Protocol of the Session on September 11, 2009

(Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

Frau Thoben, Sie sind nicht dran, um das ganz deutlich zu sagen. – Aus nordrhein-westfälischem Interesse muss man ganz klar sagen, dass wir in Nordrhein-Westfalen zielgerichtet gucken müssen. Wir haben ja ein Zwischenlager in Ahaus. Uns in Nordrhein-Westfalen ist daran gelegen, dass dieses Zwischenlager ein Zwischenlager bleibt und nicht ein verdecktes Endlager wird.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vor dem Hintergrund ist es ganz wichtig, dass wir gemeinsam daran arbeiten, diese Dinge sicher unterzubringen. Das geschieht nicht, indem Sie den Menschen erklären, was der Unterschied zwischen Asse und Gorleben ist. Den Menschen hilft, wenn ein ergebnisoffen gesucht wird, wenn Transparenz hergestellt wird und keine Trickserei stattfindet, wie sie im Kanzleramt 1982 und 1983 durchgeführt wurde.

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Die Akten liegen dem Ministerium vor. Sie werden geprüft. Wir werden herausfinden, dass dieser Druck so erzeugt wurde. – Danke schön.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön. – Für die FDP spricht nun Herr Kollege Ellerbrock.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Die Atomkraft ist si- cher!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens. Kollege Stinka, Sie haben in besonderem Maße darauf abgehoben, dass es darum geht, Vertrauen zu schaffen. Ich teile die Ansicht. Bemerkenswert ist für mich allerdings, dass Unterlagen, die in den Ministerien seit 1980 herumgeistern, von interessierter Seite 14 Tage vor der Bundestagswahl draußen thematisiert werden. Da muss es einen zeitlich eng begrenzten Erkenntniszugewinn geben. Ob das Vertrauen schafft, weiß ich nicht.

Zweitens. Sie haben gesagt, es gehe Ihnen um Vertrauen. Nochmals: Ich teile Ihre Ansicht. Wir müssen allerdings sagen, wenn wir internationale Standards zugrunde legen – auch da stimme ich Ihnen zu –, dann müssen wir auch bei der Wortwahl vorsichtig sein. Sie sagen: Störfall ist Störfall. Nein,

Störfall ist eindeutig definiert. Wenn Sie den Begriff Störfall für Betriebsstörungen nehmen, die außerhalb des Containments stattfinden, dann beteiligen Sie sich daran, mit der Angst der Menschen Politik zu machen. Das ist sonst nicht Ihre Art. Ich weise nur darauf hin. Das bin ich von Ihnen nicht gewohnt.

Der nächste Punkt: Die Ministerin hat deutlich gemacht, dass Salz in Deutschland im Vergleich zu Ton, Granit und schluffigen Materialien schon mehrfach von der Bundesanstalt für Geowissenschaften, unserer obersten Bundesbehörde, untersucht worden ist. Danach eignet sich Salz als plastischer Stoff mit engem Elektronengitter in großem Maße zur Endlagerung.

Ich bin bereit zu sagen: Jawohl, hier ist etwas passiert, was auf breiter Front unverantwortlich ist. Die Wasserhaltung in der Asse wurde nicht öffentlich gemacht. Daraus wurde ein Glaubwürdigkeitsproblem. Der Name Helmholtz als Crème de la Crème der deutschen Wissenschaft ist beschädigt worden. Das ist eine schwere Bürde. Das teile ich.

(Beifall von der FDP)

Es war unverantwortlich, dass die Kernkraftwirtschaft nicht darauf gedrungen hat, die Endlagerproblematik zu lösen. Es ist unverantwortlich, dass die Politik seit den 80er-Jahren zu keiner Klärung beigetragen hat.

(Beifall von Christian Weisbrich [CDU])

Es ist unverantwortlich gewesen, dass unter RotGrün in Berlin das Gorleben-Moratorium gefasst worden ist.

(Beifall von Christian Weisbrich [CDU])

Die Untersuchungen sind da. Es ist unverantwortlich gewesen, dass aus wahltaktischen Gründen die Genehmigungen für Schacht Konrad und die anderen Genehmigungen herauszögert worden sind. Es ist unverantwortlich, wenn es stimmt, was Sie unterstellen,

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

dass Tricksereien in Ministerien, in allen möglichen Behörden gemacht worden sind. Das muss auf den Tisch. Das muss geklärt werden. Das alles ist unverantwortlich. Ich glaube, dafür werden wir in diesem Hause einen breiten Konsens finden.

Ich würde es ausgesprochen begrüßen, Frau Ministerin, wenn die Rede, die Sie gehalten haben, eine Grundlage für eine öffentliche Veranstaltung mit Wissenschaftlern, mit Beteiligten, mit Bürgerinitiativen würde, die dieses noch einmal darstellen. Ich habe selten so eine gute Zusammenfassung zu diesem Problemkreis, die ich gut nachvollziehen konnte, wie eben gehört.

(Beifall von FDP und CDU)

Ich lobe selten ein Ministerium, aber das war gut nachvollziehbar. Herzlichen Dank dafür!

Meine Damen und Herren, wir müssen eines sicherlich deutlich machen – das ist völlig klar –: Gorleben wird schon lange untersucht. Es stellen sich folgende Fragen:

Wo bestehen sachlich begründete Zweifel an der Eignung des Salzstocks? Welche sachlich begründeten Fragen sind noch offen? Man sollte nicht politisch einfach sagen: Kernkraft will ich nicht. – Dann muss eine Genehmigung erteilt werden. Ich unterstelle sogar, Herr Stinka, dass man Asse und vor allen Dingen Gorleben braucht – mit Sicherheit –. Ich unterstelle, dass wir einen ergebnisoffenen Standortsuchprozess, auch gegebenenfalls in anderen Gesteinen, durchführen müssen. Aber die Zwischenzeit muss genutzt werden. Wenn Gorleben genehmigungsfähig ist, muss man auch den Mut haben, Ja zu sagen und zu genehmigen. Man sollte nicht immer nur fordern, das müsse alles noch sicherer sein.

Das sicherste ist, wenn wir im eigenen Loch rückstandslos verschwinden. Dann haben wir ökologisch kein Problem. Das kann nicht Ihre Sache sein, das kann nicht meine Sache sein. Es geht um Verantwortung. Und diese Verantwortung zeigt sich in der Endlagerung. Und das müssen wir machen. – Danke schön.

(Beifall von FDP und Christian Weisbrich [CDU])

Danke schön, Herr Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Priggen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Ellerbrock, Sie haben gefragt: Wo bestehen sachlich begründete Zweifel an der Eignung des Salzstocks? Ich finde, das ist ein Stück aus dem Tollhaus. Uns wurde, damals in der DDR angelegt, Morsleben als Endlager verkauft. Jetzt kann man sagen: Die hatten keine Ahnung. Es ist abgesoffen. Uns ist aber auch bis vor kurzem die Asse als sicheres Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle verkauft worden. Herr Weisbrich, ich gehe gleich noch einmal auf den Widerspruch ein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das war die herrschende Lehre. Ich gebe Ihnen recht: Es gibt ein eklatantes Versagen von Politik, Bergbehörden. Wer will nach dem, was da gelaufen ist, einer Bergbehörde noch trauen?

Herr Weisbrich, ich bin ganz skeptisch. Sie haben eben das Stichwort „sichere Flutung“ genannt. Das heißt, man lässt das ganze Zeug da unten. Dann wird es in irgendeiner Form eingeschlemmt, einbetoniert – in der Hoffnung, dass es da unten sicher bleibt.

Dann komme ich noch einmal auf folgendes Thema zurück: Es ist das erste Mal, dass wir als zivile Gesellschaft für Generationen nach uns für tausende von Jahren etwas garantieren müssen. Denn dort liegen mindestens 28 kg Plutonium – auch derartige Buchungsfehler sind unglaublich –. Uns ist bekannt, wie hochtoxisch dieser Stoff ist. Zudem wissen wir, dass ein gefluteter Salzstock Austritte hat, die ins Grundwasser gehen. Das heißt, man muss es sicher lagern. Da kann man doch nicht ernsthaft über eine sichere Flutung reden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aus meiner Sicht können wir vielleicht nach dem Baugesetz Zeiträume von 50 bis 60 Jahren – das ist das äußerste – überwachen. Das ist jedoch das erste Mal, dass eine Zivilgesellschaft so etwas für so einen langen Zeitraum sicherstellen muss, auch wenn es nur für 200 oder 300 Jahre wäre. Bei uns in Aachen ist vor 1.200 Jahren noch Kaiser Karl durch den Wald geritten. Was haben wir in dieser Zeit alles erlebt? Und wir wollen garantieren, dass wir eine Technik schaffen, die diese Stoffe sicher unten eingeschlossen lässt? – Das ist aus meiner Sicht nicht verantwortbar.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen sage ich: Man muss es einlagern, man muss es bewachen. Aus dieser Verantwortung kommen wir alle nicht heraus. Man müsste es jedoch so einlagern, dass es jederzeit überprüfbar ist, damit es, wenn es defekt ist, zurückgeholt und neu verpackt werden kann. Es kann ja sein, dass die Verpackungstechniken in 100 oder 200 Jahren viel besser sind. Die Gewährträgerschaft dafür aber müssen wir uns und denen, die nach uns kommen, auferlegen.

Wir haben zusammen das Atomkraftwerk Lingen besucht. Die Stahlbehälter, die Container, die dort und auch in Ahaus stehen, sind zurzeit das technisch beste, was wir haben, um hochradioaktive Abfälle zu verpacken.

Wenn wir uns nur ein wenig mit dieser Thematik befassen, dann wissen wir doch, dass wir keine Aussagen darüber treffen können, wie sich hochwertigste Stähle unter hochradioaktiver Belastung nach 50, 60, 100 oder 200 Jahren verhalten. Denn wir haben damit keine Erfahrung. Insofern können wir nur Vermutungen anstellen. Es geht also gar nicht anders, als die Behälter so sicher wie möglich zu machen. Dann müssen wir sie so lagern, dass sie zurückgeholt werden können, falls die Leute in 200 Jahren feststellen sollten, dass der Stahl mürbe wie Blätterteig wird. Denn dann muss man diese Stoffe unter Umständen in Glas oder in einem anderen Material – je nach Stand der Technik – neu verpacken.

Das heißt aber, dass vor dem Hintergrund der alten Technik des Einlagerns unter der Erde in irgendeinem Salzstock oder Bergwerk meiner Ansicht nach

grundsätzlich zu hinterfragen ist, ob das überhaupt geht. Alles andere ist nicht zu akzeptieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es muss alles wieder rückholbar sein. Diese Last haben wir uns mit dem Einstieg in diese Technik einfach aufgebürdet. Deswegen kann es dabei eigentlich keine Differenzen geben. Sie sind auf diese Frage eingegangen – das fand ich ganz konstruktiv – und haben gesagt: Natürlich muss man andere Formationen untersuchen.

Nun zu dem, was Sie vorhin zitiert haben, Frau Thoben: Vor dem Hintergrund, was wir jetzt erleben, nämlich dass massiv Einfluss auf Eignungsgutachten für Gorleben genommen wird – es wird ja nicht in Frage gestellt, dass die Telefaxe aufgetaucht sind, und die Formulierungen sind so etwas von eindeutig – und aus dem Ministerium angewiesen worden ist, bestimmte Aspekte nicht zu berücksichtigen, frage ich mich, wer denn dann noch Zutrauen in derartige Eignungsprüfungen haben soll, wenn diese nicht wirklich objektiv gemacht werden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wenn solche Sachverhalte dort wirklich vorliegen und Sie dann auch noch sagen, dass das ausgeschlossen wird, während die Schweizer oder auch die Skandinavier das machen, dann ist dies aus meiner Sicht genau die gleiche politische Einflussnahme, die damals gemacht worden ist, um alles auf Gorleben, diesen dünn besiedelten Standort an der Grenze zur DDR, zu fokussieren.

(Widerspruch von Ministerin Christa Thoben)

Die großen starken Bundesländer, die Wirtsgesteine haben, die in anderen Ländern genommen werden, die weiter sind als wir, werden außen vor gelassen. Das ist unverantwortlich. Man müsste dann wenigstens die Linie fahren, dass man das eine untersucht, aber das andere auch sofort anfängt. Denn man kann es sich nicht erlauben, noch einmal 20 Jahre zu vertrödeln.

Frau Thoben, Sie haben an der Stelle noch einmal lange zitiert, was alle anderen Länder machen, sagen aber gleichzeitig, dass wir das in NordrheinWestfalen nicht machen wollen. In zehn Jahren sagen Sie oder sagt Ihr Nachfolger: Wenn das alle anderen machen, dann können wir uns nicht ausschließen. Es traut Ihnen dort auch niemand mehr über den Weg. Ihre Jubelarien auf angeblich neue Atomkraftwerke in anderen europäischen Ländern bedeuten doch im Kontext nur: Wenn die das machen, dann wollen wir das auch. – Alles andere wäre doch nicht glaubwürdig. Insofern sollte man die Finger davon lassen. Wir sehen ja jetzt, was wir alles mit den Abfällen aus den laufenden Anlagen zu tun haben. Wir kriegen sie nicht in den Griff. Neue Abfälle sollten nach Möglichkeit nicht hinzukommen.