Protocol of the Session on January 20, 2010

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Außerdem hat die Firma Schlecker inzwischen angekündigt, mit dieser Zeitarbeitsfirma neue Verträge nicht mehr abschließen zu wollen.

Aber dennoch ist es sinnvoll, gesetzliche Schritte zu prüfen, denn die Größenordnung, mit der wir es bei Schlecker zu tun haben, ist bedenklich. Die „Financial Times Deutschland“ kommt beim Fall Schlecker zu folgendem Schluss:

Zeitarbeit dient in diesem Fall einzig und allein dazu, Lohnkosten dauerhaft zu drücken. Von dem ursprünglich anvisierten Ziel, Unternehmen Spielraum für Produktionsschwankungen zu geben, ist nichts übrig. Das mag nach den Buchstaben des Gesetzes legal sein, widerspricht aber seiner Intention.

Auch Arbeitsmarktpolitiker der CDU- und der FDPBundestagsfraktion haben dies deutlich gesagt und hier eine Überprüfung angekündigt.

Der Zeitarbeitsbranche wurde durch die Veränderungen bei Schlecker unbestreitbar ein großer Imageschaden zugefügt. Vertrauen, das mühsam aufgebaut wurde, ist leichtfertig verspielt worden. Darunter müssen auch die seriösen Anbieter, die sich um Mitarbeiter bemühen, leiden. Kein Wunder also, dass sich die Zeitarbeitsbranche, namentlich der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Zeitarbeit, Ludger Hinsen, über das Geschäftsgebaren bei Schlecker wenig erfreut zeigt.

Wir haben gerade zur Zeitarbeit viele kontroverse Diskussionen geführt. Morgen steht das Thema erneut auf der Tagesordnung. Als FDP-Fraktion haben wir uns stets dazu bekannt, dass Zeitarbeit grundsätzlich ein sinnvolles Instrument ist. Es hat viele Menschen in Arbeit gebracht, vor allem schlechter qualifizierte Mitarbeiter, die ansonsten auf dem Stellenmarkt leer ausgegangen wären.

(Beifall von der FDP)

Für Unternehmen ist es wichtig, durch den Einsatz von Zeitarbeitnehmern Auftragsspitzen abfangen zu können bzw. die Produktivität des Betriebes auch bei Krankheitsfällen und in Urlaubszeiten zu sichern. Allerdings musste gerade die Zeitarbeit in der Krise besonders bluten; das ist richtig. 300.000 Zeitarbeiter haben nach einem aktuellen Bericht der Bundesregierung zur Arbeitnehmerüberlassung seit dem Beginn der Krise ihren Job verloren. Allerdings darf man auch nicht übersehen, dass es im Jahre 2008 insgesamt 760.000 Zeitarbeiter gab und damit doppelt so viele, wie es 2004 waren.

Zu den beschäftigungspolitischen Erfolgen hat sicherlich auch die Überarbeitung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes durch die damalige rotgrüne Bundesregierung im Jahre 2003 beigetragen. Die Hans-Böckler-Stiftung kam in einer Studie aus dem Jahre 2008 zu dem Ergebnis, dass gerade die Aufhebung des Synchronisationsverbotes sowie die Befristung die zentralen Faktoren für den Erfolg der Zeitarbeitsbranche darstellen. Dennoch hat sich die SPD-Fraktion für eine Rücknahme der gesetzlichen Erleichterung von damals ausgesprochen – die Grünen ziehen jetzt nach –, obwohl dies nach unserer Auffassung nicht die richtige Antwort auf die fragwürdige Geschäftsstrategie bei Schlecker ist.

Es wird sicherlich eine Gratwanderung sein, den Missbrauch in der Zeitarbeit wirksam zu unterbinden, ohne die Branche wirtschaftlich auszubremsen. Hier ist also Ausgewogenheit gefragt; sonst erweist man denjenigen, die in besonderer Weise von Arbeitslosigkeit bedroht oder auch schon betroffen sind, einen Bärendienst.

Insgesamt sage ich zum Antrag der Fraktion der Grünen: Die Forderung einer Rücknahme der Re

formansätze in der Zeitarbeit ist nicht zielführend. Außerdem hat der Bund bekanntlich bereits Handlungsbereitschaft signalisiert. Deshalb ist dieser Antrag überflüssig. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Romberg. – Als nächster Redner hat der fraktionslose Abgeordnete Sagel das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Familie Schlecker, eine der reichsten Familien Deutschlands, möchte ihre Profite weiter steigern oder, wie die FDP sagen würde, die Effizienz ihres Unternehmens erhöhen.

(Zuruf von der FDP: Quatsch!)

Angestellte werden entlassen, über eine Zeitarbeitsfirma wird mit halbem Lohn wieder eingestellt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen dieselbe Arbeit verrichten und bekommen weniger Urlaub, das Weihnachtsgeld wird ganz gestrichen, und es gibt insgesamt weniger Geld. Hier sehen wir mal wieder, wie Tarife umgangen werden und Arbeitnehmer/innen und Sozialversicherungen um ihr Geld gebracht werden, damit ein Unternehmen noch mehr Profit abwirft.

Das ist nicht nur schäbig, das ist menschenverachtend, mal ganz davon abgesehen, dass die Umsätze von Schlecker zurückgehen. Seit dieser Sparkurs gefahren wird, brauchen wir dringend einen Mindestlohn in Höhe von 10 €, um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor diesen Praktiken zu schützen. Keineswegs nicht brauchen wir das, was die Fraktionen von CDU und FDP im Bundestag vorhaben, nämlich die Zeitarbeit weiter auszuweiten.

Schon seit Monaten setzt sich die Linke für die Angestellten der Drogeriemarktkette ein. Schon lange prangern wir die Praktiken des Lohndumpings an und stehen mit den Angestellten auf der Straße und unterstützen ihren Kampf.

Die Eheleute Schlecker wollen ihre Praktiken jetzt stoppen. Jetzt, wo der Wahlkampf begonnen hat, machen die Grünen einen Antrag, politische Mittel einzusetzen, um Lohndumping bei Schlecker zu unterbinden.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das ist aber nicht der erste!)

Hier sehen wir mal wieder: Links wirkt.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Pö!)

Allein die Möglichkeit des Einzugs einer starken linken Fraktion in den nordrhein-westfälischen Landtag bringt offensichtlich die Verhältnisse in Bewe

gung. Dass die SPD-Fraktion – das ist besonders interessant – immer wieder auf ihre eigenen Anträge verweist, ist sehr beachtlich. Denn wer hat bis vor vier Monaten den Bundesarbeitsminister gestellt? – Genau für das, was jetzt praktiziert wird, tragen Sie die Verantwortung. Sie hätten das auf Bundesebene längst ändern können, wenn Sie das gewollt hätten.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist auf Bun- desratsebene eingebracht worden! Nehmen Sie mal die Fakten zur Kenntnis!)

Deutlich wird jedenfalls, dass die Zeitarbeit nicht zur Bewältigung von Konjunkturspitzen benötigt wird, sondern für eiskaltes Lohndumping. Deshalb sollte auf den gesetzlichen Mindestlohn noch ein gesetzlicher Zusatz aufgeschlagen werden, damit Unternehmen sich flexible Arbeit auch etwas kosten lassen müssen. Dann wird auch der Kündigungsdruck sowohl von Leiharbeitern und Leiharbeiterinnen als auch von Festangestellten genommen. In anderen Ländern wie Frankreich wird dies als Erschwerniszuschlag für prekär Beschäftigte verstanden.

Dies ist alles wichtig, aber noch nicht hinreichend. Wir kommen nicht drum herum, die betriebliche Mitbestimmung von Angestellten in Großbetrieben zu stärken. Nur wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihren Arbeitsplätzen mitbestimmen, was im Betrieb passiert, werden solche und andere Praktiken zum Schaden der Mitarbeiter bereits im Ansatz unterbunden. Dazu hat die Linke im Bundestag vielfach die Initiative ergriffen. Aber es ist nicht nur das Unternehmen Schlecker, das das praktiziert – das müssen wir uns auch klarmachen –, so etwas ist gängige Praxis. Deswegen müssen erneut gesetzliche Instrumente her, aber das muss im Bundestag passieren.

Dieser Antrag wäre eigentlich ein Schritt in die richtige Richtung, doch der Haken an der Sache ist, dass niemand den Grünen einen solchen sozialen Antrag glaubt, solange Sie eine schwarz-grüne Koalition nach dem 9. Mai nicht ausschließen. Solange Sie nicht ausschließen, mit diesem „Privat vor Staat“-Rüttgers zusammenzugehen, werden die Menschen im Land solche Anträge für Wahlkampfgetöse halten, und genau das sind sie auch. Die Glaubwürdigkeit schwindet, solange Sie dieser sozialabbauerischen CDU nicht die rote Karte zeigen, die das Tariftreuegesetz abgeschafft hat und Mitbestimmung im öffentlichen Dienst und einen Mindestlohn verweigert.

(Unruhe von den GRÜNEN – Barbara Stef- fens [GRÜNE]: Guck dir mal deine eigenen Papiere an!)

Man hört es ja, jetzt werden Sie wieder ganz nervös.

(Lachen von den GRÜNEN)

Frau Löhrmann, Frau Steffens, dann sagen Sie doch einmal klipp und klar, dass Sie Schwarz-Grün nicht wollen; dann glauben die Leute vielleicht etwas von dem, was Sie hier heute beantragen. Das ist alles nur Getöse.

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Das ist alles nur Show. Nichts anderes machen Sie hier. Das ist die Realität.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich eben den Kollegen Sagel reden gehört habe, habe ich mir eine Frage gestellt: Warum erklären eigentlich die SPD und die Grünen nicht, dass sie mit dem Mann niemals zusammengehen wollen?

(Beifall von CDU und FDP)

Dann wäre schon viel gewonnen.

Meine Damen und Herren, jetzt wollen wir zu dem Thema des Antrags der Grünen kommen. Der Missbrauch der Leiharbeit bei Schlecker ist nun auch den Grünen aufgefallen.

Wie Sie wissen, habe ich die Vorgänge bei Schlecker im Zusammenhang mit der Einrichtung der sogenannten XL-Filialen frühzeitig öffentlich verurteilt. Ich habe schon am 11. Dezember einen Brief an die Belegschaft von Schlecker geschrieben und ausgeführt, dass es sich hierbei um ein Geschäftsgebaren handelt, das systematische Tarifflucht und Lohndumping verfolgt– und nichts anderes.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein großes und lange Zeit am Markt erfolgreiches Unternehmen so etwas nötig hat. Statt auf Grundlage des mit den Gewerkschaften ausgehandelten Firmentarifvertrages, der sich am Branchentarifvertrag des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen orientiert, werden bei Schlecker über Zeitarbeitsverträge Stundenlöhne um die 6,50 € umgesetzt. Dazu greift man auf einen umstrittenen Tarifvertrag zurück, den die sogenannten christlichen Gewerkschaften abgeschlossen haben.

Der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen ist inzwischen in zweiter Instanz durch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Tariffähigkeit abgesprochen worden.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Gott sei Dank!)

Die ganze Konstruktion steht also tarifrechtlich auf sehr wackeligen Beinen. Schlecker geht ein hohes

Risiko ein, wenn die Zeitarbeitsbeschäftigten den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaften einklagen oder die Sozialversicherungsträger Nachzahlungen fordern – umso schlimmer, wenn sich die weiteren Vorwürfe bestätigen sollten.

Dass systematisch ausschließlich die niedrigsten Beträge für das Tarifgebiet Ost gezahlt werden und dass auch qualifizierte Verkäuferinnen, sogar Filialleiterinnen lediglich wie ungelernte Aushilfskräfte bezahlt werden, spricht Bände. Auch hier drohen Schlecker Nachzahlungen, wenn die Betroffenen auf dem Klageweg Erfolg haben.

Damit das klar ist: Ich habe grundsätzlich nichts gegen Zeitarbeit, die Gewerkschaften im Übrigen auch nicht. Aber die Bedingungen müssen stimmen. Zeitarbeit hat die Aufgabe, betriebliche Auftragsspitzen abzufangen oder im Fall von Urlaub und Krankheit Vertretungen bereitzustellen. Ich stehe zur Zeitarbeit, wenn sie diese Funktion erfüllt. Damit wird den Unternehmen die benötigte Flexibilitätsreserve zur Verfügung gestellt, und davon profitieren, wie wir alle wissen, natürlich auch Stammbelegschaften.

Wir müssen auch im Blick behalten, dass die Zeitarbeit eine Wachstumsbranche ist, in der in den letzten Jahren gerade auch in Nordrhein-Westfalen viele Arbeitsplätze geschaffen wurden. Die Branche hat – das verwundert nicht – natürlich auch als erste auf die konjunkturellen Einbrüche reagiert. Dennoch: In Nordrhein-Westfalen nimmt die Anzahl der Beschäftigten seit Juni 2009 wieder zu. Nach den letzten Zahlen von Oktober 2009 waren in der Branche bei uns wieder 135.500 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Der Anteil der Zeitarbeitnehmer an der Gesamtbeschäftigung ist dabei im Jahresvergleich trotzdem gesunken, nämlich von 2,7 % auf 2,3 %. Ich finde, diese Zahl muss man sich einmal vor Augen halten. Wenn 2,3 % unserer Arbeitsplätze bei der Zeitarbeit sind, Herr Schmeltzer, dann kann man wirklich nicht sagen, dass die Zeitarbeit massenhaft Stammbelegschaften verdrängt.