Protocol of the Session on November 30, 2005

(Zuruf von der SPD: Ach Gott!)

Herr Töns, Sie haben doch eben in aller Deutlichkeit die Worte des Ministers gehört. Wem glauben Sie nun? Was zweifeln Sie denn an?

(Lachen von der SPD)

Welchem Antrag sollen wir denn zustimmen? Sie haben hier einen völlig unsinnigen Antrag eingebracht.

(Beifall von CDU und FDP)

Für diesen Antrag gibt es überhaupt keine Notwendigkeit. Von einer Eilbedürftigkeit ist nun weiß Gott nichts festzustellen. Warten Sie doch in aller Ruhe die Haushaltsberatungen ab. Dann werden Sie sehen, dass wir alle auf einem richtigen und guten Weg sind. - Danke.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Keller. - Meine Damen und Herren, wir kommen zum Schluss der Beratung.

Über den Eilantrag Drucksache 14/812 ist direkt abzustimmen. Wir kommen deshalb zur Abstimmung über den Inhalt des Eilantrags. Wer ist für den Antrag? - Wer ist dagegen? - Der Eilantrag ist damit mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und Grünen abgelehnt.

Ich rufe auf:

6 Verlässliche Standardsicherung des Zweiten Bildungswegs in NRW

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/703

Ich eröffne die Beratung und erteile Frau Schäfer von der SPD-Fraktion das Wort.

(Unruhe)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verunsicherung ist das zweifelhafte Markenzeichen für die Politik des Schulministeriums und für die Politik der schwarz-gelben Landesregierung:

(Anhaltende Unruhe - Glocke)

Verunsicherung über zentrale Prüfungen, Verunsicherung bei den Kooperationspartnern der offenen Ganztagsgrundschulen, Verunsicherung bei Eltern und Kommunen bei der freien Schulwahl oder über die Einschulung mit fünf Jahren, Verunsicherung darüber, wie zukünftig eine Hortlandschaft aussehen wird, und sogar darüber - das haben wir alles schon erleben können -, wann, wie, wo und wer auf Autobahnen wenden darf.

Diese Liste kann man beliebig fortsetzen. Wir wollen heute mit unserem Antrag einen weiteren Fall von Verunsicherung aufgreifen. Es geht um die Vorgaben für die zentralen Prüfungen an unseren Weiterbildungskollegs. Mit anderen Worten: Es geht darum, welche Prüfungen erwachsene Studierende in den Bildungsgängen von Abendgymnasien und Kollegs zukünftig absolvieren werden. Für diese Schulformen gilt, dass ab 2008 das Abitur mit zentral gestellten Aufgaben durchgeführt wird, also ein Jahr später als an den sogenannten Jugendschulen.

Die Besonderheit der Weiterbildungskollegs besteht zweifellos darin, dass ihre Studierenden völlig andere berufliche und lebensweltliche Bezüge und Vorkenntnisse mitbringen als Jugendliche an Gymnasien, Gesamtschulen und Berufskollegs. Diese Prägung erfordert unserer Meinung nach ein höheres Maß an offener Lernkonzeption und flexibler Gestaltung von Lernprozessen. Die Prüfungen müssen berufserfahrenen Erwachsenen und nicht den Prüfungsbedingungen von Heranwachsenden gerecht werden.

Es darf an dieser Stelle erwähnt werden, dass das in der letzten Legislaturperiode umgesetzte Projekt „Abitur online“ als berufsbegleitender Teilpräsenzlehrgang genau auf die Bedürfnisse dieser Erwachsenengruppe eingeht und bundesweit eine innovative und herausragende Funktion eingenommen hat und einnimmt.

So waren dann auch in der letzten Legislaturperiode die Planungen für das zentrale Abitur an Weiterbildungskollegs folgendermaßen angelegt: Ent

sprechend der Erwachsenenpädagogik erhalten die Weiterbildungskollegs eigene inhaltliche Vorgaben für die Prüfung, basierend auf den gültigen Richtlinien und Lehrplänen und angepasst an zu erwartende neue Richtlinien und Lehrpläne.

Diese Zusage an den Ring der Weiterbildungskollegs basiert auf einem Schreiben des Ministeriums vom Mai 2005. Vorab hatte es dazu eine Tagung in Essen gegeben, auf der dieses Signal für die Weiterbildungskollegs ein überparteilicher Konsens war.

Aus gutem Grund haben wir deshalb unseren Antrag mit dem Text der FDP, Herr Witzel, aus einer Kleinen Anfrage begonnen, die am 11. April 2005 von der damaligen Landesregierung entsprechend beantwortet wurde, und zwar ganz im Sinne der Erwachsenenpädagogik bezogen auf die Inhalte von Prüfungen.

Aus gutem Grund haben wir den Antrag heute in dieser Form eingebracht. Denn die neue Landesregierung, der die FDP bekanntermaßen angehört, kommt hier auf einmal zu ganz anderen Einsichten. Ich zitiere aus einem Schreiben des Schulministeriums vom September 2005:

Leitfunktionen haben die Vorgaben für den gymnasialen Bildungsgang, die nach Möglichkeit unverändert auch für das Weiterbildungskolleg gelten sollen. Zu prüfen ist, in welchen Fällen Abweichungen unverzichtbar sind. In diesen Fällen sollen zwischen Vertretern und Vertreterinnen des Weiterbildungskollegs und den Fachdezernenten abgestimmte Änderungsvorschläge mit entsprechenden Begründungen vorgelegt werden.

Der weitere Tenor dieses Schreibens macht aber deutlich, dass man sich eng an den Vorgaben für die sogenannten Jugendschulen orientieren will. Damit steht dieses Schreiben in einem krassen Gegensatz zu den Ausführungen und Vereinbarungen des Schulministeriums mit den Weiterbildungskollegs aus dem Frühjahr 2005.

So ist deutlich, welche Verunsicherung an dieser Schulform mittlerweile eingetreten ist. Vielleicht und hoffentlich kann die Ministerin hier und heute schon für Klärung sorgen. Es geht ja hier schließlich nicht um Peanuts. Denn die Anzahl der Absolventen, die an Weiterbildungskollegs Abitur machen, entspricht nach meinen Informationen annähernd der Zahl der Abiturienten an den Gesamtschulen. Diese Erwachsenen warten dringend auf ein Signal. Ich bitte Sie herzlich: Machen Sie dieser Politik der Verunsicherung zumindest in diesem Punkt hier und heute ein Ende! - Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Schäfer. - Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kaiser das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die neue Koalition der Mitte hat sich zum Ziel gesetzt, gleiche Chancen und Chancengerechtigkeit im Bildungswesen umzusetzen. Wir haben das Ziel, dass endlich auch für diejenigen bessere Chancen bestehen, die es ansonsten auf ihrem Bildungsweg schwerer haben.

Deshalb haben wir eine Qualitätsoffensive für die Hauptschule gestartet. Deshalb gehen wir an die Reform des Schulgesetzes. Deshalb bekämpfen wir den Unterrichtsausfall.

Wir werden die Chancen im Schulsystem nur verbessern, wenn es uns gelingt, die Qualität, vor allem die Unterrichtsqualität, zu verbessern. Dazu dienen Qualitätsmessinstrumente wie zentrale Prüfungen.

Ein entscheidender Markstein auf diesem Weg ist das, was CDU und FDP schon lange gefordert haben, nämlich das Zentralabitur. Das Zentralabitur wird Ausweis der Bildungsqualität für das nordrhein-westfälische Schulsystem sein. Dieses Gütesiegel wird die Chancen aller Absolventinnen und Absolventen verbessern. Deshalb ist das Zentralabitur gerade auch für diejenigen Studentinnen und Studenten wichtig, die auf dem zweiten Bildungsweg zum Hochschulstudium kommen.

Es ist daher zu begrüßen, dass sich auch die Schulen des zweiten Bildungswegs diesem neuen Ansatz gegenüber sehr aufgeschlossen zeigen.

Gleichzeitig mischt sich dieser jedoch mit der Unsicherheit, die uns gegenüber in vielen Gesprächen geäußert wird, weil sich die Kolleginnen und Kollegen aus den Abendgymnasien ihren Studentinnen und Studenten gegenüber in besonderer Weise verpflichtet fühlen - nicht zuletzt um sie entscheidend auf dem Weg der Chancengleichheit zu begleiten und zu unterstützen.

Dies ist besonders begrüßenswert und unterstreicht in eindrücklicher Weise das Engagement der dort tätigen Lehrerinnen und Lehrer. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der Bildungsbiografien vieler Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die eben nicht gerade verlaufen sind wie im Regelsystem. Ich habe ja eben gelernt, das heißt jetzt „Jugendschule“. Das war für mich doch eine neue Begrifflichkeit.

Häufig sind ein Migrationshintergrund oder schwierige soziale Verhältnisse die Ursache dafür, dass die Absolvent/inn/en erst verspätet die Hochschulzugangsberechtigung erhalten.

Der vorliegende SPD-Antrag zeichnet sich dadurch aus, dass er in weiten Passagen die FDPFraktion zitiert und wiedergibt. Damit wird erfreulicherweise belegt, dass sich die Koalitionsfraktionen schon länger und vor allem mit der richtigen Prioritätensetzung im zweiten Bildungsweg befassen.

Ich muss ehrlich zugeben, Frau Schäfer, dass mich erstaunt hat, dass Sie durch die Antragsformulierung unseren Koalitionspartner so loben. Das finde ich richtig und unterstütze ich ausdrücklich.

Dann nehmen Sie in Ihrem Antrag die Unsicherheit über das Zentralabitur eben auch beim zweiten Bildungsweg auf. Damit attestieren Sie sich aber auch eine eigene schlechte Vorbereitung des Zentralabiturs; wir haben bereits im Fachausschuss darüber gesprochen.

Seitens der Koalition werden wir alles tun, um Frau Ministerin Sommer dabei zu unterstützen, das Zentralabitur mit Erfolg einzuführen, eben und ganz besonders auch beim zweiten Bildungsweg.

Dieser Antrag ist in der Substanz überflüssig, da die darin aufgeworfenen Fragen zum Teil unstrittig sind oder entsprechendes Handeln und entsprechende Überlegungen bekannt sind. Denn eines gilt: Den spezifischen Anforderungen und Bedingungen der Schulen des zweiten Bildungsweges muss Rechnung getragen werden.

Herr Kollege, erlauben Sie eine …

Ich möchte erst ein Stück weiter ausführen. - Zur Qualitätssicherung darf das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg aber nicht qualitativ schlechter sein - eben kein Abitur zweiter Klasse -, als an Gesamtschule, Gymnasium oder Berufskolleg. Aber genauso gilt, dass die Spezifika wie der bisher übliche Halbjahresrhythmus, die im Interesse der Bildungschancen der Absolventen liegen, erhalten bleiben müssen und nicht infrage gestellt werden. Ebenso müssen die Besonderheiten des Stundenplans, des Stundenvolumens und der Unterrichtsinhalte berücksichtigt werden. Genauso sind erwachsenenpädagogische Gesichtspunkte zu bedenken. Es liegt aber im Interesse der Absolventen, wenn so viele Gemeinsamkeiten wie möglich mit den anderen Abiturprüfungen hergestellt werden.

Kennzeichen der Schulpolitik der neuen Koalition ist es, mit den Betroffenen nach praxisnahen Lösungen zu suchen. Wir werden als Koalition dafür Sorge tragen, dass gemeinsam mit den Schulen des zweiten Bildungsweges ein vernünftiger und gangbarer Weg zum Zentralabitur im Jahre 2008 gefunden wird. - Schönen Dank.

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Kaiser. - Frau Beer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Welche Funktion haben teilzentrale Prüfungen sinnvoll eingesetzt in einem Bildungssystem? Teilzentrale Prüfungen sollen die Gleichwertigkeit von Abschlüssen sicherstellen, nicht aber die Gleichartigkeit oder eine Gleichschaltung bewirken. Teilzentrale Prüfungen sind als Instrument der Qualitätssicherung richtig und wichtig, wenn den Schulen pädagogische Souveränität und Profilbildung zugestanden werden. Die Lernwege müssen vielfältig gestaltet und offen gehalten werden, um den unterschiedlichen Ausgangslagen der Lernenden gerecht zu werden, um die unterschiedlichen Lernkanäle zu nutzen.

Wer Chancengleichheit will, muss Zugänge zu Bildungsprozessen lebensbegleitend ermöglichen und auch Erfahrungen und Kompetenzen ernst nehmen und wertschätzend einbeziehen, die außerhalb der institutionellen Bildung erworben wurden. Ich bin deshalb erstaunt über die Befürchtungen, die uns aus den Abendgymnasien erreichen, dass sie einer widersinnigen Gleichmacherei unterworfen werden sollen, entgegen den Zusagen der vorherigen Landesregierung und entgegen der fachlichen Ausführungen einer jetzt in der Regierungskoalition vertretenen Partei, wie sie noch einmal in dem vorliegenden Antrag aus einer Anfrage der FDP vom Februar dokumentiert werden.

Was dort über Kompetenzentwicklung und Lernprozesse ausgeführt worden ist, dem kann ich mich nur anschließen, bis auf einen grundlegenden Punkt, Herr Witzel: Das gilt nämlich nicht nur für den zweiten Bildungsweg, sondern auch für die allgemeinbildenden Schulen.