Protocol of the Session on November 5, 2009

sowie die landesweite Einrichtung von Startercentern als zentrale Anlaufstellen für Existenzgründer.

(Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Meine Damen und Herren, nicht zuletzt erinnere ich an die sechs Mittelstandspakete mit insgesamt 42 Einzelmaßnahmen. Sie dienen der Abschaffung überflüssiger bürokratischer Vorschriften, der Stärkung der Selbstverwaltung der Wirtschaft und vor allem auch der Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Betriebe.

Meine Damen und Herren, mit all diesen erfolgreichen Reformprojekten haben wir Nordrhein

Westfalen im Wettbewerb der Standorte wieder nach vorne gebracht. Auf Landesebene haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Nordrhein-Westfalen gestärkt aus der Krise hervorgehen kann. Jetzt geht es darum, auch auf Bundesebene Wachstumshemmnisse zu beseitigen. Hier bietet die Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP hervorragende Ansätze.

Bereits zum 1. Januar kommenden Jahres wird ein Sofortprogramm mit Steuerentlastungen für die Bürger und Unternehmen in Kraft gesetzt. Wir werden den Kinderfreibetrag und das Kindergeld anheben, unsoziale und mittelstandsfeindliche Regeln wie zum Beispiel bei der Erbschaftsteuer beseitigen, den Mehrwertsteuersatz für die Beherbergungsleistungen auf 7 % senken und Wachstumsbremsen aus dem Unternehmensteuerrecht entfernen – alles Punkte, meine Damen und Herren, die Sie in Ihrer Verantwortung zum Schaden der Wirtschaft eingeführt haben.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, damit setzen wir genau das um, was wir vor der Wahl versprochen haben. Zusammen mit den bereits beschlossenen Maßnahmen gibt es Anfang nächsten Jahres Steuerentlastungen im Umfang von rund 21 Milliarden €. Bereits am kommenden Montag wird die Bundesregierung über dieses erste Steuerentlastungspaket beraten.

Wer noch immer Zweifel hat, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarten und zur Stärkung des Wirtschaftswachstums unverzichtbaren Steuersenkungen auch tatsächlich umgesetzt werden, wird spätestens dann eines Besseren belehrt. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Brockes. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Garbrecht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits gestern haben wir uns im Landtag über die Treffsicherheit von Prognosen ausgetauscht. Schwarz-Gelb setzt im Bund wie im Land auf eine positive Entwicklung im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Ihre Maßnahmen der Politik gründen darauf. Es bleibt Ihnen auch kein anderer Weg übrig.

Sie ergreifen jeden Strohhalm, der diese Vermutung stützt. Ja, es gibt einen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern relativ stabil gebliebenen Arbeitsmarkt. Dafür gibt es aber Gründe. Der erste ist darin zu suchen, dass wir für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Schutzschirm gespannt haben, einen Schutzschirm von Beschäftigungssi

cherung, nämlich die Kurzarbeit, die wir auf über 24 Monate verlängert haben.

Allein die Kurzarbeit in Nordrhein-Westfalen – so Stand August dieses Jahres – umfasst 318.000 Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit um ca. 30 % verkürzt haben. Das vermindert die Arbeitslosigkeit allein hier in Nordrhein-Westfalen um 100.000 Stellen. Ohne das Instrument der Kurzarbeit wären also in Nordrhein-Westfalen 100.000 Menschen mehr ohne Arbeit.

De zweite Grund: Mit Notlagentarifverträgen und dem Abbau von Stundenkonten leisten Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaften ihren in dieser wirtschaftlichen Situation unverzichtbaren Beitrag zur Stabilisierung der Beschäftigungssituation. Das unterscheidet unser Land, Deutschland insgesamt, von allen europäischen Nachbarn.

Zu den Beiträgen des Landes Nordrhein-Westfalen: Das, was Herr Brockes vorgetragen hat, die Verlängerung der Außengastronomie-Zeiten, als einen wesentlichen Beitrag zu bezeichnen, dass dadurch eine Stabilisierung stattfinde und das Land besser gerüstet sei, lasse ich einmal dahingestellt. Ich nehme es mit Erstaunen wahr.

(Beifall von der SPD – Dietmar Brockes [FDP]: Auch Kleinvieh macht Mist!)

Auf jeden Fall haben auch unvoreingenommene Beobachter aus der Wissenschaft und den Medien einen nennenswerten eigenen Beitrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung noch nicht erkennen können.

Seit gestern wird in den Medien über die Prognose der EU-Kommission berichtet. Die „Welt“ titelte: „EU prophezeit Deutschland ein Job-Desaster“. Noch trägt Ihr Optimismus darüber hinweg. Ich finde es auch gut: Jede Steigerung des Auftragseingangs, der Konsumquote, der Neuzulassung von Fahrzeuge – das sind alles positive Meldungen. Ich meine auch, sie sind positiv, weil sie den sonst immer beklagten Pessimismus durchbrechen, der sich in Deutschland so breit macht.

Aber diese vereinzelten Wasserstandsmeldungen, meine Damen und Herren, aus den verschiedenen Bereichen dürfen nicht den realen Blick auf die Lage verstellen. Was heißt das? Der Rückgang des Bruttoinlandsproduktes wird in diesem Jahr auf 5 % prognostiziert. Für das nächste Jahr wird eine Steigerung von 1,3 % für möglich gehalten. Wir werden Jahre brauchen – das ist Originalton der Bundeskanzlerin Angela Merkel –, um wieder den Stand von 2008 zu erreichen. Es ist also beileibe keine Schwarzmalerei, wenn anhand dieser Daten ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit befürchtet wird.

Ich bin im Gegensatz zu den Rednern der Koalitionsfraktionen dem DGB-Vorsitzenden Guntram Schneider dankbar, dass er die Schönfärberei auf

dem Ausbildungsmarkt endlich einmal zum Thema gemacht hat.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Zunächst einmal ist die Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge entscheidend. Da haben wir allein von 2008 auf 2009 in Nordrhein-Westfalen einen Rückgang um 9.000.

Ich möchte Ihnen auch noch einmal Folgendes in Erinnerung rufen. Ich möchte nicht auf den „Stern“Artikel vom Anfang diesen Jahres verweisen, wonach alle Zahlen frisiert werden. Man muss aber doch schon genau hinschauen. Die von der Bundesagentur für Arbeit geführte Stichtagsstatistik gibt eben nicht die reale Lage der Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen wieder. Ich will Ihnen einen Blick öffnen, der sich nicht an Stichtagen oder an Behauptungen, sondern an real erfassten Lebensverläufen orientiert. Wir verfolgen in Bielefeld seit über zwei Jahren die Lebensverläufe von mehr als 1.300 Schulabgängern von Förder-, Haupt- und Gesamtschulen. Daraus ergibt sich folgendes Bild – passen Sie genau auf –:

Von diesen 1.300 Schulabgängern gehen ca. 21 % in eine betriebliche oder überbetriebliche Ausbildung. 30 % besuchen eine weiterführende Schule. Fast 50 % wechseln in ein Übergangssystem. Von diesen 50 % – das sind in diesem Jahr 627 – werden noch 20 als sogenannte unversorgte Bewerberinnen und Bewerber erfasst.

Dann haben wir untersucht, was diejenigen, die im Übergangssystem verblieben waren, nach einem Jahr gemacht haben. Wir haben festgestellt, dass insgesamt nur 83 Abgänger, also 13 %, nach einem Jahr in eine betriebliche Ausbildung gegangen sind. Das ist das Bild erfasster Realität von Lebensverläufen gegenüber einer gepflegten, geschönten, bearbeiteten und verfälschender Statistik. Es gibt also einen akuten Handlungsbedarf, den nicht nur der DGB und wir beschreiben. Die BertelsmannStiftung hat vor einem Jahr eine Studie mit dem Titel „Volkswirtschaftliche Potenziale am Übergang von der Schule in die Arbeitswelt“ veröffentlicht. Ich kann das hier nicht ausbreiten; dafür ist die Aktuelle Stunde zu kurz. Initiativen der Landesregierung aufgrund dieser Studie sind dem Parlament jedenfalls bisher noch nicht mitgeteilt worden. Vielleicht arbeitet man ja im Verborgenen; das will ich nicht ausschließen. Erkennbare Initiativen und Schlussfolgerungen daraus sind bisher jedenfalls nicht gezogen worden.

Der Landesausschuss für Berufsbildung hat sich am 23. September mit dem Übergang von Schule zum Beruf beschäftigt. Er hat festgestellt, in NordrheinWestfalen befinden sich 50.000 Schulabgänger im Übergangssystem. Das sind keine Zahlen von mir, sondern es sind Zahlen des Landesausschusses für Berufsbildung.

Der Landesausschuss empfiehlt, Koordinierungsstellen in Trägerschaft der Kommunen in den Kreisen und kreisfreien Städten zu errichten. Die SPD hat gestern im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales den Antrag gestellt, dieser Empfehlung zu folgen. Er ist von den Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Der Präsident des Bundesinstituts für berufliche Bildung sagt: Die Gelder, mit denen teilweise überflüssige Wartezeiten finanziert werden, sind in der frühzeitigen Förderung und Unterstützung von individuellen Bildungsketten junger Menschen viel besser angelegt als nach dem jetzigen System.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Ein Handlungsprogramm der Landesregierung auf diesem Feld ist nicht erkennbar. Kommen Sie endlich in der Realität an. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Garbrecht. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Steffens.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich den Text und die Ankündigung dieser Aktuellen Stunde gelesen habe, hatte ich das Gefühl, jemand hat sich in der Wahrnehmung und Einschätzung massiv vertan. Jemand hatte das Gefühl, an dem Punkt können wir als Koalitionsfraktionen auftreten und einen Erfolg abfeiern, und hat dabei vergessen, hinter die Kulissen zu schauen und festzustellen, dass dort überhaupt kein Erfolg ist, den man abfeiern kann.

Man sieht es auch an der Beteiligung Ihrer Fraktionsmitglieder. Sehr wenige sind heute hier. Den meisten ist diese heutige Aktuelle Stunde wahrscheinlich selber peinlich oder nicht wichtig. Anders kann ich mir diese mangelnde Beteiligung nicht erklären.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie versuchen, an der Stelle deutlich zu sagen: Die von einigen prognostizierte Katastrophe ist nicht in der Form eingetreten, und der Ausbildungsmarkt ist besser als befürchtet. Die ersten Prognosen lagen um einiges höher als die Zahl, die wir nun haben. Als die ersten Prognosen veröffentlicht wurden, hatten wir noch eine andere Situation. Es gab auch auf gesellschaftlicher Ebene noch eine andere Einschätzung darüber, wie viel wir über das Instrument der Kurzarbeit abfangen können und welche Überbrückungshilfen wir mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten in dieser Krise liefern können.

Wenn wir uns heute die Rahmenbedingungen von Kurzarbeit anschauen und betrachten, wie viele Menschen sich allein in Nordrhein-Westfalen in Kurzarbeit befinden, dann ist das ein ganz wichtiger

Baustein dafür, um zu erklären, warum es in der Krise nicht noch schlimmer gekommen ist.

Es gibt natürlich auch Auswirkungen, die in die damaligen Prognosen nicht mit eingeflossen sind. Dazu gehört die Frage, welche Bedarfe wir gerade in Nordrhein-Westfalen mittlerweile vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung im Fachkräftebereich haben. Das hat auch die Bundesagentur für Arbeit deutlich als ein Argument für die Tatsache angeführt, warum sich die Situation in NordrheinWestfalen im Moment so darstellt, wie sie ist.

Aber auch andere Punkte waren an der Verbesserung der gesamtgesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Lage beteiligt. In den gesamten Analysen sind aber keine Punkte und keine Gründe zu finden, die auf irgendwelchen nordrheinwestfälischen politischen Konzepten der Regierungskoalition aus CDU und FDP beruhen, wie Sie es zu suggerieren versuchen. Die Darstellung von Herr Brockes fand ich vorhin mehr peinlich als inhaltlich nach vorne bringend, als er darstellte, welche Bausteine Nordrhein-Westfalen vorangebracht haben sollen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Ich war auf die Erläuterung der tollen Rahmenbedingungen gespannt, die Sie verändert haben. Das war eine absolute Luftnummer. Sie haben keinen Beitrag dazu geleistet, dass die Arbeitslosenquote in Nordrhein-Westfalen niedriger ist. Das ist nicht Ihr Verdienst, weder von Ihnen, Herr Brockes, noch von Ihrer Koalition hier in Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Greifen wir auf das zurück, was wir gestern im Rahmen der Bewertung des Koalitionsvertrages auf Bundesebene diskutiert haben: Der einzige Punkt für Nordrhein-Westfalen, den Sie noch lobend erwähnt haben, dass nämlich die Sozialversicherungspflicht steigt, wird wieder massiv sinken. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wird mit der Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze wieder sinken. Das hatten wir damals und werden wir auch diesmal wieder haben. Es wird eine massive Zerlegung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse geben. Sie wollen eine ganz andere Richtung, in die Sie wahrscheinlich auch wieder gehen werden.

In Bezug auf die Lehrstellen hat Ihnen Guntram Schneider – aber nicht nur er – über die Medien noch einmal deutlich gemacht, dass auch hier Ihre Einschätzung eine absolute Fehleinschätzung ist. Schließlich sind – Günter Garbrecht hat eben daran erinnert – in diesem Jahr bisher 121.000 Ausbildungsverträge abgeschlossen worden, während zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres 130.000 Verträge abgeschlossen worden waren. Die Zahl ist also zurückgegangen.

Zwar hat sich die Krise nicht in dem Maße ausgewirkt, dass wir jetzt eine neue, zusätzliche Katastrophe am Ausbildungsmarkt hätten. Für diejenigen, die keine Lehrstelle haben, ist die Situation aber nach wie vor problematisch. Das Problem ist auch nicht gelöst. Das gilt für alle diejenigen, die sich jetzt ohne eigene Absicht in Warteschleifen befinden. Natürlich gibt es eine Reihe von Jugendlichen, die sich bewusst für den Weg des Berufskollegs entschieden haben. Viele andere haben diesen Weg aber nicht freiwillig gewählt, sondern sind ihn als Notlösung gegangen, um nicht auf der Straße zu stehen. Für diese Warteschleifen-Jugendlichen gibt es keine Alternative.

Wenn man sich dann anschaut, wie viel Prozent der ausbildungsfähigen Betriebe tatsächlich ausbilden – von 62 % ausbildungsfähigen Betrieben bilden nur 30 % aus –, wird einem klar, dass hier ganz viel im Argen liegt, was Sie nicht gelöst haben und was Sie auch nicht zu lösen bereit sind, weil Sie bezüglich der Ausbildungsbereitschaft von Unternehmen keine grundsätzlichen Regelungen treffen wollen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Natürlich kann man immer wieder das Handwerk und die Unternehmen loben, die Ausbildungsplätze bereitstellen. Gleichzeitig muss man aber im nächsten Satz sagen, dass zahlreiche Unternehmen dieser Pflicht nicht nachkommen.