Protocol of the Session on December 2, 2009

Es ist verfassungsgerichtlich festgestellt, dass das Land den Kommunen verfassungswidrig zu hohe Beiträge abverlangt. Alleine hier ergibt sich ein Fehlbetrag von 900 Millionen €. Und schlimmer noch: Das Abrechnungsgesetz, das diese Landesregierung vorgelegt hat, zementiert diese Abzocke bis zum Jahre 2019. Hier saniert sich das Land im Solidarpakt Ost auf Kosten der nordrheinwestfälischen Kommunen.

Das Fazit ist, meine Damen und Herren: Die Finanzsituation in den Kommunen war noch nie so schlimm, wie sie aktuell ist. Die Kommunen können mit Fug und Recht sagen, in diese Situation nicht durch eigenes Verschulden hineingeraten zu sein. Und vor allem werden es die allermeisten nicht schaffen, dieser Schuldenfalle aus eigener Kraft zu entkommen.

Wir müssen daran erinnern – schließlich wird es vonseiten des Innenministers und gelegentlich auch von Mitgliedern der tragenden Fraktionen für diese Landesregierung ausgeführt –, dass man mit Blick in die Verfassung feststellt, dass der Staatsaufbau klar geregelt ist. Die Kommunen sind – Herr Lux, Sie werden vielleicht versuchen, uns das zu erklären – eben nicht eine eigenständige staatliche Ebene, die ihr Auskommen selbst zu organisieren hat. Ein Blick in die Landesverfassung Nordrhein-Westfalens zeigt: Die Gemeinden sind Bestandteil des Landes. Es gibt eine Fürsorgepflicht des Landes gegenüber seinen Kommunen, und Sie wissen selbst: Eine Insolvenz von Kommunen bedeutet nur, dass das Land für deren Schulden eintreten muss.

3,1 Milliarden € hat diese Landesregierung seit 2005 bei den Kommunen gekürzt, 2,2 Milliarden € bei vielen Zuweisungen, 900 Millionen € im Aufbau Ost. Man kann feststellen, dass alle Schließungen, die zurzeit in den Kommunen diskutiert werden – sei es bei den Bibliotheken, sei es ein ausgedünntes Angebot in den Volkshochschulen, sei es, dass gesetzliche Vorgaben zur Kinderbetreuung nicht umgesetzt werden können –, letztendlich die Entscheidungen Ihrer Fraktion, Herr Lux, und Ihrer Landesregierung sind. Das sind Ihre Schließungen, die Sie zu verantworten haben.

Tatsache ist auch, dass Sie gar nicht den Willen haben – vermutlich auch nicht die politische Kraft –, dem etwas entgegenzusetzen. Mehr noch: Sie wollen, aus dem Land Nordrhein-Westfalen befeuert, mit der Abschaffung der Gewerbesteuer eine weitere Axt an die kommunalen Finanzen legen.

Was bedeutet die Abschaffung der Gewerbesteuer? – Das bedeutet, dass 41 Milliarden € – so hoch war im letzten Jahr das Steueraufkommen in den Kommunen der Bundesrepublik Deutschland – nicht mehr von Unternehmen aufzubringen sein werden, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land. Das bedeutet pro steuerzahlendem Bürger in der Bundesrepublik Deutschland eine zusätzliche Belastung in der Größenordnung

von durchschnittlich 1.200 €. Das ist Ihr Konzept der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger.

Wir haben unseren „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ dagegengestellt. Dieser wird nicht alle Probleme in den Kommunen beseitigen, aber er wird denen helfen, die jetzt schon nicht mehr wissen, wie sie Kredite aufnehmen sollen, um Pflichtaufgaben, die das Land den Kommunen zugewiesen hat, zu erfüllen. Mit diesem „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ wollen wir 7 Milliarden € der Altschulden vorübergehend in die NRW.BANK übertragen und damit denen, die es unter den nordrhein-westfälischen Kommunen am nötigsten haben, so unter die Arme greifen, dass sie in dieser Zeit des Memorandums in der Lage sind, eigene Konsolidierungsanstrengungen an den Tag zu legen, um aus dieser Schuldenfalle herauskommen.

Dieses vorgelegte GFG ist gegenüber den nordrhein-westfälischen ein Armutszeugnis und zeigt – mehr noch – mangelndes Verständnis für die aktuelle Lage. Fazit ist, meine Damen und Herren, dass das, was zurzeit an Kürzungen und Streichungen in den Kommunen Nordrhein-Westfalens stattfindet, ausschließlich auf das politische Konto der Mehrheit in diesem Parlament und letztendlich der Landesregierung geht. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Jäger. – Für die CDU spricht der Abgeordnete Lux.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Jäger, ich nehme gern einen Teil Ihrer Ausführungen auf, insbesondere den letzten Satz mit dem Armutszeugnis. Ich glaube, den bezieht man besser auf Ihren Redebeitrag. Denn da war weder etwas Neues noch irgendetwas, was zur Lösung der Probleme beitragen würde. Es ist immer wieder dieses alte Lamentieren, was Sie an den Tag legen. Das bringt Sie nicht weiter. Das müssten Sie eigentlich aus den aktuellen Umfragezahlen bezüglich Ihrer Partei auch feststellen.

Das Zweite: Sie tun so, als wäre es eine ganz neue Entwicklung in Nordrhein-Westfalen, wenn Bäder und Bibliotheken geschlossen werden. Ich mache jetzt über 20 Jahre Kommunalpolitik. Wir haben im Zuge der Finanzsituation der Kommunen schon seit vielen Jahren Überlegungen angestellt und auch in vielen Städten lange, bevor dieses GFG oder das vorangegangene GFG verabschiedet worden sind, Bäder geschlossen, weil die Finanzsituation in den Kommunen so ist. Das ist keine Entwicklung des letzten Jahres.

Ich gebe zu, es gibt eine Entwicklung im letzten und im vorletzten Jahr. Aber das ist die Finanzkrise, die

uns weltweit betrifft; die hat mit dem GFG relativ wenig zu tun.

Meine Damen und Herren, das GFG 2010 knüpft in seiner Kontinuität an die vergangenen Gemeindefinanzierungsgesetze an. Das Land erweist sich einmal mehr völlig entgegen zu dem, was Herr Jäger hier behauptet, als seriöser und verlässlicher Partner der Kommunen. Die Modalitäten, wie das GFG 2010 aufgestellt worden ist, entsprechen im Wesentlichen denen der vergangenen Jahre.

Die verteilbare Finanzausgleichsmasse sinkt gegenüber dem Entwurf um 124,3 Millionen € auf 7,598 Milliarden €. Damit erhalten die Kommunen rund 375 Millionen € weniger als mit dem GFG 2009. Das entspricht einer Kürzung von 4,7 %. Das GFG erreicht aber immer noch – trotz der allgemeinen Wirtschafts- und Finanzkrise – den zweithöchsten Stand überhaupt. Nur 2009 erhielten die Kommunen etwas mehr.

Herr Jäger, es muss deutlich unterstrichen werden – das müssen Sie sich noch einmal vor Augen führen –: Seit 2007 konnten den Kommunen Jahr für Jahr kontinuierlich verlässlich hohe Mittel aus dem Steuerverbund zur Verfügung gestellt werden. Zusammen mit den Zahlungen – das müssen Sie sich jetzt merken – außerhalb des GFG nach Maßgabe des Haushaltsplans sind mehr als ein Viertel aller Ausgaben des Landes für seine Kommunen bestimmt.

Nur einmal zum Vergleich: 2010 werden das 14,23 Milliarden € sein, 2005 – der letzte Haushaltsplan, den Sie verabschiedet haben – waren es 12,25 Milliarden €. Das heißt, seitdem sind die Gesamtzuweisungen des Landes mit GFG und anderen Zuweisungen um 16 % gestiegen. Das relativiert vieles von dem, was Sie hier versucht haben zu unterstellen.

Gleichwohl – und dabei beißt die Maus keinen Faden ab – ist die Finanzsituation der Kommunen außerordentlich schwierig. Auch das ist keine neue Entwicklung. Wenn Sie das jetzt so darstellen, als würde das Land seinen Verpflichtungen nicht nachkommen, als müsste das Land für alle Fehlbeträge bei den Kommunen aufkommen, so muss ich Sie darauf hinweisen, dass nach der Verfassung, die Sie ja zitiert haben, das Land den Kommunen im Rahmen seiner Möglichkeiten die Finanzmittel zur Verfügung stellt und es nicht automatisch etwas vom Land gibt, wenn die Kommunen etwas brauchen. Da gibt es sehr wohl die Einschränkung im Gesetz, in der Verfassung, dass das im Rahmen der Möglichkeiten passiert. Das sollten Sie nicht verschweigen und nicht so tun, als könnte das Land jederzeit für alle Fehlbeträge, die bei den Kommunen entstehen, aufkommen.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Dass hier so große Fehlbeträge entstehen, hat mit dem GFG relativ wenig zu tun. Wenn Sie sich ein

mal ansehen, wo die Hauptfinanzierungsquelle der Kommunen ist, dann ist das die Gewerbesteuer.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Die Gewerbesteuer ist in diesem bzw. im vergangen Jahr erheblich eingebrochen. Wir rechnen im Jahr 2009 je nach Rechnungsart mit einem Rückgang zwischen 18 und 23 %. Das kann kein GFG ausgleichen, weil dieser Steuerverbund überhaupt nicht in dem Maße dotiert ist, um die Ausfälle bei der Gewerbesteuer kompensieren zu können.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Des Weiteren tun Sie so, als gäbe es jetzt eine Finanzkrise, eine Einnahmekrise, womöglich auch eine Ausgabekrise bei den Kommunen, und vergessen dabei völlig zu erwähnen, dass sowohl Bund als auch Land unter genau derselben Entwicklung zu leiden haben. Ich darf Ihnen nur sagen: Im letzten Jahr hatte der Bund die höchste Neuverschuldung in der Geschichte des Landes,

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Deshalb wollen Sie jetzt auch Steuern verschenken!)

und die Länder hatten auch eine erheblich schlechtere Einnahme als prognostiziert. Deswegen können Sie jetzt nicht so tun, dass auf der einen Seite objektiv vorhandene Lücken bei den Kommunen durch zusätzliche Ausgaben beim Land ausgeglichen werden könnten. Sie wissen selbst, dass das faktisch unmöglich ist, dass das nicht geleistet werden kann.

Auch Ihr Vorschlag, den Sie gemacht und heute wiederholt haben, bedeutet in der Konsequenz doch nichts anderes, als dass Sie beim Land weitere Ausgaben zugunsten der Kommunen entstehen lassen, die dann zulasten der Verschuldung des Landes gehen. Das ist rechte Tasche, linke Tasche. Der Bürger ist insgesamt gegenüber der öffentlichen Hand verschuldet. Dem ist es völlig egal, ob die Schulden bei der Stadt, beim Land oder beim Bund entstehen.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Er hat die Schulden, und Sie tun so, als läge hier irgendwo noch ein großer Haufen Geld, den Sie einsetzen könnten.

Ich mache noch einmal deutlich: Das GFG erweist sich 2010 einmal mehr als ein solides Instrument für die Kommunen. Es macht die Verlässlichkeit deutlich, mit dem das Land hier herangeht.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das sagen aber Ihre Kommunalpolitiker anders!)

Ich sage insbesondere: Es lässt den Kommunen ihre Freiheiten; es überlässt ihnen – entgegen Ihrer Praxis – einen Spielraum von 84 % bei den Schlüsselzuweisungen, über die sie frei verfügen können.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Hören Sie mal auf Ihren Oberbürgermeister!)

Die Zeiten des „goldenen Zügels“ sind vorbei, die Zeiten der Kreditierung sind vorbei. Von daher gesehen ist das, was Sie hier anführen, ein Armutszeugnis,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie beschimpfen gerade Ihren Oberbürgermeister!)

vor allen Dingen, dass Sie sagen, die Situation der Kommunen sei ausschließlich auf Fehlentscheidungen des Landes zurückzuführen. Sie sollten sich einmal die Beträge vor Augen führen und auch dem Bürger die Beträge nennen, die dadurch entstehen, dass die Gewerbesteuer zurückgegangen ist.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Dann werden Sie feststellen, dass das GFG und die anderen Belastungen dagegen kaum ins Gewicht fallen, dass im Übrigen die anderen Zuweisungen, die das Land den Kommunen hat zukommen lassen, eine erhebliche Steigerung gegenüber der Zeit bedeuten, als Sie hier das Sagen hatten.

(Ralf Jäger [SPD]: Welche?)

Herr Jäger, aus der Verantwortung können Sie sich nicht stehlen. Wenn man das alles zusammenzählt, geht es den Kommunen, was das Verhältnis zum Land angeht, entschieden besser

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Lächerlich!)

als zu der Zeit, als Sie hier das Sagen hatten. Deswegen werden wir dem GFG auch zustimmen.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Lux. – Für die FDP spricht nun Herr Kollege Engel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit unserem Gemeindefinanzierungsgesetz 2010 kommen wir unserer Verpflichtung und dem Wunsch nach, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten für eine angemessene finanzielle Ausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände in unserem Land zu sorgen.

Das GFG ist aber nur ein Baustein der heutigen Gemeindefinanzierung. Ein weiterer, wesentlicher Baustein ist die von uns seit Jahren kritisierte und leider vielfach immer wieder schöngeredete Gewerbesteuer. Ich habe das bereits in der vergangenen Plenarsitzung angemerkt, kann es aber gar nicht oft genug wiederholen: Die Gewerbesteuer ist die unbeständigste und damit gefährlichste Einnahmequelle in unserem gesamten Steuersystem. Sie ist hauptverantwortlich für den augenblicklichen Kollaps der kommunalen Finanzen.

Denn die übermäßige Abhängigkeit der Kommunen von dieser Steuer impliziert ein hoffnungsloses

Ausgeliefertsein an wirtschaftliche Schwankungen. Während gute Konjunkturlagen oftmals mit einem Geldsegen für die Gemeindekassen einhergehen, wirken Krisenzeiten meist als katastrophale Einschläge, denen auch die aufrichtigste Konsolidierungspolitik nicht gewachsen ist. Hinzu kommt, dass in einer zunehmend globalisierten und vernetzten Welt mit international operierenden Unternehmen der kommunale Einfluss auf die Gewerbesteuerzahlung auch ohne Krise begrenzt ist.