Protocol of the Session on September 11, 2009

Aber man könnte beispielsweise Gespräche mit der Schweiz

(Lachen von der SPD)

über ein gemeinsames Lager führen. Die Schweiz untersucht in der Nähe von Schaffhausen in unmittelbarer Nähe der Grenze zu Deutschland, praktisch auf der Grenze, einen Standort für ein Endlager.

(Norbert Römer [SPD]: Die nehmen das ger- ne!)

Vielleicht könnte man da ja etwas zusammen machen, wenn die Tonschichten, die dort vorhanden sind, tatsächlich besser sein sollten.

Man sollte zudem auch einmal darüber nachdenken – Kollege Priggen, Sie beschwören immer die endlos langen Zeiträume, für die ein solches Endlager ausgelegt sein muss, was geologisch sicherlich schwierig ist –, ob man nicht eine Technologie verwendet, mit der durch radioaktive Bestrahlung dafür gesorgt wird, dass atomare Abfallprodukte nur noch sehr viel kürzere Halbwertszeiten haben. Vielleicht sollte man einmal darüber nachdenken, die Fissionstechnologie so weiterzuentwickeln,

(André Stinka [SPD]: 20.000 Jahre mindes- tens!)

dass man einen großen Teil der Abfallprodukte mit relativ geringen Halbwertszeiten ausstattet und nicht mehr für Millionen Jahre geologisch planen muss.

Das finde ich sehr viel vernünftiger – und das kann man parallel zu allem, was jetzt schon läuft, machen –, als zu sagen: Wir brechen die Erkundung von Gorleben gänzlich ab und fangen etwas Neues

an. – Nein, vernünftig ist, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen.

Ich entsinne mich noch sehr genau an unseren gemeinsamen Besuch des Kernkraftwerks in Lingen. Dort haben wir uns das Zwischenlager angeschaut, das eigentlich bestens funktioniert und wo die radioaktiven Abfälle in einem Stadium, in dem sie noch besonders stark strahlen, aufbewahrt werden. Nachdem wir uns dieses Zwischenlager angeschaut haben, haben wir uns darüber unterhalten, ob es nicht Sinn machen würde, daraus Konsequenzen für eine endgültige Lagerung, die dann in einem einfachen Umfang rückholbar und kontrollierbar ist, zu ziehen. Das müsste man meiner Meinung nach überprüfen.

Ich habe die herzliche Bitte: Lassen Sie uns in der Sache ohne irgendwelche Vorbehalte – ich sage dies ausdrücklich – über alles diskutieren. Ich spreche mich aber gegen den ständigen Versuch aus, die Erkundung von Gorleben abzubrechen, bevor sie endgültig abgeschlossen ist. Das werden wir nicht mitmachen. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Weisbrich. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Stinka das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Weisbrich, wenn ich Bürger wäre und Ängste hätte, dann hätte ich nach Ihrer Rede mehr Ängste als vorher.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Svenja Schulze [SPD]: Ganz genau!)

Denn wer mir weismachen wollte: „Ja, wir bestrahlen das dann, und dann haben wir statt einer Halbwertszeit von 2 Millionen Jahren nur noch eine Halbwertszeit von 1 Million Jahre“, der würde mich als Bürger nicht beruhigen. Denn auch 100.000 Jahre sind ein Zeitraum, den ich mir nicht vorstellen kann; so weit kann ich in meiner Familientradition nicht zurückdenken. Das nützt gar nichts.

Sie ducken sich vor Ihrer Verantwortung. Sie lehnen ab, dass andere Länder auch ihren Beitrag zum Atomkonsens leisten. Sie reden hier am Thema vorbei.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, es ist gut und richtig, dass dieses Thema auf Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen heute auf der Tageordnung steht und wir uns ihm widmen. Der Antrag setzt sich sehr detailliert mit den technischen Feststellungen und Fragestellungen zur atomaren Endlagerung auseinander. Ich werde dies heute nicht tun.

Ich möchte mich auch nicht mit den tollen Vermächtnissen von Helmut Kohl an unsere derzeitige Bundeskanzlerin Angela auseinandersetzen. Denn was wir von ihr jeden Tag zu hören bekommen und wenn wir auf den heutigen TOP 1 schauen: Tricksen und Tarnen! Das lässt doch tief blicken.

Die aktuelle Debatte um gefälschte Gutachten und unter Druck gesetzte Wissenschaftler im Zusammenhang mit Gorleben zeigt uns noch einmal, dass man das Thema Endlagerung mit großer Verantwortung angehen muss.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Dies tun wir mit unserem Entschließungsantrag, der sehr breit gefasst ist. Der entscheidende Punkt ist: Deutschland braucht ein sicheres Endlager. Atomenergie bürdet den kommenden Generationen enorme Lasten auf, die über Tausende Jahre beherrscht werden müssen. In Deutschland ist eine verantwortbare Lösung bisher nicht absehbar. Dies zeigen die Tricksereien im Gutachten zur Eignung des Salzstocks in Gorleben.

(Dietmar Brockes [FDP]: Da wird getrickst!)

Für uns steht klipp und klar fest: Die Sicherheit von Menschen hat in dieser Frage Vorrang vor allen anderen Aspekten.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD])

Wir müssen jetzt die Lehren aus dem Betrieb der Schachtanlage Asse und den Erfahrungen aus Gorleben ziehen. Und wir können nicht allen Ernstes, Herr Weisbrich, an Gorleben als dem einzig denkbaren Standort festhalten. So wird kein Vertrauen entstehen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

CDU und FDP haben noch nicht begriffen, dass Akzeptanz für industrielle Großprojekte nicht vom Himmel fällt. Diese muss man sich erarbeiten – aber nicht durch solche Redebeiträge, Herr Weisbrich, wie Ihren.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD])

Der Umgang mit dem Thema „sicheres Endlager“ ist die Nagelprobe für das Lippenbekenntnis von CDU und FDP zum Industriestandort Nordrhein-Westfalen. Ständig werben Sie für Atomforschung in Nordrhein-Westfalen; diese soll nicht aufgegeben werden. Ständig orakeln Sie von Fadenrissen in der Sicherheitsforschung, wenn so etwas passiert.

Bei der für die Sicherheit von Atomanlagen entscheidenden Frage, der Endlagersuche, sind Sie nicht bereit, internationale Standards anzuerkennen. Hier sind Sie offensichtlich nicht bereit, aus Erfahrungen beispielsweise aus Finnland zu lernen, welche Kriterien, die ein Endlager erfüllen muss, geeignet bzw. nicht geeignet sind. Sie wollen den für Sie politisch bequemen und für die Menschen gefährlichen Weg gehen und stur an Gorleben festhalten.

Dies ist wissenschaftlich nicht zu begründen, und eine Akzeptanz, die notwendig ist, kann man so nicht schaffen.

Andere Länder – Sie haben es vorhin erwähnt – sind weiter. So wird beispielsweise in der Schweiz ein Auswahlverfahren für ein geologisches Tiefenlager durchgeführt. Im Verlauf dieses Verfahrens werden moderne Kriterien für Standortfestlegungen angewandt und in einem transparenten Verfahren – das hat ja noch einmal besondere Brisanz – abgewogen. Ich bin Bundesumweltminister Gabriel dankbar, dass er die Kriterien dafür vorgelegt hat, wie in Deutschland ein solches Verfahren nach internationalen Standards erfolgen kann.

Erstens. Die Schutzziele und Sicherheitsanforderungen müssen definiert werden. Zweitens. Diese Kriterien müssen vor Beginn des Auswahlverfahren – ich betone: vor Beginn – deutlich gemacht werden. Gründe, die hin und her gebogen werden, helfen einzelnen Standorten nicht. Drittens. Wir brauchen ein transparentes Verfahren mit Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten.

Diesen international anerkannten Weg blockieren CDU/CSU und FDP. Das ist für sich schon unverantwortlich.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Skandalös ist allerdings – das möchte ich noch einmal deutlich unterstreichen –, dass sich genau die Länder, die permanent vom weiteren Betreiben der Atomkraftwerke reden, bei der Suche geeigneter Endlagerstandorte aus dem Staub machen. Das ist keine solidarische Verantwortung in einem Bundesstaat.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Auf der einen Seite verhindern Sie stur die Suche nach einem guten Endlager. Auf der anderen Seite wollen Sie die Laufzeit der alten, auch störanfälligen Atommeiler noch verlängern und damit den Müllberg noch vergrößern. Wo da Akzeptanz herkommen soll, ist mir unerklärlich.

Und in diesem Zusammenhang von einem gesunden Energiemix – wie letzte Woche von Herrn Pinkwart im Solarturm Jülich geschehen – zu reden, kommt dem Verhöhnen der Menschen in diesem Land gleich.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Kollege Stinka, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ellerbrock?

Bitte schön, Herr Kollege Ellerbrock.

Herr Kollege Stinka, Ihnen ist eben der Ausdruck „störanfällige Kernkraftwerke“ rausgerutscht. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es hier in den letzten Jahren – zumindest nach meiner Erinnerung – zu keinem einzigen sogenannten Störfall nach internationalem Standard gekommen ist?

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Die sind doch alle stillgelegt!)

Es gab lediglich in Nebenaggregaten Störfälle. Es hat keine formal den internationalen Standards entsprechenden Störfälle gegeben. Dies nur als Hintergrundinformation.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Warum laufen die denn nicht?)

Herr Kollege Ellerbrock, wir reden hier über das Vertrauen, das in Technologien gesetzt werden soll. Ich glaube, den Bürgerinnen und Bürgern ist es relativ egal, ob in Krümmel ein nicht richtig angebrachter Kondensator oder ein Transformator brennt, der aber nicht unter internationale Sicherheitsstandards fällt. Für mich ist das Ergebnis entscheidend. Die Reaktoren stehen still