenn es doch irgendwo hakt, dann sind Sie es doch, die dafür jeden Abend eine Kerze ins Fenster stellt.

(Beifall von der CDU)

In die Kategorie „falsch“ gehört neben manchem anderen die alberne Behauptung, die Gesamtschulen insgesamt müssten viele Kinder mit Gymnasialempfehlung ablehnen und die Landesregierung sei auch das noch schuld. Von einem Ansturm von Kindern mit Gymnasialempfehlung auf die Gesamtschulen kann natürlich nicht die Rede sein. Das wissen Sie auch, und trotzdem schreiben Sie das Gegenteil auf.

(Vorsitz: Vizepräsiden Oliver Keymis)

Genauso wissen Sie: Bei „10 plus 2“, Herr Link, also beim direkten Einstieg in die Qualifikationsphase, könnten gerade schwächere Schüler aus anderen Schulformen ihre Defizite nicht mehr aufarbeiten.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: So ist es!)

Die neuen Schulbücher, abgestimmt auf die Kernlehrpläne, liegen doch schon vor und werden von den Schulleitervereinigungen und der Landeselternschaft begrüßt.

Die zwei Abiturtermine, die Sie fordern, gibt es nur in Bayern – und da sind sie übrigens heiß umstritten.

Die so schön klingende Wahlfreiheit der Kommunen zwischen zwölf oder 13 Jahren an den Gymnasien würde zu Gymnasien erster und zweiter Ordnung führen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das ist doch Quatsch!)

Alle gymnasialen Fachleute sind dagegen. Aber zu denen gehören Sie ja nicht.

In die gleichfalls mehrfach vertretene Kategorie „Panikmache“ ordne ich auch ihre vorgeblichen Sorgen um den Abiturjahrgang 2013 ein. Sie weinen wahltaktische Krokodilstränen, weil die Arbeit an dieser Stelle zwar längst begonnen hat, aber dreieinhalb Jahre vor dem Tag X noch nicht abgeschlossen ist.

Das Prinzip, das Sie verfolgen, ist klar: Sie versuchen, die Menschen zu verunsichern. Sie schreien: „Haltet den Dieb!“, bevor es überhaupt etwas zu stehlen gibt. Und Sie hoffen, dass Ihnen das irgendwie am 9. Mai nützen wird. Aber ich sage Ihnen: Das wird Ihnen gar nichts nützen. Die Menschen in unserem Land können nämlich sehr klar unterscheiden. Sie wissen, was die wirklichen Probleme sind, und sie wissen auch, wer sich konstruktiv um Lösungen kümmert.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Link, auch auf die Gefahr hin, dass Sie Ihre Stimme etwas mehr strapazieren müssten als vorgesehen?

Herr Präsident, in bestimmten Fällen ist es ein probates pädagogisches Mittel, den Lernenden die Antwort selbst suchen zu lassen. Ich greife zu diesem Mittel und sage Nein.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU)

Also keine Zwischenfrage. Danke schön.

(Sören Link [SPD]: Das war wenigstens eine Antwort mit Niveau!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, ich fordere Sie auf, zu einer ehrlichen Diskussion über die Ausgestaltung unserer Gymnasien zurückzukehren. Dann ginge es auch meiner Stimme besser.

Hören Sie auf, zu polemisieren! Kreischen Sie nicht, das Turboabitur sei des Teufels! Geben Sie lieber zu, dass sich alle Fraktionen in diesem Landtag einig waren, dass es dringend notwendig ist, die jungen Menschen in unserem Land ein Jahr früher als bislang zum Abitur zu führen! Das kann bei uns genauso gut gehen wie in all den anderen Ländern, in denen das schon eingeführt ist. Dafür brauchen wir eine gemeinsame Anstrengung, eine Diskussion ohne eine absichtsvolle Verunsicherung der Eltern. Wir brauchen konstruktive und präzise Anträge. Das, was Sie hier vorlegen, das ist der Zettelkasten, mit dem Sie in den nächsten drei Monaten „Wahlkrampf“ machen wollen. Ich glaube nicht, dass die Menschen Sie damit durchkommen lassen werden.

Damit, meine verehrten Damen und Herren von der SPD, damit wären wir wieder bei Ihrem Grundproblem. Denn ähnlich wie bei der Frage, mit wem Sie koalieren wollen, können Sie auch in der Schulpolitik das nicht laut sagen, was Sie wirklich denken und am liebsten umsetzen wollen. Natürlich wollen Sie mehrheitlich – ich weiß, dass es so manchen unter Ihnen gibt, der in diese Richtung gezwungen werden muss – dem Gymnasium an den Kragen.

Sie wollen doch das Gymnasium schlicht kaputt machen.

(Beifall von der CDU)

Aber das sagen Sie nur im kleinen Kreis. Gymnasium ist für Sie eine Terra incognita. Sie wollen es einfach abschaffen.

Damit sind wir bei den verschiedenen Graden von Ehrlichkeit, die einem in Wahlkampfzeiten ach so nützlich sein können.

(Carina Gödecke [SPD]: So ein schönes Thema!)

Dieser Hintergrund, das Wissen um die wahren Ziele Ihrer okkulten Schulpolitik, das ist es, was diesen Antrag so unappetitlich macht. Er ist – ich sage das mit großer Bitterkeit – nicht wirklich ernst gemeint. Das ist nur noch traurig. – Danke.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Solf. – Für die FDP-Fraktion hat nun Frau Pieper-von Heiden das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Schäfer, Sie tragen heute nicht nur ein rotes Tuch, Sie sind auch ein rotes Tuch für die Schullandschaft.

(Ute Schäfer [SPD]: Für Sie! – Carina Göde- cke [SPD]: Albern und peinlich!)

Ich möchte mal zitieren, was die „Bild“-Zeitung heute schreibt. Sie titelt: „Schäfers Schul-Schwindelei“. Treffender kann man es gar nicht sagen. Sie schreibt weiter:

Bleibt die Wahrheit im Wahlkampf-Zoff auf der Strecke? BILD hat die Attacke untersucht, die Ex-Schulministerin Ute Schäfer (55, SPD) gestern vom Stapel ließ. So sagte Schäfer eindeutig: „Ein generelles Abitur nach zwölf Jahren an den nordrhein-westfälischen Gymnasien lehnen wir ab.“ Merkwürdig: Als Schäfer Schulministerin der Rot-Grünen-Koalition war, bereitete sie selber dem Abitur nach 12 Jahren mit den Weg, lobte z. B. im Magazin „FOCUS Schule“ (1/2005): „Das G8 sichert einen verantwortlichen Umgang mit der Lebenszeit junger Menschen.“

Frau Schäfer, als wir beide noch nicht Abgeordnete waren und 2000 auf dem Podium zur Landtagswahl gesessen haben, da haben Sie gesagt, ein Abitur nach zwölf Jahren sei eine Vergewaltigung der Schülerinnen und Schüler. Das haben Sie verteufelt. Dann wurden Sie Schulministerin und haben selbst das Abitur nach zwölf Jahren eingeführt.

(Frank Sichau [SPD]: Aber anders!)

Sie haben es beschlossen. 2005 kaum in der Opposition gelandet haben Sie nicht mehr wie vorher vom Erhalt des gegliederten Schulsystems gesprochen, sondern von Ihrer Einheitsschule. Also: „Schäfers Schul-Schwindelei“! Man könnte auch sagen: SPD – die Schwindelpartei Deutschlands.

(Beifall von CDU und FDP – Dieter Hilser [SPD]: Das muss die FDP sagen!)

Ihr Modell „10 plus 2“ war absolut unsozial. Mit Ihrem Modell der zweijährigen Oberstufe, die unmittelbar mit der Qualifikationsphase hätte beginnen müssen, hätten SPD und Grüne allen Realschülern und Hauptschülern mit Qualifikationsvermerk die Möglichkeit des Abiturs an einem Gymnasium im Prinzip verbaut.