Protocol of the Session on January 20, 2010

Obwohl seit der Einführung des Testverfahrens Delfin 4 die Kritik daran nicht abreißt, lässt der Entwurf es schlicht bei der Erwähnung des Tests bewenden. Ich erinnere an die jüngste Sitzung des Generationenausschusses, in der uns ein Bericht mit vielen konstruktiven Ergebnissen über das Projekt FÖRMIG vorgestellt wurde. Auch dieser Bericht erläutert zentrale Anforderungen an Sprachentwicklung und -förderung. Sie muss – ich zitiere – durchgängig sein. Sie hat nur dann nachhaltigen Erfolg, wenn sie auch nach der Einschulung noch fünf bis sieben Jahre andauert.

Nahezu wortgleich ist dies als Handlungsempfehlung 4.3 im Bericht der Enquetekommission nachzulesen. Vor dem Hintergrund, dass es für den Schulbereich nun diese gesicherten Erkenntnisse gibt und sie für den Elementarbereich im Entwurf der Empfehlungen zumindest formuliert werden, erwarten wir, dass das endlich zusammengeführt wird, wenn es um die Bildungsförderung von Kindern im Alter von null bis zehn Jahren geht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Als dritten Aspekt möchte ich die Übergänge ansprechen, die das Kind in unserem derzeitigen System während der ersten zehn Lebensjahre zu meistern hat. Auch zu diesem Thema bleibt der Entwurf der Bildungsempfehlung hinter den Ergebnissen der Kommission zurück, die für den Übergang Kita/Schule konkrete Vorschläge – beispielsweise Bildungs- und Lehrplanabstimmungen, gemeinsames Arbeiten der Beschäftigten beider Bereiche, gemeinsame Fortbildungen – machen. In Bezug auf den Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe I verharrt der Entwurf bedauer

licherweise bei der – ich zitiere – Förderung entsprechend der Begabung und beim – ich zitiere wieder – hilfreichen Wissen um die Durchlässigkeit im NRW-Schulsystem.

Wir alle aber kennen die Statistiken – sie waren hier hinreichend oft Thema –, nach denen diese Durchlässigkeit neun von zehn Kindern in eine Schule mit einem weniger anspruchsvollen Abschluss führt.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Für alle diese Themenbereiche, die ich angesprochen habe, gilt, dass mit dem KiBiz und anderen Elementen der Regierungspolitik derzeit die Umsetzungsmöglichkeiten und die Rahmenbedingungen in vielerlei Hinsicht nicht gegeben sind. Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen. -Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hack. – Jetzt hat für Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Asch das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In keiner Lebensphase sind Bildungs- und Entwicklungsprozesse so eng miteinander verknüpft wie in der frühen Kindheit. Die Grundlage jeglicher Lernprozesse von Kindern – das weiß jeder oder jede, der oder die mit Kindern zu tun hat – sind verlässliche Bindungen und die emotionale Sicherheit, die Erwachsene ihnen geben. Nur ein emotional stabiles Kind, das in kontinuierlichen, verlässlichen Beziehungen Sicherheit erfährt, öffnet sich der Welt und kann vielfältige Erfahrungen machen und lernen.

Das bedeutet: Wenn wir über frühkindliche Bildungsprozesse sprechen, müssen wir zunächst die Rahmenbedingungen in den Kindertagesstätten zentral in den Blick nehmen. Das blenden Sie, wie so vieles andere in Ihrem fachlich insuffizienten Antrag – anders kann man das nicht nennen –, einfach aus.

(Zuruf von der CDU: Junge, Junge!)

Es ist verständlich, dass Sie die Rahmenbedingungen in den Kitas ausblenden: weil genau diese Rahmenbedingungen von Ihnen verschlechtert wurden und weil sie eben im Hinblick auf die wesentliche Dimension verschlechtert wurden, die Kinder brauchen; denn Kinder brauchen Erwachsene.

Sie dagegen haben den Betreuungsschlüssel durch das KiBiz gesenkt. Sie haben dafür gesorgt, dass die Kinder weniger Zeit bekommen, dass sie weniger Zuwendung bekommen und dass sie weniger verlässliche Beziehungen bekommen. Das bedeutet, Sie haben die Vorraussetzungen und das Fun

dament für Bildungsprozesse in der Kindertagesstätte verschlechtert. Das ist die Realität.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, was fehlt in diesem Antrag, der nun zum wiederholten Male gestellt worden ist? Ich habe festgestellt: Sie haben mit im neuen Jahr mit dem ersten Antrag der Regierungskoalition von CDU und FDP in Ihrem schlechten Arbeiten genau da weitergemacht, wo Sie im letzten Jahr aufgehört haben.

Erstens. Im Wesentlichen mangelt es daran, die Rahmenbedingungen in den Blick zu nehmen.

Zweitens fehlt die wichtige Schnittstelle zwischen Kita und Schule. Das ist von Ihnen völlig insuffizient gelöst. Sie haben das nicht ausreichend thematisiert. Ihnen ist das Spannungsverhältnis zwischen Lernprozessen, die im Elementarbereich stattfinden und die vor allem Selbstbildungsprozesse und nonformales Lernen sind, und dem eher formalisierten Wissenserwerb in der Schule offenbar nicht klar. Dazu gibt es von Ihnen kein Wort. Das ist Ihnen fachlich offenbar überhaupt nicht klar.

Der Übergang Kita/Schule ist fachlich also nicht adäquat thematisiert. Dazu steht in Ihrem Antrag ein komischer Satz, den ich Ihnen vorlesen muss: „… die Förderung der Kinder in beiden Institutionen auf eine gleichbedeutende fachliche Grundlage gestellt wird.“ Das ist wirr, das ist kryptisch, das sagt überhaupt nichts aus.

Drittens fehlt das Thema Tagespflege. Das finde ich besonders interessant. Sonst ist Ihnen allen, vor allem der CDU-Fraktion, die Tagespflege doch immer so wichtig. Aber wenn Sie die Tagespflege wirklich so ernst nehmen, wie Sie es immer vorgeben, dann muss eine Bildungsvereinbarung – oder eine Empfehlung, wie Sie es jetzt nennen – genau diese Tagespflege in den Blick nehmen. Auch dazu steht in Ihrem Antrag kein Wort.

Das Vierte, was fehlt – mal wieder, müssen wir feststellen –: Sie fordern zwar die Einbeziehung aller Beteiligten – der Eltern, der Schule usw. –, nicht wichtig ist Ihnen aber mal wieder die Einbeziehung derjenigen, die diese wichtige Arbeit machen. Das sind die Erzieherinnen und Erzieher. Die lassen Sie mal wieder außen vor, die finden bei Ihnen keine Berücksichtigung.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur sagen: Dieser Antrag fällt unter die Rubrik „Anträge, die die Welt nicht braucht“. Herr Ratajczak – das muss ich noch einmal sagen –, selbst Ihr Zitat am Anfang war falsch. Das war das Zitat, in dem es um das Rudern gegen den Strom ging. Das gilt für Bildungsprozesse im Erwachsenenalter. Kleine Kinder bilden sich ganz anders. Machen Sie sich erst einmal fachlich klug. Dann können Sie hier Anträge stellen, und dann kommen wir auch miteinander

weiter. Auf diesem Niveau sehe ich schwarz für das ganze Jahr.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Jetzt erhält Herr Minister Laschet das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Anträge, die die Welt nicht braucht“, hat Frau Asch gesagt. Es gibt auch Wortbeiträge, die die Welt nicht braucht.

(Beifall von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wir hören gerade einen!)

Ich glaube, es ist gut, dass sich der Landtag einmal mit Bildungsinhalten beschäftigt, dass der Landtag und die Regierungsfraktionen einen Antrag zu dem Thema vorlegen, welche Bildungsinhalte wir für Kinder zwischen null und zehn Jahren haben, dass sich der Landtag mit dem Thema beschäftigt „Wie schaffen wir den Übergang von der Kindertagesstätte in die Schule?“, und dass wir endlich über einen Bildungsplan für die ersten zehn Lebensjahre nachdenken. Das hat bisher nicht ausreichend stattgefunden. Insofern glaube ich, dass der Landtag und die Kinder in diesem Land diesen Antrag sehr dringend brauchen. Es ist gut, dass er gestellt worden ist.

Frühe Bildung für jedes Kind – das ist die Voraussetzung dafür, dass jedes Kind, unabhängig von der Herkunft seiner Eltern und ihrem sozialen Status sowie unabhängig davon, ob es eine Zuwanderungsgeschichte hat, den Aufstieg in unserer Gesellschaft schaffen kann und eigene Bildungspotenziale hat, um selbst – als Kind – wahrgenommen zu werden.

Nordrhein-Westfalen hat viel zu lange kaum Fortschritte bei der frühen Bildung erlebt. Das ist mit der neuen Landesregierung anders geworden. Wir haben die Sprachförderung eingeführt – über die man natürlich noch debattieren kann und über die wir auch noch lange debattieren werden. Aber dass wir endlich jedes einzelne Kind in den Blick nehmen, ist einer der Fortschritte, die wir in den letzten Jahren erreicht haben. Die Mittel dafür sind vervierfacht worden: von 7 Millionen auf jetzt fast 30 Millionen €. Auch das hat eine wichtige Bedeutung.

Wir haben eine verpflichtende Bildungsdokumentation. Das ist genau der Weg – von der Kindertagesstätte in die Schule –, um die Bildung fortzusetzen. Wir haben die Förderung naturwissenschaftlichtechnischer Bereiche und kultureller Projekte, und wir haben einen Ausbau der Plätze für die unter Dreijährigen.

Bei allen Fortschritten ist die Bildung gerade in den frühen Lebensjahren eine Aufgabe von Dauer. Wir

brauchen ein gemeinsames Bildungsverständnis. Aber das ist wegen der Unterschiedlichkeit der Institutionen gerade das Problem. In den Kindertagesstätten haben wir eine freie Trägerlandschaft, Subsidiarität und eine Wertorientierung, die auf die Jüngsten zugeschnitten ist. Im Schulbereich haben wir als Regierung die Möglichkeit, Erlasse herauszugeben und zu steuern. Das können Sie bei Kindertagesstätten nicht machen. Das sind freie Träger, mit denen dieser Konsens gefunden werden muss. Insofern glaube ich, dass die Anregung, dass Schule und Kindertagesstätte zusammenarbeiten und sich auf gemeinsame Bildungsinhalte verständigen, ganz wichtig ist.

Frau Kollegin Hack, Sie haben den Sprachtest Delfin 4 kritisiert. – Der aber hat bewirkt, dass sich zum ersten Mal Lehrerinnen und Erzieherinnen gemeinsam der Bildung der Kinder verschreiben, dass eine Lehrerin, vielleicht eine Grundschullehrerin, mal in der Kindertagesstätte ist und die Kinder, die demnächst zu ihr kommen, sieht und sie ein Verständnis für die Arbeit der Erzieherinnen gewinnt, während Erzieherinnen ihrerseits Verständnis für das bekommen, was Lehrer leisten. – Genau diese Begegnung ist einer der großen Fortschritte, der mit diesem Verfahren verbunden ist.

Wir werden zur Begleitung der Erprobungsphase die Träger, die Schulen und die Elternvertreter beteiligen und einbeziehen. Das Gleiche gilt auch für die Vertretung der Schulpflegschaften. Workshops und Fachveranstaltungen, teilweise bezogen auf die Regierungsbezirke, ergänzen und unterstützen die Erprobungsphase. – Sie sehen, das ist ein breit angelegtes Begleitprogramm. Diese Phase soll im Jahr 2011 abgeschlossen sein.

2011 ist auch das Jahr, in dem wir das KiBiz evaluieren und sehen werden, wo wir vielleicht eine andere Steuerung auch in der Finanzstruktur brauchen. Das ist mit allen verabredet worden, sodass – wenn man Bilanz zieht – Kindern jetzt echte Chancen für Bildung, persönliche Entwicklung und auch sozialen Aufstieg gegeben werden. Das geht nur durch individuelle und frühe Förderung.

All diesen gesetzlichen Maßnahmen für frühe und kindbezogene Förderung haben sich SPD und Grüne verweigert.

Wir werden unseren Bildungsweg weitergehen. Ob Sie dagegen sind oder nicht – wir werden jedes einzelne Kind in den Blick nehmen und individuell fördern; denn das ist Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laschet. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen also zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/10516. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. Wer ist dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Abgeordnete Sagel. Enthält sich jemand? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag mit der Mehrheit der Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.

Ich rufe auf:

4 Kein Lohndumping à la Schlecker: Missbrauch der Leiharbeit muss umgehend gestoppt werden

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/10524

Ich eröffne die Beratung und erteile Frau Kollegin Steffens von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn Schlecker – zumindest scheinbar – erste Konsequenzen aus dieser öffentlichen Welle des Protestes gegen ihre Vorhaben gezogen hat, ist es doch eine Grundsatzfrage, über die wir heute hier diskutieren. Das Problem Schlecker ist kein Einzelfall, kein isolierter Fall. Vielmehr haben wir immer mehr Unternehmen, die das System der Leiharbeit zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer massivst missbrauchen.

Wir haben Unternehmen, die durch Ausgründungen und Gründung neuer Unternehmen oder durch Subunternehmen versuchen, ihre eigenen Tarifverträge zu unterlaufen. Wir haben Unternehmen, die ihre Filialen schließen, neue Filialen gründen, um mit anderen Tarifen zu weitaus niedrigeren Löhnen zum Teil dieselben Beschäftigten wieder anzustellen.

Die Leidtragenden sind gerade im Bereich Handel und Gewerbe überwiegend Frauen – Frauen, die sowieso schon mit ihrem Lohn, den sie verdienen, sehr tief im Niedriglohnbereich sind und deren Löhne mit diesen Maßnahmen noch weiter gedrückt werden. In dem Moment, in dem die Löhne, die von den Leiharbeitsfirmen gezahlt werden, nicht einmal mehr den Tarifen entsprechen, die hier in NRW vereinbart sind, sondern denen von Unternehmen entsprechen, die ihren Sitz in Ostdeutschland haben, wo andere Tarife gelten, sind wir in einem Lohnbereich von in der Regel unter 7 € die Stunde.

Das ist nicht akzeptabel und nicht hinzunehmen. Deswegen muss diesem Missbrauch grundsätzlich ein Riegel vorgeschoben werden. Grundsätzlich muss auch alles, was an möglichen Instrumenten vorhanden ist, genutzt werden.

Es ist klar, dass die Regelungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und zur Leiharbeit seinerzeit dem Sinn und Zweck dienen sollten, gerade in den Fällen, bei denen es um Schwangerschaftsvertretungen, um Urlaub oder um Krankheitsfälle ging, kurzfristig eine Lücke zu schließen. Das hat aber nichts mehr mit dem zu tun, was heute auf dem Markt mit Leiharbeit real verbunden wird.