sondern indem Sie in der Mitte der Gesellschaft, im Zentrum des Parteiensystems die Auseinandersetzung suchen.
Machen Sie sich klar, Frau Kraft, dass der letzte Sozialdemokrat, der in Nordrhein-Westfalen bei einer Landtagswahl eine Mehrheit errungen hat, Wolfgang Clement, inzwischen nicht mehr Ihrer Partei angehört und vor der letzten Bundestagswahl die Wahl der FDP empfohlen hat. Das zeigt das Dilemma und die Ausweglosigkeit Ihrer Lage, Frau Kraft.
Meine Damen und Herren, ich will diese hervorgehobene Debatte für einige persönliche Bemerkungen nutzen. Es scheint so, als wäre dies die letzte hervorgehobene Landtagsdebatte, in der ich das Wort ergreifen kann. Nach neuneinhalb Jahren habe ich Segel gesetzt und meine politische Arbeit nach Berlin verlagert.
Ich danke Ihnen für neuneinhalb Jahre intensiver Debatten in diesem Landtag. Ich erinnere mich gern an die Diskussionen in der letzten Legislaturperiode über das Kinder- und Jugendfördergesetz, über das Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder sowie in dieser Legislaturperiode an das KiBiz, das Studienbeitragsgesetz und das Hochschulfreiheitsgesetz. Das waren tolle Debatten, in denen wir auf dieser Seite gemeinsam gestaltet und auf jener Seite den sportlich-fairen Austausch miteinander gepflegt haben.
Wenn ich vielleicht an der einen oder anderen Stelle zu hart zugelangt habe, sehen Sie es mir bitte nach. Ihnen allen wünsche ich alles Gute und weiterhin spannende Debatten im Landtag.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lindner, und alles Gute für Sie in Ihrer neuen Funktion. – Jetzt hat das Wort der Abgeordnete Jäger für die SPD-Fraktion.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lindner, in der Tat. Es waren angenehme Debatten mit Ihnen. Wir haben uns gegenseitig selten etwas geschenkt. Sie hatten selten die richtige Meinung. Machen Sie so im Bundestag ruhig weiter!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Stahl, wir haben heute den Antrag von Ihrer Fraktion und der FDP-Fraktion vorliegen. Ich beneide Sie nicht darum, diesen Koalitionsvertrag schönreden zu müssen. Man hat Ihrer Rede auch angemerkt, wie schwer es Ihnen gefallen ist, das zu tun.
Herr Stahl, haben Sie vielleicht einmal nachgeschaut, wie viele Prüfaufträge dieser Koalitionsvertrag enthält? 84 Prüfaufträge! Wenn man moderne Textverarbeitungssysteme benutzt und damit prüft, wie oft das Wort „prüfen“ in diesem Koalitionsvertrag vorkommt: Was meinen Sie, was dabei herauskommt? 112 Mal das Wort „prüfen“!
Und, Herr Stahl, wissen Sie eigentlich, wie viele Kommissionen eingesetzt worden sind, um die Probleme, die Sie in diesem Koalitionsvertrag gerade einmal angerissen haben, zu bearbeiten? Zehn an der Zahl! – Also, die Party ist vorbei, Herr Stahl. Schwarz-Gelb ist in der Wirklichkeit angekommen.
Es rumpelt und stockt. Aufbruchstimmung, Herr Stahl, sieht in der Tat anders aus. Ich glaube, dieser Koalitionsvertrag ist von der Frage geprägt: Wie kann man über viele Seiten, über viele Posen und über viel Prosa möglichst effektiv verschleiern, wie viele Belastungen auf die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land tatsächlich zukommen?
Also: Mehr Netto vom Brutto. – Was findet aber tatsächlich statt? In Ihrem Koalitionsvertrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, haben Sie den Kurs des Sozialabbaus – ich sage sogar: der sozialen Kälte – eingeschlagen. Das Schöne ist ja, dass Herr Linssen sich darüber mokiert hat, dass wir heute drei Tagesordnungspunkte haben, die sich mit dem Koalitionsvertrag beschäftigen. Das mag Ihnen nicht gefallen, Herr Linssen, weil man da in der Tat einmal in die Details einsteigen kann. Das fürchten Sie zu Recht, Herr Linssen, denn das werden wir heute Vormittag einmal machen: Punkt für Punkt durchzugehen, was auf die Bürgerinnen und Bürger aufgrund dieses Koalitionsvertrages zukommen wird.
Fangen wir einmal mit den steuerlichen Entlastungen an. Was passiert denn 2010? Das werden auch Sie, Herr Stahl, hoffentlich nicht bestreiten. Es wird 2010 steuerliche Entlastungen ausschließlich für die Unternehmen und für die großen Erbschaften geben. Ausschließlich!
Davon werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keinen Cent mehr in ihrer Tasche haben. Keinen Cent mehr! Mehr noch: Sie erhöhen den Kinderfreibetrag. Was bedeutet das eigentlich für die, von denen Sie gerade gesagt haben, dass sie inzwischen in ihrer Obhut seien: die Krankenschwestern, die Alleinerziehenden, die mit geringem Einkommen?
Was bedeutet das denn für die, die wenig oder gar keine Steuern zahlen? Die werden von der Erhöhung des Kinderfreibetrages, Herr Stahl, null haben. Die werden gar nichts davon haben. Profitieren werden davon ausschließlich die mittleren und die höheren Einkommen, wobei in der Tat die Hälfte der Menschen aufgrund einer sozialdemokratischen Steuerpolitik wenig oder gar keine Steuern zahlen müssen.
Das Zweite ist: Wie findet denn diese Verteilung statt? Wie drückt sich diese soziale Schieflage denn in diesem Koalitionsvertrag aus? Sie sagen allen Ernstes, Sie würden die Unternehmen und die oberen Einkommen deshalb von Steuern entlasten, um den Aufschwung zu stützen und zu verstärken. Man kann es auf den Punkt bringen: Nach Ihrer Philosophie sollen Steuersenkungen zu Steuermehreinnahmen führen.
Was Sie damit eigentlich erreichen, ist nur eines: Sie reißen große Löcher in die öffentlichen Haushalte. Zu glauben, Steuersenkungen führten zu Steuermehreinnahmen, ist eine Illusion. Es gehört in das Reich der Märchen. Wer das zuletzt praktiziert hat, war Ronald Reagan in den USA
(Christian Lindner [FDP]: Nein! Gerhard Schröder zuletzt! – Heike Gebhard [SPD]: Das waren Steuersenkungen für Kleine! – Gegenruf von Minister Armin Laschet: Nicht nur!)
mit dem Erfolg, eine gigantische Staatsverschuldung erreicht und den Aufschwung letztendlich völlig abgewürgt zu haben.
Jetzt schauen wir doch einmal in die Details dieses Koalitionsvertrages. Diese drei Tagesordnungspunkte heute Vormittag geben uns ja ausreichend Gelegenheit dazu. Was ist denn da von NordrheinWestfalen, von Herrn Pinkwart und vom Ministerpräsidenten vor den Koalitionsverhandlungen angekündigt worden? „Keine Zumutungen“ – das ist schon Lügen gestraft worden – und „spürbare Entlastungen für die Kommunen“.
Schauen wir einmal herein: Wo werden denn die Brücken zu dem geschlagen, was Sie gesagt haben, Herr Stahl? Wo gibt es denn eine tatsächliche Entlastung für die Kommunen? Tatsache ist: Es gibt für die nordrhein-westfälischen Kommunen keinerlei Entlastungen im Solidarpakt. Keinerlei! In Gelsenkirchen, in Nümbrecht, in Versmold und auch in meiner Heimatstadt Duisburg werden sich die Kommunen weiter für den Aufbau Ost verschulden müssen.
Herr Stahl, Sie sagen: Wir reden jetzt wieder mit den Kommunen. – Es steht aber nichts Konkretes im Koalitionsvertrag. Tatsache ist vielmehr: Von den 696 Gemeinden in Nordrhein-Westfalen werden nach Auskunft des Städte- und Gemeindebundes 90 % in den nächsten vier Jahren pleite sein. Sie werden ihr Eigenkapital aufgebraucht haben. Dann wird es so sein, Herr Stahl, dass jede Schule, jede Bibliothek, jedes Rathaus, jedes Hallenbad, jede öffentliche Einrichtung nicht mehr den Bürgerinnen und Bürgern der jeweiligen Städte gehört, sondern ausschließlich den Banken. Wir haben keine Zeit mehr, zu reden, Herr Stahl. Handeln Sie endlich einmal! Handeln Sie endlich!
Das Nächste ist: Herr Ministerpräsident, Sie haben nach Ihrem Besuch beim Bund der Steuerzahler verkündet, es sei erreicht worden, dass endlich über den Solidarpakt in Deutschland geredet würde. Zeigen Sie mir doch einmal die Stelle im Koalitionsvertrag! Ich würde die gerne einmal sehen. Das Gegenteil ist der Fall: Der Solidarpakt II ist bis 2019 in diesem Koalitionsvertrag festgeschrieben worden, unwiederbringlich festgeschrieben worden. Mit Ihrer Ankündigung, da insbesondere für die nordrheinwestfälischen Kommunen kämpfen zu wollen, sind Sie gescheitert.
Das haben Sie vollmundig gefordert. Aber letztendlich ist Ihre Haltung in dieser Frage mit Beerdigung
Aber wenn Sie schon Wohltaten in Berlin einfordern – auch für die nordrhein-westfälischen Kommunen –, tun Sie doch selbst etwas für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Herr Ministerpräsident! Die Kommunen ächzen und stöhnen nicht nur unter den Kürzungen in Ihrem Landeshaushalt, Herr Ministerpräsident. Das Schlimmste ist, dass der Verfassungsgerichtshof in diesem Land festgestellt hat, bei der Finanzierung zum Solidarpakt II zockten Sie die Kommunen in Nordrhein-Westfalen mit inzwischen 1,15 Milliarden ab.
Und Sie tun nichts, aber auch rein gar nichts, um das, was Sie in Berlin einfordern, in NordrheinWestfalen tatsächlich anzugehen.
Kommen wir, was die Kommunen angeht, zum nächsten Punkt: die Gewerbesteuer! Was sich nordrhein-westfälische Politik und CDU-Politiker darunter vorstellen, durften wir in der „Borkener Zeitung“ vom 28. Oktober 2009 lesen, in der Herr Linssen gesagt hat: Die muss weg!